Beilage zum Amts- und Anteiligenzblatt Nro. 31
Dienstag den 12. October 1841.
Kriegs- und Friedens-Erlebnisse.
Erzählung.
„Ach, du grundgütiger, unerforschlicher Gott! Du bist ei» Hochchrwürdiger?! — H o ch gehaltener bei Schlägerei und Holzerei! Verehrter, Anerkannter bei Bier- uns Weingelagen, Präses beim göttlich brüllenden, weithin schallenden Kommers! Würdiger Probst der Küchenschürzen! Heiliger, Sonntag der Mägde!" -
Mit diesen Worten sprang der lustigste Husaren- Lieutenanl des europäischen Festlandes sammt den dazu gehörigen Inseln säbelrastelnd ins Zimmer hinein.
Der Thüre gegenüber saß im halbsammctnen Großvaterstuhle der ehrwürdige Superintendent und polirte mit dem Aufschläge des bequemen, schwarzgrauen HauS- rockes die schöne Emaille-Dose. Ihm zur Linken stand die neunzehnjährige, paffend getaufte Rose, sein Töchterlein , und Unterdrücker nur mühsam das mehrfach lautwerdenwvllende Lachen, was sich der leuchtenden Zähne wegen gar nicht übel auönahm. Mehr noch links beland sich, gleichfalls stehend, der Angercdete in vollständiger geistlicher Amtetracht, schweigend wie jene Beide, und der Husar begann auf s Neue:
„Ziehe den geistlichen Rock aus! Dir hat Gott ihn nicht, oder befangen von keufelniäßigein Jrrlhume, über- geworfcn. Er verwechselte die Personen, er meinte einen ganz Anderen, den er schwarz bekleiden wollte. Dir gehört Gelb, Du zum Lenker der Eilpost aller neunundneunzig Lüdcrlichkeiten g-schaffener, oder Roth, Oberbootkmann bei der Weißbiermeerflolte! Aber so pasquillariig Du dastc« hcst, ich trage ein unerklärliches Verlangen darnach, den Widerspruch Deiner Phisiognomic zu lecken."
Solvrt sprang er ihm gerade in das Gesicht, verfleug sich absichtlich in den Rockfaltcn des baumlangen Geistlichen und schonte der Ueberschlägelchen eben so wenig. Auf dem Rückwege aber von seinem damaligen Aufenthaltsorte, schlug er die Richtung nach Röschen ein und küßte lauischmatzend ihre schneewolligen Händchen. Eins dieser geküßten aber erhob sich mit Eisenbahnschnelle und versetzte dem Kavalleristen eine lautschallende, verwandt- schastliche Kardinal Packpfeife, und cS schien, es möge diese nicht die erste sepn, die sie spende, denn der Empfänger frottirte die getroffene Wange anhaltend, und verbeugte sich mit Grazie ziemlich tief. Aufgcrichtet endlich, sprach er flüsternd:
„lVIeoci, IVIsäemoiselle! vons eteg bien bon!"
„Das finde Ich gerade jetzt durchaus nicht !" lachte das Mädchen, und der Superintendiukt sagte:
„Ich ebenfalls keincSwegeS. — Aber was wist Er?" - fügte er hinzu.
„Aufwarten!" — antwortete der Lieutenant, wendete sich dem Papa zu und nahm die Position eines Rappor- tirenden an.
„Bei Tische!" — sprach Jener zurück — „das ist gut, der Ephoralbote hat Zahnschmerzen."
„Das sind" — erwiederre der Husar — „die besten Tafelaufwarter, die lassen da« Naschen."
Der Superintendent veranlaßte jetzt den Cirkularpre- diger, den er zur häuslichen Tafel behalten, durch die Pantomime des Aufknöpfcns, das Standeskleid abzulegen, worauf dieser, wie es schien, nicht ganz fremd im Hause, in ein anstoßendes Kabinct gieng, und Rosalie fand sich durch nichts abgehalten, ihm nachzublicken. Nach zwei Minuten aber trat auch ein herrlich gebauter Mann heraus, dessen Frack für den Stand seines Trägers allzu modisch schien.
„Gefällt Dir dieser Ausbund von Renommisterei? dieser akademische FleischcrGcsclle? dieser Vorkostcr alles Gebrauten, Gebrannten und Gekelterten?" — fragte der Husar das Mädchen.
Rosa, ohne gerade allzusehr verlegen zu werden, — sie war mit dem jungen, wahrhaft schönen Pastor Vollmer ziemlich genau bekannt worden — wußte doch nicht, wie stark der Geduldsfaden deS Landpfarrers war und sagte zu Felir, dem Husaren:
„Ich dächte, Du würdest einmal anständig!"
„Anständig?" — wiederholte dieser. — „Da solltest Du einmal das geistliche Fohlen hier sehen, wenn es losgelassen wird. Jetzt spielt er den Moralischen, des Onkels wegen. Den koppelt kein Husarcnwachtmcistcr wieder an. wenn er die Halfter der Sittsamkcit abgestreifclt hat. Gegen den bin ich ein frommes, lenksames Frauenrößlcin."
„Bis hierher zeigtest Du Dich mehr als viclmäuliges Kutschpferd, Herr Bruder," — versetzte Vollmer.
„Endlich wird er warm!" — lachte Felir — „na, so mache Deine Witzcourbetten, Deine Einfallslancaden. Laßt uns eine launige Kavalcade unternehmen, das Su- perintcndurTäubchen muß aber den milchfarbenen Zelter auch besteigen. Erlaube," — wandte er sich an die Cousine und griff nach ihrer Hand.....
„Erlaube" — rief Röschen, und zog sich zurück — „erlaube, daß ich erst nachsehe, ob."
„Lieber Vollmer" — sprach der Ephorus, freundlich dessen Hand ergreifend — „haben Sic denn jemals das Unglück gehabt, mit diesem da, mit Respekt zu sagen, meinem Neffen, intim zu scyn?"
„Die Ehre! wollten Onkelchen gewiß sagen?" — bemerkte Felir.
„Schweig Er!" - zürnte der Gutmüthige diesen launig an und wiederholte durch einen Blick auf Vollmer seine Frage.