Wechselreiche Innenpolitik des Jahres 1932

Die großen innerpolitischcn Auseinandersetzungen /»es Jahres 1032, in deren Zeichen auch das. neue Jahr stehen wird, begannen bereits im Januar mit den Verhandlungen über die Verlängerung der im Mai ablause »denAmts- ;cit Hindenburgs durch den Reichstag. Angesichts der geradezu entscheidenden Bedeutung dieser Frage glaubte der damalige Reichskanzler Dr. Brüning nicht warten zu sollen, bis nach den gesetzlichen Borschristen die Neuwahl des Reichspräsidenten zu erfolgen hatte. Er schlug daher dem Reichspräsidenten bereits am 4. Januar vor, daß der Reichs­tag seine Amtszeit mit versassungsändernder Mehrheit ver- lüngern solle, und erhielt von ihm die Genehmigung zu Ver­handlungen hierüber mit den Parteien. Da sür die Erzie­lung einer ^-Mehrheit die Gewinnung der NSDAP. für diesen Plan unerläßlich war, wandte sich der Neichswehr- uud Innenminister Grüner in einem Brief an Adolf Hitler und forderte ihn auf. zur Besprechung der Präsiüentcnsrage nach Berlin zu kommen. Es ivar das erste Mal, daß eine solche offizielle Aufforderung an. den Führer der NSDAP, von Berlin aus erging. Am 6. Januar fand die Aussprache zwischen Adolf Hitler und Grüner statt, der am 7. Januar eine Besprechung zwischen Hitler und Brü- ning-Gröner folgte. Hitler behielt sich hierbei seine Stel­lungnahme vor. um erst mit den anderen Gruppen der natio­nalen Opposition Fühlung zu nehmen. Nach Fühlungnahme mit Hilgenberg veröffentlichten dann HitlerundHugen- berg Erklärungen, in denen die parlamentarische Ver­längerung der Amtszeit des Reichspräsidenten abgelehnt wurde. Hugenberg begründete seine Ablehnung damit, daß die Wahl des Reichspräsidenten ein Volksrecht sei, der Reichs­tag aber der wahren Volksmeinung nicht mehr entspreche. Hitler erklärte, daß er aus versassungsrechtlichen. außen- und innenpolitischen Gründen die parlamentarische Wiederwahl ablchnen müsse. Der Reichskanzler Brüning sah sich daher gezwungen, dem Reichspräsidenten das Scheitern seiner Ver­handlungen zu berichten, i orauf Hindenburg bat, von einer weiteren Verfolgung dieses Weges Abstand zu nehmen.

Am gleichen Tage, an dem sich herausgestellt hatte, baß eine Wiederwahl Hindenburgs aus parlamentarischem Weg: nicht möglich war. fand die erste Fühlungnahme zwischen Persönlichkeiten der gemäßigten Rechtsgruppen statt, aus der sich der sogenannte Lahm-Ausschuß herauskristallisicrte. Er erließ am 2. Februar einen Aufruf, in dem Unterschrif­ten für die Wahl Hindenburgs gesammelt wurden. Die Un­terschriftensammlung, die mit einer lebhaften Werbeaktion verbunden war. ergab über 3 Millionen Stimmen, so daß sich am 16. Februar Hindenburg sür seine etwaige Wiederwahl durch das Volk zur Verfügung stellte. Schon am 22. Februar wurden als Gegenkandidaten gegen Hindenburg Hitler für die NSDAP, und Düster­berg sür die Deutschnationalcn ausgestellt, nachdem es sich nach längeren Verhandlungen tags zuvor herausgestellt hatte, daß es nicht möglich war. einen Einheitskandidaten ver natio­nalen Opposition aufzustellcn. Für Hindenburg sprachen sich hierauf in Aufrufen die Ncichsregierung, der Kyffhäuserbund, die Christlichen Gewerkschaften, die Zentrumspartet, die DBP-, die Landvolkpartei und die SPD. aus. während für Düsterberg die Deutschnationalen, der Stahlhelm und die Vereinigten vaterländischen Verbände aufriesen.

Am 22 Februar ivurde endlich die Sanierung des deutschen Bankivesens durch eine grobe Notverord­nung bekanntgegebcn. durch die die Darmstädter und Natio­nalbank verschwand und mit der Dresdner Bank verschmol­zen wurde, während weitgehende Stützungen sämtlicher an­deren Großbanken durch das gleich erfolgten. Für die Sanie­rung stellte das Reich über 700 Millionen zur Ver- sügung. In einer großen Rede verteidigte ferner Reichs­kanzler Brüning im Reichstag am 26. Februar die Ncichsregierung. woraus der Reichstag am 26. Februar alle Mißtrauensant äge gegen die Negierung Brüning ablehnte.

In dieser ersten Neichstagssitzung kam es bereits zu einem scharfen Zusammenstoß zwischen der NSDAP, und der Ne­gierung. nachdem in einer N e d e G ö b b e l s die auf Hindcn- burg bezogenen Wortegelobt von der Partei -er Deser­teure" gefallen waren. Das war der Austakt sür clnen Wahlkamps, der mit beispielloser Schärfe ge­führt ivurde und der die politische Erregung in Deutschland bis zur Siedehitze steigerte. Nach einer Wahlrede Hin - benburgs am 10. März, die durch Nnndsunk verbreitet wurde, fand am 13. März der erste Wahlgang zur Reichspräsidentenwahl statt, bei dem Hindenburg 18 6, Hitler 11,4, Tüsterbcrg 2.6 und Thälmann 4.0 Millionen Stimmen erhielten. Da die Stimmen für Hindenburg um

v. H. hinter der absoluten Mehrheit zurückblieben, war ein zweiter Wahlgang notwendig, der für den 10. April an- geseht wurde.

Die bevorstehende Neuwahl zum Preußischen Landtag, die für den 21. April festgesetzt ivurde. sowie zahlreiche Länder­wahlen brachten eine weitere Beunruhigung mit sich da sich immer stärker erwies, daß der Reichstag, der den Reichskanzler Brüning stützte, nicht mehr dem Volkswtllen entsprach. Diesem Gesichtspunkt wurde bereits bei einer Reihe von Länderparlamenten Rechnung getragen So war schon im Januar das oldenburgische Volksbegehren auf Landtags­auflösung erfolgreich gewesen. Im März folgten die Land­tagswahl in Mecklenburg-Strelitz. die Auslösung des Baye­rischen Landtages und die Auflösung der Hamburgischen Bür­gerschaft. Um Material gegen die NSDAP, zu gewinnen, ließ am 17. März die Negierung Braun große Haussuchungen in ganz Preußen bet den Ge­schäftsstellen der NSDAP, veranstalten. Um der überhand nehmenden Agitation Abbruch zu tun. erließ die Neichsregie- rung eine Notverordnung zur Sicherung deS O st e r f r i e d e n s bis zum 3. April, so daß der Monat März nach der ersten Neichspräsidentenwahl noch verhältnismäßig ruhig verlief. Am Tage vor der Wahl des Reichspräsidenten verübte ein fanatischer Geldtheoretiker auf den Neichsbank- präsidenten Luther einen Nerwlveranschlag. der jedoch glimpf­lich verlies. Der Täter batte gegen die Deflattonspoltttk und

das Festhalten an der Golümark demonstrieren wollen, für das sich Luther eingesetzt hatte.

Am 10. April ».rfolgte der zweite Wahlgang zur Wahl des Reichspräsidenten, in dem der Reichs­präsident von Hindenburg mit 10^ Millionen, d. h. mit 53 v. H. der abgegebenen Stimmen gewählt wurde, wäh­rend Hitler diesmal 13,4 Millionen Stimmen erhielt. Die Deutschnationalcn hatten aus die Ausstellung eines Kandi­daten sür den zweiten Wahlgang verzichtet, nachdem erneute Verhandlungen über einen gemeinsamen Kandidaten mit der NSDAP, daran gescheitert waren, daß die NSDAP, er­klärte, sie müsse auf der Aufstellung Hitlers bestehen. Die Wiederwahl Hindenburgs wurde in Deutschland in weiten Schichten lebhaft begrüßt und fand auch im Ausland einen starken und freundlichen Widerhall.

Am 12. April trat der alte Preußische Landtag zum letz­tenmal zusammen und best eine Aenderung der Ge­schäftsordnung, wonau.- die Wahl eines Ministerpräsi­denten statt mit relativer nur noch mit absoluter Mehrheit möglich ist.

Die zunehmende Agitation hatte inzwischen eine ganze Reihe von Terrorakten in ganz Deutschland gezeitigt. Die Agitation der Linken stellte als die Haupt­schuldigen an diesen blutigen Zwischenfällen die uniformierte SA. und SS. der NSDAP, dar. Unter dem Druck der preu­ßischen Negierung entschloß sich daher am 13. April die Neichsregierung auf Vorschlag Grüners zu einem Verbot der SA. und SS. für das ganze Reich. Dieses Verbot, das das allergrößte Aufsehen erregte, gab der Agitation der NSDAP, einen außerordentlichen Auf­trieb. Es wurde von allen Parteien der Rechten einstimmig verurteilt. Es war daher kein Wunder, daß die am 24. April gleichzeitig in Bayern, Preußen, Württem­berg, Anhalt und Hamburg stattflnbenden Landtags wählen ein außerordentlich starkes Anwachsen der NSDAP, ergaben. Die NSDAP, wurde zur stärksten Partei in allen deutschen Ländern. In Preußen erhielt sie 8 Millionen Stimmen und 162 Sitze, während sie im vorigen Landtage nur sieben Sitze hatte. Ent­sprechend war ihr Erfolg in den übrigen Ländern. Im übrigen brachte der April noch nach stebenmonatiger Unter­brechung die Wiedereröffnung der Börsen s13. April). Ferner brachte er einen Krisenkongreß der Gewerk­schaften. aus dem der Reichsarbeitsmintster Stcgerwald zum erstenMaleosfiziellePlänefüreineArbeitS- befchaffung durch die Neichsregierung bekannt gab.

Unterdessen hatte sich erwiesen, daß die letzte Notverord­nung zur Sanierung der N e i ch s f i n a n z e n vom Jahre 1031 nicht mehr ausreichte, und daß weitere Maßnahmen für die Erhaltung der Sozialversicherungen, den Ausgleich im Ncichshaushalt ufw. erforderlich waren. Die Ncichsregierung nahm unter Leitung von Dr. Brüning bereits Ende April die Verhandlungen hierüber aus. Es ergaben sich hierbei je­doch schwerwiegende Meinungsverschiedenheiten innerhalb des Kabinetts zwischen dem Wirtschaftsministcr Warmbold und dem Arbeitsminister Stegerwald über die Lohnfragen, so baß am 3. Mai Warmbold aus dem Kabinett ausschied. Der Reichspräsident begab sich aus

Urlaub nachNeudeck, nachdem er am 6. Mat fet», neu« Amtszeit angetreten hatte, währen- die Neichsregierung in­zwischen ihre neue Notverordnung vorbereitete. Diese sah u. a. eine Enteignung von Großgrundbesitz zu Siedlungs- zwecken und starke Kürzung aller Sozialrenten, der Gehäl­ter sowie eine Reihe neuer Steuern vor.

Während dessen kam es im Reichstag bereits am 11. Mat zu einer stürmischen Auseinandersetzung über das SA.-Vcr- bot. Gröner und Brüning versuchten, das Verbot zu verteidigen und erzielten am 12. Mai durch ihre geschickte Verteidigung noch einmal die Ablehnung der Miß­traue nsanträge gegen das gesamte Kabinett Brüning mit 278 gegen 267 Stimmen. Angesichts der osscs- kundigen Mißbilligung der Haltung Gröners durch den Reichspräsidenten zeigte es sich aber, daß der Reichswehr- minister Gröner nicht mehr zu halten war. Er mußte am 12. Mai seinen Rücktritt nehmen. Während das Reichs­kabinett unter Brüning inzwischen den Versuch unternahm, die Notverordnung doch noch fertig zu stellen, erfolgte am 10. Mai der Rücktritt des preußischen Kabinetts Braun. Der Preußische Landtag wählte am 24. Mai hier- auf zu seinem Präsidenten den Nationalsozialisten Kerrl. Die Landtagswahl in O l d en b u r g am 20. Mai ergab zum ersten Male in einem deutschen Land die absolute Mehrheit für die NSDAP. Am gleichen Tage erfolgte eine schick­salsschwere Aussprache zwischen dem Reichs­präsidenten von Hindenburg und demNeichs- kanzler Brüning, bei der sich schwerwiegende Mei­nungsverschiedenheiten zwischen dem Reichspräsidenten und seinem Kanzler ergaben. In der Unterredung, über die Authentisches bis heute nicht bekannt geworden ist, scheint der Reichskanzler eine Fortsetzung seiner inneren Politik verlangt zu haben, während der Reichspräsident auf einem tnnerpolitischen Kurswechsel bestanden haben dürfte. Am 30. Mai folgte daher der Rücktritt des Kabinetts Brüning, das damit nach über zwei Jahren Regierungs- zeit aus dem Amte schied.

Am gleichen Tage empfing der Reichspräsident noch die Führer der Parteien. Als ersten empfing der Reichs­präsident Adolf Hitler. Auf Grund dieser Bespre­chung beauftragte Hindenburg am 31. Mai auf Empfehlung des Generals von Schleicher den Politiker des rechten Zentrums, Herrn von Papen, mit der Bildung einer 'Re­gierung der nationalen Konzentration. Die Regierung wurde am 1. Juni ernannt, als erstes faßte das neue Kabinett den Entschluß, dem Reichspräsidenten die Auflösung des Reichstages in Vorschlag zu bringen, die am 4. Juut durch Verordnung des Reichspräsidenten erfolgte,weil der Reichstag dem politischen Willen des deutschen Volkes nicht mehr entspricht". Die Auflösung des Reichstages ist sicherlich eine der Bedingungen Adolf Hitlers sür die Tolerierung des neuen Kabinetts gewesen. Am 14. Juni erschien die erste NotverordnungderRegierungvonPapen. Tie außerordentlich harte Verordnung, die im wesentlichen der­jenigen entsprach, die der Reichskanzler Brüning hatte er­lassen wollen, rief allgemein starke Bestürzung hervor, da sie Kürzungen der Unterstützungen für alle Arbeitslosen. Inva­liden und Kriegsbeschädigten sowie neue Steuern sür alle Gehalts- und Lohnempfänger brachte. Am 16. Juni folgte die Aufhebung des SA.-, SS.- und Uuiformver- bots. sSchluß folgt.)

Die Weihnachtsbotschoft des Papstes

Erstes Originalbild von der Nundfunkansprache des Pap­stes. die er vom Vatikan aus am Heiligabend an die Chri­

stenheit hielt, und die von säst allen europäische« Sender» übertragen wurde.

Ausbauprogramm der Deuljchnatiorialen Volksparlei

Berlin, 28. Dez. Die Deutschnation-al« Volkspartet veröffentlicht ein Ausbauprogramm zur Behebung der beut- schen Not, das in der letzten Vorstandssitzung der Partei be­raten worden ist. Es enthält Vorschläge und Forderungen zur Au :n-, W.rtschafts- urrd Sozialpolitik. Di« Einzelhei­ten des Programms werden in de» nächsten Tagen veröffent­licht werden.

Grundsätzlich erklärt der Vorstand der Partei dazu zu- nächst u. a. folgendes: Die Aufgabe des WirtschastsausbaueS ist durch umfassendes Handeln auf organischem Wege zu lö­sen» durch Gesundung der Wirtschaft aus sich selbst heraus zu einer starken Nationalwirtschaft. Neben dieser privatwirt­schaftlichen Hauptaufgabe besteht bet dem augenblicklichen ge­fährlichen Schwächezustand der Wirtschaft die Notwendigkeit, zur schnelleren Ingangsetzung des sonst sich nur langsam bc- lebenden Arbeitsprozesses vorübergehend ein Sosort-Pro- gramm der Arbeitsbeschaffung einzuschieben,' es soll nur pro­duktive und rentable Arbeiten von öffentlichem, allgemeinem Interesse ausuehmen, so B. auf dem Gebiete des Verkehrs­

wesens. Als tiefste Ursache des Wirtschaftselends wird bann das sozialistische System bezeichnet, gegen bas der Kampf mit aller Schärfe unbeirrt weiter geführt wird.

Der Freiheitskampf der deutschnationalen Bewegung stell« die Aufgaben der inneren und äußeren Politik als gleich bedeutsam nebeneinander. Ein unabhängiges freies Re>ch bleibe Bedingung für jeden dauernden Aufstieg. Voraus- setzung für den freie« Machtstaat sei Wehrhoheit. Tie er- folgreiche Durchführung aller gestellten Aufgaben setze eine» von Partetetnflüsseu und unverantwortlichen Einwirkungen jeder Art freien OrdnungS-, Rechts- unb Machtstaat und eine starke und unabhängige Staatsführung voraus.

Staat, Gesellschaft unb Wirtschaft sollen, so heißt es bau« weiter, auf christlicher, sozialer Grundlage ruhen. Für die deutschnationale Bewegung ist bet ihrer christlichen im beste» Sinne konservativen Weltanschauung soziale Gesinnung «ine Selbstverständlichkeit. Wichtigste Aufgabe der Stunde bleibt schnellst« und wirksame Hilf« sür unsere darbenden und un­glücklichen arbeitS- und stellungslosen Volksgenossen, beson­ders für unsere schwer geprüfte und gefährdet« deutsche Ju­gend, der wir eine neue, bessere Heimat, eine lichtere deutsche Zukunft schasse« müssen und wollen.