Verbesserung der deutschen Stellung in Genf
Die Gleichberechtigungssorderung endgültig anerkannt — Frankreichs Sicherheits-
these gefährdet die Abrüstungskonferenz
Die Auffassung der Berliner maßgebenden Kreise über das Ergebnis von Genf läßt sich kurz dahin zusammenias- sen: Ohne sich besonderen Illusionen hinzugeben, glaubt man doch für Deutschland eine wichtige Position erkämpft zu haben, die uns bei den künftigen Auseinandersetzungen zugute kommen wird. Die einzelnen Phasen der Entwicklung seit dem Auszug Deutschlands aus der Abrüstungskommission im Juli dieses Jahres zeigen, verglichen mit dem Bild, das sich heute ergibt, den Fortschritt, den Deutschland in der Behandlung der Gleichberechtigungs- frage erreicht hat. Die Dinge haben sich wesentlich geändert. Die deutsche Gleichberechtigungssorderung ist nunmehr von den maßgebenden Mächten endgültig anerkannt worden.
Das ist entscheidend für alle weiteren Arbeiten. Man sieht es als besonders erfreulich an, daß es gelungen ist, namentlich für Oesterreich und für die früheren deutschen Verbündeten im Weltkriege, Bulgarien und Ungarn, den gleichen Vorteil durchgesetzt zu haben, und man ist der Neberzeugung, daß andere Staaten der von der Fünfmächtekonferenz vereinbarten Formel keine Schwierigkeiten mehr bereiten können. Frankreichs Sicher- heitsforderung ist dagegen nicht endgültig anerkannt worden, sondern bleibt nur als erster Programmpunkt erhalten. Deutschland hat ein durchaus praktisches Interesse an der SicherheitSfrage und würde, wenn Frankreich es nicht täte, die deutsche Sicherheit selbst, wie bisher immer, in den Vordergrund stellen.
Unter diesem Titel wird die deutsche Delegation auch eine ganze Reihe von Anträgen im künftigen Verlauf der Verhandlungen einbringen. Insbesondere werden die deutschen Vertreter die Forderung der Abrüstung der anderen mit aller Schärfe aufrechterhaltcn. Auch die in der Frage -er Gewaltanwendung getroffene Formulierung ist nach Ansicht der zuständigen Stellen für Deutschland durchaus an. nehmbar. Die materielle Anwendung des theoretisch anerkannten Prinzips der Gleichberechtigung konnte, so meint man nicht in diesen Besprechungen geregelt, sie muß ans der Konferenz selbst ausgchandelt werben, und man rechnet durchaus damit, daß eS darüber noch zu heftigen Debatten kommen wird. Der Grundsatz der Gleichberechtigung, und das ist daS Entscheidende in dem Genfer Abkommen, ist nicht nur. wie die vielleicht nur zu schwache Uebersetzung lautet, „verkörpert", sondern „verankert" oder „verwirklicht". Es sei keine Konvention mehr möglich, die nicht aus der Basis der Gleichberechtigung ruhe. Das, wie gesagt, gebe uns die Möglichkeit, einen wett stärkeren Druck als bisher auf die Gestaltung der Konferenz auszuübcn.
Daß die materielle Auswirkung nicht schon jetzt sestgestellt worden sei. entspreche auch insofern durch, aus unserem Interesse, als Deutschland sich Vorbehalten müsse, aus der Konferenz selbst geltend zu machen, welches Maß von Rüstung wir beanspruchen, denn eben dieses Maß unserer künftigen Rüstungen sei ja qualitativ wie quantita. tiv abhängig von der Schlußkonvention. Die deutsche Delegation wird sich, wie wir hören. Vorbehalten, zu den einzelnen Punkten ihre Forderungen anzumelden. Aus dem Memorandum vom 2t». August, das ja nur einige Beispiele anführe. um den Befürchtungen über überspannte deutsche Forderungen zu begegnen, erwachsen keinerlei Bindungen für uns.
Namentlich der Punkt 4 der Genfer Abmachungen wird in der Wilhelmstraße als ein erheblicher Erfolg verbucht, da in ihm noch einmal das erste Hauptziel Deutschlands, nämlich die Abrüstung der anderen, unterstrichen wird. Es ist Herrn von Neurath gelungen. Versuche einer Einschränkung der Abrüstnngsklausel abzuwehren, alles in allem: Die in Genf versammelten Staatsmänner hätten die Bedeutung der Stunde erkannt und entsprechend gehandelt. Doch wäre
es natürlich verfehlt, sich übertriebenen Hoffnungen für die Zukunft hinzugeben. Die Vereinbarung bilde lediglich den Ausgangspunkt für neue Verhandlungen und gebe der Konferenz einen erhöhten Auftrieb. Man rechnet in Berliner unterrichteten Kreisen mit einem Wiederbeginn der Abrüstungskonferenz für Anfang Januar nächsten Jahres. Es ist unschwer vorauszusehen, daß das deut-
England wünscht baldige SriegsschuldenverhanLluugen. In zuständigen Londoner Kreisen wurde die Auffassung auSgegeben, daß die Verschiedenheit der englischen und amerikanischen Ansichten den Entschluß der englischen Negierung zur Leistung der Tezemberrate in Gold nicht abändern lverde. Ter Abstand zwischen den beiderseitigen Ansichten sei
Londwirijchasi und Wirllchastspoliiik
Die rheinische Landwirtschaft fordert systematisch« Umstellung
Aus einer grossen Versammlung rheinischer Bauern in Euskirchen hielt am Sonntag der Vorsitzende der rheinischen Landwirtschaftskammer, Freiherr von Lüning, eine Rede, die die Forderungen der Landwirtschaft und ihre Stet, lung zur amtlichen Agrarpolitik klarlegte. Der Redner wies u. a. daraus hin. daß die deutsche Industrie infolge der gestiegenen öffentlichen Lasten ihre Fertigerzeugnisse im Durch, schnitt nur um 15—18 v. H. über den Vorkriegsprcisen verkaufen zu können erkläre, obwohl sie ihre Rohstoffe um 12 bis 15 v. H. unter den Vorkriegspreisen einkaufen könne. Während die Einkommenslage der gesamten Bevölkerung heute im Durchschnitt noch immer die Vorkricgslöhne ungefähr erreiche, sei das Einkommen der deutschen Landwirte fast auf ein Drittel herabgesunken. Der Erlös der deutschen Landwirtschaft aus ihren gesamten zum Verkauf gebrachten Erzeugnissen sei in den letzten drei Jahren um 2F Milliarden zurückgegangcn.
Seit 1914 sei ein ständig steigender Schutz industrieller
sche Ziel der Nivellierung der Rüstungen durch Abrüstung noch auf größte Widerstände stoßen wird.
Für diese Entscheidung haben »vir uns völlig freie Hand bewahrt. Nach wie vor bestehe die Gefahr, das die Konferenz namentlich an der französischen Sicherheits- forüerung scheitere. Geschehe das, bann befände sich Deutsch- laut» tu einer weil günstigeren Position als vor seinem Aus- tritt. Tor allem sei eine Rückkehr zum Teil V des Versailler Vertrages, wie man sie bei einem Aufstiegen der Konferenz im Juli hätte erwarte» müssen, diesmal ebenso unmöglich wie etwa ein Rückgriff auf den Uoung-Plan für den Fall, daß das Lausanner Abkommen nicht ratifiziert werde.
nicht sehr groß. Der Weg zu baldigen Verhandlungen stehe offen, die dann England Gelegenheit bieten würden, sein« Auffassungen darzulegen. Von den Besprechungen Mac- donalds mit seinen Ministerkollegcn wird es abhängen, ob England eine neue Note senden wird ober nicht.
Erzeugnisse sestzustellen, aber die Landmirtschast und damit den Binnenmarkt habe man 1825 schutzlos dem Auslande pretsgegeben. Von diesem Zeitpunkt an habe nur ein langsamer, völlig unzureichender Schutz der landwirtschaftlichen Erzeugnisse eingesetzt. ES sei immer offensichtlicher, daß der bisherige Weg einseitiger Förderung der Aussuhrwirtschaft zum Verderben führe. Es gebe keine andere Möglichkeit, zur Rettung der deutschen Volkswirtschaft als eine systema- tische Umstellung der deutschen Wirtschaftsführung in der Richtung einer Stärkung des Binnenmarktes, insbesondere der Landwirtschaft.
Man tröste die Landwirtschaft mit der Gestaltung der zoll- politischen Hilfe bet Ablauf wichtiger Handelsverträge im kommenden Frühjahr. Wer könne die Gewähr dafür geben, daß im Frühjahr entscheidende Wendungen zur binnenwirt» schaftlichen Orientierung erreicht würden, die bisher und jetzt abgelehnt werden. Auch im Frühjahr würden keineswegs alle wichtigen Fragen bäuerlicher Wirtschaft Handel», politisch gelöst, sondern man werde ohne KontingentierungS- Maßnahmen nicht auskomme«.
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Blick in den großen Konferenzsaal des Hotels Beau Nt vage in Genf, in dem die Schlußbcsprechungen in der Gleich.
berechtigungsfrage stattfanden.
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Urhsdoroevutr: ttorolct-Vorlag. Homburg (Saar)
II (Nachdruck verboten)
„Schäm dich", siel der Assistent, denn der war eS, mit stahl- hart klingender Stimme ein. „Was ich von dir denk, will ich lieber nicht sag'n, aber Respekt Hab ich nimmer viel vor dir."
Ohne ihn noch eines Blickes zu würdigen, wandte er sich ab und setzte sich an einen der Tische.
Mit einem verwunderten Blick hatte Jackl den fremden Jäger betrachtet. DaS also war der Assistent, dem er schon einmal bei Nacht begegnet war. Obwohl er keinen von den Jägern leiden konnte, dieser junge Mensch aber übte unwill- kü'-lich eine tiefe Sympathie auf ihn aus.
Der Kops mit dem leichtgelockten blonden Haar war ein echter Antoniuskopf, die feinen, weichen GcsichtSzüge hatten etwas Madonnenhaftes. Nur um den schöngeformten Mund, lag ein tiefer, ernster Zug. Ein paar große, dunkelbraune Auen mit einem unsagbaren ruhigen Blick, waren aber wohl a? schönste an ihm.
In Anbetracht seiner neunzehn Jahre war der Jäger von einem seltenen Ernst, der ihn älter und gereister erscheinen ließ als er war.
Obwohl daS Gesicht schon etwas gebräunt war, sah man ihm doch in seinen Manieren und Bewegungen den Städter an.
Lange hatte ihn Jackl betrachtet, einer inneren Stimme gehorchend, ging er auf ihn zu, und streckte ihm die Rechte hin.
„Ich dank dir", sagte er kurz, aber mit einer Aufrichtigkeit in der Stimme, die den Andern verwundert aushorchen ließ.
Für Sekunden sahen sich die beiden fest in die Augen. Tann schlug der Jäger kräftig in die ihm dargebotene Hand.
„N'chts zu danken", wehrte er lächelnd ab. „Ich weiß ganz gut, daß du auch ohne mich mit dem fertig geworden wärst, aber es ging gegen meine ISgerehre, wenn ich zuscknni'n müßt, wenn einer von meinem Stand wegen Weiberg'schichten mit dem Messer vorgeht."
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erinnern, daß ich dich schon amal g'schn hält", frug Jackl lauernd.
„Ich Hab dich heut zum erstenmal g'seh'n, aber mir ist schon soviel von dir erzählt worden, daß ich mir gleich g'sagt Hab, das muß der junge Boggtreuter sein/
„So, so", meinte Jackl recht trocken.
In diesem Augenblick verließ Franz den Saal, vorher aber noch einen haßerfüllten Blick auf Jackl werfend.
Doch dieser verzog nur spöttisch die Lippen. Jetzt geht er zur Droni und streicht mich recht schwarz an, dachte er sich.
Und darin sollte er sich auch nicht getäuscht haben. Denn schnurstraks ging Franz auf das Buchbergeranwesen zu, wo Vroni mit einer Näharbeit beschäftigt auf der HauSbank saß.
Kühl und steif begrüßte sie den Jäger, ohne von ihrer Ar- beit aufzusehcn. Eie nahm auch keine Notiz von ihm, als er sich dicht zu ihr setzte, sondern tat Stich um Stich an ihrer Arbeit.
Als er aber vertraulich den Arm um sie legen wollte, fuhr sie erschrocken zusammen und vermied ängstlich, ihn anzusehen.
„Geh zua, Droni, wer wird denn gar so ängstlich sein, hast denn gar net amal fünf Minuten Zeit für mich?" redete Franz auf sie ein. „Hast denn allweil noch den Andern im Kopf?"
„Franz, wann d' net hab'n willst, daß d' mich beleidigst, dann frag mich net darnach. Du weißt ganz gut, unter welcher Bedingung ich die Deine werd'."
Aergerlich biß sich Franz in die Lippen. Er wußte wohl, daß er nicht recht gehandelt hatte, aber er wollte Droni besitzen um jeden Preis.
Deshalb fuhr er schmeichelnd fort: „Schau, Broni, du sollst die Sach doch net so ernst nehmen. Wir werden uns schon noch versteh'« — wenn wir erst amal verheiratet sind. Schau, Vroni, ich mein? ja gut, denn der iS ja gar net wert, daß d' dich um ihn grämst. Grad Hab ich mit ihm beim Neuwirt drüb'n g'stritten, weil er dich schlecht machen wollt."
Teilnahmlos hatte sie ihm zugehört. Es schien, als ob sie es gar nicht merken würde, daß er neben ihr saß. Bei den letzten Worten aber entglitt ihren Händen das Tuch, an dem sie nähte. DaS ohnehin schon bleiche Gesicht wurde noch um einen Schein blässer, und mit zitternden Händen fuhr sie an den Schläfen empor, «US könnte sie daS soeben Gehörte gar
iu^-l )a,M, >.e wo-ue UM ms Gepcyl jcyrmen: „Las lg i -l
wahr, du lügst." Und doch fand sie nicht den Mut dazu. Sie befürchtete, daß es doch wahr sein könnte.
Franz weidete sich förmlich an ihrer Qual und beobachtet« lauernd das Micnenspiel, daS sich in ihrem Gesicht vollzog. Er rückte ganz nahe an sie heran und zischelte ihr ins Ohr: „Weißt, Droni, er hat g'sagt, solche Madl'n wie du, die liabt man wohl, aber heiraten tut man sie net."
Weiter kam er nicht, denn Droni fuhr Plötzlich wie von einer Natter gestochen in die Höh.
„Das ist amal net wahr — dös sagt der Jackl net!" kam es tonlos von den blutleeren Lippen. Dabei schauten ihre Augen so sehnsüchtig, so angstvoll in die Ferne, daß eS einen Stein hätte erbarmen können.
Für Minuten herrschte peinliches Schweigen zwischen den beiden. NervöS zwirbelte Franz an seinem Schnurrbart und suchte nach eimi anoern Lüge, um den verhaßren Nebenbuhler ganz auS dem Herzen des Mädchens zu vce^.ängen.
Doch auf all sein Drängen und seine schmeichelnden Reden gab sie nur ausweichende, traumverlorene Antworten. Sie hätte ausschreien mögen vor Schmerz und Elend bei dem Gedanken, daß Jackl über sie so gesprochen haben sollte.
Sie konnte eS einfach nicht glauben. Aber konnte eS nicht doch möglich sein, daß Jackl all die Jahre her nur ein leich- tes Spiel mit ihr getrieben hatte?
Bitter lachte sie auf. War das Wahrheit oder Lüge?
Sie sah ihn vor sich stehen, den großen, baumstarken Mann, den dunkelhaarigen, fast schwarzen Lockenkopf leicht zurückgeworfen, ein sieghaftes Lachen um den bartlosen Mund und ein glühendes Feuer in den tiefschwarzen Augen.
Für Sekunden schloß sie die Augen und atmete lief auf. Dann sprang sie plötzlich mit einem jähen Ruck in die Höh. Die sonst so gutmütigen Augen flammten in jähem Zorn auf.
Er war schuldig ohne Zweifel, das stand bei ihr nun fest — so auS der Luft greifen konnte es Franz doch nicht, und ohne vielleicht zu wissen, was sic tat, streckte sie rNan) die Hand hin, in die dieser triumphierend einschlug. Ja sie gestattete es ihm sogar, daß er den Arm um sie schlang, und sie
fest an sich preßte. ^
^Fortsetzung kolat).