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Nr. 293

Amis- unä Anzeigeblatt für äen Oberamtsbezirk ?alw

Mittwoch, den t4. Dezember 1932

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Jahrgang 105

Vor neuen Verwicklungen in Berlin?

Der Reichstag durch folgenschwere Beschlüsse des Haushaltausschusses bedroht Aufhebung der sozialpolitischen Notverordnungen aefordert

--- Berlin, 14. Tez. Im Haushaltsausschub des Reichstags ist es am Dienstag abend zu ganz überraschenden Beschlüssen gekommen die, wenn die Parteien im Plenum des Reichstages daran sestlnrllen sollten, das Schicksal des Reichstags von neuem bedrohen. Ter Ausschuß hat nicht nur beschlossen, die erste Papensche Rotverord­nung vom 14. Juni, die Rentcnkürzungen und eine Til­gung der Arbeitslosenhilfe Vorsicht, aufzuhebcn, er hat auch einem Antrag zugestimmt, die Brüilingsche-R o t v e r o r d- nun» vom 8. Dezember 1931 zu streichen Die Verordnung ist wohl die volkstümlichste der letzten Jahre, weil sie nicht nur eine Zinssenkung, sondern auch eine Miet- senkung enthält. Es ist natürlich ein Ding der Unmöglich­keit. diese Verordnung zu beseitigen, weil sich das gesamte Wirtschaftsleben bereits auf diese gesetzlichen Bestimmungen eingespielt hat. so daß geradezu chaotische Zustände heraus- beschwvren würden, wenn man aüe diese Bestimmungen wie­der rückgängig macht.

Z» beachten Ist. daß die Beschlüsse des Haushaltsausschusses kür dir Regierung keine bindende Kraft haben. Es bleibt nun zunächst einmal abzuwarten, wie sich der Reichs­tag, wenn er wieder zusammentritt, zu diesen Beschlüssen stellt. Sie werden ihm vom Haushaltsausschub selbstverständ­lich vorgelegt. Er muß darüber abstimmen, ob sie bestätigt oder verworfen werden sollen Für die Parteien, die im Ausschuß für diese Anträge gestimmt haben, wäre es natür­lich ungewöhnlich schwer, plötzlich wieder eine Schwenkung vorzunehmen und die Haushaltsbeschlüss« abzulehnen. In dem Verhalten des Hauslialtsausichusses liegt also wieder einmal die Ursache einer neuen Krise begründet, die im Januar in irgend einer Form, ihren Ausdruck finde» muß. Es ist wohl schon jetzt festzustellen, daß die Regierung In diesem Streit nicht den Kürzeren ziehen, sondern Laß der Reichspräsident wohl nicht zögern wird, dem Kanzler die Auslöiungsorder zn geben. Alle diese Beschlüsse spie­len aber in dem Augenblick keine Nolle mehr, wenn es ein­mal leststeht. daß die Mchrheitsparteien im Reichstag auf eine Auflösung Hinsteuern. Sie werden in diesem Fall zn dem wesentlich einfacheren Mittel einer Zustimmung zn dem noch immer vorliegenden kommunistischen Miß- irauensantrag greisen. Eine Annahme dieses Antra­ges hätte natürlich automatisch die^Auflüsung des Reichstags zur Folge.

TU. Paris, 14. Dez. <Eig. Drahtber.s. Die Negierung Herrlot ist heute früh S IS Uhr gestürzt worden; sie wir- sich in den ersten Vormittagsstunden geschloffen ins Elysee be­geben, um dem Präsidenten der Republik ihren Rücktritt zu unterbreiten. Die Kammer hat den von Herriot gestellten Bertraucusantrag mit 492 gegen 187 Stimmen abgelehut.

Der Finanz- und der Auswärtige Ausschuß der Kammer hatten den Wortlaut der Negierungsnote an Amerika ab­gelehnt und dafür einen Gegenvorschlag eingebracht, in dem die Kammer aufgesordert wird, die am 15. Dezember fällige Zahlung so lange aufzuschieben, bis eine internationale Konferenz einberusen worden ist. Die Entschließung wurde mit dem Hoover- woratorium. mit dem Baseler Eachocrständigenbericht und dem Vausanner Abkommen begründet. Es wurde ferner dar­auf hingewiesen, daß die von der Negierung an die Zahlung geknüpften Vorbehalte durch die ablehnende Antwort der amerikanischen Negierung auf die englischen Vorbehalte gegenstandslos geworden seien.

Die Verlesung des EntschließungSantrageS der beiden Ausschüsse wurde von der ganzen Kammer mit einigen Au«, nahmen in den Reihen der Nadtkalsozialtsten mit anhal. tendem Beifall ausgenommen. Als Herriot an­schließend selbst die Tribüne bestieg, um sich zu einigen Fra­gen der Tagesordnung zu äußern, wurde auch er von allen Bänken durch anhaltenden Beifall begrüßt. Tie Kammer wollte damit zum Ausdruck bringen, - sich ihre Einstellung in keiner Weise gegen ihn oder sein Kabinett richtete.

Die Vorschläge des Kabinetts Herriot, die eine bedingte Zahlung der fälligen Schuldrate und das Verlangen nach Neuregelung der Kriegsschulden enthielten, wurden von der Kammer abgelehnt.

Ein Vertreter des ReichssinanzministeriumS teilte in der gestrigen Sitzung mit. daß die Vorbereitung des Haus­haltsentwurfes für 1933 in vollem Gange sei. Der Entwurf sei aber noch nicht endgültig abgeschlossen. Insbe­sondere deshalb nicht, weil die Ncichsregierung die Aus­wirkungen des Arbeits-Beschafsungsvro- gram*ms noch berücksichtigen wolle. Weiter beschloß der Ausschuß auf soz.dem. Antrag mit den Stimmen der Kom­munisten. der Deutschnationalen und der DVP. gegen Zen­trum und Nationalsozialisten, eine Finanzaussprache in der zweiten Januarwoche vorzunehmcn.

Ein Vertreter des Ncichsarbeitsmintsteriums stellte die Finanzlage der Invaliden-, Ange st eilte n-, KnavoschaftS- und Unfallversicherung dar. Die Beiträge der Invalidenversicherung feien von all Mil- lionen monatlich im Jahre 1929 bis aus etwa 53 Millionen monatlich im lautenden Jahre -urückgcgangen. Im Jahre 1V31 habe sich bereits ein Fehlbetrag von 188 Millionen er­geben. und dieser Fehlbetrag sei in den folgenden Jahren ohne die Notverordnung so groß geworden, daß das gesamte realisierbare Vermögen zu einer Deckung nicht ausgereicht hätte. Trotz der Auswirkungen der Notverordnung müsse man im nächsten Jahr noch mit einem Fehlbetrag von 1S5 Millionen bei der Invalidenversicherung rechnen. Die Sicherstellung dieses Bersichermtgszweiges sei die Haupt- aufgabe der nächsten Zukunft.

Die Ange stelltenver.1 ich erung habe zur Zeit ^war noch erhebliche Ueberschüsse. Da sie aber Versicherung-, technisch nicht völlig gesichert sei, lei auch'hier eine Kür­zung der Leistungen notWendig. Dt« KnappschastsvensionS- Versicherung leide ünrer etnestr außeromentltchen Beitrags- ausfall infolge Lohnsenkungen, Arbeitslosigkeit und Kurz­arbeit. Die Arbeitcrpensionskaffe sei vorläufig durch einen jährlichen Ncichszuschuß von 8g Millionen ins Gleichgewicht gebracht. In der Angestelltcnpcnsionskane dagegen sei trotz eines Reichszuschusscs noch ein Fehlbetrag vorhanden.

In der Unfallversicherung stiegen die Umlage­beitragssätze infolge des Rückgangs der Lohnsummcn stark an. Im Kohlenbergbau habe der Beitragssatz etwa g Pro- zent des Lohnes erreicht. Ter Rcgierungsvcrtreter erklärt«, daß eine Aushebung der Notverordnung vom 14. Juni 1932 für die Sozialversicherung eine Mehrbelastung von rund 300 Millionen bringen müsse.

Vierte britische Schuldennote in Washington überreicht Wie bekannt wird, hat der englische Botschafter dem Staatssekretär Stimson in der Nacht zum Dienstag eine vierte englischeKriegsschuidennote überreicht. In ihr verpflichtet sich England zu bedingungsloser Zahlung.

Auch Belgien zahlt nicht

TU. Brüssel, 14. Dez. Der Kabinettsrat beschloß gestern den Rücktritt des Kabinetts, den der Ministerpräsident dem König am Abend überreichte. Ter belgische Ministerrat hatte zuvor beschlossen, die fälligen Zahlungen an die Vereinigten Staaten von Amerika nicht zu l e i st e n. Dieser Beschluß wurde vom Außenminister Hymans sofort dem amerikani­schen Gesandten übermittelt. Der König hat de Broque- ville mit der Neubildung der Negierung beauftragt.

Millionen Franken für neue belgische Grenzbefestigungen Die belgische Negierung beabsichtigt, nach Meldungen aus Brüssel, an der deutsch-belgischen Grenze Unterstände zu erbauen und mit automatischen Feuerwaffen zu versehen. Tie Kosten von über 60 Millionen Franken sind bereits ge­deckt. Ferner soll der französische Abschnitt von Hcrvt stärker befestigt und als Berteidlgungsstützpunkt für Lüttich aus­gebaut werden.

Morgen Reichskanzlerrede

Die in Aussicht genommene Rede des Reichskanz­lers, die über all« deutschen Sender zur Verbreitung ge­langt, wird, wie die Neichsrundsunkgesellschast mitteilt, am morgigen Donnerstag in -er Zeit von lS.30 bis 20 Uhr ge­halten werden. Morgen tritt in Berlin der Hauptvorstand des NeichsvcrbandeS der Deutschen Industrie zu einer Sit­zung zusammen, In der auch NcichswirtschaftSmtnIster Warmbold und Relchssinanzminister Schwerin- Krosigk sprechen werden.

Tages-Zpiegel

Der HanshaltSauSschuß des Reichstags hat die Aufhebung der sozialpolitischen Notverordnungen beschlossen. Damit droht für den Reichstag erneut die Gefahr der Auslösung.

Reichspräsident von Hiudenburg empfing am Dienstag den Reichsaußcuminister von Neurath zur Berichterstattung über die Geuser Verhandlungen zur Gleichberechtigungö- sordcruug.

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An der gestern stattgesunbenc» Sitzung des Präsidiums der Abrüstungskonferenz nahm erstmals wieder ei« Vertreter Deutschlands teil.

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Das Kabinett Herriot ist von der Kammer gestürzt worden. Es handelt sich hierbei lediglich um eine Kundgebung ge­gen die Kriegsschuldensorderung Amerikas. Auch das bel­gische Kabinett ist gestern zurückgetreten, nachdem es eine Zahlung an Amerika abgelehnt hatte.

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Der republikanische Abgeordnete Mac Fadde« beabsichtigt einen Klageantrag gegen Hoover wegen dessen Haltung in der üriegsschnldeufrage.

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Bei dem Zusammenstoß zweier Schnellzüge in der Nähe von Luzern fanden 13 Menschen den Tod.

Fühlungnahme des Kanzlers mit dem Reichsrat.

Reichskanzler von Schleicher empfing am Dienstag den geschäftsiührenden Ausschuß des Reichsrates, der aus je einem Vertreter Preußens, Bayerns. Württembergs und für die kleineren Länder Exzellenz Boden besteht. Lei dem Empfang handelt es sich um eine übliche erste Vorstellung des Reichsratsausichujses bei der neuen 'Ncichsregierung. Im Namen des Relchsrates brachte Ministerialdirektor Tr. « recht. der Vertreter Preußens, die Wünsche und Ansichten deS Rcichsrates zum Ausdruck, vor allem, soweit es sich um das Verhältnis der Neichoregierung zum NeichSrat bzw. zu den Ländern handelt. Nachdem der Kanzler kurz erwidert hatte, fand ein Gedaukeuaustausch statt.

Das Handwerk an den Reichskanzler.

Der Reichsverbanü des Deutschen Handwerks hat in einem Schreiben den Reichskanzler gebeten, in seiner morgigen 'Rundfunkrede auch zu den vordringlichen Fragen der Hand- werkswirtjchaft Stellung zu nehmen. Das Schreiben betont» daß nur durch die unmittelbare Eiiisck>altuug einer mit den Verhältnissen des gewerblichen Mittelstandes durchaus ver­trauten Persönlichkeit an entscheidender Steile die erforder­liche Berücksichtigung des Handwerks erwirkt werden könne.

Ter Eingabe wurde eine Entschließung beigefügt, die den Ernst der Lage im Handwerk und seine Verzweislungsstim- mung kennzeichnet. Schließlich wurde der NeichskaiHlcr noch gebeten, der Lpihenoertretung des deutschen -Handwerks sobald wie möglich Gelegenheit zn mündlichem Vortrag zu geben. Auch an den Neichskommissar für das Handwerk und das Kleingewerbe trat der ReichSvcrband heran mit der Bitte, im Sinne des an den Kanzler gerichteten Schreibens leinen Einfluß zur Geltung zn bringen.

Eisenbabnkatastropbe bei Luzern

Zwei Züge im Tunnel znsammengestoßen.

TN. Luzern, 14. Dez. Im Gütsch-Tunncl bei Luzern sind am Dienstag nachmittag zwei Züge mit großer Wucht auf­einander gestoßen. Es handelt sich um den Gotthard-Schnell­zug 554 und den Züricher Schnellzug. Bei dem furchtbaren Zusammenstoß hatte der Züricher Schnellzug eine Llunden- geschwindigkeit von etwa 50 Kilometer. Tie beiden Lokomo­tiven fuhren ineinander. Der Arm des einen Lokomotlvsüh. rers ragt noch wie ein furchtbares Warnnngssignal aus dem zertrümmerten Führerstand heraus. Ter Postwagen des einen Zuges wurde senkrecht ausgestellt und der Stuttgarter Personenwagen türmte sich auf ihn hinauf.

Die Zahl der Todesopfer beträgt nach den letzte» Mitteilungen des Stationsamtes in Luzern 13 und die der Verletzten 10. Unter den Getöteten befindet sich auch ein Deutscher, und zwar der Berliner Geschäftsreisende Türke.

In dem von Luzern nach Bellinzona gehenden Zng be­fand sich auch ein BIchtranSport. In die Hilfeschreie der Verwundeten mischte sich das Angstgebrüll der Tiere. So­weit diese lebend davonkamen, konnten sie nur mit großer Mühe aus dem Tunnel einzeln herausgeführt werden.

Die Ncttungsarbeiten in dem dunklen und engen Tunnel waren sehr schwierig. Dle Ursache des Zusammenstoßes liegt darin, Laß der Züricher Schnellzug bei der Signalstelle Sen- timatt das geschloffen« Einfahrtssignal überfuhr und dadurch In die auf den Gotthard-Schnellzug gestellte AblenkungS- wrlche Hineinsuhr. Dir Heiden Lokomotiven rasten dann gegeneinander.

Das Kabinett Herriot gestürzt

Eine Kundgebung der französischen Kammer gegen die amerikanischen Kriegsschnlden-

sorderung Herriot wird wiederkehren