Dr. Luther über Wirtschaft und Währung
— München, 5. Dez. Retchsbankpräsident Dr. Luther sprach am Samstagmtttag auf der Jahrestagung des Bundes der Freunde der Technischen Hochschule München über „Wirtschaft und Währung". Dr. Luther ging davon aus, baß die Ansicht, daß sich der in dem bestehenden Regierungs- programm enthaltene privatwirtschaftliche Belebungs- gebanke nicht bewährt habe, ein vorschnelles und unbegründetes Urteil darstelle. Die Steuergutscheine seien durch die Beschlüsse der Neichsbank zu einem Kreditinstrument von besonders hoher, ja einzigartiger Ausnutzbarkeit gemacht worden. Der Steuergutschetn müsse weiter in die breite Maste der Steuerzahler einüringen. Von den 700 Miil. Mark, die für die öffentliche Arbeitsbeschaffung bereitgestellt seien, sei bis heute nur etwa die Hälfte durch wirkliche Auftragserteilung verwertet worden. Die Neichsbank habe angeregt, ob nicht gewisse, erst im Frühjahr mögliche Arbeiten zurückgestellt und die dadurch freiwerdenöen Kredite für alsbald ausführbare Arbeiten verwendet werden könnten. Die 700 Millionen Mark Lohnprämien in Form von Steuergutscheinen seien noch so gut wie unbelegt, da anscheinend nur recht wenig Neuetnstellungen im Hinblick auf Prämien-Steuergut- scheine erfolgt seien.
Verfälschungen und Verschleierungen des Kreditsystems so führte Dr. Luther weiter aus, führten notgedrungen zu größten Fehllettungen des Kredits. Man wisse ja aus eigener Erfahrung, daß schon ein zu starker Konjunktur- opttmismus und eine dadurch gewährte Uebertrelbung in der Kredithergabe genügten, um schwere Fehlleitungen von Kapital zu verursachen. Die furchtbare Krise würbe an manchem Punkte weniger schwer gewesen sein, ivenn di« deutsche Kreditwirtschaft größere Zurückhaltung geübt hätte.
Dr. Curtius an die amerikanische Presse
In einer Abschiedserklärung an die Neuyorker Presse vor seiner Heimreise drückte der frühere Neichsaußennnnister Dr. Curtius die Ueberzeugung aus, daß die geduldige, weise Führung des Reichspräsidenten v. Hinbenburg, der die Zuneigung und das Vertrauen der großen Mehrheit des deutschen Volkes weiter genieße, Deutschland aus der kritischen Lage herausführen werde, in die es das Versagen des Reichstages gebracht habe. Außer stabilen politischen und sozialen Verhältnissen in Deutschland scheine das amerikanische Volk die Frage der Sicherheit seiner Anlagen in Deutschland am meisten zu interessieren. Es sei natürlich unmöglich in Zeiten wie den jetzigen, wo 32 Länder die Devisenkontrolle eingeführt hätten, mit Sicherheit das zukünftige Schicksal der deutschen Werte vorauszusagen. Er weise jedoch vertrauensvoll auf die Tatsachen hin, auf denen Deutschlands Außenkrebite von heut« basieren.
Innerhalb der letzten zwei Jahre seit Beginn der deutschen Kreditkrise infolge des überwältigenden Drucks politischer Zahlungen und des Zusammenbruchs des Außenhandels infolge der Weltkrise habe Deutschland seinen AuS- lanbsgläubigern über 8 Milliarden Goldmark zurückgezahlt. Das sei ein« hervorragende Leistung und zeuge von dem starken Wunsch und der Entschlossenheit d«S deutschen Volkes, seinen traditionellen Ruf der Ehrlichkeit und geschäftlichen Redlichkeit aufrecht zu erhalten. Eine derartige Entschlossenheit werde die deutsche Politik weiter leiten und ihren Ausdruck finden in den äußersten Anstrengungen, allen ausländischen Verpflichtungen kurzfristigen ober langfristigen Charakters nachzukommen.
Reichsbank zahlt 4 Millionen Dollar an die BIZ. zurück
Die Reichsbank hat die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich benachrichtigt, daß sie auf den ausstehen- ben Notenbankkredit von 00 Millionen Dollar, welcher am ö. Dezember 1832 fällig wird, 4 Millionen zurückzahlen wird. Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, die Bank von Frankreich, die Bank von England und die Federal Reserve Bank of New ?)ork haben zugestimmt, den ausstehenden Betrag von 88 Millionen Dollar in gleichen Beträgen für einen Zeitraum von drei Monaten zu verlängern.
Eine Kundgebung Papens
Der am Samstag aus seinem Amt scheibende Reichskanzler von Papen erläßt folgende Kundgebung: „In dem Augenblick, wo ich das Kanzleramt, in bas mich das Ver- trauen des Herrn Reichspräsidenten berufen hat. an meinen Nachfolger abgebe, liegt es mir am Herzen, allen Freunden tm Lande zu danken, die in den verflossenen sechs Monaten die Arbeit der Reichsregierung um die Wiedergewinnung unserer äußeren und inneren Freiheit, um die Grundlegung eines neuen und besseren konstituierenden Lebens, um autoritäre Staatsftthrung gegen Parteiherrschaft, um Arbeit und Brot für alle, unterstützt haben. Meine Arbeit hatte nur ein Ziel: Dem Zusammenschluß aller wahrhaft vaterländischen Kräfte zu dienen. In ihm liegt die Zukunft der Nation beschlossen, der wir alle heißen Herzens dienen. Kämpfen wir weiter „Mit Htnden- burg für bas neue Vaterland".
Waisenrenten und Kinderzuschuß in der Angeslelllenversicherung
Die Reichsversicherungsanstalt für Angestellte teilt mit: Nach der 4. Notverordnung durften Waisenrenten und Kin- berzuschutz für bas vollendete 15. Lebensjahr hinaus vom 1. Januar 1932 an auch in der Angestelltenversicherung nicht mehr gezahlt werden- Auf Grund der Ermächtigung in der Verordnung vom 18. Oktober 1!>32 haben Direktorium und Verwaltungsrat der Reichsversicherungsanstalt die 18- Jahresgrenze für den Bezug von Waisenrenten und die Gewährung von Kinderzuschüssen als widerrufliche Mehrleistung ein geführt. Der Reichsarbeitsminister hat am selben Tage diesen Mehrleistungen zugestimmt. Mit Rückwirkung vom 1. Oktober 1832 werden Waisenrenten und Kinderzuschüsse längstens bis zum vollendeten 18. Lebensjahr gezahlt, solange ein Kind nach Vollendung des 15. Lebensjahres Schul- und Berufsausbildung erhält oder infolge körperlicher und geistiger Gebrechen außerstande ist. sich
Der Alterspräsident des Reichstages
Heute tritt in Berlin der neugewählte Reichstag zusammen- Er wird von dem bekannten Heerführer aus dem Welt
kriege, ocm yeace dujni-rigcu er>eae.ac ruiz.uauu, er-.^.ier werden. General Litzmann ist bekanntlich Mitglied der NSDAP.
selbst zu unterhalten. Stiefkinder und Enkel können die Mehrleistung nicht erhalten. Zur Gewährung der neuen Leistung bedarf es eines ausdrücklichen Antrages an die Reichsversicherungsanstalt.
Der „Stahlhelm" marschiert
Geländespiel mittelbadischer Stahlhelm-Sportkorps
Die Stahlhelm-Sportkorps Blücher lmit Abteilungen aus Pforzheim, Mühlacker und anderen Orten des Kreises Enz- Nagoldi und Markgraf lmit Abteilungen u. a aus Karlsruhe, Bruchsal, Brette» und Elsenz) trafen sich in Stärke von mehreren hundert Mann zu einem Geländespiel in Wilferdingen. Das Geländespiel sollte die bisherige Ausbildung der Stahlhelmer in der Geländeausnutzung, im Spähen und Streifen im Gelände zeigen. Bet der anschließenden Besichtigung durch den Lanbesführer für Baden- Württemberg, von Neufville, gab dieser in einer Ansprache seiner freudigen Genugtuung über bas Vorwärtsschreiten der Sportkorpsarbeit Ausdruck. Erst im Juni 1932 hat der Stahlhelm mit der Aufstellung von Sportkorps begonnen, und am Sonntag hatte der Landesführer bereits bas 21. Sportkorps des Landesverbandes besichtigt. Auch baS weitere Ziel gab der Landesführer an: zu den Fußballabteilungen müssen Nachrichten-, Reiter- und Segelflteger- abteilungen in allen Sportkorps treten. Der Anfang damit ist gemacht.
Schwedischer Staatsbesuch in Finnland
TU. Berlin, 5. Dez. Kronprinz Gustaf Adolf von Schweden und die Kronprinzessin Luise trafen nach einer Meldung aus HelsingsorS am Samstagnachmittag zu dreitägigem Besuch an Bord des Panzerschiffes „Gustaf V." in Finnland ei». Dem Besuch wird größte politische Bedeutung beigemessen.
Neuregelung der Lebensmittelversorgung in der Sowjetunion
TU. Moskau» 5. Dez. Der Rat der Volkskommissare und der Vollzugsausschuß haben eine neue gemeinsame Verordnung erlassen, die sich mit der Ernährungslage der Sowjetunion befaßt und die eine grundsätzliche Neuregelung der Lebensmittelversorgung bringt. Die Verordnung ist besonders interessant, weil sie das Eingeständnis eines völligen Versagens -er bisherigen Ordnung in der Lebensmittelversorgung barstellt. Dieses wichtige Gebiet wird auf Grund der neuen Verordnung dezentralisiert. Die Sorge um die Sicherung der Ernährung der Arbeiterschaft wird den Betriebsräten und als oberster Instanz einem neuen Regierungsausschuß übergeben. Als Nebenzweck strebt die Verordnung den schärfsten Kampf gegen Schiebungen und Spekulationen an.
Kleine politische Nachrichten
Das Ausland über das Kabinett vo« Schleicher. Die italienische Presse weist allgemein darauf hin, daß das Kabinett von Schleicher in der deutschen Oeffentlichkett außerordentlich günstig ausgenommen worden sei- Der Popolo bi Roma schreibt: „Die hervorragende Presse, die Schleicher in Frankreich. England und Amerika gefunden habe, erhöhe sein innerpolttisches Prestige und stelle die Parteien vor eine schwere moralische Verantwortung.
Quartiergelder für elsaß-lothriugische Gemeinden siir Unterbringung deutscher Truppen im Weltkrieg. Dem „Matin" wird aus Nancy berichtet, baß dem französischen Kammerausschuß für Elsaß-Lothringen ein Antrag vorliege, demzufolge einzelnen Gemeinden der drei elsaß-lothringischen Departements die Summen zurückgezahlt werden sollen, aus die sie auf Grund der „Unterbringung deutscher Truppen während des Krieges 1914,18" Anspruch hätten. Die Hiertür beantragten Kredite belaufen sich auf 15 Millionen Franken.
Herriot gegen eine Vertagung der Abrüstungskonferenz. Soweit sich von Paris aus übersehen läßt, wird Herriot alles tun, um eine Verschiebung der Abrüstungskonferenz zu verhindern, weil dies gleichbedeutend mit einer Vertagung -er Aussprache über den französischen Abrüstungsplan wäre, der nach Ansicht des Quai d'Orsay die Grundlage zur Lösung aller mit der Abrüstung zusammenhängenden Fragen darstellen soll.
Englischer Protestschritt in Teheran. Die britische Gesandtschaft in Teheran hat im Auftrag der britischen Negierung dem persischen Außenministerium eine Note übermittelt, in der Einspruch gegen die Aufhebung der Erdölkonzession der Anglo Pcrsian erhoben wird. In der Note heißt es, daß der Schritt der persischen Negierung unberechtigt sei, da Großbritannien große Kapitalien tu der Konzession investiert habe.
Der Zusammenstoß in Hamborn
Ein schwerer Zusammenstoß zwischen etwa 200 National, sozialistcn und etwa 150 Neichsbannerleuten er-igncte sich Sonntag früh an der Hamborn-Oberhausener Grenze in ocr Nähe von Holten. Die aus Hamborn und Duisburg-Beeck stammenden Nationalsozialisten befanden sich auf dem Wege zu einer Wehrsportübung, während die Neichsbannerleute von einer solchen Uebung aus Richtung Dinslaken zurückkehrten. Zwischen beiden Trupps kam es zu Tätlichkeiten, wobei die Gegner mit Steinen und Hiebwaffen aufeinander losgingen und mehrere Schüsse abgegeben wurden. Wie die Polizei mitteilte, mußten sieben Neichsbannerleute ins Krankenhaus gebracht werden. Einer von ihnen hatte einen Oberschenkelschuß, die anderen Hiebverletzungen erlitten. Von der Nationalsozialisten sind sechs verletzt worden. Drei von ihnen haben Schußverletzungen und drei Hiebverletzun. gen bavongetragen. Waffen konnten nicht beschlagnahmt werden.
Politische Kurzmeldungen
Die Pressestelle des Zentralkomitees der KPD. teilt mit, daß es die Kommunistische Reichstagsfraktion beauftragt habe, sofort ein Mißtrauensvotum gegen den Reichskanzler v. Schleicher und seine Regierung einzubringen und alles zu unternehmen, damit dieses Mißtrauensvotum bereits in der ersten Reichstagssitzung zur Annahme gelange. — Bei den Thüringer Kommunal- und Kreistagswahlen haben — wie die Gesamtwahlergebniffe ausweiseu — die Nationalsozialisten Verluste erlitten, während die Kommunisten Gewinne erzielt haben. — Vertretern der hessischen Beamtenschaft erklärte Finanzminister Kirnberger, daß der hessische Fehlbetrag für 1932 in Höhe von fünf bis sechs Millionen RM. auf die geringeren Neichssteuerüberweisungen zurückzuführen sei. — Mit dem 31. Dezember dieses Jahres läuft die Geltungsdauer des Republikschutzgesetzes ab. Eine weiter« Verlängerung in der jetzigen Form wird nicht mehr erfolgen. Es wird daran gedacht, einzelne notwendige Bestimmungen des Repnblikschutzgesetzes in bereits bestehende politische Verordnungen mit hineinzuarbeiten. — Eine englische Abordnung, bestehend aus Vertretern des englischen Handelsministeriums, ist zu deutsch-englischen Handelsverhandlungen nach Berlin gefahren. — Von englischer Seite wird die Auffassung verbreitet, daß im Kalle eines ergebnislosen Ausganges der Genfer Verhandlungen in der Gleichberechtigungsfrage die Abrüstungskonferenz zwecklos erscheine. — Die Lage in Athen hat eine weitere Verschärfung erfahren. Wegen Aufforderung zum Aufruhr wurde ein kommunistischer Abgeordneter verhaftet. Ebenso wurde der Vorstand der Beamtenorganisation während einer Beratung über einen Sympathiestreik der Beamtenschaft festgenommen. — Gandhi hat infolge eines neuen Hungerstreiks 8 Pfund abgenommen und ist so schwach, daß er auf einer Tragbahre im Gefängnishof herumgetragcn werden muß. Er war in den Hungerstreik eingetreten, well sein Freund, Professor Patwardhan, der ebenfalls tm Gefängnis sitzt, infolge Hungerstreiks tm Sterben liegt — An ber westlichen Linie der chinesischen Ostbahn bet Chingan spielen sich weiter schwere Kämpf« ab. Die japanischen Truppen haben in zwei Bezirken die chinesischen Aufständischen belagert und verschiedentlich Sprengungen der Gebirgskette durchgeführt. — Der tschechoslowakische Gesandte in Washington überreichte Staatssekretär Stimson eine Schuldennote, in der ähnlich wie in der englischen und französischen Note ein Zahlungsaufschub für die Dezemberrate gefordert wird.
Aus Württemberg
Die öOVproz. Erhebung der Bürgersteuer in Landgemeinden
Vom Finanzministerium wird geschrieben, baß wegen der Höhe ihrer Gemeindeumlage (mehr als 22 Prozent) von den rund 1880 Gemeinden des Landes nur 73 Gemeinden verpflichtet sind, die 600 Prozent Bürgersteuer zu erheben; das sind aber meist größere Stadtgemeinden und Arbeiterwohn- gemeinden. Somit bleibt nur eine verhältnismäßig kleine Zahl eigentlicher Landgemeinden, die die erhöhte Bürgcr- steuer erheben müssen. Trotz der Höh« ihrer Gemeindeumlage sind 283 Gemeinden auf ihren Antrag gemäß Art 2 der Notverordnung von der Gemeindcaufsichtsbehörbe davon befreit worden. Die erhöhte Bttrgersteuer wird also nur in wenigen Landgemeinden und dann nur in solchen Landgemeinden erhoben, wo darauf ohne Gefährdung des Gemeindehaushalts nicht verzichtet werden konnte. Die Haussöhne und Haustöchter werden in der großen Mehrzahl der Fälle steuerfrei sein, weil ihre Jahreseinkünfte unter der allgemeinen Frei- grenze liegen. Und so sin- tatsächlich in Landgemeinden nur solche Haussöhne und Haustöchter bürgerstcuerpflichtig. die Einkünfte aus selbständiger Arbeit (Arbeitslohn) oder aus selbständiger freier Berufstätigkeit beziehen. Hier aber kann in den schweren Krisenzeiten ihre Heranziehung nicht be- anstandet werden.
Das wichtigste beim kaffeekochen ist ein Ansatz Ser guten Kaffeewürze