Mittwoch, 17. Dezember 1947

Seite 3

Wjrttembergischer Schwarzwald

Umschau im Kreis Calw

Festliches Warfen 1

Ich streife durch den winterlichen Wald. Er ist herrlich in seiner schweigenden Pracht. Fernher klingen die Glocken der dritten Ad­ventswoche, sonst ringsum tiefes Schweigen. In strahlendem Weiß stehen die Tannen vor dem kobaltblauen HimmeL Die Sonne läßt fei­ne Eiskristalle von / den Sträuchern rieseln. Weit geht der Blick. Ein sonniger Friede ist über der Winterlandschaft dort unten ausge­breitet. Mir ist, als gehe' eine weihnachtliche Liebe durch die Welt. Schwer beladen ste­hen die Wälder des Vorschwarzwaldes. In ad- ventlicher Erwartung steht der junge Winter­tag. Eine Wunderwelt voll tiefer Lebenswirk­lichkeit offenbart die winterschlafende Natur dem sehenden Auge und schenkt dem einsamen Wanderer wieder neuen Mut und Zuversicht für die Zukunft. Ueber mir die Wolken, grau und weiß im Blau, um mich strahlendes Weiß in der Waldtiefe. Alles wartet in feierlicher Festlichkeit, bis ihm ein neues Gewand zufällt! Während ich stehe und sinne und mich von dem adventlichen Warten der Natur beschen­ken lasse, wächst auch mir über allem Erwar­ten etwas Heiliges zu, und ich nehme aus dem Verborgenen, ' das mir dieser Adventssonntag, offenbart und wieder verbirgt, die Kraft auf der Schwelle zu leben! So kann uns alle ein Gang in den Winter in diesen Vorweihnachts- tagen dazu führen, daß wir nicht mehr mit fertigen Erwartungen an das Leben herangehen, sondern es lernen, als Wartende das werdende Leben zu empfangen! Wollen wir in diesen Ta­gen .vor dem großen Fest in still-wartender Freude dem Weihnachtsgeheimnis entgegenge­hen, bis es sich offenbarend uns schenkt! CFM

' *

Aus der Gemeinderafssifzung

Dem nunmehr endgültig in den Ruhestand getre­tenen, verdienten städtischen Beamten, dem früheren Polizeileutnant, Preisprüfer und Wohnungsaratsbeam- ten Lörcher wurde Anerkennung und Ehrung aus­gesprochen und ein Geschenk überreicht. Werkleiter Ing. Schneider erstattete Bericht über die städtischen Werke. Es wurde beschlossen, die Ziele des Vollum­baues des elektrischen Leitungsnetzes in der ganzen Stadt auf Wechselstrom weiter zu verfolgen. Ebenso wird die Weiterführung der Auswechslung der engen Gasleitungen allgemein gutgeheißen. Auch die ins Auge gefaßte neue Trinkwassergewinnung Im Tei- nachtal soll' weiter betrieben werden. Im Frühjahr soll eine Versuchsbohrung stattfinden. Im weiteren Verlauf der Sitzung beschloß der Gemeinderat die Beschaffung weiterer Schulbänke. Die Regelung der Wegzeitentschädigung für die Waldarbeiter wurde getroffen. Weiterhin war die Frage der Farrenhal- tung und eine Aenderung im Farrenbestand Gegen­stand der Beratung. An der ehemaligen Truppführer­schule werden Kurse für die Vollausbildung der Laienhilfslehrerinnen zu ordentlichen Lehrkräften, neben der Bestimmung der Schule für die Lehrer­fortbildung staatlicherseits eingerichtet.

Calw. Der Militärgourverneur f. Südwürttem- berg-Hohenz., General Widmer, stattete unserer Kreisstadt eine Besuch ab. Er \hielt in einem engen Kreis von Vertretern der poetischen Parteien, der Gewerkschaften, der Industrie und des Handwerks eine Ansprache. Es wurde bedauert, daß die Delegierten der verschiede­nen Organisationen nicht auch zu Wort kom­men konnten.

Calw. Im Rahmen des Volksbildungswerkes sprach der durch seine zeitnahen Vorträge bekannte Dr. med. Hessenbruch (Bad LiebenzeU) über das ThemaDas verlorene Menschenbild, unsere Zeit­krankheit". Auch diesmal ließ der Redner seinem Publikum die Bedeutung des gegenwärtigen Entwick­lungsmoments bewußt werden. Er wies zu Anfang seiner Ausführungen darauf hin, daß der Erziehungs­prozeß der Menschheit ein fortlaufender sei und stellte fest, daß nunmehr der Kulminationspunkt des 20. Jahrhunderts erreicht sei. Entweder finde der Mensch nun den Weg zur rechten Beherrschung der Erde oder alles werde atomisiert. An Beispielen zeigte der Redner auf, wie der Mensch im Laufe der fortschreitenden" Entwicklung das Maß aller Dinge verloren habe und zum lebenden Leichnam entwür­digt worden sei. Alle Emeuerungsversuche seien vergeblich, wenn uns nicht ein neues Erkennen und eine neue Einsicht geschenkt werde, was aber nur geschehen könne, wenn wir uns der gegenwärtigen Situation bewußt würden und aus dem neuen Be­wußtsein heraus an die Arbeit gingen. Vor all unser Planen und Denken, vor dem Heute und dem Mor­gen stehe die grauenhafte Maske von Hiroshima! Der Mensch sei heimatlos geworden und nahe und groß der Tod. Wir seien deshalb ganz ernst gefragt,

ob wir das neue Menschenbild finden werdenl Die Ausführungen des Redners wurden gut aufgenom­men, aber man hätte gerne gehört, wie die Mensch­heit aus dem wahrhaft chaotischen Wirbel heraus­finden soll.

*

Holzbronn. Dieser Tage verunglückte der Landwirt Wilhelm Niethammer von hier so schwer, daß er ins Kreiskrankenhaus Calw überführt werden müßte. Die Ursache des Unfalls ist noch nicht geklärt.

Simmozheim. Die Gemeinde durfte in letz­ter Zeit wieder sechs Heimkehrer aus der Kriegsgefangenschaft begrüßen. Es sind dies: Christian Reich, Wilhelm Dürr, Hermann Gan­ser, Fritz Gann, Gottlob Rapp und Albert Gilly.

Ebhausep. Am 15. Dezember kann Marie Schill hier ihren 88. Geburtstag begehen. Marie Roth wird in diesem Monat 80 Jahre alt und Christine Bechtold kann in diesen Tagen auf 79 Lebensjahre zurückblicken.

Altbulach. Aus bis jetzt noch unbekannter Ursacha brach in dem bäuerlichen Anwesen der Frau Marie Blind, Witwe, Feuer aus, dem u. a. auch die Scheuer mit den ganzen Ernte­vorräten zum Opfer fiel. Fräulein Anna Maria Sauter von hier darf dieser Tage in körperlicher und geistiger Frische ihren 90. Ge­burtstag begehen. Die Gemeinde wünscht ihrer Altersjubilarin einen gesegneten Lebensabend.

Unterreichenbach. -- Die Kreisgruppe der CDU hielt im Löwensaal e®e öffentliche Ver­sammlung ab, in der Abgeordneter Schüler, Calw, über die politische Lage sprach. Seine Rede wurde mit großem Interesse aufgenom­men. Das Bild der heutigen Not wurde schon durch die Berichterstattung über die Arbeit des Landtages deutlich gekennzeichnet. Er sagte, daß wir uns auch für die nahe Zukunft selbst helfen müßten, wenn uns noch einmal, geholfen werden solle. Das Schicksal habe uns nicht dazu verurteilt, für immer als Büßer und Bettler zu leben, sondern wir hätten auch als geschlage­nes Volk poch einen Anspruch auf ein men­schenwürdiges Dasein. Die CDU sei gewillt, die Gegenwartsprobleme aus Christi. Geiste heraus zu lösen und unser Volksleben nach den göttlichen Ordnungen zu befrieden. Anschließend entwik- kette sich eine lebhafte Diskussion, die aber im wesentlichen dem Referat des' Redners zu­stimmte.

Snlz. Seit vielen Jahren erlebte unsere Gemeinde wieder im vollbesetzten Gotteshaus eine musikalische Feierstunde. Das Programm brachte Werke von Bach, Haydn; Beethoven und Mendelsohn. Der Kirchenchor, der in guter Form war, sang unter der sicheren Füh­rung von Frieda Wörner schöne Bach-Cho­räle. Thusnelde Wolff-Isenberg bewies beson­ders in den Arien von Mendelsohn ihre starke

Die letzten Wochen standen unter dem Zeichen der kirchlichen Wahlen. In der Mehrzahl der Ge­meinden wurden einleitende Vorträge über die neue Wahlordnung gehalten. Zu den Wahlen angemeldet haben sich etwa 60 bis 80 Prozent der Wahlberech­tigten, wovon wiederum etwa 60 Prozent abgestimmt haben. In unserem Bezirk fanden nur die Kirchen- gefneinderatswahlen statt, als deren Ergebnis die Wiederwahl der bisherigen Kirchengemeinderäte mit Ergänzungen durch Zuwahlen bezeichnet werden kann. Da für den Landeskirchentag nur ein Vor­schlag eingegangen war, konnte von einer Wahl­handlung abgesehen werden. Als Vertreter des Be­zirks wird Rektor Beck (Calw) dem Landeskirchen­tag angehören. Ersatzmänner sind Fritz Schüler und Bürgermeister a. D. Göhner (Calw). In dem Be­richtsabschnitt haben die Gemeinden zur Zeit des Erntedankfestes die Lebensmittelsammlung für das Hilfswerk der Landeskirche durchgeführt. In diesen Tagen findet eine Haussammlung statt, welche neue Mittel für die Fürsorge an Ausgewiesenen dem HUfs- werk verschaffen solL In einer kürzlich abgehaltenen Versammlung des Diözesanvereins hat Professor Fa- ber über die Organisation des Hilfswerkes eingehend berichtet. Die Bläserchöre haben auch während der Berichtszeit ihre regelmäßigen Treffen abgehal­ten, so in Gültlingen und Ottenbronn. Im November fand die Missionskonferenz in Calw statt. Das Ju­gendheim zurSonne" in Neubulach war durch Rüstzeiten stark belegt und manch einer durfte dort wieder neue Kraft für den Alltag mit nach Hause nehmen. In der vergangenen Woche erhielten einige

Befähigung zum Kirchengesang. Willy Rosen­au sang mit seinem warmen, mühelos den^gan- zen Raum füllenden Bariton Lieder und Arien von Bach und Beethoven. Seine Kunst wurde für alle Zuhörer zu einem großen Erlebnis. Ausgezeichnet war auch der Zusammenklang der beiden Stimmen in den Duetten von Bach und Haydn. Anna Killinger war an der Orgel sehr zuverlässig und anpassungsfähig. -Im.

Unterreichenbach. Der Viehversicherungs- verein hielt eine außerordentliche Genenglver- sammlung ab, in der zunächst die Frage be­sprochen wurde, ob der Verein noch bestehe, nachdem bereits seit vier Jahren keine Ver­sammlung mehr abgehalten worden sei. Die Ansichten der verschiedenen Sprecher führten zu dem am Schluß der Versammlung gefaßten Entschluß, den Viehversicherungsverein schon im Interesse der alleinstehenden Frauen, die im Unglücksfalle auf eine tätliche und finan­zielle Unterstützung angewiesen seien, bestehen zu lassen. In den Neuwahlen wurden Ernst Murschel als Vorstand und Emil Maier als Schriftführer und Kassier gewählt.

Calmbach. Im Monat November waren hier an Geburten zu verzeichnen: Anneliese Chri­stiane Lörcher, T. d. Jakob Lörcher, Schuh­macher; Eugen Georg Krauß, S. d. Wilhelm Krauß, Presser; Günther Karl Holzmann, S. d. Johann Holzmann, Fabrikarbeiter. Die Ehe gingen ein: Eugen Eitel, Schlosser, mit Sofie Pauline Proß, Hpustochter. Gestorben sind: Lothar Eugen Treiber, 10 J. alt; Karl Gottlieb Kappler, Fabrikarbeiter, 46 J alt; Karl Adolf Rist, 42 J. alt (in russischer Gefangenschaft); Anna Schneckenreiter geb. Skauradzius, Witwe, 89 J. alt; Wilhelmine Barth geb. Proß, Zimmer­meistersehefrau, 79 J. alt, und Johanna Klein geb. Winkel, Rentnerin, 76 J. alt

Altburg. Im nahen Oberriedt wurde dem Landwirt Fritz Schnürle . aus seiner Scheune ein Sack mit etwa 150 Pfund Raps gestohlen. Die Täter, die die Nachtstunden zur Begehung der Tat ausnützten, konnten noch nicht er­mittelt werden. Offenbar handelt es sich um ortsfremde Personen, denn ihre Spur konnte bis in die Kreisstadt verfolgt werden.

Neuenbürg. Die Milchverwertungsgenossenschaft Neuenbürg hielt ihre 10. Generalversammlung im GasthausZum Schwabenbräu" in Neuen­bürg unter zahlreicher Beteiligung der Mitglieder ab. Vorstand Ludwig Fauth eröffnete die Versammlung, begrüßte die Erschienenen und gab die umfangreiche Tagesordnung bekannt. Bürgermeister Titelius sprach im Namen der Stadt Neuenbürg den Willkommgruß und wünschte, daß die Versammlung die Worte be­herzigen möge, als Genossenschaft« zu handeln und dem Volke zu dienen. Vorstands- und Kassenbericht sowie der Bericht des Aufsichtsrates wurden ohne große Debatte angenommen und den geschäitsfüh- renden Männern einstimmig Entlastung erteilt. Die Genossenschaft steht auf guter Grundlage und die führenden Männer geben die Gewähr, daß alles ge­tan wird, um sie zu weiterer Blüte zu führen. Die Wahlen ergaben volle Einmütigkeit. Die satzungs­gemäß ausscheidenden Vorstands- und Aufsichtsrats-

Gemeinden die erfreuliche Nachricht von der bal­digen Rückkehr ihrer Glocken. Mit dem 2. Dezember ist der Nachfolger von Stadtpfarrer Schüz auf der zweiten Siadtpfarrstelle in Calw, Dr. Geprägs, bisher Pfarrverweser in Wittlingen, aufgezogen. Seine In­vestitur fand am 7. Dezember statt. Auch Neuheng- stett hat in Pfarrverweser Fliegenschmidt einen neuen Seelsorger erhalten. Durch einen tödlich ver­laufenen Unglücksfall kam die Gemeinde Langen­brand um ihren Pfarrer.-ln den meisten Gemein­

den hat in der Woche zwischen dem Totensonntag und dem Adventsfest eine Bibelwoche über Johan­nes Kap. 13 bis 16 stattgefunden. Am Mittwoch, den 10. Dezember, fanden sich die Vertreter der Kirchen­gemeinden des Bezirks und andere Gäste im Ver­einshaus in Calw zur Abhaltung des Kirchenbezirks­tages zusammen. Die Tagung wurde mit einer An­dacht eröffnet. Dekan Holzel erstattete den Jahres­bericht, in dem besonders auch die segensreiche Einrichtung des "Jugendheims in Neubulach hervor­gehoben wurde. Erfreulich zu hören war auch, daß nunmehr dem Wiederaufbau der Kirche in Decken- pfronn nichts mehr im Wege steht, nachdem der Kirchengemeindeikt sich mit dem Plan des Baurates Dr. Supper einverstanden erklärt hat. Deckenpfronn ist ja die einzige Gemeinde des Bezirks, die in den Unheilstagen des April 1945 ihre Kirche verloren hat. Ein Vortrag des Landeskirchentagsabgeordneten Beck über Kirche und Schule und einer über das Amt des Kirchengemeinderats von Dekan Holzel, gaben zusammen mit dem Dekanatsbericht Anlaß zu lebhafter Aussprache. T. K.

Aus dem Kreis Horb

Baisingen. Aus russischer Gefangenschaft kehr­ten Georg Pfeffer, Sohn des verstorbenen Pius Pfef­fer, Bauer; Alois Pfeffer, Sohn des Adolf Pfeffer, Bauer und Christian Pfeffer, Sohn des Adolf Pfeffer, Küfer, der selbst noch im Osten ist, zurück. Die Gesellenprüfung im Bäckergewerbe konnte Anton Bareis mit gutem Erfolg ablegen.

Salzstetten. Adolf Dausch, Sohn des Bürger­meisters Dausch, legte die Gesellenprüfung mit dem Prädikat sehr gut vor der Handwerkskammer Reut­lingen ab.

Salzstettcn. Am Sonntag beging die Kolpings- familie ihren Gedenktag für Vater Kolping. Morgens hielt sie eine kirchliche Feier ab, abends versam­melte sich die ganze Gemeinde im Gemeindesaal. Hier sprach der Senior über das Leben Kolpings« Anschließend hielten die Mädchen eine Advents­feier.

Leinstetten. Da die 154758 erbaute hiesige Kircheschon längst zu klein und stark reparaturbe­dürftig war, beschäftigte man sich hier schön öfters mit dem Umbau und Neubau einer Kirche. Vor zwei Jahren wurde dann der Neubau beschlossen und auch sofort in Angriff genommen. Trotz der zeitbe­dingten Schwierigkeiten «und Hemmnisse ist die Kirche nun im Rohbau fertig. Auch die Gipserarbei­ten sind bereits beendet. In der neuen Kirche die 36 Meter lang und 14 Meter breit ist, wurde schon die­sen Sommer Sonntagsgottesdienst abgehalten und man hofft, bis nächsten Frühsommer «das Fest der Weihe feieren zu können.

mitglieder wurden einstimmig wiedergewählt und ihnen volles Vertrauen entgegengebracht. Vom Kreis­ernährungsamt war Bürgermeister Aßfalg erschienen und gab Erläuterungen über die heutige schwierige Lage in der gesamten Erzeugung»- und Ernährungs- Wirtschaft. Er forderte die Genossenschafter auf, ihrer Ablieferungspflicht nachzukommen und den Genossenscbaftsgedanken jederzeit in die Tat um­zusetzen. Ein Genossenschafter aus Arnbach stellte verschiedene Anträge, die aber von der Versamm­lung als nicht tragbar abgelehnt wurden, und der Vorstand gab die entsprechenden Erläuterungen, .daß diese Anträge nicht zum Nutzen seien. Die Ver­sammlung gab Zeugnis, daß die Genossenschafter treu ihre Pflicht erfüllen wollen und daß auch die Ablieferung erfüllt wird, trotz der Schwere der Zeit. Der Vorstand schloß die Versammlung mit den Wor­ten des Dankes. Er bat, auch weiterhin der Genos­senschaft die Treue zu bewahren, ihre Pflicht zu er­füllen zum Nutzen des Volksganzen.

Grimbach. In der vollbesetzten Kirche fand eine Bibelwoche statt, wobei Evangelist Hubmer über Fragen und Probleme der Zeit sprach und die Zu­hörer vor die Entscheidung über die Gottesfrage in ihrem Leben stellte. Möge die Rede in unserer Ge­meinde wirken und Frucht bringen. Bei der Fa­milie Wilhelm Buck kehrten fast gleichzeitig der ein­zige Sohn aus russischer Kriegsgefangenschaft und der Schwiegersohn aus französischer Gefangenschaft heim. In unserer Gemeinde fehlen jetzt noch 36 Männer, wovon 15 als vermißt gelten. Der durch Wildschweine auf hiesiger Gemarkung angerfchtete Flurschaden ist groß. Wann wird hier endlich Ab­hilfe geschaffen?

Bötenbach. Fünf Kinder, die mit zusammenge- koppelten Schlitten rodelten, stießen mit einem aus Richtung Bad Teinach kommenden Personenwagen zusammen. Zwei Kinder erlitten so schwere Verlet­zungen, daß sie ins Kreiskrankenhaus Calw über­führt werden mußten. Da einwandfrei festgestellt werden konnte, daß der Unfall auf das Verschulden der Kinder zurückzuführen ist, sei darauf hingewie­sen, daß. die Eltern ihren Kindern Vorsicht beim Schlittenfahren einschärfen.

Halterbacb. Dieser Tage gerieten zwei Männer von hier miteinander in Streit, in dessen Verlauf der eine durch sieben Messerstiche verletzt wurde und ins Krankenhaus Nagold Überführt werden mußte. Der Messerstecher wurde vorläufig festge­nommen.

Herreaalb. Um zu einem Weihnachtsbraten zu kommen, hat ein Mann von hier ein 60 Pfund schwe­res Läuferschwein schwarz geschlachtet. Die Schwarz­schlachtung wurde indessen bemerkt und noch ehe der Braten zum Schmoren kam, konnte das Fleisch sichergestellt werden.

Wüdbad. Wegen Kameradschaftsdiebstahl wurde ein Arbeiter festgenommen. Der Dieb hatte einem Kameraden einen Anzug gestohlen und ihn an seine eigene Heimatadresse abgeschickt.

Conweiler. Wegen dringenden Verdachtes des Diebstahls bei seiner Arbeitgeberin wurde ein 18- jähriger Bäckergehilfe festgenommen. Er hatte es vornehmlich auf Bekleidungsstücke abgesehen.

Neaezxbftrg. In zwei verschiedenen Fällen wur­den hier in einer Nacht zwei schlachtreife Hasen entwendet. Die Täter konnten noch nicht ermittelt werden.

Ostelsheim. Einem Einbrecher fielen in einem Bauernhaus etwa 70 Kilo Fleisch und Wurstwaren in die Hände.

Verantwortlich für den Örtl. Textteil Rolf Staedele

Aus dem kirchlichen Leben des Kreises Calw

Der Nesfor der Texfilforschung

Professor Johannsen und das Reutlinger Forschungs­institut

Vor mehr als 55 Jahren begann der heute 84jäh- rige Professor Dr. ing. Otto Johannsen am Reutlinger Textiltechnikum, Unterricht und Wissenschaft eng mit der industriellen Erfahrungspraxis zusammenzu­schweißen. Im Jahre 1905 arbeitete er dort an einem Laboratorium, wie es besser keine Hochschule dem Forscher für seine Spezialaufgabe zur Verfügung stellen konnte. Daraus erwuchs jene einzigartige Stätte für Textilwissenschaft, und Verarbeitungsfor­schung, die 1918 zur offiziellen Gründung desDeut­schen Forschungsinstituts für Textilindustrie mit dem Anschluß an die Technische Hochschule Stutt­gart führte. Institut und Technikum erlangten ebenso wie der Name des Textilforschers sehr bald Weltruf. Auf der ganzen Welt wurden die führenden Posten in der Textilerzeugung mit Schülern Johann- sens besetzt. Namhafte Stellenangebote in in- und ausländischen Fachzeitungen trugen den ZusatzAb­solventen Reutlingens bevorzugt. Das Werk, das unter den Händen dieses Mannes gedieh, wurde von der gesamten Rohstoff- und Verarbeitungsindustrie der verschiedenen süddeutschen Länder gefördert. Im Laufe der Zeit lehnte Johannsen neun auswärtige Berufungen ab, darunter den verlockenden Ruf nach Dresden, wo die sächsische Industrie ein ähnliches Institut für Wissenschaft und Forschung begehrte. Zum wiederholten Male, noch im Alter von 59 Jah­ren, war er an ihn ergangen.

Naturprodukte, Zellwolle, Kunstfaser Deutschland bekam als heranwachsender Konkur­rent schon in normalen Zeiten nicht die besten Roh­textilien geliefert. Es war umso mehr auf den Erfin­dergeist seiner Wissenschaftler und Forscher ange­

wiesen. In wenigen Jahrzehnten vollzogen sich um­wälzende Veränderungen auf dem Gebiet der Textil­erzeugung. Die deutsche Maschinenindustrie hatte sich in der Verarbeitung von Wolle, Baumwolle, Kammgarn und Flachs zu einer Weltposition empor- geschwungen. Die optimale Leistung im Gebrauch der Textilmaschinen zu ermitteln und zum Ziel zu- führen, war eine Aufgabe, der man sich in Reutlin­gen mit Erfolg verschrieben hatte.

Im ersten Weltkrieg gab es noch keine Zellwolle, aber unmittelbar danach traten Naturprodukt und Kunstfaser einander gegenüber. Die deutsche Zell­wolle hielt den Vergleich mit den Naturprodukten aus, und darüber hinaus hatte man auch vollwertige Ersatztypen für jede Naturfaser mit den entsprechen­den Eigenschaften ausgebildet. Die württembergische Zellwollspinnerei Denkendorf war eigens als Ver­suchsanstalt eingerichtet, um mit dem Reutlingen Forschungsinstitut zusammenzuarbeiten.

Textilien in USA werdengegossen"

Für die Qualität einer Faser spielt einmal die Fe­stigkeit und zum andern ihre Strüktur hinsichtlich Dehnung und Wärmespeicherung eine ausschlag­gebende Rolle. Man erinnert sich, wie über Nacht die Naturseidenstrümpfe aus den Schaufenstern ver­schwanden. War mit der Zellwolle der endlose Kunstseidenfaden gewonnen, so erzielte die in Deutschland und Amerika gleichzeitig entwickelte vollsynthetische Perlon- beziehungsweise Nylonfaser die enorme Festigkeit der Naturseide und dazu Un­empfindlichkeit gegen chemische 1 Einflüsse. Der Schuppencharakter der tierischen Wolle und die korkzieherartige Struktur der Baumwolle vereinigten in sich alle naturhaften Vorzüge. Mit der Zellwolle entfernte man sich von dör lebenden Zelle. Ihr Auf­bau ging auf die Entdeckung der Nitrozellulose des französischen Grafen Chardonnet (Schießbaumwolle

- 1885) zurück. Holz wird zerkleinert und chemisch aufgelöst, wobei ein watteähnlicherZellstoff un­gelöst zurückbleibt. Der weitere Weg wurde haupt­sächlich mit deutschen Erfinderpatenten beschritten, er führte zu dem durch Düsen gepreßten Faden der schmiegsamen Kunstseide. Die vollsynthetische Faser beruht schließlich ganz auf der Chemie, Kohle und Kalk sind ihr Ursprung. Noch i6t die Frage nicht entschieden, ob sie alle übrigen Textilien zu über­flügeln vermag. Diesen künstlichen Rohstoff kann man auch gießen, wie es die Amerikaner machen. Anstatt Fäden zu verspinnen und zu verweben, bil­det man ein Faserfließ, das in Kunstharzmasse ein­gebettet ist. Die plastischen Teile werden nicht mehr genäht, sondern im Bügelverfahren geschweißt. Tex­tilien dieser Art erscheinen für wasserdichte und technische Bekleidung geeignet, wegen ihrer man­gelnden Luftdurchlässigkeit dagegen nicht für Wäsche- und Oberstoffe. Wir wissen freilich wenig darüber, was das Ausland (USA, Rußland, Großbri­tannien) in den letzten Jahren auf dem Gebiet der Kunststoffe geleistet hat.

Rohstoffe in aller Weft gesucht

Eine Reutlinger Forschungsspezialität, an der der heutige Leiter des Forschungsinstituts, Prof. Dr. ing. Fr. Walz, maßgeblich beteiligt ist, ist der Flocken­bast, ein Erzeugnis aus den natürlichen Bastfasern Flachs und Hanf, das mit Baumvolle versponnen demGminder Linnen (Reutlinger Halblinnen) nach dein ersten Weltkrieg den Exportweg bahnte. Die Substanzfestigkeit der Bastfaser ist sehr hoch. Sie braucht aber den Trägerstoff Baum- oder Zellwolle, um ein dehnungsfähiges Spinngut zu bilden. Leider fehlen uns heute auch für dieses Erzeugnis die Roh­stoffe, nachdem der Ostraum, vor allem Schlesien, als Hauptanbaugebiet fÜT Flachs und Hanf, verloren gegangen ist. Von der Rohstoffbeschaffung hängt aber alles ab. Jeder Forstmann rechnet uns heute

vor, daß wir nicht genügend Holz für Zellwolle ha­ben. Die Papierherstellung verschlingt allein 96 vom Hundert der Zellstoffproduktion in der ganzen Welt. Noch weniger verfügen wir jetzt noch in, Deutsch­land über Kohle. Für eine Tonne Zellwolle werden 4^ bis 5 Tonnen Kohle als Rohstoff verbraucht. Deshalb ist auch der Aufbau der vollsynthetischen Faser für uns aussichtslos. Es sei denn, unsere For­scher entdecken einen Ausweg durch Aufschließung neuer Grundstoffe für die Textilsynthese. Während Baumwolle und Naturseide vergeblich auf Absatz harren, kommt aus dem Lande der unbegrenzten, also auch paradoxen Möglichkeiten die Kunde von einem Verfahren, bei dem Getreidehülsen, Maiskol­ben und Erdnußschalen zwar nicht zur Bastfaser ver­arbeitet, aber synthetisch umgewandelt werden. Die Sache hat hohe Bedeutung, weil Abfall aus der Vege­tation verwendet wird, der geerntet werden kann und sich ständig erneuert, im Gegensatz zu den nicht wieder zu ersetzenden mineralischen Rohstoffen wie Kohle.

Das Vermächtnis des Forschers

Je schlechter die Rohstoffe sein werden, die uns künftig zur Verfügung stehen, umso mehr hangt von der Kunst unserer Textiltechniker ab. Diese Worte aus dem Munde des Nestors der deutschen Textil­forschung können als ein Vermächnis gelten. Unsere Abhängigkeit vom Ausland beurteilte Johannsen für die Zukunft nicht allzu pessimistisch. Natürliche Rohstoffe und Trägerrohstoffe würden uns eines Ta­ges wieder aus Nord- und Südamerika geliefert wer­den. Er weist auf die Spezialfähigkeiten des gelern­ten deutschen Textilarbeiters und auf den Bau neuer Textilmaschinen in deutschen Fabriken hin. Unsero europäischen Nachbarn, wie Frankreich und die Schweiz, müßten ein notwendiges Interesse daran haben, daß diese Quellen der Festlandspioduktion nicht versiegen. E. L.