rlittwoch, 10. Dezember 1847

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H^ürttembergischer Schwarzwald

Umschau im Kreis Calw

auf der vereisten Straße bei Hof Waldeck ins Schleu­dern geraten und stürzte die etwa 15 Meter hohe Böschung in die Nagold hinab. Pfarrer Daxner konnte erst nach längerer Zeit aus seiner unglück­lichen Lage befreit werden.

Unterhaugstett. Letzter Tage wurde bei einem hiesigen Landwirt ein Kellereinbruch verübt und etwa 200 Kalkeier entwendet. Die Täter konnten zu­nächst entkommen, wurden aber bei der Zugkon­trolle am nächsten Morgen in Weilderstadt fest­genommen.

Birkenfeld. Für den nach Schwenningen versetz­ten. Pfarrer Lörcher und seine Familie veranstaltete die evangelische Kirchengemeinde im Gemeinde­haus eine schlichte Abschiedsfeier. Pfarrer Lörcher wurde Stadtpfarrer in Schwenningen .

Altburg. Im Ortsteil Oberriedt wurden am 6. De­zember nachts gegen 2 Uhr einem Landwirt 1,5 bis 2 Zentner Rapssamen aus der Scheuer gestohlen. Der Dieb konnte- noch nicht ermittelt werden. Gechlnger Kirchenkonzert. Es jst mehr als. ein schöner Brauch, wenndie singende Gemeinde von Gechingen von Zeit zu Zeit zu einem Kirchenkonzert einladet. Am zweiten Adventsonntag haben die Ge-

Der Kreis Freudenstadt berichtet'

Freudenstadt. Die Lage in Freudenstadt nach dem Staatsbesuch aus Tübingen ist etwas freundlicher geworden. Man glaubt an den endlichen Beginn des großzügigen Wiederaufbaus, wenn auch zunächst mit bescheidenen Mitteln, im nächsten Jahre. Die Not an Baumaterial wird vielleicht in einigem gemildert werden können durch eine Mehrproduktion der hei­mischen Ziegelwerke Bacher, die dem Freudenstädter Neuaufbau zugute kommen soll. Hier hat sich die Stadt die Verteilung der Mehrleistung Vorbehalten. Die Stadtverwaltung hat die Absicht, das Sägewerk ain Langenwaldsee bei Freudenstadt an der Kniebis­straße zu pachten. Die Stadt könnte dann das Holz, das ihr für den Wiederaufbau zur Verfügung steht, in eigener Regie sägen und schneiden, ein Vorteil, der sich schon in diesem Jahre nach der Hinter- langenbacher Holzaktion wesentlich hätte auswirken können. Was die Linderung der Wohnungsnot be­trifft, so stellt der letzte Monatsbericht des städti­schen Wohnungsamts fest, daß eine Reihe von Neu­bauten und wiederinstandgesetzten Wohnungen be­zogen werden konnten.

Freudenstadt. In einer der letzten Nächte wurde ein Einbruchsdiebstahl in den Gepäckaufbewahrungs­raum des Hauptbahnhofs verübt. Aus Kisten und Paketen wurden Lebensmittel gestohlen. Aus dem Fahrgestell eines Schwerkriegsbeschädigten, der vor dem Rathaus stand, wurde eine Wolldecke entwen­det.

Freudenstadt. Für die Kriegsgefangenen, die im Kreis Freudenstadt bei den Brückenbauten oder als Holzfäller eingesetzt sind, veranstaltet dieGesell­schaft für Gesundheitsfürsorge und Kriegsgefange­nendienst", deren Rückorganisation in dasRote Kreuz" gegenwärtig im Gange ist, am Sonntag, 14. Dezember, im Gemeindehaus eine vorweihnachtliche Feier, die mit einer schlichten Bescherung aus den für die Gefangenen im Kreis gesammelten Gaben verbunden ist.

Freudenstadt. Dieser Tage begannen in der Turn­halle der Falkenschule die Röntgen-Reihenunter­suchungen, von der alle Schüler, die Lehrerschaft und die Beamten erfaßt werden. Für jeden Unter­suchten wird eine Karteikarte angelegt, in die der Röntgenbefund eingetragen wird. Die positiven Be­funde werden dem Kreisgesundheitsamt zu weiterer Behandlung überwiesen.

Baiersbronn. DerWürttembergische Wohlfahrts­bund" bat die Absicht, das KurhausSchönblick" pachtweise zu übernehmen, um es als Heim für Kriegsopfer, Kinder- und Kriegerhinterbliebene ein­zurichten. Das Haus war früher Eigentum 'des ,,NS.- Reichskriegerbundes" und steht heute unter Seque­ster.

Wittendorf. Eine Abschiedsfeier veranstalteten vor kurzem die Landwirtschaftsschülerinnen in un­serer Gemeinde.

Alpirsbach. Zu einigen Rodelunfällen kam es an der Reutiner Steige, wo verschiedene Buben und Mädchen beim Schlittenfahren verunglückten. Das Rodeln wurde nun hier verboten. Ein Paketmar­der wurde hier gefaßt. Es ist ein junger Mann aus Freudenstadt. Das Volksbildungswerk führt an den kommenden Tagen verschiedene Vortragsver­anstaltungen durch, die einen Einblick in interessante Wissensgebiete geben sollen.

Alpirsbach. Der Verkehrsunfall, dessen Opfer vor einigen Monaten Stadtpfarrer Stössel wurde, wurde nun vor dem Amtsgericht Ffeudenstadt behandelt. Der Geistliche wurde damals in der Dunkelheit von einem Radfahrer, der kein Licht hatte und außerdem

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Der wilde Jäger

chinger Chöre wieder erneut unter Beweis gestellt, daß es ihnen in ganz besonderer Weise gegeben ist, das Evangelium im Lied aufklingen zu lassen. Mit dem Kirchenchor aus Calw zusammen wurde ein wirklich bedeutendes Programm bestritten. Zur Auf­führung gelangten Werke von Buxtehude und Hein­rich Schütz u. a. Ganz besonders gefiel die Kantate von Buxtehude:Alles, tyas ihr tut mit Worten oder Werken . .", die von den Gechingern in ungewöhn­

licher Vollendung gesungen wurde, so daß sich die Zuhörer wirklich in jene Zeit zurückversetzt glaub­ten, die sich im Göttlichen geborgen fühlte. Die Schütz'sche Kantate:Nun lob mein Seel den Her­ren . . .", die von dem Gechinger und Calwer Chor im Wechselgesang vorgetragen wurde, begleitet von Streichquartett und Blasinstrumenten, befriedigte sehr. Auch die Wiedergabe des 100. Psalmes, die an beide Chöre große Anforderungen stellte, war schön und rein. Im Ganzen war der Nachmittag ein voller Erfolg fürdie singende Gemeinde" unter der be­währten Leitung ihres Dirigenten Unger (Stuttgart) was aber den schönen Beitrag der Calwer Gäste da­zu nicht schmälern soll. Die verbindenden Worte sprach Dekan Hölzel (Calw). Vielleicht darf zum Schluß die Anregung gegeben werden, den Gechin­gern Evangeliums-Sängern einmal Gelegenheit zu geben, in einem größeren Rahmen der christlichen Gemeinde zu dienen.n.

unvorschriftsmäßig fuhr, angefahren, zu Boden ge­worfen und liegen gelassen. Der Fahrer kümmerte sich nicht um den Verletzten, sondern ergriff die Flucht. Das Amtsgericht Freudenstadt verurteilte nun den Angeklagten, einen 18jährigen Jungen, we­gen fahrlässiger Körperverletzung, Fahrerflucht und Vergehens gegen die Straßenverkehrsordnung zu ins­gesamt 230 Mark Geldstrafe.

Glatten. Um die Trinkwassernot in der Gemeinde zu beheben, trifft der Gemeinderat die Vorbereitun­gen zur Fassung einer neuen Quelle.

Glatten. Auch in diesem Jahre wird die Gemeinde ihren noch in Kriegsgefangenschaft weilenden Söh­nen ein Weihnachtspäckchen schicken, deren Inhalt aus freiwilligen Spenden aufgebracht werden konnte. Herzogsweiler. In den Kirchengemeinderat wur­den gewählt: Bürgermeister Ernst Götz, Holzhauer Karl Nübel, Schuhmacher Gottlob Köhler, Holzhauer Immanuel Seeger, Landwirt Martin Seeger, Schuh­macher Johannes Ziegler.

Betzweller. Kürzlich brach nachts in der Mädler- schen Sägemühle ein Brand aus. Die maschinelle Einrichtung des Werks konnte gerettet werden, auch das Uebergreifen des Feuers auf die umliegenden Holzstapeln und die Gebäude der Nachbarschaft wurde verhindert: das Gebäude brannte bis auf die Mauern nieder. Die Brandursache ist noch nicht ge­klärt, man vermutet aber Brandstiftung.

Loßburg. Der christliche Mädchenkreis Loßburg- Rodt veranstaltete einen Altenabend, bei dem die Alten der Gemeinde gut bewirtet und unterhalten wurden.

Lombach. Bei einem Verkehrsunfall stürzten eine Zugmaschine und ihr Anhänger im Ursental eine Böschung hinab. Zum Glück wurden Fahrer und Bei­fahrer, die beide aus Glatten stammen, nur leicht verletzt. -

Pfalzgrafenweiler. Infolge des Glatteises stürzte hier eine ältere Einwohnerin, die sich erhebliche Verletzungen zuzog.

Sterneck. Bei einem Bauern in O. hatte ein Mäd­chen aus L. im Kreis Freudenstadt eine Armbanduhr entwendet. Die Mutter veranlaßte das Mädchen aller­dings, die Uhr sofort wieder zurückzubringen. Da die Anzeige aber schon erstattet war, wurde die junge Diebin nun vom Amtsgericht Freudenstadt zu einem zweimaligen Jugendarrest verurteilt.

Eblenbogen. Dieser Tage fiel in der Dunkelheit eine Frau aus Alpirsbach in die Hochwasser füh­rende Kinzig. Sie konnte nur mit Mühe gerettet wer­den.

Selnerzau. In den Kirchengemeinderat wurden gewählt: Holzhauer Johann Georg Lehmann, Holz­hauer Jakob Heinzeimann, Gemeindepfleger Walter Heinzeimann, Hermann Ärmbruster, Holzhauer Joh. Winter.

Klosterreichenbach. Aus der Kriegsgefangenschaft' kehrten in die Heimat zurück Mechaniker Friedrich Würth und Säger Albert Kallfaß.

Igelsberg. Aus der Kriegsgefangenschaft kehrte Felixenbauer Max Pfeifle zurück.

Dornstetten. An- einer Herzlähmung starb Ge­meinderat und Landwirt Gottlob Bloehinger im Al­ter von 62 Jahren. Er hatte neben der Betreuung seines eigenen Betriebs noch die Geschäfte des er­sten Beigeordneten der Gemeinde und des Ortsob­manns übernommen. Für die Passanten, die hier übernachten wollen, soll lm Gemeindehaus an der Riedsteige ein Uebernachtungsraum eingerichtet werden.

DieUnpolitischen

C.F.M. Bei den in der letzten Zeit abgehaltenen Versammlungen, Konferenzen und Kundgebungen der politischen Parteien hat sich gezeigt, daß das Interesse der Bevölkerung am politischen Leben stark im Sinken begriffen ist. Nicht nur die Jugend im Kreisgebiet nimmt der Politik gegenüber eine ab­wartende, zurückhaltende oder skeptische Stellung ein, sondern auch die Mehrzahl der Alten. In Wirk­lichkeit gibt es für keinen Menschen die Möglich­keit einer unpolitischen Existenz. Diejenigen, die behaupten, unpolitisch zu sein, brauchen nur Aus­flüchte. Tatsächlich ist ihre Weigerung zu einer poli­tischen Stellungnahme auch eine politische Entschei­dung von größter Tragweite! Sie sind für alles mit­verantwortlich, was im Bereich des öffentlichen Le­bens geschieht. Wenn heute so manche Zeitgenossen aus ihrerunpolitischen Haltung" heraus erklären: Die ganze Parteipolitik paßt uns nicht!, so haben sie damit die taktische Parole Hitlers wieder aufgenom- nieh, der während der Kampfzeit auch immer wie­der erklärte, daß ihm das Parteiengezänk nicht passe und deshalb alles kritisierte und allen versprach, was sie hören wollten. Wer die Jahre derMacht­ergreifung" (jer Nazis bewußt miterlebt hat, konnte leicht feststellen, daß Hitler sein Beginnen mit siche­rem Instinkt auf der Politikmüdigkeit des deutschen Volkes aufbaute. Ja, es waren geradedie Unpoli­tischen, diejenigen, die am 5. März 1933 die letzte Chance, das Hitlertum abzuwehren, nicht nützen, indem sie von ihrem Wahlrecht keinen Gebrauch . machten, die demDritten Reich" und seinem Ge­folge den Weg bereiteten! So Gäben uns also die vergangenen 15 Jahre recht deutlich gezeigt, daß es auch aut der Ebene der Politik keine neutrale Zone gibt, und nur, wenn wir-das in der Gegenwart wahr sein lassen und uns entsprechend verhalten, bleiben wir für die Zukunft vor noch Schlimmerem bewahrt! Wer heute glaubt, unpolitisch leben zu können, be­weist damit, daß er immer noch nicht begriffen hat, daß das Schicksal Deutschlands weithin von den Männern abhängt, die seine Politik machen.

Apathie ist eine gefährliche Zeitkrankheit, an der der Leerlauf auch unseres wirtschaftlichen Lebens recht deutlich sichtbar wird. Weil wir immer noch nicht den Mut haben, eigene politische Entscheidun­gen zu treffen, wird über uns entschieden! Wenn wir nicht wollen, daß sich die Katastrophe unseres Volkes ins Unermeßliche steigert, müssen wir unsere Freiheit bejahen und aus eigener Verantwortung her­aus uns in Freiheit einen politischen Standort wäh­len, der unserer Lebensauffassung und unserem Glau­ben entspricht. Wer dazu nicht willens und bereit ist, muß unter dieUnpolitischen gerechnet wer­den und gehört zur Masse derer, denen es an Zivil­courage mangelt. Unsere Zeit fordert ein Bekenntnis. DieUnpolitischen werden die Wende der Not durch ihre Haltung nicht herbeiführen können.

Abgeschossen ?

Die Systematik der politischen Hetze schafft nicht nur eine muffige Atmosphäre -politischer Stillosig- keit, sondern lähmt auch weite Bezirke unseres öf­fentlichen Lebens. Solange wir ihr einen Platz ein­räumen, geht unser demokratischer Versuch eines Neuanfangs in Unanständigkeit und Phrase unter. Wir werden nicht kreditfähiger, wenn wir glauben, ansere demokratischen Lebensformen und die neu gewonnene Freiheit mit einer möglichst hohen Zahl politischer Hetzkampagnen unter Beweis stellen zu müssen! Diejenigen, die heute aktiv im politischen Leben stehen, sollten-erst dann eine Beschuldigung gegen andere aussprechen, wenn sie zuvor ihr ei­genes Gewissen erforscht und sich unvoreingenom­men geprüft haben, wie sie sich selbst in diesem oder jenem Fall verhalten hätten. Denn keiner von uns darf nachträglich von seinem Nebenmenschen mehr Haltung und Standhaftigkeit verlangen, als er selbst während der Zeit des untergegangenen Regi­mes gezeigt hat. Tut er es trotzdem, so ist er ein Heuchler!

Zu diesen Feststellungen hat uns der Säuberungs­entscheid gegen Bürgermeister Hermann in Neu­bulach veranlaßt, der u. a. aufIm öffentlichen Dienst nicht tragbar" lautet. Wir können nicht glau­ben, daß nur sachliche Erwägungen und der Wille cur Wahrheit und Gerechtigkeit bei der Entscheidung Pate standen, sondern eher, daß auch in diesem Fall Zuträgereien und Denunziationen nicht in den Papierkorb wanderten! Das Ergebnis der vor kurzem stattgefundenen Kirchengemeinderatswahlen mit 223 von 240 abgegebenen Stimmen für Hermann will un­sere Annahme bestätigen. ao.

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Birkenfeld. Im Alter von über 88 Jahren starb Oberlehrer i. R. Johannes Friedrich Frey und wurde unter großer Anteilnahme der Gemeinde zu Grabe getragen. Nach Erreichung der Altersgrenze pensio­niert, stellte er sich während des Krieges noch ein­mal freiwillig in den Dienst , der Schule trotz seines hohen Alters von 84 Jahren. Der Verstorbene war ein vorbildlicher Erzieher und Lehrer und ein gro­ßer Freund von Musik und Gesang. Bürgermeister Aymar sprach im Namen des Männergesangvereins und der Gemeinde am Grabe die letzten Worte des Dankes. Im Aufträge der Schulbehörde und Lehrer­schaft sprach Engelhardt.

Engelsbrand. 35jährig verstarb dieser Tage die Witwe Erna Burkhard. Sie hinterläßt zwei unmün­dige Jungen, die vor zwei Jahren den Vater ver­loren hatten.

Nagold. Aus der VortragsreiheMeister der Ton­kunst", die in Calw mit starkem Interesse aufge­nommen wurde, bringt das Volksbildungswerk am Donnerstag, den 11. Dezember, einen Abend, der Franz Schubert gewidmet ist. Vom 14. bis 28. De­zember wird im Rahmen des Volksbildungswerkes eine Kunstausstellung im Festsaal der Lehrerober­schule durchgeführt, wobei Künstler aus den Krei­sen Calw, Horb und Freudenstadt ihre Werke zeigen. Simmozhefm. H. G. von Simmozheim hatte sich wegen Schwarzschlachtung, ungenügender Milchab­lieferung und Nichtausführung einer behördlichen Anordnung seitens eines französischen Kontroll- beamten vor Gericht zu verantworten. Der Ange­klagte ist mit nicht weniger als 1500 Liter Milch im Rückstand und galt auch sonst als unwilliger Kar­toffel- und Eierablieferer. Er wurde zu einem Monat Gefängnis und zu einer Geldstrafe von 1000 Mark verurteilt. Der Aufforderung des französischen Offi­ziers, das Vorgefundene Fleisch auf dem Bürgermei­steramt abzuliefern, kam er dadurch nach, daß er nur Knochen und etwas Fett abgab.

Dennach. Ein 17jähriger Arbeiter wurde wegen Fälschung seiner Kennkarte und wegen Diebstahls bestraft.

Wildberg. Pfarrer Daxner aus Langenbrand, der mit einem mit Weihnachtsspenden für das kirch­liche Hilfswerk beladenen Lkw. unterwegs war, ver­unglückte so schwer, daß er kurz nach seiner Über­führung ins Kreiskrankenhaus Calw starb. Der Fah­ler erlitt leichtere Verletzungen. Das Fahrzeug war

In <}en Geschichten und Sagen vergangener Jahr­hunderte spielte der wilde Jäger, der in den Ad­ventsnächten auf einem Schimmel durch unsere Wäl­der ritt und für Groß und Klein ein unheimliches Schreckgespenst war, eine große Rolle. Manchmal wurde sein Jagen und Toben nur von ferne gehört, oft wurde er aber auch gesehen. Gewöhnlich trug er einen Eisenhammer, der an einem ledernen Rie­men hing, bei sich und mehrere Hunde begleiteten ihn. So ritt er durch die Wälder unserer Heimat und schlug in die Bäume, die gefällt werden sollten, ein Zeichen. Blitzschnell eilte der wilde Jäger mit seinem Gefolge durch die Wälder und unheimlich dröhnte das Klopfen der Hämmer in die frostklaren Winternächte.

Einmal ging ein Mann in der dritten Advents­woche von Hirsau nach Althengstett durch den Wald. Die Nacht hätte ihn überrascht. In Schweiß gebadet und mit klopfendem Herzen kam er um die Mitternachtsstunde in Althengstett an. Der wilde Jäger hatte ihn verfolgt. Manchmal war er so dicht hinter ihm, daß er zur Seite springen mußte, um nicht niedergeritten zu werden. Dann war er plötz­lich wieder verschwunden und die Tritte seines Pfer­des verloren sich in der Nacht. Ein ähnliches Erleb­nis mit dem wilden Jäger erzählte eine Frau. Sie wurde zwischen Calw und Hirsau von ihm angehal­ten und den Meisterberg hinaufgejagt, woran sich auch seine Knechte beteiligten. Als sie auf der Höhe bei Alzenberg erschöpft zu Boden sank, ließen sie von ihr ab und verschwanden wieder in den Wäl­dern. In Würzbach wurde einmal ein Wilddieb von dem wilden Jäger überrascht, als er gerade seine Schlingen legen wollte. Da dieser glaubte, den her­zoglichen Förster vor sich zu haben, legte er seine Flinte auf ihn an. Als er jedoch abdrücken wollte, stürzte er tot zu Boden! Auch in der Gegend von

Herrenalb soll sich der wilde Jäger öfters gezeigt haben. Dort heißt er allerdingsNeck", wie einst ein Jäger, der auf dem Dobel wohnte und viele Wilddiebe erschoß: einmal an einem Sonntag ihrer fünf. Dabei wurde er selbst durch den Schuß eines Wilderers getötet. Seitdem haust er in den Borgen bei Herrenalb, reitet auf einem Hirsch durch die Wälder und mehrere Hunde begleiten ihn. In Baiers­bronn liegt ein sehr alter Hof, der nach einem frü­heren Besitzer noch immer derMartisbauernhof" heißt; er soll dereinst zu dem Kloster Reichenbach gehört haben. Im Erdgeschoß des Hofes ist ein Ge­wölbe, durch welches um die Weihnachtszeit regel­mäßig das Muetesheer mit seinem Hundegebell und gewaltigem Lärm zu ziehen pflegte. Sobald der erste Knecht das Heer herannahen hörte, mußte er Türen und Fenster des Gewölbes öffnen. Einmal aber kam der Knecht zu spät, worauf ihm fast der halbe Mit­telfinger von einem der durchziehenden Unholde ab­geschnitten wurde. Eine Stimme aus dem Muetesheer aber rief:Binde dir einen roten Faden um den Fin­ger!" Als dies der Knecht tat, hörte das Bluten auf und der Finger war wieder heil. Der Fuhrmann Gün­ther von Enzklösterle wollte einst spät in der Nacht von der Lehensägmühle über den Eiberg nach Hause. Mitten im Wald begegnete ihm ein Jäger mit zwei Hunden, den er für den Fürsten hielt und anredete. Der Jäger jedoch antwortete nicht und schlug mit seinem Hammer fortwährend die Bäume an. Plötzlich war der Fuhrmann mit Pferd und Wagen drüben auf der andern Seite des Enztales, auf dem Meistern. Er hatte von der Fahrt durch die Luft nichts be­merkt, auch war ihm kein Leid widerfahren. So haben sich um die Gestalt des wilden Jägers gar manche Geschichten gewoben bis auf den heuti­gen Tag. K. Kußmaul.

Heimkehr

Da bin ich nun »wieder und es ist lange Jahre her, seit ich die Stadt zum letztenmal gesehen habe Eine fiebernde Spannung ergreift mich, als der Zug in den Efahnhof einfährt und mit unruhigem Zischen stehenbleibt. Unwillkürlich schaue ich um, ob ich nicht ein bekanntes Gesicht sehe aber wie sollte es möglich sein, es weiß doch niemand von meinem Kommen. Draußeh sehe ich unendlich viele Lichter über dem Bahngelände, rote und grellweiße und mattgelbe, auf dem Berg ist es ein scharf abgegrenz­tes verwirrendes Mosaik hellbeleuchteter Fenster. Ich versuche sie zu zählen, aber es ist sinnlos und ich gebe jes auf. Aber ein Gedanke kommt mir in den Sinn und er will mich beruhigen Wenn nun eines dieser unzähligen Signallichter auf dem Bahn­gelände plötzlich verlöschte, ohne Willen der Zen­tral^, welch ein Unglück könnte entstehen! Und doch, alles würde weitergehen wie bisher, ohne Un­terbrechung. Es ist ein'Trost, das zu wissen. Nun habe ich die Brücke erreicht und schaue hinunter in den Graben, in dem ein brodelndes, brütendes Dun­kel liegt, aber es zieht mich fort in die Helle. Es greift mir plötzlich mit würgendem Griff ans Herz. Die Menschen sind eirigemummt in dicke Mäntel und hai jedem Atemzug vermischt sich ein grauer Nebelstreifen mit der kalten, nassen Luft Sie haben es so eilig und ich kann das nicht verstehen, denn was hat uns der Begriff Zeit gegolten in diesen Jahren? Vielleicht muß auch ich es wieder lernen, um Schritt zu halten mit diesem treibenden Strom, der immer fließt und keine Ruhe kennt. Aber jetzt, jetzt habe ich noch Zeit, so wie die vielen vertrau­ten Erker an den Häusern. Und dann sehe ich die Kapellenkirche und schaue an ihrem Turm hoch, der in dem blauen Dunkel der Nacht verschwindet, und ich höre den dumpfen Glockenschlag der Heilig­kreuzkirche, und jeder Ton schlägt wie Feuer in mein Herz, das plötzlich weit wird in der Frkennt- nis, daß ja dies alles, was ich sehe und höre und fühle, nichts anderes als die Heimat ist, die alte treue Heimat. Die Heimat! Nun erst weiß ich richtig, was sie mir ist und war, jetzt, wo ich sie wiedersehe und sie mich empfängt und begrüßt. Die Häuser und die breiten Straßen, die Lichter und die Türme und die Menschen, das alles ist Heimat. Ueber mir sind die Sterne und auch sie gehören zur Heimat. Und da ich das jetzt weiß, bin ich ganz zu Hause und fühle mich geborgen, obgleich ich allein bin und nicht viel mehr besitze als meine graue Uniform und meinen grünen Mantel und einen zer­schlissenen Wäschebeutel. - _e

Die Aermsien der Armen

Die versorgungsärztliche Betreuung der Kriegs- Versehrten

In acht Versorgungskrankenhäusern Südwürttem­bergs «ind heute fast 1500 Schwerbeschädigte unter­gebracht, und in zwei; drei und vier Jahren oftmals schon bis zu 30 Operationen unterworfen worden. Es sind Amputierte, Hirnverletzte, Schwerkranke, oder aus den Kriegsgefangenenlagern heimgekehrte Versehrte.

Für die Versehrten gibt Südwürttemberg in einem _Jahre 18 Millionen Mark an Renten aus. Die Kosten der acht Versorgungskrankenhäuser in Südwürttem- berg belaufen sich in einem Jahr auf nicht ganz 1,4 Millionen Mark. In den Versorgungskrankenhäusern wurden in diesem Jahre 10 303 Fälle behandelt. Man muß sich überlegen, daß ein Schwerbeschädig­ter, der nur auf Rente angewiesen ist, in schweren Fällen den Staat rund 45 000 -Mark an Lebensrente kostet, während ein einziger Behandlungsfall mei­stens nicht mehr als auf 700 bis 800 Mark kommt. In den Krankenhäusern und Kliniken fehlen heute Betten. Es kann monatelang dauern, bis ein Schwer­beschädigter in einem Krankenhaus unterkommeii kann. Die Versorgungskrankenhäuser dagegen kön­nen heute unmittelbar eingreifen und eine Heilbe­handlung höchst intensiver und individueller Art beginnen. Aerzte, chirurgisch gebildet, und durch . die jahrelange Arbeit in ehemaligen Lazaretten be­sonders befähigt, leisten in diesen Krankenhäusern eine entscheidende Aufgabe, die über chirurgische Eingriffe hinaus bis in das Gebiet seelischer Analy­sen reicht.

Vielfach ist die Existenzberechtigung der Versor­gungskrankenhäuser abgestritten worden. Wie un­geschickt aber diese Rechnung ist, zeigt ein kurzer Besuch in solchen Krankenhäusern mit ihren Ver­stümmelten und Amputierten. Tübingen enthält die einzige neurochirurgische Abteilung der ftanzösisch besetzten Südzone, die die chirurgische Behandlung der Hirn verletzten und der an Hirntumoren Erkrank­ten durchführen kann. Ihr angeschlossen ist die neu­rologische Sonderabteilung für Hirnverletzte und eine Hirnverletzten-Fürsorgestelle für die Nachbe­handlung, Begutachtung und Umschulung aller Hirn­verletzten der Länder-Württemberg und Baden. Es ist gelungen, rund 95,8 Prozent der Schwerbeschädigten wieder arbeitsfähig zu machen. Allein 50 Prozent der Hirnverletzten konnten wieder in ihren alten Berufen untergebracht werden. Den Fortschritt auf diesem Gebiet kennzeichnet ein Vergleich mit dem Kriege 187071, nach dem alle Hirnverletzten star­ben, und mit dem Krieg 191418, in dem oder nach dem noch neun Zehntel der Hirnverletzten starben, während von dem restlichen Zehntel mehr als die Hälfte arbeitsunfähig blieb. Behandlung finden in Tübingen darüber hinaus die Rückenmark- und Ner- venschußverletzten, und die an Tuberkulose Erkrank­ten, während die Nebenstelle Urach etwa 90 sehr schwer Gesichts- und Kieferverletzte chirurgisch be­handelt. Hier leistet die ärztliche Hand nahezu Un­wahrscheinliches.

Ueber die rein stationäre Behandlung hinaus wer­den in den Versorgungskrankenhäusern Tausende von Kriegsversehrten ambulant behandelt, und Tau­sende orthopädisch beraten. Es ist nicht unbekannt, daß die Versorgung mit orthopädischen Schuhen ein besonders schwieriges Kapitel ist und wegen der Lederknappheit vorerst noch keine endgültige Lö­sung finden kann.

Die französisch besetzte Zone Deutschlands ist im Gegensatz zu den anderen .Zonen in der glücklichen Lage gewesen, die alten, bewährten Versorgungs­einrichtungen für die Körperversehrten übernehmen zu können. Dem Beispiel Württembergs folgen heute andere deutsche Länder. Sie bauen nun ein Versor­gungswesen nach unseren Erfahrungen auf. Der Ar­beitsausschuß der westdeutschen Aerztekammern hat alle Länder auf die Notwendigkeit staatlicher Ver- sorguhgskrankenhäuser aufmerksam gemacht.

Der Sinh dieser Versorgungskrankenhäuser, so sagte Regierungs-Medizinalrat Dr. Dobler der Chef­arzt des Tübinger Versorgungskrankenhauses, ist kein Selbstzweck. Sie können mehr für die Opfer des Krieges leisten, als zivile Krankenanstalten

Verantwortlich für den örtl. Textteil Rolf Staeüele

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