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Mittwodi, den 19. November 1947

Bottweil/Sohwenningen ' Sohramberg/Oberndorf 8 Calw/Freudenstadt/Horb

ORGAN DER CHRISTLICH-DEMOKRATISCHEN UNION

Nr. 92 / Jahrgang 3 / Preis 20 Pfg.

Abgelehnte Verantwortung

Die größte Partei Südwürttembergs will die Konsequenzen ziehen

F. Tübingen. Der Landesvorstand der CDU hat in seiner Sitzung vom 14. Novem­ber in Bebenhausen folgende Entschließung gefaßt: -

Die bisherigen Maschinenentnahmen und die Demontage bedeuten den Ruin unserer Wirtschaft und berauben unser Land auch der bescheidensten Existenzmöglichkeiten. Der Landesvorstand lehnt daher die ver­öffentlichte Demontageliste in ihrer jetzigen Gestalt ab. Sollten den eingehenden Be­mühungen der'Regierung und des Landtags, unsere Reparationsverpflichtungen auf ein rechtlich und wirtschaftlich vertretbares Maß zurückzuführen, kein Erfolg beschleden sein, so können die Fraktion der CDU und unsere Vertreter in der Regierung die Verantwor­tung nicht weiter tragen.

Bodenreform-Entwurf Dr. Weiß

Tübingen. Staatspräsident Lorenz Bock sagte auf einer Pressekonferenz, daß er seiner Erklärung zur Emährungslage vor dem Landtag nichts hinzuzufügen habe. Er hoffe weiter, daß der Bevölkerung die vor­gesehenen Mengen an Lebensmitteln im Win­ter laufend zur Verfügung gestellt werden können. Auf den Einwand, in den letzten Ta­gen sei davon gesprochen worden, daß der dritte Zentner Kartoffeln nicht ausgegeben werden könne, sagte der Staatspräsident, daß zwar augenblicklich Stockungen in der An­lieferung eingetreten seien, er habe jedoch

die Ueberzeugung, daß bis zu dem vorge­sehenen Termin, dem 31. Dezember 1947, die vorgesehene Menge Kartoffeln verteilt wer­den könne. Auf die Frage, ob die südwürt- tembergische Regierung bereits Schritte un­ternommen habe, um das Gesetz über die Bodenreform zu realisieren, sagte der Staats­präsident, das Kabinett habe durch Land­wirtschaftsminister Dr. Franz Weiß einen Gesetzentwurf ausarbeiten lassen, der dem Parlament bald zur Diskussion vorgelegt werden würde. Auf die Frage, ob auch in Südwürttemberg wie in Südbaden die Ge­werkschaften an dem Gesetzentwurf beteiligt seien, antwortete der Staatspräsident, seines Wissens sei bis jetzt der südwürttembergische Gewerkschaftsbund noch nicht eingeschaltet, habe aber jederzeit die Möglichkeit, seine Wünsche vorzubringen.

Die Ausführungen des Regierungschefs zur Emährungslage gewinnen an Bedeutung zu einer Zeit, in der, wie unser -nn-Mitarbeiter erfährt, dem Land Württemberg-Hohenzol- lern zur Erfüllung der Kartoffelauflage und der Erfassung der Ernte die uneingeschränkte Anerkennung der französischen Militärregie­rung ausgesprochen worden ist. Dieses Lob berührt zugleich die ernste Situation der Pfalz, in der die Kartoffeln nur zehnpfund­weise zur Ausgabe kommen, und in der die Bevölkerung ohne Unterstützung des Landes Württemberg-Hohenzollem vor einem beson­ders schweren Winter stehen würde.

Erklärung der Staatsregierung

-nn. Tübingen. Auf einer Presse­konferenz der südwürttembergischen Staats­regierung, in der Staatspräsident Bock und die Ressortminister zur Demontage Stellung nahmen und Fragen der Journalisten beant­worteten, wurde der Presse eine Erklärung ausgehändigt, die am 12. November Gouver­neur General Widmer überreicht worden ist. In dieser Erklärung heißt es unter anderem:

1. Die angeordnete Demontage trifft die Wirtschaft des Landes Württemberg-Hohen- zollern um ein vielfaches schwerer, als die Wirtschaft der Bizone von ihr getroffen wird. Wenn sie nach den vorangegangenen Maschinenentnahmen der Jahre 1945/46 und 1947 jetzt durchgeführt werden sollte, wird der Aufbau einer lebensfähigen Friedens­wirtschaft in Württemberg und Hohenzollern unmöglich sein. Der Export wird so stark zusammenschrumpfen, daß weder die für eine ausreichende Ernährung der Bevölke­rung in der französischen Zone notwendige Lebensmitteleinfuhr, noch die Einfuhr der Rohstoffe für die verbleibende Industrie mit dem Erlös der Ausfuhr bezahlt werden könnte. Der Stand in den betroffenen Indu­strien (Werkzeugmaschinen, Werkzeuge, Hy­draulik, Feinmechanik, Uhren) läge dann weit unter dem uns nach den Potsdamer Be­schlüssen zu belassenden und um ein mehr­faches unter dem der Bizone verbleibenden Stand.

2. Die Bevölkerung in allen ihren Schichten Verlangt daher von ihrer Regierung, daß sie eine Aenderung der Demontageliste erreicht.

3. Die Regierung kennt ihre Pflicht, bei der Wiedergutmachung des von Deutschland an­gerichteten Schadens nach Kräften mitzu­wirken. Durch eine solche Wiedergutmachung und durch loyales Verhalten gegenüber der Militärregierung die Verständigung mit den Alliierten, insbesondere mit Frankreich, vor­zubereiten und zu ermöglichen, war der erste Grundsatz ihrer Politik. Sie kann diesen Grundsatz aber nur durchführen, wenn ihr die Erfüllung ihrer ebenso ernsten Pflicht, unbedingt für eine bescheidene Lebensmög­lichkeit ihres eigenen Volkes einzutreten, nicht unmöglich gemacht wird. Diese, dem deut­schen Volke von allen Alliierten zugestandene bescheidene Lebensgrundlage wird durch die angeordnete Demontage vernichtet. Kann die Regierung keine Milderung der unerträglich harten Maßnahmen erreichen, so kommt sie entweder gegenüber der Militärregierung oder gegenüber ihrem eigenen Volke in eine unhaltbare Lage.

4. Wir bitten daher dringend darum, daß

Herr General Koenig als französischer Ober­kommandierender in Deutschland und als Mitglied dep Kontrollrates den Herrn Staats­präsidenten und den Herrn Wirtschafts­minister, entweder allein oder zusammen mit den Herren Regierungsvertretem der Länder Rheinland-Pfalz und SUdbaden eine Audienz gewährt, in der sie ihm die schwierige Lage der Regierung und die Notwendigkeit einer Milderung der angeordneten Maßnahmen dar­legen können. ,

Einig unter Vorbehalt

Paris. Nach einer Meldung aus Wa­shington dürfte John Foster Dulles, der von Wyschinski alsKriegshetzer angegriffen worden ist, Außenminister Mar.chqii als Ver­treter der Republikanischen Partei zur Lon­doner Konferenz begleiten. Der Delegation wird auch George F. Kennan, der Leiter des neuen Planungsstabes Marshalls, angehören. Ferner fahren verschiedene Ratgeber Mar­shalls mit, die bereits an der Moskauer Kon­ferenz teilgenommen haben.

Auf der Vorkonferenz der stellvertretenden Außenminister wurde eine Einigung erzielt, daß die Außenminister folgende Probleme be­handeln sollten: 1. Form und Ausdehnung der vorläufigen politischen Organisation Deutsch­lands, 2. Staatsvertrag mit Oesterreich, 3. Wirtschaftsgrundsätze, Industrieniveau und Reparationsplan. Frankreich machte einen Vorbehalt bezüglich des Saarlandes, gegen den die anderen Delegierten keine Einwände erhoben. Ueber die Reihenfolge der Verhand­lungsgegenstände einigten sich die stellver­tretenden Außenminister nicht. Der soge­nannte Byrnes-Vertrag für die Abrüstung und Entmilitarisierung Deutschlands wird Frank­reich, wie es sich vorbehält, vielleicht Ge­legenheit geben, die Fragen des Ruhrgebietes und des Rheinlandes aufzuwerfen. In einer früheren Phase der Besprechungen sprachen sich die Vereinigten Staaten, Großbritannien und Frankreich dafür aus, daß die deutschen Länder alle Vollmachten erhalten sollten mit Ausnahme derer, die ausdrücklich der Zen- tealregierung übertragen würden. Die Sowjet­

union wünschte die Wiedereinführung der Weimarer Verfassung und die Liquidierung des von Hitler geschaffenen Einheitsstaates.

In London wird gesagt, daß die sechzehn europäischen Länder auch noch nach 1952 die Hilfe der Vereinigten Staaten brauchen wür­den, da die Empfehlungen des Harriman- Ausschusses vorsehen, daß die Hilfe für die nächsten vier Jahre von 22 auf 17 Milliar­den Dollar herabgesetzt werde.

Laffon zurückgetreten

Paris. Wie SUdena meldet, ist der Ge- neraladministrateur der französischen Be­satzungszone in Deutschland, Laffon, zurück­getreten. Da augenblicklich eine Umbildung der Zivilverwaltung in Deutschland geprüft wird, übt er auf begrenzte Zeit weiterhin seine Funktionen aus.

Der Generaldirektor des Informations­wesens der französischen Militärregierung in Deutschland, Jean Amaud, der seit dem 8. Juli 1945 im Amt ist, und der Kontrolleur des Justizwesens, Bourthoumieux, haben ihre Demission eingereicht.

Hugh Daltons Sturz

London. Schatzkanzler Hugh Dalton hat zurücktreten müssen, weil er wie sei­nerzeit unter Mac Donald der Minister Thomas einem Journalisten Einzelheiten Uber das Budget mitgeteilt hat. Zu seinem Nachfolger wurde Sir Stafford Cripps er­nannt, der Wirtschaftsminister bleibt

Ernste Symptome

-m. Berlin. Seit der Ankündigung des Chefs der Informationsabteilung der ameri­kanischen Militärregierung, Oberst Textor, die amerikanisch kontrollierte Presse werde den Kommunismus offensiv bekämpfen, hat in der westlichen und östlichen Presse Ber­lins ein wahres Feuerwerk gegenseitiger Be­schuldigungen eingesetzt. Es fing damit an, daß dieNeue Zeitung am Tage der Ver­kündung des Urteils im Sachsenhausen-Pro­zeß, der von einem russischen Militärgericht geführt worden war, eine heftige Attacke gegen die heutigen Zustände im Konzen­trationslager Sachsenhausen ritt. Wenige Tage später nahm sich das Organ der Roten Ar­mee, dieTägliche Rundschau, in beredten Worten des Prinzen Ferdinand von Schön- aich-Carolath an, dessen Schmuck von den Amerikanern beschlagnahmt worden war. Die Juwelen sollen nun, wie der ameri­kanisch lizenzierteTagesspiegel tags darauf zu berichten wußte, wieder zurückgegeben werden. Nach diesem Zwischenspiel, das nur durch die ausbrechenden Spannungen politi­sches Gewicht bekommen hatte, schrieb das Zentralorgan der SED,Neues Deutschland, zu der Ankündigung der Propaganda-Offen­sive gegen den Kommunismus, die Meldung enthülleohne die geringste Zurückhaltung, daß nunmehr von einer zentralen Stelle die Deutschen einseitig propagandistisch be­arbeitet werden sollen. Der Antikommunis­mus sei eine antidemokratische Ideologie, fährt dasNeue Deutschland fort, um resi­gniert und prophetisch zu schließen:Tut, was ihr nicht lassen könnt! Doch täuscht euch nicht über das Ende. Am gleichen Tage veröffentlichte die Abendzeitung der SED, Vorwärts, das Faksimile einer amerika­nischen Lizenz zur Herstellung von Klebe­zetteln, die das Symbol der SED darstellen, bei denen die ineinander geschlungenen Hände gefesselt sind. Zu gleicher Zeit aber schreibt Melvin J. Lasky in einemTotalitarismus Nummer zwei überschriebenen Artikel im Tagesspiegel:Zwei Jahre nach Hitler und Himmler hat sich in der Ostzone ein neuer Totalitarismus gebildet. Politisch ein Polizei- und Parteistaat ist die Ostzone, wirtschaftlich gesehen, ein Chaos, ideologisch ist sie ein

widerwärtiges Arsenal von Gehässigkeiten, Korruption und explosivem Fanatismus, moralisch ein kranker, erschöpfter Gesell­schaftskörper, in dem die Menschen sich vor Leiden fast verzehren. -

So ernst diese Symptome genommen wer­den müssen, so sind sie doch nur Rand­erscheinungen zu den konkreten vorbereiten­den Aeußerungen Clays zur Londoner Kon­ferenz, die derKurier als erste offiziell* Stellungnahme der Vereinigten Staaten für die wirtschaftlichen und politischen Pläne für Westdeutschland bezeichnet, die Amerika für den schlimmsten Fall bereit halte.

In Stuttgart wahrgenommen

Stuttgart. Der Leiter der Stuttgarter Erdbebenwarte, Dr. Hiller, hat in derStutt­garter Zeitung die Vermutung ausgespro­chen, daß der sowjetische Atombombenver­such am 15. Juni von seiner Warte registriert worden sei. Die Seismographen verzeichneten um 1.20 Uhr Greenwicher Zeit, was 8.00 Uhr morgens Irkutsker Ortszeit entspricht, zwei schwache Fernbeben, die sich nicht ganz wie normale Erdbeben aufzeichneten. Wenn an­dere Stationen, wie Straßbourg, Triest, Rom und Sofia die Erschütterung nicht wahrnah- men, so liege das daran, daß sie nicht über gleich empfindliche Geräte verfügten.

Dr. Hiller, der seit 25 Jahren die Erbeben­warte leitet, vermutet eine große Tiefen­wirkung der russischen Explosion, im Gegen­satz zu den amerikanischen Atomversuchen, die nicht registriert wurden, weil die Ex­plosionen an der Oberfläche blieben. Der Stuttgarter Seismograph ist ein Gerät, das erst 1943 konstruiert wurde. Es hat auch während des Krieges Bombenangriffe, so den auf die Möhnetalsperre, verzeichnet.

Ausschluß Loebes

Berlin. Der Parteivorstand und der Parteiausschuß der SPD haben beschlossen, den früheren Reichstagspräsidenten Paul Loebe aus dem außenpolitischen Ausschuß der Par­tei auszuschließen und ihm die Mißbilligung auszusprechen, weil er entgegen den Direk­tiven der Parteileitung an der Friedensburg- Konferenz teilgenommen hat.

, Gefährliche Täuschungen

A. N. Wir leben heute mehr denn je von Illusionen. Beispielsweise von der, uns einen Verwaltungsapparat leisten zu können, der größer ist als vor dem Kriege. Es sind nicht alle einschlägigen Ziffern bekannt; aber man weiß, daß in Bayern die staatlichen und städtischen Behörden Anfang dieses Jahres 570 000 Personen gegen nur 316 000 im Jahre 1938 beschäftigten und daß in Hessen auf 1000 Arbeitnehmer der Industrie 286 Ange­hörige der öffentlichen Verwaltungen kom­men. Wohltuend sticht dagegen die Ober­postdirektion Tübingen ab, die in ihrem Be­triebe heute nur 4000 Menschen gegenüber 6000 im Frieden beschäftigt. Leider ist Tü­bingen und sind nicht Bayern und Hessen die Ausnahme. Wir wissen wohl, die Aufblähung des öffentlichen Apparates ist nicht auf Deutschland beschränkt; England klagte, daß von seinen 20 Millionen Beschäftigten auf solche Weise 3 Millionen nicht mehr unmit­telbar produktiv tätig seien. Deutschland ver­mag sich einen solchen Leerlauf noch viel weniger zu leisten als andere Länder.

Es braucht nicht erst gesagt zu werden, denn es ist sonnenklar, daß die deutschen Länder mit ihrer zusammenschrumpfenden Produktion und den versiegenden Steuerquellen unter den Kosten eines solchen Behörden­apparates zusammenbrechen müssen spä­testens nach der Währungsreform. Die am schlimmsten Betroffenen sind die Beamten und öffentlichen Angestellten selbst. Gerade sie haben daher ein lebenswichtiges Interesse an einer Gesundung; die heutigen Zustände sind ungesund und treiben zur Katastrophe. Das Volk ist sich seit langem darüber klar: in die Klagen über die Härten der Verwal­tung mischt sich das Unbehagen über eine Vergeudung unserer letzten volkswirtschaft­lichen Kraftreserven für unproduktive Zwecke.

Es ist Unsinn, derlei Ueberlegungen als Be­amtenhetze zu bezeichnen. Kein besonnener Beamter wird die Mißstände übersehen, leidet er doch selbst darunter. Denn so hoch und unangefochten schwebt keiner über dem Volke, daß er nicht selber irgendwann und Irgendwo Publikum wäre, sich an Schaltern drängen müßte und seinen Aerger mit Be­hörden hätte. Diese Dinge greifen um Sich, die behördlichen Allüren stecken an. Es gibt Handwerker und Geschäftsleute, die mit Er­folg die Bürokratie nachahmen, sich sozu- zusagen als Verteilungsbeamte auf spielen und ihre Kunden nicht wie Kunden, sondern wie lästige Bittsteller behandeln. Das liegt aller­dings auch daran, daß das Mißverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage allenthal­ben Monopole schafft.

Es wäre also ebenfalls Unsinn, zu sagen: die Beamten seien an allem schuld. Sie sind es nicht. Unser Beamtentum ist nicht korrupt;

aber mitunter wandeln wir, wie kürzlich an dieser Stelle ausgeführt wurde, messerscharf an der bedenklichen Grenze der Korruption. Zur Bestechung gehören freilich zwei: einer, der sich bestechen läßt, und einer, der zu be­stechen versucht. Wir geben jenem Beamten durchaus recht, der uns folgendes entgegnete: Ihr beklagt euch, daß manche Aemter die Würde des Bürgers mißachten, wäre aber der Bürger voller Würde, so ließe er sich eben nicht mißachten. Denn wie ist es in Wirklichkeit? Kommen nicht viele, allzuviel« katzbuckelnd zur Behörde, heucheln sie nicht in scheinheiliger Demut falsche Tatbestände, um die Beamten hinters Licht zu führen? Wo ist denn da die Würde des Staatsbürgers, seine Selbstachtung und seine aufrechte Ge­sinnung?

Die Mißstände, die wir beklagen, sind sehr tief verwurzelt; die Wurzeln liegen jenseits persönlicher Uebergriffe. Es sind Erscheinun­gen einer umfassenden Gesellschaftskrise. Die Vermassung des modernen Menschen gibt nicht allein der technischen Maschine, son­dern auch der behördlichen Staatsmaschine eine furchtbare Gewalt über den Einzelnen und gefährdet dabei . seine Freiheit und menschliche Würde. Das ganze Leben droht bürokratislert zu werden; auch demokratisch* Staatsformen sind nicht immun gegen den kollektivistischen Wirtschaftsgeist. Der Staat ist omnipotent geworden; und wenn auch alle sich angeblich einig sind, daß dieser omnipotente Staat, wie ihn der Nationalsozia­lismus errichtete, abgebaut werden müsse, so bläht er sich doch im Gegenteil immer weiter auf. Es ist eben sehr schwer, einen Staatssozialismus zu vermeiden, ohne in die Gefahr zu geraten, dem eigennützigen Pri­vatkapital zu viel einzuräumen. Ueberall drängt sich Macht zusammen und will das Individuum zermalmen.

Um dem abzuhelfen, müssen alle sich be­mühen; es gibt da keinen Gegensatz zwi­schen Volk und Beamten. Es wäre äußerst unklug gerade im Interesse des Beamten­tums, wollte man die Mißstände von heute verschweigen. Das Volk redet sowieso über­all davon, in den überfüllten Kartoffelzügen, in den Schlangen vor den Schaltern und in den Gängen der Aemter und an tausend an­deren Stellen.

Der alte Cotta hat gesagt, die Zeitung habe ein öffentliches Amt, zu sagen, was sie be­denklich finde im Staate. Der jünger* Goebbels nannte das allerdings kein öffent­liches Amt, sondern Zersetzung. Manch* nennen es heute in einer nicht ungefährlichen Verblendung Hetze, ja Nihilismus. Aber es ist weder Zersetzung noch Hetze und Nihi­lismus. Es ist lediglich eine Diagnose im Dienste der Therapie.

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