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Samstag, 25. Oktober 1947

Späte Opfer des Luftkrieges

GAF. Mit dem zunehmenden Bombenkrieg retteten Tausende ihre Möbel und letzte Habe aus Westdeutschland in die jetzige Ostzone. Dort blieben sie im wesentlichen bis zum Kriegsende erhalten. Nach dem Einmarsch der Roten Armee und mit dem langsamen Nie­dergleiten des Eisernen Vorhangs wuchsen die Schwierigkeiten, wieder in den Besitz dieser Möbel und Hausratägegenstände, Wäsche- und Kleidungsstücke zu kommen. Fehlte es auch zunächst an Transportmög­lichkeiten und einer Versandgelegenheit durch die Post, so unternahmen Kluge doch damals schon alles, um ihr Eigentum durch die zu­nächst noch dünn bewachte Demarkations­linie wieder in den Westen zu bringen. An der Gesamtzahl gemessen ist. aber der Pro­zentsatz des verlagerten Besitzes gering, der bis zum Jahresende 1945 aus den östlichen Gebieten frei. kam. Inzwischen vermehrte sich der verlagerte Besitz keineswegs. Die Besatzung benutzte diese Bestände zur Aus­stattung ihrer Unterkünfte, die Spediteure mußten den Gemeinden das Mobiliar und Eigentum der vor der Roten Armee geflo­henen Aktivisten, Fabrikanten und Groß­grundbesitzer überlassen, es wurde entliehen und requiriert. Ausweichlager konnten nur mühsam geheim gehalten werden. Die Ge­meinden gingen mit wachsendem Flüchtlings­strom dazu über, aus diesen Möbel- und Haus­ratbeständen die ihnen zugewiesenen Neu­bürger auszustatten. In den Ländern Thürin­gen und Sachsen wurden Gesetze zur Erfas­sung des unbenutzten Hausrats erlassen. Zwar sollten sie den verlagerten Besitz, soweit er Nicht-Pgs gehörte, schützen. Die Gemeinden und Städte fanden aber Möglichkeit, *zu erfassen, was nicht fanatisch verteidigt wurde. Wohnungskommissionen kämmten alle Häu­ser durch, scheuten sich nicht, in Truhen und Schränken nach verborgenem, nicht ge­meldetem Hausrat zu suchen und ihn aus eigener Vollmacht zu beschlagnahmen. Nicht

Vom Umgang mit Menschen

Nürnberg. Im Prozeß gegen das ehemalige Rasse- . und Siedlungshauptamt wurde von der Anklagevertretung als Be­weisstück ein Monatsbericht vörgelegt, der über einerassische Untersuchung an Stu­denten und Studentinnen der Straßburger Universität aussagt. Es heißt darin:Es ist bekannt, daß sich unter den Studierenden eine große Anzahl von Menschen deutscher Herkunft befindet. Ihre politische Einstellung steht jedoch in starkem Gegensatz zu ihrer Abstammung. 37 Prozent der Studierenden wurden als biologisch wertvolles Blut heraus­gesiebt, und es besteht die Absicht, dieselben in das Reich zu überstellen. Mit 260 vorge­legten Dokumenten erreichte die Anklage­vertretung am ersten Tage dieses Prozesses die höchste Zahl an Beweisstücken, die bis­her innerhalb einer Verhandlung von fünf Stünden in Nürnberg vorgelegt wurden.

Der totale Krieg hat eigene Gesetze*

Der Angeklagte Hermann Förtsch erklärte lm Prozeß gegen die elf Generale der Süd­ost-Armee, er habe nie das Gefühl gehabt, daß die von ihm weitergeleiteten Befehle eine verbrecherische Absicht in sich geschlos­sen hätten. Die deutsche Führung habe die Partisanenorganisationen nicht als völker­rechtsmäßig anerkennen können, wenn sie sich aber dennoch um eine gewisse Anerken­nung bemüht habe, so nur, um demwider­lichen Kampf eine mehr humane Form zu geben, sowohl im deutschen Interesse, als auch in dem desschwerleidenden Volkes im Südosten. Vom militärischen Standpunkt aus seien Repressalien unvermeidlich gewesen, genau so unvermeidlich, wie die Luftangriffe. Wenn der totale Krieg einmal im Rollen ist, sagte Förtsch,dann läuft er nach seinen eigenen Gesetzen.

nur den Flüchtlingen kam diese Aktion zu­gute, auch in mancher andern Wohnung er­gänzten so erfaßte Teppiche, wertvolles Ge­schirr und Porzellan die früher eher dürftige Einrichtung. Wer den unbenutzten Hausrat, sei er nun verlagert, abgestellt oder zu treuen Händen übergeben, nicht meldete, mußte mit Beschlagnahme und späterer Enteignung rechnen. Kein Wunder, daß um diese Zeit die schwarzen Spediteure, die solches Gut über die Grenze schmuggelten, die besten Geschäfte machten.

Etwa vom Herbst 1946 an war es auch auf legalem Wege möglich, über einen Berliner Spediteur die Sachen via Berlin in die West­zonen zu transportieren. Allerdings lagerten sie vorher meist viele Monate in Berliner Lagerhäusern, wobei sich die Eigentümer der Hallen bei der Berechnung nicht kleinlich zeigten und Summen forderten, die oft den Kaufwert überstiegen. Die Formalitäten wa­ren relativ einfach, man durfte kein Pg sein, mußte die Erlaubnis des Bürgermeisters haben und einen Wohnort in der Westzone nachweisen. Die Transporte wurden an der Zonengrenze nicht kontrolliiert und gelangten meist ohne Verluste ans Ziel. Seit ein paar

Wochen hat die SED die Vollmacht, zu ent­scheiden, welche Möbel, welcher Hausrat, welche Wäsche in den Westen gehen dürfen. Sie läßt sich die Listen vorlegen, die danach bewilligt werden, wer seine Sachen über die Zonengrenze transportieren will, wieviel Fa­milienmitglieder und Wohnräume er zählt und auch wie er mit den lokalen Gewaltigen steht. An der Zonengrenze muß vom Spe­diteur alles ausgepackt werden. Es ist mit nicht unbeträchtlichen Verlusten zu rechnen. Auch der Schwarze Weg ist jetzt sehr er­schwert. Anfang. September mußte die Grenzbevölkerung auf Befehl der örtlichen Kommandanturen alle Straßen, Feld- und Waldwege längs der Grenzlinie in einer Breite von zwei Meter und einer Tiefe von anderthalb Meter aufreißen, um den nächt­lichen Möbeltransportverkehr zu unterbinden. Neuerdings hindern Stacheldrahtverhaue ent­lang der thüringiäch-hessischen Grenze daran, diese Engpässe zu umfahren. Somit ist der illegale Möbeltransport praktisch unterbun­den. Am Rande mag noch erwähnt werden, daß bei der Aufteilung "der Rittergüter auch der oft wertvolle Familienhausrat an die Neubürger verteilt wurde und dort überwie­gend verkam, verkommen mußte, weil diese Kreise meist schlecht untergebracht sind und den Antiquitäten Aufgaben zuweisen mußten, denen sie nicht gewachsen waren.

DIE KURZE NACHRICHT

Botschafter von Mackensen t Der ehemalige Staatssekretär und 1 deutsche Botschafter in Rom, Hans Georg von Madeensen, der als Zeuge in dem kommenden Prozeß gegen das Auswärtige Amt aussagen sollte, ist lm Alter von 64 Jahren an Lungenkrebs gestorben.

Rücktritt Konsul Bernhards Konsul Henry Bernhard, der Lizenzträger derStuttgarter Nachrichten und Herausgeber derStuttgarter Rundschau hat seine Teilnahme an der Zeit­schrift niedergelegt. Er hatte die Stuttgarter Rundschau zusam­men mit Staatssekretär Dr. Fritz Eberhard in den Dienst einer europäischen Zusammen­arbeit gestellt und vor allem die Notwendigkeit eines guten Ver­hältnisses zwischen Frankreich und Deutschland hervorgehoben.

Es bleibt dabei

Der Oberste Gerichtshof der Ver­einigten Staaten lehnte das Ge­such des ehemaligen Feldmar­schalls Erhard Milch ab, sein Urteil zu lebenslänglichem Ge­fängnis zu revidieren.

Nach Deutschland gebracht

Generalfeldmarschall Kesselring, Generaloberst v. Madeensen und Generalleutnant Mältzer sind von Oesterreich aus in ein Gefängnis der britischen Besatzungszone übergeführt worden. Sie werden dort ihre lebenslängliche Haft verbringen müssen.

Guido Schmidt vor Gericht

Vor einem Wiener Gericht be­gann die Berufungsverhandlung des früheren Außenministers Guido Schmidt gegen die Ent­scheidung der Regierung, nach der er dem Gesetz gegen die ehemaligen Nationalsozialisten unterworfen werden sollte.

Schwächung der Linksparteien

Mit Ausnahme der Kommunisten haben alle norwegischen Parteien in den Gemeindewahlen Stim­menzuwachs verbuchen können, der* sich besonders zu eine? Stärkung der Rechtsparteien aus­gewirkt hat. Es ergibt sich nach den Wahlen folgendes Bild: Konservative 374 Vertreter (letzte Wahlen 242), Bauernpartei 410 (294), Liberale 505 (40S), Vereinigte Rechtsparteien 500 (512), Christ­liche Volkspartei 290 (75), Arbei­terpartei 1807 (1868) und Kommu­nisten 274 (337).

Duff Cooper wird abgelöst Aus Paris verlautet, daß Duff Cooper, der britische Botschafter^.

seine Mission beendet habe und durch Sir Oliver Hervey ersetzt werden wird. Duff Cooper gehört der Konservativen Partei an und ist ein intimer Freund Churchills. Bevin beließ ihn trotzdem im Amt, weil er wußte, daß Cooper in Paris sehr geschätzt wurde.

Nur 29 Prozent verneinen

Das amerikanische Gallup-Institut zur Erforschung der öffentlichen Meinung stellte in einem Rund­schreiben die Frage:Billigen Sie die Art, in der Truman sein Amt als Präsident der Vereinig­ten Staaten ausübt, oder nicht? 55 Prozent der Befragten bejahten die Frage, 29 Prozent gaben eine verneinende Antwort und 16 Prozent konnten sich weder zu einem Ja noch zu einem Nein entschließen.

Eine gute Idee

Der Filmstar Adolphe Menjou bezeiefanete vor dem Unter­suchungsausschuß des Repräsen­tantenhauses, derunamerika­nische Umtriebe" zu bearbeiten hat, die Filmstadt Hollywood als ein Zentrum des Kommunismus. Er erklärte, es sei der Wunsch Moskaus, den Film als Pro­pagandamittel für seine Ziele zu verwenden. Eines dieser Ziele sei der Sturz der Regierung der Vereinigten Staaten. Es wäre eine gute Idee, so sagte er, wenn die Leute, die antifaschistische Filme gedreht haben, jetzt an- flngen, antikommunistische Filme herzustellen.

Zu wenig präzisiert

Der britische Botschafter in Bel­grad übersandte der Regierung von Tirana eine Note der bri­tischen Regierung, in der die Forderung abgelehnt wird, eine Anzahl albanischer Emigranten auszuliefern, die auf einer alba­nischen Liste als Kriegsverbrecher bezeichnet wurden. Es heißt in der britischen Antwort, daß die gegen die Emigranten vorgebrach­ten Anschuldigungen so unbe­stimmt seien, daß sie eine Aus­weisung nicht rechtfertigen könn­ten.

Kampf gegen die Kommunisten

Gut unterrichtete Kreise Wa­shingtons sind der Ansicht, daß der Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen Brasilien und der Sowjetunion die latein­amerikanischen Staaten auffor­dern wird, noch einmütiger als bisher gegen die Sowjetunion zu stimmen. Man nimmt an, daß die interamerikanische Konfe­renz, die im Januar 1948 in

Bogota stattfinden wird, wahr­scheinlich rigorose antikommuni­stische Maßnahmen ergreifen wird, um eine kommunistische Durchdringung der westlichen Hemisphäre zu Verhindern. Der Kampf gegen die Kommunisten werde Erfolg haben, so heißt es aus Washington, wenn alle ameri­kanischen Länder den Kommunis. mus für ungesetzmäßig erklären.

Chile brach mit Moskau Die chilenische Regierung hat die diplomatischen Beziehungen mit der Sowjetunion und der Tschechoslowakei abgebrochen.

Man staunt in Prag

Die Nachricht von dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen Chile und der Tsche­choslowakei hat in Prager diplo­matischen und politischen Krei­sen erschrockenes Erstaunen her-. vorgerufen. Zum ersten Male ist die Tschechoslowakei beschul­digt worden, sich in die innen­politischen Angelegenheiten eines anderen Landes eingemischt zu haben und ebenso wird sie erst­malig mit Rußland und einer kommunistischen Partei in einem Atemzuge angeklagt.

Die Botschafter reisen

Aus Buenos Aires wird gemel­det, daß die augenblicklichen Beziehungen zwischen Argenti­nien und der Sowjetunion noch korrekt $ind, daß sie sich aber merklich versteifen. Man spricht nicht mehr von einem Handels­und Freundschaftsvertrag, mit dessen Unterzeichnung man noch vor zehn Monaten fast täglich rechnete. Die Versuche, Handels­beziehungen zu intensivieren, stießen auf vielfache Schwierig­keiten und endeten mit einer großen Enttäuschung. Nach diesen Zwischenfällen wird nun die Abreise des sowjetischen Bot­schafters nach Moskau bekannt, wohin er sich begeben will,um dort die Ferien zu verbringen". Ein einfacher Geschäftsträger wird nun der Botschaft vor­stehen. Es ist bezeichnend, daß gleichzeitig die Abreise des argen­tinischen Botschafters aus Moskau gemeldet wird, derStudien­reisen durch Europa" durch­führen will.

Verdacht gegen Polen

Politische Kreise in London hal­ten die Verhaftung eines Mit­arbeiters des Handelsattaches der britischen Botschaft in Warschau für einen erneuten Beweis dafür, daß die polnische Regierung alle Beziehungen zu den Westmäch­ten abzubrechen wünscht.

tMie im lasse

Mit Kleingärtnergruß!

st. Es gab eine Zeit, in der es nicht ganz ungefährlich war, anders als mit dem üb­lichenHH-Gruß in den Gemüse- oder Bäckerladen zu treten. Recht zaghaft kamen oft die Heilworte über die Lippen und man­cher verrenkte sich fast die Rechte, bis so etwas ähnliches wie der alleinseligmachende Reichsgruß zustande kam. Oder wollte er sich nur die Ohren kratzen oder die Haare streichen? Vorsichtige und nicht ganz Ueber- zeugte schrieben damalsmit deutschem Gruß bis auch das verboten wurde, weil es nicht eindeutig genug war. Heute taucht dieser Gruß wieder auf und mit ihm eine Reihe alter Bekannter. Da ist derfreund­liche Sportgruß des Fußballers oder der ergebene Kleintierzüchtörgruß des begei­sterten Kaninchenfachmanns, der Keglergruß, der Foxlzüchtergruß, der Gruß desDeutschen Riesenscheckenzüchters und was es sonst an Spezialitäten gibt. Daß Schaf-, Ziegen- oder Hundeenthusiasten durch ihren besonderen Gruß ihreBelange verteidigen und leiden­schaftlich vertreten, versteht sich von selbst. Vielleicht besteht darin für sie der Inbegriff demokratischer Freiheit. Aber jeder kann das halten, wie er will. Trotzdem sei die Frage erlaubt, wie nun eigentlich der Sport­gruß oder der Kleingärtnergruß heißt. Etwa Heil Sport oderHeil Kleingärtner, oder Heil Briefmarkensammler? Wer lacht da nicht? Es gibt so schöne Grußformen. Kann nicht auch ein Schrebergärtler seinen Brief mit einemfreundlichen oder herz­lichen Gruß beenden? Oder muß es unbe­dingt eindeutscher Gruß sein, mit dem der Siedlerstolzpflanzer seinen Erfolgsbericht an den Kollegen unterschreibt? Ist einhoch­achtungsvoll oder einefreundliche Empfeh­lung weniger herzlich oder gar deutsch =»ls der Spezialgruß des Radfahrers, des Tulpen­züchters oder Schmetterlingjägers? Es blasen doch alle ins gleiche Horn, und am Ende sind sie alle froh, wenn sie Zucker für die Bienen, Fußbälle für das Spiel und Fliegen zum Fischen bekommen. Und sie werden das auch dann annehmen, wenn nicht der Stempel ihrer Leidenschaft darauf gedrückt ist.

AM RANDE

Auf einer Versammlung des Demokratischen Frauenbundes Deutschlands in Ludwigslust in Mecklenburg sagte eine Rednerin:Ehebruch darf kein Scheidungsgrund mehr sein, da der Mann biologisch dazu bestimmt ist. Ein treuer Mann Ist entweder ein Lügner oder ein Trottel."

In Harzgerode im Lande Sachsen-Anhalt wurde im Namen des Reiches eine Eheschließnugs- urkunde ausgestellt, die folgende Angaben ent­halt: Staatsangehörigkeit des Mannes Jugoslawien, rassische Einordnung slawisch, Staatsangehörigkeit der Frau deutsch, rassische Einordnung Mischling ersten Grades. Datiert vom 12. September 1947.

Als erster Deutscher wird der Kommentator des Berliner Rundfunks, Herbert G.eÜner, früher in München, über den Prager Sender sprechen.

Ein ehemaliger Kriegsgefangener schreibt an die Frankfurter 'Neue Presse, daß keineswegs alle Wolga-Deutschen ums Leben gekommen seien. Er habe viele von ihnen im nordsibirischen Sumpf­gebiet von Turinsk getroffen, wohin sie verbannt worden seien. Sie lebten jetzt alsfreie Arbeiter und dürften auch ihre Frauen nachkommeri lassen. Von Massenvernichtungen hätten sie ihm nichts gesagt.

Als Beitrag zum britischen Exportprogramm hat Königin-Mutter Mary sechs selbstgestickte Stuhl­überzüge zur Verfügung gestellt.

Wetterbericht

Aussichten bis Wochenende: Vorwiegend neblig, trübe, zeitwei j leichter Regen, am Wochenende aufheiternd, kühl, Temperaturen im ganzen sinkend.

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Redaktion: Albert Komma, Johannes Schmid. Verlag: Schwäbischer Verlag, KG., Friedrichshafen, in Leutkircb. Druck: Rottweiler Verlags- und Druckereigenossenschaft, Rottweil.

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1. Erzählung von Hermann Stresau

Zur Zeit, als die Hussitenbrüder Böhmen und die angrenzenden Landschaften mit Krieg und Brandschatzung' heimsuchten, ritten auf dem Wege zur Stadt Meßkirch in Schwaben drei wohlansehnliche Herren daher, von denen der älteste, ein hagerer Mann mit grauem Gesicht, einen Harnisch trug, während die beiden an­deren im schlichten Reisewams ritten. Der Geharnischte war der Freiherr Johann vön Zimmern, der mit dem Grafen von Zollern und einem Grafen von Montfort unterwegs war. Ein schwüler Julinachmittag brütete über dem regungslosen Land; "die beiden Herren, die rechts und links von dem Gehar­nischten ritten, wischten sich von Zeit zu Zeit den Schweiß von der Stirne und warfen ärgerliche Blicke auf die Sturmhaube des Gewappneten, die am Sattel bei jedem Schritt des Gauls schepperte. Das Gesicht des Geharnischten war trotz der Hitze trocken geblieben wie Pergament. Der Blick seiner weitgeöffneten eisengrauen Augen ging ziellos ins Weite, aber der Mann saß straff auf dem Pferde und hielt die Zügel kurz, während seine Gefährten, Männer mit derben Gesichtern, sich bequemer hielten und der Erschlaffung, die ein langer Ritt zeitigen mag, ein wenig nachgaben.

Munterer hielt sich das Gefolge der Her­ren, drei junge, im Gegensatz zu den Aelte- ren auffallend gut geputzte Burschen. Sie ritten in einigem Abstand hinterher, weit genug, um ungestört schwatzen zu können.

Dein Freiherr Johann von Zimmern da- vorn schaut aus, als wollt' er ins Heilige Land fahren, Uli, sagte der eine mit einem

frühreifen, scharfen Spöttergesicht zu dem dunkellockigen, noch milchbärtigen Knappen des Geharnischten. Der gab keine Antwort, aber der Dritte lachte schrill.

Er könnt auch nach Böhmen wallen, witzelte er,um die Hussitenbrüder zu ver­dreschen, die Mordbrenner, wenn ihn nicht heute noch der Schlag rührt. Er zog ein Spiegelchen aus dem Gürtel, wischte sich den Schweiß von der glatten Stirn und begann seine weizenblonden Strähnen zu glätten. Ich möchte nicht in dem Eisenkrebs reiten bei der Hitz! Sag, Uli Ramsperger, schläft dein Herr Johann auch darin?

Uli Ramsperger, Johann von Zimmerns Knappe, schob die Unterlippe vor und brummte, sie sollten ihn zufrieden lassen. Sie wüßten, daß Herr Johann immer im Har­nisch ritte, obwohl er zu alt sei, um noch gegen Mohren oder die Husbrüder zu fechten.

Mit den Husbrüdem, meinte das Spötter­gesicht, hätte Herr Johann freilich noch eine- Rechnung auszugleichen, von wegen seines Soh­nes.Den hast du nimmer gekannt, Uli, sagte er.Er war ein gotteslästerlicher Herr. Da in Meßkirch, und er wies auf die in der Ferne sichtbaren Giebel und Türme der Stadt,da ist er vor zwei Jahren gestor­ben, nachdem die Husbrüder ihn zu Schan­den geschlagen, und es heißt, er habe dabei geflucht wie ein Türke. Wird ihm nicht viel geholfen haben zur Seligkeit, die Kreuzfahrt ins Böhmerland.

Das wird auch dein Herr vermeinen, Uli, meinte der Weizenblonde.

Er will in Meßkirch beten, erwiderte der Dunkellockige kurz.

Im Harnisch? fragte der mit dem Spie­gelchen.

Warum nicht? fiel das Spöttergesicht ein,in der Kirchen ists schön kühl.

Mit euch mag reiten, wer will, rief der Ramsperger zornig.Mein Herr wird noch im Harnisch reiten, wenn euch beiden der Schlag gerührt hat, vom Fressen, Saufen und Huren, er stockte und wurde rot wie Mohn. Der mit dem Spöttergesicht kniff die blaßblauen Augen ein und pfiff leise.

Hat das dein Herr Johann gesagt? fragte er leichthin.

Der Ramsperger hob sich im Sattel. Kannst ja hinreiten zu deinem Herrn Gra­fen Zollern und kannsts ihm ansagen, rief er und wies auf die vor ihnen reitende Gruppe. Dann belferte er den Weizenblonden an:Und du, Lutz, mit deinem Affenspiegel, magst auch gleich zu deinem dicken Herrn Wolf Montfort gehen! Dann bleib ich halt allein mit mir selber!

Seine Gefährten wechselten hinter dem. Erbosten einen Blick miteinander.

Hab dich nicht närrisch, Ramsperger, sagte der Aeltere ruhig.Schau, über Meß­kirch liegt ein Dunst wie von einem schlech­ten Ofen, ein Gewitter wirds geben, aber dein Herr wird trocken bleiben in seiner Schale. Und alte Weiblein werden ihm auch nicht über den Weg laufen.

Der Weizenblonde, immer noch mit seinem Spiegel beschäftigt, lachte:Sonst müßt ja Herr Johann noch vor Meßkirch umdrehn, und ihr müßt euch im Walde ein Nachtlager suchen bei den Füchsen.

Der Ramsperger verhielt seinen Gaul. Schaut, daß ihr weiterkommt, brachte er mit unterdrückter Wut hervor. Die anderen wollten ihm lachend zureden, aberSchaut, daß ihr weiterkommt war die beharrliche Antwort. Und während die drei Herren, un­beachtet von den Jungen, hinter einer Weg­

biegung in einem Hohlweg verschwanden, begann ein Sturm auf des Ramspergers Ohren.

Ob es denn nicht wahr sei, schrien- die Junker, daß der Freiherr Johann von Zim­mern vor jedem Hasen umkehre, der ihm über den Weg laufe, und erst recht vor jedem alten Weiblein, trotz Harnisch und Helm, den er ja nie aufstülpe, von wegen Kopfwehs, das ihm der Topf verursache? Und ob Herr | Johann jemals ausritte, wenn sein Roß mit dem linken Huf zuerst aus dem Stall träte?

Mit eigenen Augen hätten sie es gesehen, wie ; der Uli Ramsperger das Roß wohl ein i Dutzendmal zum Stall heraus und herein habe zerren müssen.

Ha, und ob Herr Johann es wohl wage, der alten Hexe Hanne Reutenbach zu Meßkirch I zu begegnen, ob Herr Johann vor der hum- | pelnden Schrumpelfigur nicht lieber die wei- I testen Umwege mache, und wenn er vor |

Meßkirch umkehren müsse?

Und all diese Historien, schrie der Wei­zenblonde, die in ganz Schwaben belacht j

würden, hätte er, der Ramsperger Uli, ihnen doch selber aufgetischt, und das Maul habe er aufgerissen, wie ärgerlich ihm solcher Dienst bei dem alten Narren gewesen.

Der Ramsperger, langsam weiter reitend, j biß sich die Lippen wund und schwieg. Aber [ alä die beiden, ihn umschreiend wie die Krä­hen den Uhu, sich näher drängten, griff er plötzlich links und rechts in ihre bunten Wämser, riß sie vor sich hin und stieß, die j Burschen an den Hälsen packend, die Köpfe ' zusammen, daß es in dem Hohlweg schallte. Dann trieb er den Gaul an und ritt im Stech­trab voran, wütend über seine Gefährten und über sich selbst. Die Geprellten klapperten hinterdrein. (Fortsetzung folgt). \