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Samstag, den 25. Oktober 1947 ORGAN DER CHRISTLICH-DEMOKRATISCHEN UNION Nr. 85 / Jahrgang 3 / Preis 20 Pfg.

Einschaltung in den Außenhandel

Deutsche Stellen verteilen die Exportprämien - 1550 Kalorien sind möglich

Baden-Baden. Auf einer Presse­konferenz in Baden-Baden sagte Direktor Halff zu der Ernährungslage, die Aussichten seien ungünstig. Einmal erweise sich die eigene Produktion infolge des strengen Win­ters und auch wegen der großen Dürre die­ses Sommers als ungenügend. Zum anderen bestehen gewisse Einfuhrschwierigkeiten, die durch den allgemeinen Lebensmittelmangel auf dem. Weltmarkt bedingt sind. Unter die­sen Umständen kann der 1800-Kalorien-Plan, der in diesem Sommer ausgearbeitet worden war, nicht in Kraft treten. Es muß mit den Wirklichkeiten gerechnet und der Plan, der 1550 Kalorien vorsieht, und der möglich ist, durchgeführt werden. Dieser Plan erfordert, daß die Erfassung sichergestellt werde. Die Ministerpräsidenten der Länder der Zone wurden persönlich auf diese lebenswichtige Frage aufmerksam gemacht, weil' sich her­ausgestellt hatte, daß die deutschen Dienst­stellen dazu neigten, den Ernteertrag zu unterschätzen und demnach ungenügende Er­fassungen Vornahmen. So wurden bei den Kartoffeln in Baden 21 721 Hektar mit einem Durchschnittsertrag von neun Tonnen ge­meldet, eine Gesamtproduktion von 195 500 Tonnen. Prüfungen ergaben, daß 26 086 Hek­tar einen Durchschnittsertrag von 13,2 Ton­nen hatten. Die Gesamtproduktion wäre demnach 344 300 Tonnen. Das bedeutete ein Plus von 76 Prozent gegenüber den Zahlen der badischen Dienststellen. Dieses Beispiel bedarf keiner weiteren Erläuterung, sagte Direktor Halff. Es decke eine Haltung auf, die den Interessierten in der deutschen Be- i völkerung, besonders den Arbeitern und den wenig Begüterten, zum Verhängnis werden könnte. Wenn die Lebensmittelschwierigkei­ten überwunden werden sollten, müßten alle Kräfte eingesetzt werden. Gerade in diesem Punkt werde daher auf die persönliche Mit-, arbeit der Ministerpräsidenten Wert gelegt. Ihrerseits werde die Militärregierung für die planmäßig vorgesehenen Einfuhren sor­gen. Im vergangenen Jahr wurden bereits Erfolge erzielt. Vom 1. Jnli 1946 bis zum 30. Juni 1947 hat die französische Militär­regierung 263 000 Tonnen Brotgetreide, 40 000 Tonnen Kartoffeln, 12 000 Tonnen Zucker, 17 000 Tonnen Hülsenfrüchte, (2500 Tonnen Trockenmilch und 15 000 Tonnen Fische) ein­geführt. Diese Lebensmittel ergaben zusam­men ungefähr 430 Kalorien je Einwohner und" Tag für die Zone, und etwa ein Drittel der gesamten ausgegebenen Lebensmittel.

Ein Sprecher der Militärregierung kom­mentierte auf der Pressekonferenz die Lage 'des Außenhandels. Zwischen dom 1. August 1945, mit welchem Datum der Kontrollrat die Bezahlung der deutschen Ex orte in Dollar anordnete, und dem 31. Dezember 1946 hatte die Handelsbilanz der Zone Ueberschüsse. Dieses Ergebnis sei nicht etwa durch massive Entnahmen aus den Vorräten von Rohstoffen, die in der Zone bestanden, erzielt worden, denn die Exporte von Fertigfabrikaten hät­ten in dieser Zeitspanne den Gegenwert von 30 845 000 Dollar erreicht, während die Ex­porte von Rohstoffen sich nur auf 31 721 000

Dollar belaufen hätten, darunter für 15 123 000 Dollar Kohle und deren Nebenprodukte, für 15 113 000 Dollar Holz, worunter auch Fertigr fabrikate, und für 1749 000 Dollar Bau­material, hauptsächlich Ton und feuerfeste Erzeugnisse. In der gleichen Periode beliefen sich die Einfuhren von Lebensmitteln und landwirtschaftlichen Produktionsmitteln ein­schließlich Kunstdünger auf 45 185 000 Dollar. Diese verhältnismäßig günstigen Ergebnisse seien nur deshalb erreicht worden, weil Frankreich der bedeutendste Kunde der Zone sei und seine Einkäufe in der Zone zu 100 Prozent und nicht etwa nur zu 80 Prozent in Dollar bezahle. Die zweite Periode umfasse das erste Vierteljahr 1947, in dem sich das Austauschvolumen beträchtlich vergrößert habe. Die Exporte beliefen sich auf 27 465 000 Dollar für Fertigfabrikate und 16 805 000 Dol­lar für Rohstoffe, eine Erhöhung von 100 Pro­zent für Fertigfabrikate und von 40 für Roh­stoffe. Die Importe von Lebensmitteln und landwirtschaftlichen Produktionsmitteln be­liefen sich auf 36 478 000 Dollar, eine Er­höhung von etwa 300 Prozent, die Importe von Rohstoffen für die Industrie auf 10 407 000 Dollar, also um 400 Prozent mehr. Dies hat ein Defizit von mehr als sieben Millionen Dollar in der Handelsbilanz der Zone zur Folge gehabt. Auf dieser Grundlage beginnt die dritte Periode in der Entwicklung des ( Außenhandels, deren hauptsächliches Cha­rakteristikum es sein wird, die Bemühungen der deutschen Behörden eng mit denen der Militärregierung zu verbinden.

In der Hauptstadt eines jeden Landes wird ein Landesexportrat geschaffen, der unter dem Vorsitz des Wirtschaftsministers zu glei­cher Zeit ein Studien-, Forschungs- und Planungsorgan für den Außenhandel sein soll. In der Organisation der Dienststelle, die unmittelbar von der Militärregierung äb- hängt, wird ein wichtiger Platz den' inter­essierten deutschen Fachgruppen Vorbehalten. Ein Außenhandelsamf in jeder Hauptstadt wird unter der Leitung eines Vertreters des Office du Commerce Exterieur stehen, der nur noch entscheidende Vollmacht' behält. Ein deutsches Büro aus Vertretern der haupt­sächlichsten Exportindustrien wird Vorschläge machen und die Ausführung überwachen. Um den deutschen Exporteuren durch die Ge­währung von Devisenkrediten einen Anreiz zu geben, waren zwei Lösungen möglich. Man konnte jedem Exporteur die freie Ver­fügung über einen gewissen Prozentsatz sei­ner Exporterlöse einräumen. Der Militär­regierung schien es aber angezeigt, jedem Lande global seinen Anteil an den Devisen­krediten zu geben und den Landesexportrat mit der Verteilung zu betrauen. Für Würt­temberg wurden folgende Exportprämien festgesetzt: bei Teilbeträgen zwischen vier und fünf Millionen im Vierteljahr zehn Pro­zent, zwischen fünf und sechs Millionen 20 Prozent, zwischen sechs und sieben Millionen 30 Prozent, zwischen sieben und acht Mil­lionen 40 Prozent, zwischen acht und neun Millionen 50 Prozent. Für Baden und Rhein­land-Pfalz wurden ähnliche Regelungen ge­troffen.

Bodenreform bis Jahresende

Baden-Baden. Der Oberkomman­dierende der französischen Besatzungszone hat folgende Verordnung erlassen:

Artikel 1. Um auch die Lösung des Flücht­lingsproblems leichter zu gestalten, wird in der französischen Besatzungszone vor dem 31. Dezember 1947 eine Bodenreform vorge­nommen.

. Artikel 2. Diese Reform erfaßt die Grund­besitze von einer Fläche über 150 Hektar 'Ackerboden durchschnittlichen Wertes, Forst­besitze von gleichgeschätztem Werte, sowie Güter, die aus Ackerland und Forst bestehen und gleichen Wertes sind. Die landwirtschaft­liche Erzeugungskraft darf dadurch nicht be­einträchtigt werden.

Artikel 3. Unter Bezugnahme auf die Ver­ordnung Nummer 95 und die in den vorste­henden Artikeln enthaltenen Bestimmungen sollen die deutschen Länderregierungen' Ge­setzestexte ausarbeiteri, welche die Ausfüh­rungsmaßnahmen der Bodenreform näher be­stimmen.

Artikel 4. Die Länderregierungen sind er­mächtigt, für die verschiedenen Klassen'von landwirtschaftlichen Besitzungen und unter Berücksichtigung ihrer Produktivität Höchst­maße festzusetzen, welche niedriger als die in Artikel 2 angegebenen sind.

Artikel 5. Insbesondere sollen die Länder­regierungen bestimmen, ob die in Ausfüh­rung der Bodenreform beschlossenen Enteig­nungen sich, auf die Gesamtfläche, welche das zu bestimmende Höchstmaß überschreitet, beziehen sollen, oder nur auf einen fortschrei- |

tenden Prozentsatz, je nach der Größe der i in Frage kommenden Landwirtschaftsgüter.

Artikel 6. Die so gewonnenen Ländexeien werden gegen Bezahlung durch die deutschen Länderregierungen neuen Bebauern überlas­sen, die, soweit als möglich, unter fachkun­digen Landwirten und aus Bauernfamilien auszuwählen sind. Ein bestimmter Prozent­satz der gewonnenen Fläche ist Flüchtlings­familien vorzubehaltep, die fähig sind, sie zu bebauen. Diese Verteilungsmaßnahmen kön­nen auch auf landwirtschaftliches Gut aus­gedehnt werden, das aus anderen Rechts­gründen beschlagnahmt wurde und das laut besonderen Bestimmungen noch nicht sonst heimgefallen ist.

Artikel 7. Die von der Bodenreform betrof­fenen Landeigentümer werden gemäß einem von den Länderregierungen festzulegenden Verfahren entschädigt.

Artikel 8. Von der Beschlagnahme befreit werden kann: Gut, Welches den öffentlichen Gemeinschaften, Krankenhäusern, Altershei­men und den Kirchen angehört, insofern es zu einem Zweck benutzt wird, der einem öf­fentlichen Wohlfahrts- und Gesundheits- intejresse dient. Die Anwendung der Boden­reform auf Besitzungen, welche Angehörigen alliierter oder neutraler Länder gehören, bleibt der Zuständigkeit der Militärregierung Vorbehalten.

Artikel 9. Diese Verordnung ist im Amts­blatt des französischen Oberkommandos in Deutschland zu veröffentlichen und als Gesetz in der französischen Besatzungszone durchzu­führen.

Konzentrierte Autorität

Paris. Am späten Abend des Mittwoch wurde die Regierung Ramadier umgebildet. Ihr gehören lauter Mitglieder des bisherigen Kabinetts an, die Sozialisten Ramadier als Ministerpräsident, Depreux als Innenminister, Daniel Mayer als Arbeits- und Sozialminister, Robert Lacoste als Industrie- und Handels­minister, Naegelen als Erziehungsminister, Jules Moch als Minister für Wirtschaft, öffent­liche Arbeiten und Verkehr, gleichzeitig mit dem Ressort des Wiederaufbaus betraut, und Bechard als Staatssekretär in der Minister­präsidentschaft mit dem Rang eines Mini­sters, die Volksrepublikaner Bidault als Außenminister, Henry Teitgen als Minister für bewaffnete Streitkräfte und Robert Schumann als Finanzminister, die Radikal­sozialisten Ivon Delbos als Staatsminister und Andre Marie als Justizminister, sowie der unabhängige Republikaner Marcel Roc- lore als Landwirtschaftsminister.

Ramadier sagte anschließend zu Jour­nalisten, es handle sich um die gleiche. Re­gierung, die im Januar gebildet worden sei. Sie setze ihr Werk unter Bedingungen fort, die zur Zeit schwierig seien und sehr ernst werden könnten. Auf sozialem, wirtschaft­lichem, finanziellem und .politischem Gebiet sei strenge Disziplin erforderlich. Man müsse

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der Regierung die Möglichkeit zu raschen Entscheidungen geben und daher die Autori­tät in wenigen Händen zusammenfassen. Da­her habe er sich zur Verminderung von Mi­nisterien entschlossen. Die unbedingt erfor­derliche Autorität werde auf die einzige legi­time Basis begründet, die Autorität des Par­laments als alleinigen Wahrers der natio­nalen Souveränität. Daher sei die National­versammlung und der Rat der Republik für Dienstag einberufen worden.

Bidault sagte zu einem Mitarbeiter des Combat, er glaube nicht, daß das Ergeb­nis der Kommunalwahlen die französische Außenpolitik beeinflussen werde.

Gemaßregelte Zeitungen

1. Stuttgart. bie beiden offiziellen Organe der KPD in Nordwürttemberg und Nordbaden, dieVolksstimme und dasBa­dische Volksecho, erhielten von der Nach- richten-Kontrollabteilung der Militärregie­rung einen Verweis. Weitere Verstöße wür­den eine ernste Bestrafung nach sich ziehen. Beide Zeitungen hatten Meldungen tendenziös gegen die Militärregierung ausgewertet und teilweise falsche Nachrichten verbreitet. Alle Parteien wurden darauf aufmerksam gemacht, daß sie ihre Papierkontingente überschritten hätten.

Wie nach einer Bombennacht

A. N.Schwarzer Tag für Deutschland überschrieb ein kommunistisches Blatt die Demontageliste und umrahmte sie überdies mit einem Trauerrand. Die Leser frugen sich zwar, warum die Zeitung nicht die Demon­tagen aus der Ostzone schwarz umrändert gebracht hatte, waren aber an diesem Tag mit der kommunistischen Auffassung über die Demontage einig und ließen sich nicht leicht mit Beteuerungen beruhigen, daß diese Liste am Ende eine Erleichterung bedeute.

Es war ein grauer Herbsttag, als die Liste gelesen wurde. Dichter als sonst lag die Dunstschicht über der Industrielandschaft, als wir den Ruhrschnellweg entlang fuhren, um einige der zu demontierenden Werke zu besuchen. Zwischen Unna und Dortmund führt der Ruhrschnellweg über eine Höhe, und man sieht weit ins Land; nördlich Unna ist Königsborn, die Klöcknerzeche, zu sehen, wo 1799 die erste Dampfmaschine des Ruhr­gebietes auf gestellt wurde; sie kam aus Eng­land. Damals war freilich Königsborn noch keine Zieche, sondern Saline. Dieses Unge­heuer von 'einer Maschine gab dem Blatte Mallinckrodts, demWestfälischen Anzeiger in Dortmund, Stoff zu tiefgründigen Betrach­tungen über die Zeitläufte. Dann taucht vor uns das Gewirr der Fördertürme, Schlote und Gasbehälter des Dortmunder Reviers auf; weiter südlich liegt, fast am Rande Dort­munds, das alte Hörde, übrigens eine der wenigen unversehrten Städte der Ruhr. Auch hier sind historische, Erinnerungen gerade am heutigen Tage bedeutsam: die Hermannshütte in Hörde, errichtet von dem merkwürdigen Verleger Dietrich Piepenstock 1839, lieferte die Schienen für die ersten Bahnen West­deutschlands. Und aus ihr wurde der Hörd.er Hüttenverein, der 1926 in dieVereinigten Stahlwerke einging. Nun steht die Hütte auf der Demontageliste. Die Liste kehrt sich also nicht an historische Erinnerungen, sonst enthielte sie kaum die Demag in Wetter, von der die Ruhrindustrie ihren Ausgang nahm. Wie in Hörde auf der Burg der märkischen Grafen, so gründete man auch in Wetter auf einer anderen Burg jener Grafen schon 1818 eine Fabrik, für die der berühmte Harkort eine Dampfmaschine in England kaufte; dann ließ er aus England Techniker und Fach­arbeiter kommen und 1826 den ersten Puddel­ofen und das erste Walzwerk der Ruhr bauen. Daraus entstand schließlich dieDemag, ihre Werkstätten für Aufzüge werden jetzt de­montiert, die auch die Demag-Werke in Ben­rath und in Duisburg auf der Liste stehen, alles empfindliche Verluste für den Berg­bau, für dessen Ausrüstung sie arbeiten. Ueberhaupt fanden wir den Bergbau besorgt; zwar ist, soweit wir sehen, keine Zeche vom Abbau betroffen, aber sehr viele Aus­rüstungswerke (so das Werk der Dortmunder Union in Gelsenkirchen, die Firmen Christ­gens, Hugo Brauns, Großmann und Wilmann in Dortmund, Tilemann und Dörken in Ge­velsberg, Hasenclever in Düsseldorf, Bischoff in Recklinghausen).

Doch der schwerste Verlust scheint die eisenschaffende Industrie unmittelbar zu tref­fen. Und es sind fast ausnahmslos die mo­dernsten Einrichtungen, die aus den Werken genommen werden sollen. Das Elektrostahl- werk Wald bei Solingen und die Lichtbogen- Hochöfen der Bergischen Stahlindustrie in Remscheid werden demontiert, Hörde verliert vier, Höchst in Dortmund zwei, Klöckner in Haspe einen elektrischen Schmelzofen. Das Kernstück der Vereinigten Stahlwerke, die August-Thyssen-Hütte in Hamborn, die als die neuzeitlichste Hüttenanlage Europas galt, steht auf der Liste, ebenso wie die Thyssen-

Hütte in Duisburg-Hochfeld, die Charlotten­hütte in Siegen, das Bandeisenwalzwerk in Dinslaken, die Friedrich-Wilhelm-Hütte in Mülheim, das Hüttenwerk* Dortmund, das Eisenwerk Rote Erde in Dortmund, das Eisen­werk Wanheim, die Gießerei Hilden, der Schalker Verein in Gelsenkirchen, die Draht­zieherei in Hamm, das Wuragwerk in Wickede und die Röhrenwerke in Mülheim, Düssel- dorf-Lierenfeld und Hilden. Dazu kommt der Bochumer Verein mit Werken in Bochum selbst (zum Beispiel Gesenkschmiede), sowie in Langendrer und Bünde.

Wie weit die Werke ganz oder nur teil­weise demontiert werden, ist nicht klar. Auch ist nicht zu erkennen, was von den Vereinig­ten Stahlwerken nach solcher Amputation übrig bleibt. Das gilt ebens für die Klöckner- werke,' die fast vollständig auf der Liste stehen (samt den MotorenfabrikenHum­boldt in Köln-Kalk, Köln-Deutz und Ober­ursel); für die Mannesmann-Werke in Düs­seldorf-Rath, in Witten und Gelsenkirchen Grillo-Funke); für die Gutehoffnungshütte in Oberhausen und Sterkrade; für Rheinmetall in Düsseldorf-Rath, in Düsseldorf-Derendorf und in Unterlüsse (bei Celle); für Buderus in Wetzlar; für die Deutschen Edelstahlwerjce in Krefeld, Bochum und Willich, für Ruhr­stahl in Hattingen und Witten; und schließ­lich für die berühmteste Firma der Ruhr, für Krupp in Essen. Essen «hatte wohl gehofft, die Kruppwerke als friedliche Produktions­stätte zu erhalten, aber die Angabe der Liste Teilwerke der Waffenfabrik und der Guß­stahlfabrik, der beiden traditionsreichen Teile des Kruppschen Essen, ist so vieldeutig, daß man nicht weiß, ob man hoffen darf.

Der Arbeiter hat natürlich nicht die Zahlen bereit, um zu beweisen, wie sehr die Eisen­erzeugung mit der Lebensfähigkeit eines mo­dernen Volkes auf industrieller Grundlage zusammenhängt, aber er weiß es. Die Wirt­schaftsvereinigung Eisen- und Stahlindustrie in Düsseldorf gab Ende vorigen Jahres in einem Gutachten den Eisenbedarf Deutsch­lands für die nächsten fünf Jahre mit jähr­lich elf Millionen Tonnen an, was einer Roh­stahlerzeugung von 14 . entsprechen würde (die zugemessene Stahlquote beträgt 10,5). Wie dies von der. restlichen Industrie, die Bombenkrieg und Demontage verschonten, geleistet werden kann, scheint schwer begreif­lich. Es sind aber 70 Millionen Menschen in Deutschland zu erhalten, die dichter als frü­her wohnen (200 pro Quadratkilometer gegen früher 147); ohne Industrie können diese 70 Millionen nicht so dicht beieinander leben. Das ist es, was der Arbeiter auch ohne Zah­len begreift, und was er auf seine Weise sagt. Daß eine solche Stimmung düsteren Pes­simismus von einer Flüsterpropaganda ge­nutzt wird, versteht sich von selbst. Reale Wirkungen sind im Augenblick nicht zu be­fürchten; aber Wirkungen für die Zukunft geraten schon in die Reichweite der Politik, und gerade dies wollten die Urheber der De­montageliste vermieden wissen. Die Liste hat nicht, wie gewollt, beruhigend gewirkt. Viel­leicht lag das an ihrer Unklarheit. Der Ar­beiter fürchtet die Arbeitslosigkeit, und die Betriebsführer sind nicht überzeugt, daß die in Aussicht gestellten Umlagerungen möglich sein werden. .

Die Bevölkerung des Ruhrgebietes befand sich nach Bekanntgabe der Liste genau in der gleichen seelischen Verfassung, wie eine große Stadt im Kriege nach einem schweren Bom­benangriff: jedermann wußte, daß Ungeheu­res zerstört worden sei, kaum einer wußte genau, was; und niemand konnte sagen, was noch stand.