Seite *
Sdjroäfctjdje 3ettung
Fahrt durch Karlshorst
ten Abendkursen entstanden. Die russischen Kinder in Karlshorst haben zwei Schulen. Die SSchul jungen tragen zu langen Hosen Män' '1 in russischem Militärschnitt. Auch die Schul-
DPD. Berlin-Karlshorst ist eine verbotene Stadt. Kein Nichtrusse darf sie ohne einen besonderen Ausweis betreten, uhd nur in ganz seltenen Fällen wird ein solcher „Pro- pusk“ erteilt. In dem ganzen Stadtviertel wohnt kein Deutscher mehr. Karlshorst ist Sperrgebiet. In der ehemaligen Pionierschule, dem jetzigen Sitz des russischen Hauptquartiers, wurde die Kapitulation von Berlin unterzeichnet. Hier befindet sich auch die Sowjetische Militäradministration, in der alle Fäden der Verwaltung der sowjetischen Zone wie des sowjetischen Sektors von Berlin zusammenlaufen. Die Straßenbahnlinie 69 fährt auf ihrem Weg von Lichtenberg nach Oberschöneweide in schnellstem Tempo und ohne anzuhalten quer durch die abgesperrte Russenstadt. Trotzdem sehen neugierige Augen allerlei.
Die Fassaden, an denen kein Fenster un- verglast ist, tragen russische Aufschriften. Es gibt Läden aller Art. Am Abend, wenn die Fenster friedensmäßig erleuchtet sind, sieht man im Vorbeifahren in der oberen Etage eines Warenhauses die Konfektionsanzüge in langen Reihen hängen. Ein großer Triumphbogen, den bei Dunkelheit zahlreiche Glüh- oimen anstrahlen, steht vor dem Russischen Hauptquartier. Die Häuserfassaden sind sorgsam wieder hergestellt. In der Nähe des außer Betrieb gesetzten S-Bahnhofs erhebt sich eine- fensterlose, sehr pompöse Fassade — aber sie verbirgt nur den Ruinenschutt eines völlig ausgebrannten Wohnhauses.
In den Straßen, die an das Sperrgebiet grenzen, haben russische Offiziere mit ihren Familien bei der deutschen Bevölkerung Quartier bezogen. Nach allem, was man hört, vertragen sich beide Teile gut. Im Winter fehlte es in den Häusern mit russischer Einquartierung nie an Heizmaterial. Die- russischen Offiziersfamilien, die nach Berlin übersiedeln, werden in Moskau' gesammelt und ausgestattet, ehe sie im Flugzeug die Reise nach Deutschland antreten. Das Verhältnis zu
„Das bestimmten wir!"
J. Gü. Nürnberg. — Der frühere Generalfeldmarschall Milch, der vor einiger Zeit zu einer lebenslänglichen Gefängnisstrafe verurteilt wurde, ist im Flick-Prozeß als Zeuge aufgerufen worden. Er maehte trotz seiner langen Haft einen außergewöhnlich straffen Eindruck. Man befragte ihn über die Rolle, die er in der „zentralen Planung“ gespielt hat. Jene Planung war eine Einrichtung, die während des Krieges an oberster Stelle die Verteilung der Rohstoffe und Arbeitskräfte auf die einzelnen Zweige der Industrie vornahm. Sie bestand ursprünglich nur aus zwei Männern, Speer und Milch, und sie war der eigentliche Regulator der Kriegswirtschaft nach dem Produktionsprogramm, das Hitler für die deutsche Wirtschaft aufgelegt hatte. Ueber die Kriegsgefangenen in der deutschen Wirtschaft sagte Milch, daß ihm von einer völkerrechtswidrigen Beschäftigung nichts bekannt sei, besonders deswegen nicht, weil ja auch deutsche Kriegsgefangene von der russischen Armee häufig sogar im Operationsgebiet zu den verschiedensten Arbeiten herangezogen worden wären. Viele der Ostarbeiter hätten sich freiwillig zur Arbeit nach Deutschland gemeldet. Die Versprechungen, die man ihnen gemacht habe, hätten nicht immer gehalten werden können. Der einzelne Industrielle hätte sich dem Zwange, Fremdarbeiter zu beschäftigen, nicht entziehen können. „Die Programme und die Zuweisung von Arbeitskräften bestimmten wir, die maßgebenden Männer des Staates! Damit hatte der kleine Mann, der einzelne Werkleiter oder Gewerbetreibende nichts zu tun.“ Hätte sich jemand geweigert, Fremdarbeiter zu beschäftigen, sagte Milch, so wäre er zweifellos wegen Zersetzung der Wehrkraft vor den Volksgerichtshof gestellt worden.
der deutschen Bevölkerung ist korrekt, aber Fratemisierung wird nicht geduldet. Offiziere, die sich zu sehr mit Deutschen anfreundeten, sind in vielen Fällen abgelöst und nach Rußland zurückgeschickt worden. Mißverständnisse bleiben natürlich nicht aus. Ein russischer Oberst schickte am Tage Seiner Abreise der Besitzerin der Garage, in der-er sein Auto abgestellt hatte, einen großen Rosenstrauß. Die Frau klagte aber, ohne Verständnis für die chevalereske Geste, später, eine angemessene Miete wäre ihr lieber gewesen. Deutsche Sprachlehrer sind sehr gesucht. Für die Offiziere der Sowjetischen Militäradministratiort werden geschlossene Sprachkurse veranstaltet, und es gibt kaum einen russischen Offizier, der nicht eifrig deutsch lernte. Auch französischer und englischer Unterricht werden genommen. Im ehemaligen Gymnasium ist eine Art Volkshochschule mit gut besuch-
mädchen gehen einheitlich gekleidet.
Unlängst wurde im Sperrgebiet ein Luxus- Restaurant eröffnet. Ein Offizier, der mit zwei Kameraden an einem Abend eine Zeche von 900 Mark gemacht hatte, fand diesen Betrag keineswegs zu hoch, er entsprach seinem Einkommen.
Diff Russen machen nicht nur in der Verpflegung von Offizieren, Unteroffizieren und Mannschaften Unterschiede, sondern auch innerhalb der einzelnen Offizierskategorien. Die Unterschiede beziehen sich selbst auf die Familienangehörigen. Im russischen Lebensmittelgeschäft bekommt die Frau eines Majors nicht dieselben Dinge wie die Frau eines Obersten. Bei Ausgabe der Lebensmittelkarten für die Familienmitglieder ist eine beträchtliche Pauschalsumme zu zahlen, die Lebensmittelzuteilungen selbst erfolgen
kostenlos.
* *
DIE KURZE NACHRICHT
Zweck der Demontage Der Vorsitzende der Liberalen Partei in England, Davis, hatte eine Debatte im Unterhaus über die achthundert zur Demontage bestimmten Fabriken in der britischen Zone Deutschlands beantragt. In einem Drief an ihn teilte ihm Attlee mit, daß er eine derartige Debatte für unnötig halte. Es heißt ln dem Brief: „Die Veröffentlichung einer neuen Liste von Fabriken, die als Reparationsleistungen zu demontieren sind, ist lediglich der Teil eines Gesamtplanes, dessen Ziel und Zweck es ist, Deutschland nicht erneut in wirtschaftliches Elend zurückzustoßen, sondern vielmehr ihm eine ausreichende industrielle Kapazität zuzusichern, damit es sich wirtschaftlich selbst halten kann." Die Demontage beabsichtige, den deutschen Ueberschuß an Produktion zü beseitigen, soweit er“ ln einzelnen Zweigen der Industrie höher liegt, als das für friedliche Zwecke erforderlich sei.
Vertrauen zum Betriebsführer Die britische Militärregierung hat ln den Ländern Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen eine deutsche Verordnung nicht sanktioniert, nach der die monatlichen Warenbestands- und Produktionsmeldungen nicht nur vom Betriebsführer, sondern auch vom Betriebsrat hätten unterzeichnet werden sollen. In der Begründung heißt es, die Verordnung dehnte das Recht des Betriebsrates über das Maß hinaus aus, das ihm vom Kon- trollratsgesetz Nr. 22 zugestanden werde.
Unerwünschter Besuch Eine Gruppe von fünf sowjetischen Journalisten, die ein bei Hannover gelegenes Lager für verschleppte Personen aus der Ukraine besuchten, wurden beim Verlassen des Lagers von seinen Insassen mit Steinen beworfen. Einer der Journalisten wurde an der Schläfe verletzt. Sie besuchten das Lager auf eigenen Wunsch und waren von Angehörigen der britischen Militärregierung begleitet.
Gelobtes Land im Westen Bischof D. Dibelius hat Deutschland auf dem Luftwege verlassen, um über London nach den Vereinigten Staaten zu fliegen, wo er etwa bis zum 1, Dezember Besprechungen mit den Kirchenbehörden haben wird. In einem Interview in London sagte er, daß ln der Ostzone ln jedem Monat etwa zweitausend Personen direkt oder Indirekt an Unterernährung stürben. Die West- zqpen Deutschlands würden heute von der sowjetischen Zone aus genau so betrachtet, wie die Israeliten das „gelobte Land“ ansahen.
Aufnahme in Schweden Fünftausend Sudetendeutsche u. deren Familien erhielten die Bewilligung, nach Schweden ein
zuwandern. Es handelt sich bei Ihnen um Spezialarbeiter, die nach Oesterreich geflüchtet waren. Sie werden in Schweden die gleichen Rechte haben wie dort die einheimischen Arbeiter und sie werden sich um die schwedische Staatsbürgerschaft bewerben können. _
Das Ende der Prozesse Aus Nürnberg kommt die Nachricht, daß die amerikanischen Militärgerichte bis zum Sommer 1948 ihre Prozesse beendet haben werden. Kleinere Kriegsverbrecherprozesse sollen danach deutschen Gerichten übergeben werden.
Urteil gegen Arthur Dlnter Der Schriftsteller Arthur Dlnter wurde von der Strafkammer ln Offenburg wegen Beleidigung der Schriftleitung der Zeitschrift „DND“ zu 1000 Mark Geldstrafe oder ersatzweise sechs Wochen Gefängnis verurteilt.
Eine Spruchkammerstatistik Von den 12 062 000 nach den Ent- naziflzierungsrichtlinien in der amerikanischen Zone registrierten Personen wurden bis Ende August 1947 92 Prozent überprüft. 8 744 000 Personen sind als „Nicht- belastet" erklärt worden, 2 032 000 wurden amnestiert und 54 000 als Hauptschuldige, Aktivisten oder Minderbelastete eingestuft. 211000 wurden als Mitläufer oder Entlastete angesehen, 66 000 Verfahren wurden niedergeschlagen und gegen 955 000 Personen wird noch zu verhandeln sein. Die größten Aufgaben der Spruchkammern werden jedoch darin bestehen, die Verfahren gegen 727 000 schwerbelastete Personen zu beenden.
Gegen nazistische Umtriebe Ministerialdirektor Knappstein vom hessischen Befreiungsministerium erklärte, 4 ' das Befreiungsgesetz werde durch den Abschluß der Entnazifizierung nicht außer Kraft gesetzt. Es werde später als Rechtsgrundlage für Betroffene dienen, die für längere Zeit ln Arbeitslager eingewiesen worden sind, vor allen Dingen werde es aber auch Grundlage gegen nazistische Umtriebe sein.
Die Wandlungen Emil Jannings Der deutsche Filmschauspieler Emil Jannings, der vor kurzem mit seiner Familie ' die österreichische Staatsbürgerschaft erhielt, beabsichtigt, nach Argentinien auszuwandern.
Militärischer Druck Die Polizeichefs von Wiener- Neustadt, St. Pölten und Baden bei Wien sind von der russischen Besatzungsmacht Ihrer Posten enthoben worden, „weil sie nicht im Stande waren, die öffentliche Sicherheit aufrecht zu erhalten, Befehlen der Besatzungsmacht nachzukommen und Entnazifizierungsmaßnahmen durchzuführen.“ Politische Kreise ln Wien bezeichnen diesen russischen
Schritt als einen Versuch, durch militärischen Druck österreichischen Kommunisten leitende Posten zur Verfügung zu stellen.
Wertlose Fabel
Die „Prawda" hat den griechischen Außenminister Tsaldaris beschuldigt, während des Krieges für Ungarn Spionage getrieben zu haben. Der griechische Staatssekretär Mavrocordatos be- zeichnete die Beschuldigungen der „Prawda" als eine Fabel, die einer ernsthaften Betrachtung oder gar eines Dementis nicht wert Ist. Die Anschuldigungen seien „aus allzu durchsichtigen Propagandanotwendigkeiten" erfolgt.
Bündnis auf dem Balkan Eine ungarische Regierungsdelegation, die sich aus den vier Parteien der Koalition zusammensetzte, hat in Belgrad die Voraussetzungen zu einem ungarisch - jugoslawischen Freundschafts- und Beistandspakt geprüft. In der offiziellen Mitteilung heißt es: „Nach eingehender Prüfung der Internationalen Lage sind die Vertreter Ungarns und Jugoslawiens zu der Erkenntnis gekommen, daß die Aufrechterhaltung des Friedens und der Schutz der Sicherheit und der Souveränität der beider) Staaten eine engere Zusammenarbeit notwendig machen." Die Verhandlungen werden ln Kürze aufgenommen werden. Ein Kulturabkommen ist bereits unterzeichnet worden.
Wahlergebnisse aus Rom Der Volksblock, die am stärksten linksgerichtete italienische Parteikoalition, ging nach dem endgültigen Ergebnis der Gemeindewahlen in Rom mit 208 560 Stimmen als Sieger aus den Wahlen hervor. Es folgten die Christlichen Demokraten mit 204 297 Stimmen, Uomo Qualunque mit 63 472, die Republikaner mit 36 701, die ' Monarchisten' mit 32 961, die Soziale Bewegung mit 24 620 und die Liberalen mit 11 683 Stimmen.
Clayton zurückgetreten Der amerikanische Wirtschaftsminister William Clayton hat im Weißen Haus sein Rücktrittsgesuch vorgetegt. Er hat es mit dem schlechten Gesundheitszustand seiner Frau begründet. Gewisse Beobachter fürchten, daß der Rücktritt Claytons durch eine Meinungsverschiedenheit mit Marshall verursacht wurde. Claytons Posten soll nicht mehr besetzt werden.
Wie antwortet Moskau?
Der brasilianische Außenminister Fernandes erklärte, es sei möglich, daß Brasilien seine diplomatischen Beziehungen zur Sowjetunion auf Grund eines in der „Iswestija“ erschienenen Schmähartikels gegen den brasilianischen Präsidenten abbrechen werde. Es werde von der sowjetischen Antwort auf den brasilianischen Protest abhängen, ob die Beziehungen zueinander abgebrochen würden oder nicht.
Filmarbeit in Weingarten
Eine Flut grellen Scheinwerferlichtes stürmt gegen das Wunderwerk der Orgel, und der Schall brausender Töne brandet als Antwdrt zurück in das Münsterschiff. Johann Sebastian Bachs Passacaglia in c-moll, ernst, schön und erhaben mit dem grundtiefen achttaktigen Baßthema, begleitet die Aufnahme zu dem ersten Kulturfilm in der französischen Zone, den die Gea-Filmgesellschaft Biberach in dem Weingartener Barodedom dreht. Zu den zwanzig Variationen des in seinen Registern und Klangfarben reichgegliederten musikalischen Werks erscheint aufgeblendet jeweils eine der Putten, die^ das schmuckbeladene Orgelgehäuse besetzen. Jede dieser Engelsfiguren trägt ein anderes Instrument in Händen, und zusammen bilden sie das „Himmlische Orchester“, das dem Film seinen Namen gibt
Mit der Verschmelzung bildlicher und musikalischer Motive will dieser Kulturfilm die weltberühmte Barockörgel dem volkstümlichen Verständnis näherbringen. Er strebt außerdem eine großartige Parallele zwischen Natur und Musik an, wobei der Versuch unternommen wird, die absolute Musik eines J. S. ,Bach unmittelbar in den Bereich sinnlicher und optischer Wahrnehmungen zu ziehen. Das Wagnis offenbart sich im zweiten Teil des Films, der die gewaltige Fuge zum Abschluß der Passacaglia mit Bildern aus der kleinen Naturlebewelt — mit Pflanzen, Blumen, Schmetterlingen, Käfern, Schnecken — verflicht. Die Aufgabe liegt in guten Händen. Dr. Gero Priemei als Filmautor und Regisseur sowie Kameramann Otto Martini sind Fachleute der früheren Kulturfilmabteilung Wer Ufa. Musikalischer Ausführender und
Berater ist der Münsterorganist Hermann Feifel.
Nach mehrwöchiger Arbeit sind jetzt die Innenaufnahmen an der Weingartener Münsterorgel beendet worden. 30 bis 35 Scheinwerfer mit einer Gesamtlichtstärke von 60 000 bis 70 000 Watt waren dabei in Tätigkeit. Den Abschluß werden demnächst Außenaufnahmen auf dem alten Weifenschloß Waldburg bei Ravensburg mit herbstlicher Romantik, Sturm- und Wolkenstimmung bilden. Gleichzeitig werden die Tonaufnahmen der Badischen Orgelmusik vom Südwestfunk Baden- Baden durchgeführt. Der Film wird bei 350 bis 370 Meter Länge siebzehn Minuten dauern. Das Entwickeln und Kopieren erfolgt in einem Hamburger Atelier,
Die Weingartener Barockorgel ist in instru- mentalischer und architektonischer Hinsicht ein Meisterwerk von erlesener Schönheit. In siebzehnjähriger Arbeit wurde sie von Joseph Gabler, geboren 1700 in Ochsenhausen bei Biberach, erbaut. Er war ein Schüler des Mainzer Orgelbauers Ziegenhom. In Bachs Todesjahr 1750 wurde das wegen seiner Klangfülle berühmt gewordene Werk vollendet. Noch heute laufen mechanische Züge von dem freistehenden Spieltisch zu dem Orgelwerk, das über 7000 Pfeifen umfaßt. Neben Glockenspiel und Vogelstimmen besitzt es die herrliche Vox humana. Diese „menschliche Stimme“ im Orgelwerk gab einst Anlaß zur Legendenbildung. Gabler, der sich mit seinem Lebenswerk finanziell und menschlich ruiniert hatte, ging verschollen. Der Volksmund raunte, er hätte seine Seele dem Teufel verschrieben, der ihm dafür das verzauberte Metall geliefert habe,, aus dem die Vox humana als Krönung des Orgelklangs entstanden sei. Noch weiter phanta
sierte die Legende von einem Aufruhr der Mönche, die von den sinnlichen Klängen besessen in der Klosterkirche Tänze aufgeführt hätten; vom Verstummen des Orgelwerks, als Gabler zum Scheiterhaufen geführt worden sei, und schließlich von seiner Rettung.
In dem Gästebuch der Münsterorgel lesen wir die Namen vieler Musiker und Musik- fachleute aus der ganzen Welt. Die berühmten Organisten Joseph Haas (München), Wolfgang Reimann (Berlin), Franz Philipp (Karsruhe) und Hermann Keller (Stuttgart) spielten hier. Die majestätische. Pracht des Münsters und in ihm der Klang der weltberühmten Gabler- Orgel bilden den ständigen Hauptanziehungspunkt im ausgedehnten Raume des oberschwäbischen Kirchenbarocks. Hier erwächst auch dem Film als kulturbeflissenem Mittler in Bild und Ton eine schöne, edle Aufgabe.
E.L.
Der lästerliche Kreislauf
Von Ascan Klee Gobert
Als mir vor mehr als zehn Jahren die Geschichten über meine jüngste Tochter Sibylle eine unerwartete Einnahmequelle erschlossen, sprach ich: halt! — Alles, was Du im Schweiße Deines Angesichts erraffest, futtert Deine Familie mitleidlos auf. Wenn nun durch die späte Gunst der Musen ein goldener Regen auf Dich herabfließt, dann ist es Zeit, die Frucht solch göttlichen • Umgangs endlich wieder als Selbstverbraucher Entwöhnter Leidenschaft zuzuführen. Diese Leidenschaft aber heißt: Kirschwasser!
Alsbald wurden die bunten Scheinehen aus Frankfurt „postwendend“, wie man so bildhaft sagt, wieder auf die Reise nach Süden
Samstag, 18. Oktober 1947
1 ■ !
Oie tmiUHHe
Tumult auf dem Parnaß
H. Sch. Der „Erste deutsche SchriftsteUer- kongreß“ in Berlin vom 4. bis 8. Oktober war ein Versuchsballon; er sollte die Frage beantworten, ob es in der spannungsgeladenen Atmosphäre ideologischer und • zonengeographischer Fronten noch oder schon wieder so etwas wie ein gesamtdeutsches Bewußtsein geistiger Kontinuität gebe. Es ging — darüber täuschte die Vielfalt der angeschlagenen Themen nicht hinweg — um die Kardinalfiage der schriftstellerischen Existenz: die Freiheit des geistigen Schaffens. Der westlich-liberalen These von der Verantwortlichkeit des Schriftstellers allein seinem künstlerisch-ästhetischen Gewissen gegenüber konfrontierte sich in unversöhnlicher Schärfe die von den Vertretern der Östlich orientierten Gruppen erhobene Forderung nach klarer politischer Parteinahme und bewußter soziologischer Bindung des' geistig Schaffenden. Beide Lager aber bedienten sich seltsamerweise für oft diametral auseinandergehende Begriffe derselben Ausdrucksweise, beide sprachen sie von Geistesfreiheit und Demokratie. So drängte sich das Gefühl auf, daß diesem ersten deutschen Schriftstellerkongreß eigentlich ein Kongreß zur Bereinigung der babylonischen Sprachverwirrung hätte vorangehen müssen, denn grandios aneinander vorbeigeredete Monologe ohne den echten Willen wenigstens zum begrifflichen Verstehen des Andern ergeben noch keine Diskussion, sondern führen höchstens zu so beschämenden Szenen, wie am dritten Tage des Kongresses, als der russische Dramatiker Valentin Katajew den amerikanischen Delegierten Melville Laski nach dessen Referat über die Unabhängigkeit des amerikanischen Schriftstellers, die er in scharfen Gegensatz zum geistigen Totalitarismus Sowjetrußlands gestellt hatte, einen „lebenden Kriegsbrandstifter“ nannte. Der Tempel des Geistes wurde zur parteipolitischen Rüpelszene. Für die deutschen Schriftsteller ist nicht viel bei diesem Kongreß herausgekommen. Ja, an den Höhepunkten der Auseinandersetzung schien es, als lieferten sie nur die Statisterie, den beifallklatschenden oder schmähenden Chor zu den Rededuellen der prominenten Ausländer. Die einen klatschten, wenn es gegen Rußland ging, die anderen, wenn Amerika angegriffen wurde. Ein Schauspiel, das unrühmlich dokumentierte, wie sehr wir auch auf geistigem Gebiete zum bloßen Echo fremder Stim- i men geworden sind. Die Lehre: Schriftsteller und Dichter soll man nicht 1 verfrüht zu programmatischen Kundgebungen zusammenrufen. Die Wahrheit wird nicht auf Kongressen geboren, sondern in der Stille und Unabhängigkeit des langsam reifenden Wer-> kes. Auf dieses nur können wir vertrauen. „Wunden brauchen Zeit und heilen nicht dadurch, daß man Fahnen in sie einpflanzt“, sagt Rainer Maria Rilke.
AM RANDE
Die Nachricht in der „Schwäbischen Zeitung* 4 , Nummer 70 vom 2. September 1947, der Kurator der Universität Halle, Elchlepp, und der Vorsitzende des Studentenrats, Büttge, seien ihrer Aemter enthoben worden, weil sie Lebensmittel verschoben hätten, die für den Studentenrat der russischen Zone bestimmt waren, entspricht nicht den Tatsachen. Herr Elchlepp ist weiter unbescholten im Amt. Herr Bottge hat sein Amt als erster Vorsitzender des Studentenrates niedergelegt, um sich ausschließlich seinem Studium zu widmen.
Wetterbericht
Wechselnd zwischen Aufheiterungen und neblig trübem Wette * mit einzelnen Regenfällen. Noch immer ziemlicn mild, Tagestemperaturen: mittags um 15 Grad Wärme, nachts um 5 Grad. Zeitweise auffrischende v entwinde.
Teilung
Redaktion: Albert Komma, Johannes Schmld. Verlag! Schwäbischer Verlag, KG., Friedrichshafen, ln Leutkireh. Druck: Bottweiler Verlags- und Druckereikenossenschaft, Rottweil.
I
geschickt. Meine Gebinde kamen unscheinbar, aber zünftig unmittelbar aus einem wohlvertrauten Keller in Saßbachwalden. In grauen Pappkartons lagen schlichte, durchsichtige Flaschen, deren Etikett nur eine kurze Markierung über Inhalt und Stärke wie ein Rezept aufwies. Ach, in jenem Hause stand bei jeder Mahlzeit mitten auf dem Tische ein dickbauchiges Wasserglas voll des duftigen Getränks, von dem ein Schlückchen nahm, wen es gerad gelüstete.
So war der Kreis geschlossen, beispielhaft für eine gesunde Planwirtschaft ohne staatliche Lenkung. Ich schrieb etwas über Sibylle, die „Frankfurter“ sandte Geld, für das Geld kam der Kirsch, und wenn ich den Kirsch trank, schrieb ich etwas über Sibylle.
Doch eine rohe Faust griff in dies feinmechanische Getriebe. Die Freunde aus Saßbachwalden flohen ins Ausland, der Krieg trennte Sibylle und mich, die Zeitung wurde verboten, und Kirsch gab es nur noch für den japanischen Gesandten Oshima, aber der machte ja auch schöne Geschichten.
Somit wäre dieser Bericht am Ende, und •es fehlte die Pointe. Gemach, sie kommt Denn am Weihnachtsabend überraschte mich mein Töchterlein mit einer kristallklaren Flasche, welche es auf einem internationalen Handelswege gegen eine alte Puppenstube eingetauscht hatte. Diese Puppenstube hatte Ich vor Jahren selbst gebastelt; es war eine moderne Puppenstube mit breitem Südfenster und Dachgarten. Der Erwerber kann stolz darauf sein, ebenso stolz wie Sibylle und ich auf das unwahrscheinliche Weihnachtsgeschenk. Und so konnte daß lästerliche Kreislein wieder beginnen: Kirsch — Sibyllengeschichte . . . aber dann geht es wohl nicht mehr weiter.