^=äflBs

Tl

Seite 3

6d)n)8fiH(!je 3eitung

Mittwoch, 15. Oktober 1947

Religiöse Renaissance in Böhmen

F. G. Daß die Weltpresse viel über die Tschechoslowakei schreibt, freut in Prag im allgemeinen wenig: es ist nun einmal so, daß dann mehr Sensationen negativen Charakters durch die Blätter gehen als positive Berichte. Es gab freilich in diesem Herbst einige be­rechtigte Aufregung, Sprengstoffanschläge auf drei Minister, und das slowakische Komplott. Dessen ungeachtet bemüht man sich in Prag, sachlich und möglichst ruhig den einmal ein­geschlagenen Weg weiterzugehen. Es wird in der Regel anständig und sauber gearbeitet. Man will die Folgen einer wenig günstigen Ernte durch möglichst gerechte Verteilung halbwegs abwenden, und hofft auch immer noch auf den notwendigen politischen Aus­gleich zwischen den Großen, zu dem man nach Kräften beitragen möchte. Präsident Eduard Benesch, dessen Erkrankung an einem Son­nenstich Unruhe hervorgerufen hatte, wünscht man bald wieder so arbeitsfähig zu sehen, daß- er mit seiner bewährten Taktik des ehrlichen Maklers zwischen Ost und West zur Lösung der Spannung beitragen könnte. Vielleicht das wichtigste Element in dem Prozeß des Wiederaufbaus aber ist die religiöse Re­naissance des Landes.

Im Ausland galt die Tschechoslowakei trotz ihrer mehr als 70 Prozent Katholiken nie recht als katholischer Staat, und sie wurde auch nach außen, wenn man von Monsignore Sramek, dem Präsidenten der Exilregierung in London, absieht, niemals katholisch reprä­sentiert. Nun hat es im Sommer ein großes religiöses Ereignis gegeben, an dessen außer­ordentlichem Widerhall im ganzen Land der Beobachter nicht vorübergehen kann. Die Re­liquien des ersten tschechischen Bischofs von Prag, St. Adalbert, die im Veitsdom aufbe­wahrt werden, machten von April bis August zum 950. Todestag des Heiligen eine aposto­lische Wanderung durch Böhmen und Mäh­ren. Wie stark das Volk reagierte, war be­zeichnend. Hier gab es von der offiziellen Teilnahme keine politischen Vorteile zu er­hoffen, dennoch kamen die Menschen in Massen, um sich vor den Reliquien zu ver­neigen und ihre Kinder segnen zu lassen. Der Prager Erzbischof, Dr. Beran, hat die Notwendigkeit solcher religiösen Akte in die­ser desorientierten Nachkriegszeit erkannt und fördert sie nach Kräften. So hat Prag am 28. September das Namensfest des Schutz­patrons von Böhmen, des Heiligen Wenzel, auf dem nach ihm genannten größten Platz mit einer Abendmesse am Altar vor dem Reiterstandbild gefeiert. Rund 80 000 Men­schen füllten den Platz und lauschten dem Erzbischof, einem früheren Häftling des Kon­zentrationslagers Dachau.

Diesen äußeren Bildern einer wiederauf­blühenden Religiosität, die sich auch in der zu gut 50 Prozent heidnischen Hauptstadt durchsetzt, entspricht eine rege innere Mis­sionstätigkeit von Priestern und Laien, die das Bedürfnis einer Jugend, die der materialistischen Schlagworte müde ist, nach höheren Werten zu stillen versuchen. Gerade die jugendlichen Intellektuellen wenden sich am intensivsten vom Materialismus ab. Man muß« einmal die siebzehn- und achtzehn­jährigen Lehramtskandidaten gesehen haben, die im Dominikanerkloster einem Kurs für

Schüsse in Kärnten Belgrad. Zwischen britischen Solda­ten, österreichischen Gendarmen und Ange­hörigen einer slowenischen Freiwilligen­brigade aus Kärnten.kam es an der österrei­chisch-jugoslawischen Grenze in Podrow- schitza zu einem Feuergefecht, in dem sieben Slowenen, darunter der Sekretär der Brigade, Karl Perc, schwer und andere leicht verletzt wurden. Die Slowenen hatten an einer Jugendveranstaltung in Sarajevo teilgenom­men. Die britische Besatzungsbehörde hat dem Verlangen desBefrei ungsausschusses für Slowenisch-Kämten, den verhafteten Perc freizulassen, nicht entsprochen.

religiöse Vertiefung folgen, den P. Dr. Jiri Maria Vesely O. P., der gegenwärtige Prior des Prager Konvents und frühere Professor für Slawistik an der Universität Mailand, veranstaltet, um die Tendenzen der neuen tschechischen Generation zu erkennen! Die Arbeitstagung für die Fragen des Unionis­mus im mährischen Welehrad, die zum 40. Jahrestag das ersten Unionskongresses unter, dem Motto Rüdeblick und Aüsschau abgehal­ten wurde, zeigte den interessanten religiösen Aspekt der slawischen Frage, wie er von den führenden katholischen Gelehrten und Wis­senschaftlern immer wieder unterstrichen wird und wie man ihn in Rom als besondere Mis­sion des tschechoslowakischen Katholizismus bezeichnet, den Versuch zur IJeberwindung des orthodoxen Schismas und die Wieder­gewinnung der slawischen Völker durch friedliche Ueberzeugung.

Kein Respekt vor Menschen

Nürnberg. Otto Ohlendorf, der ehe­malige SS-Brigadeführer und Leiter der Ein­satztruppe D, der in einer eidesstattlichen Er­klärung für seine Einsatzgruppe zugegeben hatte, 90 000 Menschen umgebracht zu haben, wurde als Zeuge in eigener Sache vernom­men. Er sagte, daß das Dritte Reich zwar theoretisch ein Führerstaat gewesen sei, es habe sich jedoch im Kriege zu einer Staats­form entwickelt, in der unter Hitler jeder seine eigene Machtpolitik treiben konnte. Goebbels habe dafür gesorgt, daß zwei Reden Hitlers, dieKulturrede vom Januar 1935 und die Ansprache vor den Generalen im Osten im Jahre 1943, in denen Hitler das In­dividuum und das Volk über den Staat stellte, nicht veröffentlicht wurden. Bei seiner Rede im Sportpalast 1943 habe Goebbels die Macht innerhalb Deutschlands an sich reißen wol­

len dadurch, daß er den totalen Krieg er­klärte Himmler sei zum Schädling an sei­nem Volk und zum Verbrecher an der Menschheit geworden, nicht aber durch die Taten, die er verübt habe, sondern durch das,was er nicht tat. Er und seine Macht seien nureine hohle Blase gewesen, 1 %enn er habe weder als Chef der SS und der Po­lizei, noch als Innenminister gegen die Miß­stände etwas unternommen, die er wohl er­kannt hatte. Himmler, Bormann, Darre und Ley hätten sich gegen den SD gestellt, da diese ursprünglich von der Partei als Ersatz für die verbotene öffentliche Kritik zur Be­richterstattung eingeriqhtete Institution den Absichten dieser Männer entgegengestanden habe. Ueber sein persönliches Verhältnis zu Himmler sagte der Angeklagte, er sei für Himmler der unausstehliche, humorlose Preuße, der Defaitist und die Intelligenz­bestie gewesen. Für ihn sei Himmler aber der Bayer gewesen, der keine geordneten Verhältnisse hätte haben wollen, und der es versucht hätte, Hitler zu imitieren. Als Himmler noch Mitglied derFlensburger Re­gierung kurz vor der Kapitulation war, will Ohlendorf ihm geraten haben, den Werwolf und die SS aufzulösen und sich selbst den Alliierten auszuliefern, um jede Untergrund­bewegung unmöglich zu machen. Himmler sei jedoch geflohen und habe täglich nur eine Ordonnanz geschickt, die ihm berichten sollte, ob die Verhandlungen der Flensburger Regierung mit dem Ausland etwa Erfolg ge­habt hätten. Die Massenexekutionen an Ju­den, Zigeunern undunerwünschten Personen versuchte Ohlendorf mit dem totalen Krieg zu rechtfertigen. Er sei der Meinung, daß die in seiner eidesstattlichen Erklärung angege­bene Zahl von 90 000 Erschießungen für die Einsatztruppe D zu hoch gegriffen sei. Es spiele aber wohl für den Tatbestand keine Rolle,ob es 90 000 oder 40 000 waren, weil heute offenbar der Respekt vor dem Men­schen so gering ist, daß Zahlen schon keine Rolle mehr spielen.

DIE KURZE NACHRICHT

Zukunftsgarantie der SED Die Immatrikulationskommission der Universität Rostock hatte nach rein fachlichen Leistungen 420 Studienbewerber für das Studium zulassen wollen. Der Hochschulreferent Mecklenburgs aber, Dr. Müller von der SED, hat aus Jener Liste alle Töchter und Söhneintellektueller Eltern­kreise gestrichen. An ihrer Statt hat er Bauern- und Arbei­terkindern das Studium ermög­licht, die bei der Aufnahme­prüfung wegen fachlicher Unzu­länglichkeit abgelehnt worden waren.

Gespenst der Zwangsarbeit Der Präsident der deutschen Ver­waltung für Arbeit und Sozial­fürsorge ln der sowjetischen Be­satzungszone sagte in einem In­terview, daß die erforderlichen Arbeiten in der Zone nicht mehr durch die freie Vermittlung von Arbeitskräften bewältigt werden könnten. Man müsse denplan- mäßigenArbeltseinsatz einführen,

Spiel um den Kopf DasHamburger Echo berichtet unter Berufung auf die hol­ländische ZeitungHet Vrije Volk über ein Gespräch zwi­schen Theodor Plivier, dem Ver­fasser des Romanes Stalingrad und dem holländischen Schrift­steller Jef Last. Auf die Frage, ob er sich nur vorübergehend in München aufhalte, habe Pli­vier erwidert, daß er sich unter den Schutz der Amerikaner ge­stellt habe. Als Last ihn dann fragte, ob es im Osten für ihn einen Konflikt gegeben habe, oder ob ihm ein Prozeß drohe, sagte Plivier:Es war weder ein Konflikt, noch drohte ein Prozeß. Ich konnte es einfach nicht mehr aushalten. Schon 1936 wollte Ich aus Rußland Weg­gehen, aber das konnte ich natürlich nicht sagen. So habe ich meinen Mund gehalten und elf Jahre lang eine Komödie gespielt. Nur dadurch behielt Ich meinen Kopf. Nun bot sich

die erste Gelegenheit zu ent­wischen.Haben Sie mit den Kommunisten gebrochen? Pli­vier antwortete:Ich habe nicht mit dem Kommunismus ge­brochen. Ich habe mit der So­wjetunion gebrochen, in der kein Fünkchen Kommunismus mehr zu finden ist."

Eine farblose Predigt*

Vor Pressevertretern in New York sagte Dr. Kurt Schumacher, was man den Deutschen über die Demokratie erzähle, sei farblos und klinge wie eine Predigt. Nach den Erfahrungen mit dem Hitler-Regime sei für die Deutschen der Begriff der Demokratie gleichbedeutend mit einem Rechts- und Ordnungs- $taat.Ich kann nicht behaup­ten, daß die Deutschen, die Demokratie ablehnen, viele fra­gen sich aber, was sie wirklich bedeutet."

Verfassung angenommen Im Wahlbereich Bremen wurde die Verfassung mit Dreiviertel- Mehrheit, und zwar mit 127 715 gegen 48 098 Stimmen angenom­men. Es waren 268 521 Perso­nen wahlberechtigt, von denen 190 323 abstimmten. 14 510 Stim­men waren ungültig.

Stimmen für Frankreich Insgesamt 91 Prozent der Ein­wohner der ehemaligen italie­nischen Grenzstädte Tenda und Briga stimmten für die Anglie­derung an Frankreich.

DerFaschistislerung angeklagt Der Chef der polnischen na­tionalistischen Partei, die in England während der Besat­zungszeit gegründet worden ist, AdamDoboszynski, wird in Kürze unter der Anklage derFaschi- stisierung des polnischen natio­nalen Lebens vor 1939 abge­urteilt werden. Auch der Prinz Johann Radziwill, einer der be­kanntesten polnischen Aristo­kraten, wird vor Gericht stehen. Er war von der Gestapo ver­

haftet und auf Intervention Mussolinis wieder freigelassen worden. Im vergangenen Monat ist er aus Rußland zurückgekehrt.

Diplomatischer Zwischenfall Durch einen Brief des jugoslawi­schen Legationssekretärs in Bue­nos Aires, Jaskasa, an den jugo­slawischen Geschäftsträger in Santiago, Cunja, erhielt die chi­lenische Polizei Beweise, daß Jugoslawien an der kommunisti­schen Organisation in Chile be­teiligt ist. Sowohl Jaskasa als auch Cunja wurden verhaftet. Unterlagen beweisen, daß mit Unterstützung der Jugoslawen Streiks und Unruhen die Sicher­heit Chiles bedrohen sollten. Das chilenische Außenministerium hat Cunja des Landes verwiesen. Jugoslawien hat darauf seine diplomatischen Beziehungen mit Chile abgebrochen. Bei der argentinischen Kammer wurde daraufhin ein Gesetzentwurf eingereicht, der das Verbot der kommunistischen Partei im Lande vorsieht. Auch die gewerkschaft­liche und kulturelle Tätigkeit soll untersagt werden,wenn sie von der kommunistischen Dok­trin inspiriert ist. Auch Brasi­lienwird eine Haltung einneh­men, die im Sinne der gemein­samen Verteidigung der Hemis­phäre liegt. In Bogota sieht man in der chilenischen Aktion den ersten Schritt zu einer Ant­wort auf die Gründung der Ko­mintern. Es ist damit zu rech­nen, daß sich Chilewegen der Einmischung Jugoslawiens in die inneren Angelegenheiten an die Vereinten Nationen wenden wird.

Schüsse auf die Botschaft In Santiago de Chile wurde auf die sowjetische Botschaft ge­schossen. Es wird damit gerech­net, daß der sowjetische Bot­schafter das chilenische Außen­ministerium von seiner Absicht ln Kenntnis setzen wird, das Land zu verlassen, weil die Si­cherheit der diplomatischen Ver­treter der UdSSR nicht mehr garantiert sei.

Mite fSiontte

Unsichtbare Arbeit

P.M. In der Zeit, da solche Scherze Gefah­ren in sich schlossen, sagte man, die größten Erfinder der Gegenwart seien Hitler, Göring und Goebbels. Hitler habe den freiwilligen Z*rang erfunden, Göring den schlichten Prunk und Goebbels die wahre Lüge. Das war bis­sig, aber stand hinter dem freiwilligen Zwang nicht ein ernstes logisches Dilemma? Ist es nicht eine uralte und für den bloßen mensch­lichen Verstand allein unlösbare Menschheits- frage, ob es überhaupt einen freien Willen und danach eine Freiwilligkeit gebe, oder ob uns nicht im letzten allein übrig bleibe, uns mit dem Glauben an einen freien Willen der Notwendigkeit zu beugen? Wenn aber der Hintergrund der Scherzfrage nicht der unan­fechtbare Tatbestand ipneren Widerspruches ist wie bei dem berühmten hölzernen Schür­eisen, wie steht es mit der vollbeschäftigten Arbeitslosigkeit, die zu den Kennzeichen un­seres heutigen Zustandes gehört? Die Ar­beitsämter klagen, daß die Arbeitsstellen un­besetzt bleiben. Die Werkstätten können oft nicht einmal leisten, was ihnen noch zugewie­sen wird. Weit weniger Menschen stehen nach der Statistik in Arbeit als früher. Den­noch ist niemand arbeitslos, ja, die meisten sind weit über das Maß des Zuträglichen be­schäftigt. , Der Grund dafür liegt natürlich darin, daß die vernünftige Ordnung, die ratio, unserer Arbeit genommen ist. Wir hatten ein im ganzen gut ausgewogenes und ausgegli­chenes System der Arbeitsteilung, das frei­lich noch manche Verbesserung ertragen hätte; dadurch wurde vermieden, daß einer in größerem Umfang und unrationell Arbeit zu leisten hatte, für die er nicht Ausbildung, Fertigkeit und Lust hatte. Wir hatten Ma­schinen, die uns viel, besonders schwere Arbeit, abnahmen und viel schneller erledig­ten. Wir hatten einen Ausgleich zwischen Erzeugung, Verbrauch und Außenhandel, und wir konnten über den Ertrag unseres Bodens und unserer Arbeit verfügen. Dieses System ist zerstört. Jeder ist für sich mit einer Menge Arbeit belastet, die früher ein anderer oder die Maschine rationeller für ihn tat Wir sind fast wieder in den Zustand zurück­gefallen, in dem jeder selbst Kleider und Schuhe machen und flicken muß, selbst mit Axt und Säge im Wald sein Holz aufbereitet und selbst die Nahrung ins Haus schaffen oderorganisieren muß. Dr. Hans Martin hat das in derSchwäbischen Zeitung vor einem halben Jahr in einem ArtikelDie Robinson-Arbeit im einzelnen ausgeführt Diese Arbeit erscheint nicht in den Listen der Arbeitsämter. Dazu ist so­gar an Stelle des gesunden Handels ein illegitimer neuer Beruf entstanden, der eben­falls nicht unter die Kontrolle der Arbeits­ämter fällt, aber seinen Mann, solange er sich nicht in die Maschen des Gesetzes verstrickt,' nicht bloß voll in Anspruch nimmt, sondern auch voll ernährt. Alles arbeitet, aber nicht alles ist registriert. Die vollbeschäftigte Arbeitslosigkeit ist vielleicht für die Logik ein Widerspruch in sich selbst, für den Ge­genwartsmenschen ist sie ein schlichter Tat­bestand, zwar kein freiwilliger Zwang, aber doch so etwas wie eine erzwungene Frei­willigkeit.

In dem Berliner Stadtteil Rangsdorf h&ngt ln Jedem Schlafzimmer eine Bratpfanne. Sie dient als Alarmgong, wenn die dort wohnenden Frauen bei Nacht überfallen werden. Rufe nach der Polizei haben sich als weniger wirkungsvoll er. wiesen.

_ W etterbericht

Vorhersage: Fortdauer des herbstlichen nnä nebligen Wetters. Kühle Nächte, mittags für diä Jahreszeit immer noch ziemlichwarm.

^ri)iuäbif(i)p|tilung

- Redaktion: Albert Komma, Johannes Schmid.

Verlag: Schwäbischer Verlag, KG., Friedrichshafens in Leutkirch. Druck: Rottweiler Verlags- an« Druckereigeno88enschaft, Kottweil.

Gesellschaft Oberschwaben

-ch. Die fast achtzehn Monate, die seit der Gründung der gemeinnützigen Stiftung der Gesellschaft Oberschwaben vergangen sind, waren, wie ihr Sekretär, Freiherr Hans Chri­stoph von Stauffenberg, sich ausdrückte, nur ein vorbereitendes Stadium. Es ist nun durch die erste Generalversammlung der Freunde der Gesellschaft am 11. Oktober im Schloß Aulendorf abgeschlossen. Mehr aber ist in dieser Zeit geschehen, als nur ein rein organisatorischer Aufbau. Die Gesellschaft ist seinerzeit auf Anregung der Buchhandlung Riede gegründet und mit einerAkademie verbunden worden. Sie hat einen eigenen Verlag, und nun wurde ihr auch ein Institut für oberschwäbische Landeskunde angeglie. dert. Um die mannigfaltigen Probleme un­serer Zeit zu klären, hat die Gesellschaft schon kurz nach ihrem Entstehen die Poli­tiker zu Diskussionen zunächst über Verfas­sungsfragen zusammengerufen. .Dann folgten Tagungen moderner Architekten mit dem ThemaStädtebau, deren greifbares Ergeb­nis eine repräsentative .Zeitschrift über neue Bauformen ist, Tagungen der Archivare, der Geistlichen, der Landräte und Bürgermeister, der Kirchenmusiker und auch eine Zusam­menkunft, die sich mit den Fragen einer Agrarreform und der Ansiedlung von Neu­bürgern befaßte. Die Gesellschaft enthält sich bewußt jeder Bindung an Parteien oder In­teressengruppen, sie wendet sich vom poli­tischen Schlagwort ab und fühlt sich in er­ster Linie der christlichen Tradition des Lan­des verpflichtet, dessen Namen sie trägt.

Die Festansprache in der Generalver­sammlung hielt der Frankfurter Soziologe Rrofessor Dr. Ernst Michel, über das Thema

Die Verpflichtung des Geistes gegenüber dem Leben. Der Titel seines Vortrages allein könnte das Leitmotiv sein, unter dem die Gesellschaft Oberschwaben arbeitet. Die So­ziologie sei, so führte der Redner aus, keine objektiv betrachtende, wohl aber eine kritisch fordernde Wissenschaft. Sie sei aus der Krise zwischen dem Geist und der menschlichen Gesellschaft entstanden. Sie sei lebendig mit der Wirklichkeit verbunden, ohne in ihr unterzutauchen. Die platonische Lehre, daß der Geist die Wahrheit besitze und ihr Wirklich­keit, verleihe, eine Philosophie, die stets bloße Theorie blieb und sich nie verwirklichen ließ, stehe einer anderen, jesaianischen Be­rufung des Geistes gegenüber, der Berufung durch Gott Der Denker unserer Zeit dürfe sich nur mit der Verantwortlichkeit Jesaias identifizieren, nicht aber mit der platonischen Haltung, die in der Aufrichtung eines Bildes allgemeiner Vollkommenheit ihre Grenzen finde. Kein Forscher könne sich heute darauf hinausreden, er habe die Folgen seiner Er­kenntnisse nicht vorausgesehen oder der Miß­brauch sei die Tragik seines Berufes. Er sei in Wahrheit verantwortlich.

In der Gründungsversammlung des Institu­tes für oberschwäbische Landeskunde sprach Archivrat Dr. Rauh, Archivar des Fürsten von Zeil. über die Aufgaben des Instituts. Es solle der Erforschung von Land und Leuten auf rein wissenschaftlicher Ebene in Gegen­wart und Vergangenheit dienen. Prof. Her- ting aus Tübingen sprach anschließend über Grundzüge einer Wissenschaft vom Terri­torium und endlich Professor Baum aus Stuttgart überSchwäbische Stammesart.

Während der Gründungsversammlung für das Instiut fand gleichzeitig eine Sitzung des Kuratoriums statt, das sich aus vierzig Mit­

gliedern der Gesellschaft zusammensetzt. Zu ihrem Präsidenten wurde Dr. Gerhard Storz aus Schwäbisch Hall gewählt. In ihren Vor­stand bestellte das Kuratorium den Landrat Anton Maier aus Saulgau, Buchhändler Josef Riech aus Aulendorf und Freiherm Hans Christoph von Stauffenberg als Sekretär.

Josef Eberle

J. S. Dr. Josef Eberle, der frühere Heraus­geber der ZeitschriftenDas neue Reich und Schönere Zukunft, ist, wie seine Schwester aus Ailingen, seinem Geburtsorte, anzeigt, am 12. September im 64. Lebensjahr in Salzburg gestorben und auf dem St.-Peters-Friedhof beigesetzt worden. Fern- seiner schwäbischen Heimat ruht er nun dort, wo die Luft des von ihm so geliebten österreichischen Barode am reinsten weht. Noch gelang es ihm, ein Werk zu vollenden, dessen Idee sich ihm in den einsamen Stunden seiner Haft im Po­lizeigebäude an der Elisabethenpromenade in Wien herauskristallisiert hatte: das große Bibelwerk. Ein Weckruf sollte es werden, aber ein Buch des Trostes und der Erleuchtung für jene, die einen Sinn im Ablauf der Ge­schichte suchen. Noch war es ihm, dem rast­los Schreibenden auch vergönnt, seine Er­innerungen zusammenzufassen. Die Haft hatte den starken, kräftigen Mann zermürbt. In der Ruhe des Bregenzer Waldes und im Ailinger Dorffrieden bei seiner treuen Schwe­ster erholte er sich._-Sehon hörte man seine Stimme auf Tagungen im Oberland, eine aufrüttelnde, beschwörende Stimme, denn er hat den Beruf eines Publizisten immer als höhere, prophetische Mission betrachtet, aber nun hat ihm doch der Tod zu früh die Feder aus der Hand genommen. Eberle hatte Er­

folg und Einfluß. Wenn man in den langen Listen der Mitarbeiter an seiner Zeitschrift blättert (von 1918 bis 1925 war esDa* Neue Reich, von 1925 ab gab Eberle im eigenen Verlag dieSchönere Zukunft her­aus), findet man Hunderte von bedeutenden katholischen Namen. Kardinäle und Bischöfe* Ordens- und Weltpriester, Fürsten und Adelige, Professoren aller Fakultäten, Mini­ster und Ministerialbeamte, Staats- und Ver­waltungsmänner. Dazu kam ein auserlesener Redaktionsstab für die Kleinarbeit. Er ar­beitete planvoll und überließ nichts dem Zu­fall. So war die Zeitschrift langsam auf diö für eineGebildetenzeitschrift, wie Eberle sich ausdrückte, allerdings außergewöhnlich hohe Auflage von 20 000 angewachsen. 14 000 davon gingen nach Deutschland. Das Dritte Reich hat' dann seineSchönere Zukunft langsam aber sicher, auf kaltem Wege ab­gewürgt. Bis 1941 war es Eberle durch zähe und geschmeidige Taktik in einem wahren Dschurigelkrieg mit der Gestapo gelungen, die Zeitschrift durchzuhalten. Nicht alle haben seine Haltung begriffen, aber er hat sich nach dem Zusammenbruch überzeugend gerecht­fertigt. Eberles Bücher, mit denen er sich den Weg zu seiner Zeitschriftenarbeit bahnte, sind überholt und vergessen. Aus dem jungen Kämpfer gegen die Auswüchse des Liberalis­mus und der Plutokratie ist ein ruhiger, überlegener* weithin planender Organisator geworden, eine starke Potenz im katho­lischen Lager. Eberle kannte seinen Wert und betonte ihn auch. Schon äußerlich trat er auf wie ein kleiner Fürst im Reich des Geistes, den mächtigen Kopf mit dem ruhigen Blick, die wuchtige Gestalt mit den gemessenen Be­wegungen \vird keiner so leicht vergessen; der ihm einmal gegenüberstand;