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Freitag, 3. Oktober 1947

Was von Danzig blieb

PPM. Unter den Städten des deutschen Ostens, die unter polnische Verwaltung ge­kommen sind, haben Danzig, Stettin und Breslau die größten Verluste an Kunstdenk­mälern erlitten. Die Arbeiten zur Sicherung einer möglichst großen Anzahl bedrohter Objekte waren eine der Aufgaben, vor die sich das polnische Ministerium für Kultur und Kunst gestellt sah. Die weit bekannte Marienkirche in Danzig wurde bereits im Herbst 1945 von den Schuttmassen befreit, die auf den Gewölben lasteten; ihre am stärksten bedrohten Gebäudeteile erhielten eine stützende Untermauerung. Da einige Pfeiler des Mittelschiffes sich zu neigen be­gannen, versteifte man sie mit Hilfe einer besonderen Holzkonstruktion gegeneinander und ergänzte die noch bestehende eiserne Verstrebung durch neue Teile. Das fehlende Dach wurde 1946 durch eine 3 Zentimeter starke Betonschicht ersetzt; Abflußrohre zum Ableiten des Regenwassers wurden ange­bracht. Gleichzeitig wurden die Löcher in den Stern- und Kreuzgewölben mit alten Ziegelsteinen verschlossen. Noch im Laufe dieses Jahres soll das Dach der Marien­kirche wieder aufgebaut werden. Besondere Fürsorge wurde der ,Königlichen Kapelle' zuteil, bei welcher zu den Kriegsschäden Einsturz eines Gewölbeteils, Dachstuhlbrand und Vernichtung der seitlichen Anbauten noch Schäden durch Unterspülung der Fun­damente hinzukommen. Arbeiten zur Ablei­tung des Wassers, ferner die Anbringung neuer Verstrebungen, die Ergänzung der Ge­wölbe, die Wiederinstandsetzung des Daches sicherten die Kapelle vor weiteren Zerstö­rungen. Die 1945 begonnenen Restaurierungs­arbeiten sollen noch heuer abgeschlossen werden.

Alle zwölf Stadttore von Danzig wurden durch Ausbesserung der Dächer und Unter­mauerung vor weiterem Verfall gesichert. Am schwersten war das 1614 von Antoni van dem Blocke erbaute .Goldene Tor' beschädigt. Die Explosion einer Bombe zerstörte das Dach und verursachte eine Neigung der Außenfront um 30 Zentimeter. Das .Grüne Tor' erlitt Brandschäden, die das Dach zer­störten und auch die oberen Giebelteile in

Statistik des Grauens

Nürnberg. Das amerikanische Mili­tärgericht eröffnete einen Prozeß gegen den ehemaligen SS-General Otto Ohlendorf und 22 Offiziere, die denEinsatzgruppen und Einsatzkommandos während des Krieges gegen Rußland angehörten. Die' Anklage­schrift legt ihnen den Mord an über einer Million Menschen zur Last.Wir müssen uns daran erinnern', sagte der Vertreter der Anklage,daß die Einsatzgruppen nur je 500 bis 800 Mann zählten, daß es nur vier von ihnen gab und daß sie insgesamt nicht mehr als dreitausend Mann umfaßten. Sie töteten über eine Million Menschen in etwa zwei Jahren, sie haben also täglich etwa 1350 Morde begangen. Alle diese Männer, Frauen und Kinder mußten erst ausgewählt, zusam­mengetrieben und zum. Hinrichtungsplatz ge­bracht werden. Sie mußten gezählt, und ihr Eigentum mußte ihnen abgenommen werden, bevor man, sie erschoß und begrub. In einer eidesstattlichen Erklärung hat Ohlendorf über das Ausmaß seiner Verantwortung gesagt: Als die deutsche Armee in Rußland ein­marschierte, war ich Führer der Einsatz­gruppe D. Im Laufe des Jahres, während dessen ich Führer der Einsatzgruppe war, liquidierte sie ungefähr 90 000 Männer, Frauen und Kinder. Die Mehrzahl von ihnen waren Juden, aber es waren auch einige kommunistische Funktionäre unter ihnen. In einem Briefe, den derRüstungsinspekteur Ukraine an den Chef des Wirtschafts- und Rüstun-gsamtes über die Tätigkeit der Ein­satzgruppe in seinem Gebiet schrieb, schätzte er die Zahl der hingerichteten Juden auf etwa 200 000.

Mitleidenschaft zogen. Das gotische Rathaus am Langen Markt und der Artushof mit der .Danziger Halle', welche durch Bomben und Brand stark beschädigt worden waren, sind durch Vermauerung der Löcher und Instand­setzungsarbeiten an den Mauern sowie durch Schutzdächer über den intakt gebliebenen Gewölben gesichert. Aehnliche Arbeiten waren auch am Zeughaus nötig. Vollständig 'wiederhergestellt wurde das Rathaus in der Altstadt.

Nach Beendigung der Wiederinstand­setzungsarbeiten wurden die Nikolaus- und die Dreifaltigkeitskirche bereits in Gebrauch genommen. Das ehemalige Franziskaner­kloster, in welchem vor dem Kriege das Städtische Museum untergebracht war, wurde größtenteils wieder aufgebaut und dient trotz seines provisorischen Daches aus Pappe wei­ter Museumszwecken. Die Ignatiuskirche auf Alt-Schottland, die Corpus-Christi-Kirche, die Brigittenkirche ^ und die Elisabethenkirche, welche nur verhältnismäßig unbedeutende Schäden aufwiesen, sind bereits vollständig wieder hergestellt. Zu den weniger beschä­digten Bauwerken gehört die Peter-und- Pauls-Kirche, die nur am Prebysterium Dach- und Gewölbeschäden hat. Durch ähnliche Ar-

DIE KURZE

beiten wurden auch die Johannis- und Katharinenkirche restauriert.

Die für Danzig so charakteristischen Bür­gerhäuser mit ihren omamentreichen Re­naissance- und Barock-Giebeln haben ver­hältnismäßig am meisten gelitten. Fast alle fielen Bränden zum Opfer und viele liegen vollständig in Trümmern. Bei einzelnen, wie dem Hause Steffens, dem Haus der Pelpliner Aebte und anderen wurden Restaurierungs­arbeiten in Angriff genommen. Die eigent­liche Wiederaufbau-Aktion soll erst 1948 be­ginnen.

Auch in Städten und Ortschaften der Um­gebung kam es zu Restaurierungsarbeiten. So wurde die Marienburg frisch gedeckt. Die Johanniskirche erhielt ebenfalls ein neues Dach, das Rathausdach in Marienburg wurde wiederhergestellt.

16 Pfund unter dem Mindestgewicht

Berlin. Von 320 Kriegsgefangenen, die aus der Sowjetunion in die amerikanische Zone entlassen wurden, litten nach einem Bericht der Gesundheitsabteilung der ameri­kanischen Militärregierung 50 Prozent an Hungerödemen. Ihr Körpergewicht lag im Durchschnitt 16 Pfund unter dem Mindest­gewicht und etwa 26 Pfund unter dem amerikanischen Durchschnittsgewicht. Der Ge­sundheitszustand der Heimkehrer sei erheb­lich schlechter als der der Einwohner Hessens.

NACHRICHT

Endtermin bleibt unberührt Das britische Kriegsministerium gab bekannt, daB der Mangel an Schiffsraum die weitere Rückführung deutscher Kriegs­gefangener aus dem Mittleren Osten ln der bisherigen Stärke unmöglich mache. Der Entschluß, bis zum 31. Dezember 1948 je­doch alle Gefangenen in die Heimat zurückgebracht zu haben, werde durch den augenblick­lichen Schiffsmangel nicht be­rührt. Auch der Urlaub der bri­tischen Ueberseetruppen sei aus den gleichen Gründen jetzt sehr beeinträchtigt worden.

Flucht aus dem Osten Die Grenzpolizei in Hof wurde in verstärkte Alarmbereitschaft gerufen, um 6000meist ukrai­nischen Soldaten den Grenz­übertritt in die amerikanische Zone zu verwehren. Es handelt sich um die Reste derBende- rovizi, so genannt nach ihrem Anführer, dem General Bendera, die als polnische Ueberläufer, als Wlassow-Kämpfer oder als Anhänger der früheren slowaki­schen Regierung in der deut­schen Armee dienten. Schon vor einigen Wochen wurde in der Nähe von Passau eine kleinere Gruppe von ihnen entwaffnet. Andere haben die österreichische Grenze überschritten. Sie wol­len sich nach der Schweiz durch­schlagen, da für die Schweiz kein Auslieferungsvertrag mit der Sowjetunion besteht.

Das Urteil gegen Fritzsche Die Berufungskammer Nürn­berg reihte den ehemaligen Ministerialdirektor" und Reichs­rundfunkkommentator Hans Fritzsche in die Gruppe der Hauptschuldigen ein und ver­wies ihn auf'die Dauer, von neun Jahren unter Anrechnung der bisher verbüßten Haft in ein Arbeitslager. Es wurde ihm auf Lebenszeit verboten, Redak­teur oder Rundfunkkommen­tator zu sein.

Man wechselt die Sektoren Die sowjetische Zentralkomman­dantur hat eine im Sowjetsektor Berlins geplante Versammlung der SPD verboten, auf der der Frankfurter Oberbürgermeister Walter Kolb über das Thema: Deutschland und Berlin spre­chen wollte. Die Kundgebung wird nun am dritten Oktober im amerikanischen Sektor statt- fiiiden.

Treffen der Jungen Union In Hamburg wird am 12. Oktober die dritte Interzonentagung der Jungen Union in der CDU statt­finden.

Hetzerische Bemerkungen General Clay sagte vor alliier­ten und deutschen Pressever­tretern,die hetzerischen Be­merkungen" des Chefs der poli­tischen Abteilung der SMA in Deutschland, Oberst Tulpanow, seien ein Bruch der bestehen­den Abkommen. Die Worte Tul- panows hätten sich gegen die Motive der Politik der ameri­kanischen Militärregierung und gegen die Regierung der Ver­einigten Staaten gerichtet.

Erfolglose Suche Der Neffe des Hamburger Bür­germeisters Brauer, der Kauf­mann Rudolf Wilsch aus Kiel, Ist seit dem 7. September spur­los ln Leipzig verschwunden. Die Bemühungen der Leipziger Polizei, die in Verbindung mit der Hamburger Polizei arbeitete, Wilsch wiederzufinden, blieben erfolglos.

Tot oder abtransportiert DieTimes erhielt Informatio­nen, nach denen der Frau des früheren Generalsekretärs der Partei der Kleinen Landwirte, Bela Kovacs, von den sowjeti­schen Behörden gesagt worden sei, es sei unnütz, zu versuchen, Ihn im Gefängnis zu sehen. Man habe ihn nach der Sowjetunion abträhsportlert. Als nun jenes Gefängnis ln Budapest den Ungarn zurüdegegeben wurde, war Kovacs nicht mehr da. Eher als an einen Abtransport ln (Sie Sowjetunion glaubt man jedoch in Budapest, wie derTimes" berichtet wurde, daß Kovacs im Gefängnis starb. Der Regierungs­sprecher nannte diese Nachricht frei erfunden.

Ohne Einigung beendet Der Viermächteausschuß für den österreidiischen Staatsver­trag hat, wie ein britischer Sprecher erklärte, seine Bera­tungen beendet, ohne ' auch nur über einen Artikel des Vertra­ges Übereinstimmung zu er­zielen.

Unglücklicher Bombenabwurf In der Nacht, zum Dienstag wur­de in der Nähe des Bahnhofs Matzen bei Wien von einem Flugzeug einer Besatzungsmacht eine Bombe abgeworfen, die ein Wochenendhaus zerstörte. Die Frau des Besitzers wurde getötet, der Mann wurde schwer verletzt. An mehreren Häusern in der Umgebung entstanden Sachschäden.

Ein neuer Versuch Zwei Schiffe mit jüdischen Emi­granten, bestimmt nach Palä­stina, haben den Bosporus er­

reicht. Die britische Regierung hat die Regierungen Rumäniens und Bulgariens an ihre Ver­pflichtung erinnert, derartige Transporte nicht zu begünstigen. Die Jüdischen Emigranten sollen keine Hoffnung haben, die Hä­fen ln Palästina zu erreichen. Die britischen Zerstörer, die Torpedoboote und Patrouillen­flugzeuge überwachen die Sperr­linie um das Land mit Radar­geräten.

Britische Bohranlage demontiert Auf den von den Russen besetz­ten Oelfeldem von Zistersdorf in Oesterreich ist eine britische Bohranlage im Werte von 50 000 Pfund Sterling von den Sowjets abmontiert worden. Dabei wur­den die Arbeiter von ihrer Ar­beitsstelle ferngehalten. Ein kanadischer Erdölfachmann sagte, so meldet dieDena, die so­wjetischen Behörden hätten die­se Maßnahme für notwendig gehalten, weil sie mehrere Wochen zuvor durch die Arbei­ter daran gehindert worden seien, auf einem anderen Oel- feld britisches Maschinenmate­rial zu demontieren.

Militärische Zusammenarbeit Griechische Regierungskreise ha­ben angektindigt, daß der tür­kische und der griechische Gene­ralstab ein Koordinierungs­komitee bilden wollen. Dieser gemeinsame Ausschuß würde aus zwei griechischen und zwei türkischen Offizieren, sowie ei­nem amerikanischen Offizier ais Vorsitzenden bestehen. Tsaldaris hat aus New York diesem Vor­schlag telegraphisch zugestimmt.

Schon wieder entführt?

Die Witwe Mussolinis sagte der neapolitanischen ZeitungGior- nale sie sei überzeugt, daß die Leiche ihres Mannes in Amerika sei. Als man ihn zum Mailän­der Friedhof überführt habe, sei ihr von einem amerikani­schen Offizier gesagt worden, daßseine Reste - in den Hän­den der Amerikaner blieben. Sie wisse nun nicht, wo der Leichnam ihres Mannes sich be­fände.

Hirtenbrief gegen Unfreiheit Der Primas von Polen forderte in einem Hirtenbrief, der in allen katholischen Kirchen Po­lens verlesen wurde, die Auf­hebung der Freiheitsbeschrän­kungen, die der Kirche aufer­legt worden seien. Kardinal Hlond wendet sich darin mit besonderer Schärfe gegen die Pressezensur und gegendie Tätigkeit von Vertretern gewis­ser Parteien".

Die Kannibalen von Krähirä

II. Von Hermann Stresau

Kürzlich hat mein Hauswirt, sprach Auda ihn Ali weiter, mehrere Körbe voll Feigen erhalten, welche für den, der nur Kenntnisse zu bieten hat, schwer zu haben sind. Er brei­tete diese Feigen auf Brettern in dem Vor­ratsraum aus, den auch wir benutzen müs­sen, vermutlich, weil seine eigenen Vorrats­räume, die er sorgfältig verschlossen hält, überfüllt sind. Zu diesen Feigen aber legte er einen Zettel, worauf geschrieben stand: 195 Feigen. Zwei Tage später wechselte er den Zettel aus, und nun stand darauf: 10 Feigen gegessen, 185 Feigen. Wieder einige Tage später: 15 Feigen gegessen, 170 Feigen. Jussuf wollte mich bereden, zwei Feigen zu erwerben, sie dazu zu legen und zu schreiben: es stimmt nicht! Aber ich darf es mit dem Manne nicht verderben.

Beim Barte des Propheten! rief ich lachend,was für ein gottloser Narr!*

Das ist noch gar nichts, rief Mahmud. Bei Rasim, dem Arzt, wohnt eine junge Frau, welche ein kleines Kind hat Ihr Mann obliegt den Studien auf der Hochschule zu Aleppo, er kommt zuweilen, um sich ihrer Schönheit zu erfreuen. Denn sie ist lieblich wie eine Rose und sehr anmutig anzuschauen. Der Arzt Rasim, bei welchem sie zwei kleine Zimmer im Obergeschoß bewohnt, erlaubt ihr n : cht, die Kinderwäsche auf dem Dach seines Hauses zu trocknen. Die liebliche Frau begibt sich zum Kadi, der die Aufsicht über die Wohnungen der Flüchtlinge hat, und ohne den Namen ihres Wirtes zu nennen, begehrt sie zu wissen, ob jener ihr verbieten darf, die Wäsche ihres Kindes auf dem geräumigen Dach den trocknenden Winden preiszugeben. Der Kadi empört sich über den hartherzigen Hausbesitzer. Wer denn das sei, der so bar­

barisch und widerrechtlich mit ihr verfahre? Sie nennt den Namen des Arztes Rasim, und darauf erwidert der Kadi, die Stirn run­zelnd, in diesem Fall könne er nichts machen!

Wie ist das möglich? rief ich erstaunt. Ist der Kadi nicht dazu da, Recht zu sprechen?

Gewiß ist er das, sagte Mahmud darauf.

Aber wie kann er so schamlos? Wei­ter kam ich nicht, denn die anderen brachen in ein freundliches Gelächter aus.

Allah segne deine Einfalt, riefen sie, und Jussuf, der Gastgeber, setzte mit einem her­ablassenden Lächeln hinzu:Der Kadi will auch gut leben, o Muley!

Ueberdies, fuhr Mahmud fort,leidet der Arzt Rasim unter einer außergewöhnlichen Geräuschempfindlichkeit. Wenn sich die junge Frau die Treppe hinunter begibt, um ihre spärlichen Lebensmittel, die ihr nach der Regelung des Kalifen Allah beschütze ihn! zustehen, auf dem Markte einzukau­fen, so zieht sie sich die Schuhe aus, um kei­nen Lärm zu machen, und an zwei Stellen der Treppe hebt sie sich vorsichtig über zwei Stufen hinweg, "welche knarren, was mit dem Kind im Arme kein kleines Kunststück ist. Natürlich tritt sie zuweilen, ins Straucheln geratend, doch auf die knarrende Stufe. Dies bewirkt, daß augenblicklich der Arzt Rasim aus seiner Wohnung hervorstürzt und die junge Frau, die aus einem einst wohlhaben­den Hause stammt, auf das wüsteste be­schimpft wie ein Kameltreiber. Daß sie in seiner Küche nicht kochen darf, versteht sich von selbst, denn sonst könnte sie ja die Spei­sen sehen, welche für ihn und die Seinen zubereitet werden. Sie geht in ein Speise­haus, um sich zu sättigen.

Da man aber, unterbrach ihn Achmed der Gelehrte,in einem Speisehaus zwar für jedes Gericht eine Marke für Oel abgeben

muß, die Speisewirte aber so gut wie ohne Oel kochen"

Aber die Gerichte, die Obrigkeit!" rief ich kleinlaut.

Hm, die Obrigkeit, sprach Jussuf und fuhr fort:Da war der junge Abd ei Kerim, ein Vertriebener, der sehr schöne und zauber­hafte Geschichten zu schreiben versteht. Er wohnte mit seiner Familie bei einem Bauern vor den Toren der Stadt, einem überaus hart­herzigen Manne, welcher der hungernden Familie nichts von seinem Ueberflüß gönnte. Denn er meinte, Abd ei Kerim sei ein Nichts­tuer und Tagedieb. Eines Tages sah Abd el Kerim, wie der Bauer einen Kriegsversehr­ten, der um ein wenig Milch bettelte, mit groben Worten abwies und ihm drohte, er werde ihn mit Hunden vom Hofe hetzen. Darauf mischte sich Abd el Kerim, der ein Hitzkopf ist und an die Gerechtigkeit glaubt, in den Streit und nannte den Bauern einen Schuft. Der Bauer aber lief zum Kadi und klagte, und der Kadi gab ihm recht. Abd el Kerim mußte eine Buße zahlen. Der Alkalde des Ortes aber verweigerte Abd el Kerim die Marken für Oel und Brot und beschimpfte ihn, er sei ein elender Lump, ein Vagabund und verlaufener Hundesohn. Abd el Kerim hat es mir selbst erzählt, und er verzweifelte an der Gerechtigkeit, denn Abd el Kerim wollte nun den Alkalden verklagen, aber dies gelang ihm nicht. Wer in dieser Stadt wird denn auch einen Dorfschulzen oder Bauern einer solchen Kleinigkeit wegen zu einer Buße verurteilen?

Im Garten des Rechtskundigen El Zekkim, sprach Auda ihn Ali dumpf,grast ein fetter Hammel nebst einigen fetten Gänsen.

Die Gärten! fiel hier Achmed ein,die Gartenbesitzer, die Öbst und Gemüse aus ihnen ziehen, kaufen den Besitzlosen auch das Obst und Gemüse beim Krämer weg!

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Wider die Angstträume

J. S. Nacht für Nacht sucht immer noch viele von uns derselbe Traum heim: Heu­lende Sirenen, brennende Häuser, zuckende Scheinwerfer, Flucht! Aber gelähmt ist der Fuß, und die Hand vermag sich nicht zu heben, erbarmungslos bricht das Entsetzen über uns herein. In Schweiß gebadet er­wachen wir. Angstträume verfolgen unsere Kinder noch in den Tag hinein. Wenn die Fabriksirenen die Arbeitszeiten anmelden, fangen sie an zu' zittern. Aber auch den Großen greift der Ton ans Herz. Die ameri­kanischen Besatzungstruppen haben in Stutt­gart und Frankfurt mit Alarmübungen be­gonnen. Es ist nichts dabei, und man wun­dert sich eigentlich, daß dies nicht schon früher geschah. Als aber die Uebüngen an­gekündigt wurden, ging ein Nervenschock durch das Land. Die ewig ängstlichen grund­sätzlichen Pessimisten sagten: Aha! Jetzt gehts an, umsonst geschieht so etwas nicht. Wenn sie dann dazu noch lesen, daß das Or­gan der amerikanischen Panzertruppen, wel­ches weiß man nicht, die Meinung ausge­sprochen habe, zwei Tage nach Eröffnung der Feindseligkeiten hätten die Russen ganz Europa überrannt, und wenn sie im selben Blatte dann weiterhin lesen, die Russen hät­ten die stärkste Armee der Welt, ihre Schu­lung sei vorzüglich, über die Qualität der höheren Führung bestehe kein Zweifel, noch hätten sie nicht die Atombombe, aber wie lange noch? kann man sich die Folgen ausmalen: Neue Aengste, neue Herzkrämpfe. Da kann uns nur eines retten, sagen die Viel­zuvielen, die sicher gehen wollen, hinein in den Kommunismus! Heil Moskau! Nun, das deutsche Volk hat es am eigenen Leibe erfahren, wie falsch derlei militärische Wahr­scheinlichkeitsrechnungen aufgehen können. Hatten wir nicht auch die beste Armee und die besten Waffen der Welt? Hat man uns nicht gesagt, Adolf Hitler sei neben Hanni- bal und Napoleon der größte Feldherr aller Zeiten? Lassen wir uns doch durch die Phantasiespiele verhinderter Strategen mit atemberaubenden Blitzkriegen und dahin­rasenden Panzerdivisionen das Herz nicht schwer machen-. Es liegt auf der Hand, daß sich zwei von Grund aus verschiedene Ideo­logien und Wirtschaftssysteme wie die öst­lichen und westlichen, wenn sie söch im gleichen Raume stoßen, hart aneinander ab­ringen, bis ein Gleichgewicht hergestellt ist Derlei ist nicht neu in der Weltgeschichte. Nichts zwingt uns aber anzunehmen, daß die­ses Abringen auf kriegerische Weise ge­schehen müßte, viele zwingende Gründe sprechen für das Gegenteil. Die meisten Kriege der Weltgeschichte sind entstanden, weil einige Menschen an verantwortlichen Stellen die Nerven verloren haben. Stalin hat gute Nerven, das wissen wir, und es ist nicht anzunehmen, daß er sie verlieren wird. Er kennt keine Angstträume.

AM RANDE.

Im Wirtschaftsrat in Frankfurt wurde ein Ab­änderungsantrag zum Fleischverßorgungsgesotz ein­gebracht, der mit den Worten begann:Der Reichß- minister für Ernährung und Landwirtschaft.. .** Er wurde unter dem Gelächter der Abgeordneten zurückgezogen.

Die Sozialistische Einheitspartei besoldet ihre Kreisleiter mit 1000 Mark monatlich, die Ortsgrup­penleiter mit 400 Mark monatlich. Der Landes­leitung Sachsen-Anhalt in Halle stehen 52 Autos zur Verfügung.

Das Stadtporlament von Bautzen beschloß mit den Stimmen de * CDU und der LDP, die Thälmann­straße wieder Herrenstraße und die in Rosa- Luxemburg-Strr Re umbenannte Königin-Carola- Straße Elsa-Brandström-Straße zu nennen.

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Redaktion: Albert Komma, Johannes 8chmid. Verlag: Schwäbischer Verlag, KG.-, Friedrichshafen, in Leutkirch. Druck: Rottweiler Verlags- und Druckereigenossensehaft, Rottweil.

Der Krämer Suleiman aber belehrte mich, das sei nur rechtens, denn die Gartenbesitzer hätten mit ihrem eigenen Obst und Gemüse schon so viel Arbeit und Mühe, daß man sie dafür belohnen müsse, die Besitzlosen hin­gegen nicht. Ich pries die Weisheit des Krämers und kam ohne Gemüse nach Hause. Aber warum, fragte ich,nennt ihr diese Verblendeten, welche eine Schmach der Gläu­bigen sind, Kannibalen? Immerhin doch haben sie nicht der unaussprechlichen Sünde des Menschenfraßes ergeben?

Darauf antwortete Jussuf, der unser Gast­geber war:Du hast recht, o Muley ihn Said, dieser Sünde haben sie Sich nicht ergeben. Aber wir nennen sie Kannibalen, weil sie an der Seele der Wehrlosen Menschenfraß be­gehen, weil sie benagen die Selbstachtung der also Betroffenen, weil sie zehren von der Ehrlichkeit der Anständigen und sich mästen am Blute ihrer Bitterkeit, und schließlich, weil sie, was das Abscheulichste ist, sich i»s eigene Fleisch beißen. Denn das wahre Glück des Gläubigen bleibt ihnen versagt, der Friede des Herrn weicht von ihnen, und ihre Gesichter sind mißvergnügt, weil die Sorge an ihnen frißt, die Sorge um 195 Feigen und den fetten Hammel im Garten, und die Furcht vor ihresgleichen macht, daß ihre Augen denen des Schakals .ähneln und des Wüsten­wolfs. Denn Liebe wächst nicht unter ihnen, und ihr Gott ist ihr eigener Bauch, die Be­hausung des Neides und der Mißgunst. Aber sprechen wir nicht länger von ihnen, würzen wir lieber diese herrliche Nacht mit Gesprä­chen, wie wir sie gewohnt sind!

So verbrachten wir die Nacht und ergötzten einander mit Ernst und Scherz auf dem Al­tan des Annalenschreibers und Dichters Jussuf, und sahen dem Monde zu, wie er sei­nes himmlischen Weges zog. Und uns schien, als säßen wir auf einer Insel, oder in einer Oase, inmitten der Wüste. Ende.