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Freitag, den 3. Oktober 1947 ORGAN DER CHRISTLICH-DEMOKRATISCHEN UNION Nr. 79 / Jahrgang 3 / Preis 20 Pfg.
Innenpolitisches Zwischenspiel
Truman weidit der Verantwortung aus
Washington. — Präsident Truman kündigte nach einer Konferenz mit leitenden Kongreßmitgliedern und den Ministem seiner Regierung an, daß der Bewilligungsausschuß und der außenpolitische Ausschuß des Kongresses so bald wie möglich zusammentreten würden, um den Plan der Europa-Hilfe zu beraten. Sie würden zu entscheiden haben, ob der Kongreß zu einer Sondersitzung einberufen werden solle. Westeuropa benötige bis zum 1. Dezember Hilfe, da dann die Geldmittel der UNRRA (es sind 300 Millionen Dollar) erschöpft sein würden. Eaton, der Vorsitzende des Außenausschusses des Repräsentantenhauses, sagte nachher, 'die Sondersitzung sei unbedingt notwendig und der Kongreß sollte am 1. Dezember zusammengerufen werden. Vandenberg meinte, im November würden die Vorschläge für die Soforthilfe an Europa nicht ausgearbeitet sein.
Auf der anschließenden Pressekonferenz sagte Präsident Truman, es müsse ein Weg gefunden werden, der Frankreich und Italien den kommenden Winter als freie und unabhängige Nationen überleben lasse. Das wäre ohne eine vorherige Entscheidung des Kongresses nicht möglich, da keine der bestehenden Regierungsinstitutionen in der Lage wäre, den beiden Ländern über einen ganz beschränkten Umfang hinaus und auf mehr als wenige Wochen, also bis etwa Ende Dezember, wirksam zu helfen. Die Kredite, die sie brauchten, gingen weit über den Rahmen der Beträge hinaus, die der Regierung zur Zeit zur Verfügung stünden. Wirksame Hilfe könnte nur vom Kongreß kommen. Für Frankreich, Italien und Oesterreich würden etwa 580 Millionen Dollar gebraucht.
Die beiden großen New Yorker Blätter äußern sich enttäuscht über die Mitteilungen Trumans. Er habe beschlossen, sich nicht vom Fleck zu rühren und auf ein Wunder zu warten, das ihm eine Entscheidung erspare, die sein politisches Ansehen schädigen könnte, schreibt die „New York Times“, die
Dr. F. Tübingen. — Staatspräsident Bock verlas bei der Eröffnung der neuen Landtagsperiode am Dienstag eine Regierungserklärung über die Emährungslage und die Aussichten für den kommenden Winter. Die Ernährung sei auf der Grundlage von Notrationen gesichert. Anlaß zur Unruhe sei nicht vorhanden. An Brot könne den Normalverbrauchern in der Zeit vom 1. Oktober bis zum 30. November täglich 200 Gramm zugeteilt werden. Zusätzlich- in Aussicht genommen seien für einen Kreis von 160 000 bis 180 000 aus gewerblichen Betrieben weitere 50 Gramm Brot. Der Maisbeimischungssatz werde erheblich herabgesetzt. Im Oktober und in den letzten Monaten würden 300 Gramm Maismehl ausgegeben. 250 Gramm Teigwaren monatlich, in Städten mit über 20 000 Einwohner 500 Gramm seien bis Ende Dezember gesichert. Eine einheitliche Erhöhung dieser Rationssätze werde für die gesamte Bevölkerung angestrebt. Hafemähr- mittel seien für die nächsten Monate vorhanden und monatlich könnten 400 Gramm Hülsenfrüchte ausgegeben werden, wenn die eigene Ernte den gestellten Erwartungen entspreche. Für die 24 Sonderstädte in Südwürttemberg seien 180 Kilo, für die übrigen Versorger 150 Kilo Kartoffeln zum Einkellern vorgesehen. Die Einkellerung müsse bis spätestens 1. Dezember abgeschlossen sein. Die Voraussetzungen für die monatliche Ausgabe von 450 Gramm Fleisch seien vorhanden. Das Fleisch von Großvieh, das wegen Futtermangels geschlachtet werden müsse, werde konserviert und später ausgegeben. Die bisherige Ration von 320 Gramm Fett könne infolge der Dürre nicht beibehalten werden. Für alle Fälle aber sollten 150 Gramm Fett verteilt werden. Anstelle von weiteren 100 Gramm Fett würden in den nächsten zwei Monaten 250 Gramm Schweinefleisch ausgegeben. Als weiterer Ersatz komme Oel in Frage. Mit Zucker könnten Personen über 18 Jahren in diesem Winter nicht mehr rechnen. Die eigene Ernte reiche nicht einmal zur Deckung eines halben Monatsbedarfs aus und der Import stoße infolge der Zuckerknappheit in aller Welt auf Schwierigkeiten. Die Militärregierung versuche jedoch, Zucker für die deutsche Bevölkerung zu beschaffen. Als sicher könne angenommen werden, daß im Laufe des Winters zweimal Fische verteilt werden. Vollmilch sei für Erwachsene nicht vorgesehen. Kinder und Kranke erhalten dieselbe Zuteilung wie bisher. Ob künftig die bisherigen Mengen an Magermilch ausgegeben werden, lasse sich noch nicht übersehen. Käse werde in gleicher Menge wie bisher, 125 Gramm monatlich, an die Normalverbraucher verteilt. An Eiern seien im abgelaufenen Wirtschaftsjahr 35 Stück je Kopf
der Partei nahesteht, der der Präsident selbst angehört. Die „New York Herald Tribüne“ spricht von einem neuen Versuch, der Ver- anwortung aus dem Wege zu gehen. Ein „Kosmos“-Bericht aus Paris verzeichnet die dortige Enttäuschung. Man wolle indessen die Hoffnung nicht ganz aufgeben, daß wenigstens bescheidene Hilfe gewährt werden könne.
Der amerikanische Botschafter in Moskau, Bedell Smith, hat gegen einen Artikel des sowjetischen Autors Gorbatow protestiert, in dem Truman mit Hitler verglichen worden war. Selbst Goebbels sei in der Verunglimpfung gegnerischer Politiker niemals so tief herabgestiegen. Wenn der Artikel Gor- batows die Meinung der Sowjetregierung nicht wiedergebe, so verlange der Botschafter, daß der Kreml gegen den Artikel Stellung nehme. Werde der Artikel von der sowjetischen Staatsführung gebilligt, so wünsche der Botschafter eine Erklärung in diesem Sinne. Molotow antwortete lediglich, daß die Sowjetunion keine Verantwortung für den Artikel Gorbatows übernehmen könne. In Washington wird diese Antwort als unzureichend angesehen. Eine weitere unfreundliche Handlung muß darin erblickt werden, daß den Mitgliedern des Haushaltsausschusses des Senats, die zur Zeit Europa bereisen, das Einreisevisum in die Sowjetunion verweigert worden ist, obwohl als Grund nur ein Besuch in der amerikanischen Botschaft in Moskau genannt war. Der Vorsitzende des Ausschusses sagte dazu, die Weigerung der Sowjetunion zeige diese „wieder einmal in ihrem wahren Lichte“.
Nachrichten, daß sich die Sowjetunion bereits einverstanden mit den neuen Terminen für die Konferenzen der vier Außenminister und ihrer Stellvertreter im November erklärt habe, wird in London widersprochen. Fest steht bisher nur, daß die Konferenz der stellvertretenden Außenminister, die sich mit den italienischen Kolonieh befassen soll, am Freitag im Lancaster House in London Zusammentritt.
ausgegeben worden. Württemberg - Hohen- zollem stehe damit an der Spitze aller deutschen Länder. Man könne damit rechnen, daß im Jahr 1947/48 diese Stückzahl bei behalten werde. Der Ausfall an Wdntergemüse werde durch Obst ausgeglichen. Kaffeersatz und Suppen würden ohne Schwierigkeiten beschafft werden können. Staatspräsident Bock wies dann auf die Schwierigkeiten des Transportwesens hin. Er appellierte an alle Beamten und Bauern, mitzuwirken, daß die Ernährung gesichert werde. Die Verbraucherschaft dürfe überzeugt sein, daß alles getan werde, um das kommende Jahr zu überwinden.
Minister für Landwirtschaft und Ernährung, Dr. Weiß, erläuterte anschließend einzelne Punkte der Regierungserklärung.
Zu Beginn der Sitzung wurde beschlossen, das bisherige Staatswappen beizubehalten. Abgeordneter Kalbfell (SPD) richtete zwei Fragen an Kultusminister Dr. Sauer, die sich vor allem mit dem Problem der Reifeprüfung und der Zulassung zum Hochschulstudium befassen. Dr. Sauer erläuterte, wie es zur Neuregelung der Reifeprüfung gekommen sei, welche Bemühungen das Kultusministerium unternommen habe und welch unerläßlichen Voraussetzungen notwendig seien, um das Funktlonieröi der neuen Prüfungsart zu verbessern. Die Zulassung zum Hochschulstudium erfolge individuell nach Richtlinien, die sich aus Anordnungen der Militärregierung, des Kultusministerium und der praktischen Erfahrung ergeben habe. 1946/47 seien um 100 Prozent mehr Studenten aus Arbeiterkreisen zugelassen worden als 1929. Diese Zahl werde sich im laufenden Semester noch erhöhen. Von 5000 Gesuchen könnten an der Universität Tübingen nur so viele berücksichtigt werden, als jeweils Studenten wieder ausschei- den. Diese Zahl schwanke nach den Erfahrungen der letzten Semester zwischen 100 und 250 je Semester.
Die Aussprache über die Regierungserklärung begann am Mittwochvormittag. Für die CDU sprachen die Abgeordneten Schwarz und Bauknecht, für die SPD Abgeordneter Kalbfell, für die DVP Abgeordneter SchlotT terbeck und für die KPD Abgeordneter Wieland. Die Redner brachten eine Reihe Wünsche aus den Verbraucher- und Erzieherkreisen vor. Alle waren einig, daß die Lage sehr ernst und die gegenwärtigen Rationen imzureichend seien. Eingehend wurden die Leistungen der Landwirtschaft für Südwürt- temberg-Hohenzollem gewürdigt, die unter schwierigsten Bedingungen ihr Bestes getan habe, die Ernährung zu sichern. Fast alle Sprecher bezeichneten die Pressehetze gegen Minister Dr. Weiß als unverantwortlich.
(Fortsetzung auf Spalte 4)
Kabinett Attlee umgebildet
London. — Sogleich nach seiner Rückkehr von Schloß Balmoral in Schottland empfing König Georg VI. den Premierminister Clement Attlee. Anschließend wurde bekanntgegeben, der Monarch habe den Rücktritt des Ministers ohne Portefeuille Arthur Greenwood und die Ernennung von Sir Stafford Cripps zum Wirtschaftsminister, des bisherigen Staatssekretärs für Ueberseehan- del, James Wilson, zum Nachfolge/ Sir Staf- fords als Handelsminister gebilligt. In dem • Kommunique heißt es, die gegenwärtige Lage fordere eine engere Zusammenfassung der äußeren Wirtschaftspolitik. Der Premierminister brauche die Unterstützung seines ältesten Kollegen, des Lordpräsidenten des Geheimen Rates, Herbert Morrison, der stellvertretender Ministerpräsident und Leader im Unterhaus bleibe und weiter koordinierende Funktionen in nichtwirtschaftlichen Angelegenheiten ausübe, wozu er noch die bisherigen Aufgaben Greenwoods übernehme.
Sdiönaich-Carolath verurteilt
Berlin. — Ein britisches Militärgericht verurteilte den Prinzen Ferdinand von Schön- aich-Carolath wegen Fragebogenfälschung zu neun Monaten Gefängnis. Er hatte bei der- Bewerbung um einen Chauffeurposten seine ‘ Zugehörigkeit zur NSDAP verschwiegen, die aus einem Brief hervorging, in dem er die Zeugin Greta Nissen im Jahre 1940 ersucht hatte, ihm eine Audienz bei Hitler zu verschaffen.
Die Verurteilung erfolgte auf Grund dieses Briefes, obwohl zahlreiche Zeugen den Prinzen als Gegner Hitlers bezeichneten, der sogar von der Gestapo verhaftet worden sei. In Uebereinstimmung mit einem Zeugen gab der
J. W. Die Haltung der CDU in der Ostzone ist in der letzten Zeit häufig und heftig kritisiert worden. Sie könne, so hieß es, infolge des Drucks der SED ihr Programm nicht mehr vertreten, sie handle opportunistisch und werde ein Opfer der Blockpolitik. Wäre es nicht besser, sie überhaupt aufzulösen?, lautete die folgerichtige Frage, die sich aus der zwölfjährigen Erfahrung des Dritten Reiches ergab, nach der Kompromiß letztlich Unrecht ist. Darüber kann kein Zweifel bestehen, daß, wer in der Ostzone politisch arbeiten will, es ohne Kompromisse nicht kann. Das wird in der amerikanischen Zone und im amerikanischen Sektor von Berlin, von der „Neuen Zeitung“ und vom „Tagesspiegel“ zuweilen übersehen. Die CDU ist sich darüber klar. Der Berliner Parteitag stand im Zeichen der Vertrauensfrage, und sie war eine Frage des festen Kurses. Jakob Kaiser nannte die CDU den „Wellenbrecher des Marxismus“ und sprach aus, daß Deutschland Freundschaft mit der Sowjetunion wünsche, sich aber nicht sowjetisieren lassön wolle. Ministerpräsident Arnold, Düsseldorf, kritisierte sachlich, aber deutlich die dekretierte Wirtschaftsform und -politik der Sowjetzone. Beide Redner erhielten ungeteilten Beifall. Als der politische Offizier der sowjetischen Militär- administration, Oberst Tulpanow, versprach, die sowjetischen Behörden würden Jakob Kaiser keine besonderen Schwierigkeiten machen, erhielt er so stürmische Zustimmung aus dem Saal, daß er („weil Ihnen dies so gut gefällt . . .“) den Satz noch einmal wiederholte. Bei der Wahl des Zonenvorstandes kam Dr. Lofoedanz, Schwerin, nur dadurch wieder auf den Platz des dritten Vorsitzenden, daß sein Gegenkandidat Professor Fascher auf die Wahl verzichtete. Lobedanz galt als der Landesverbandsvorsitzende, der den Forderungen der SED am weitesten entgegenkomme. Die Vorsitzenden Kaiser und Lemmer waren mit dem Verzicht Fasdiers gern einverstanden; nachdem der Parteitag ohnehin demonstrativ genug verlaufen war, wollte man diese letzte Demonstration vermeiden. Politik bleibt die Kunst des Möglichen.
Die Situation ist natürlich weiter kritisch. Die Zeitungen der SED, die vor dem Parteitag versucht hatten, einen Keil zwischen Kaiser und die Delegierten zu treiben, beanstandeten nachher die Rede Arnolds und behaupteten, die Delegierten seien mit ihr nicht einverstanden. Richtig ist, daß sich ein Mitglied der Zentralverwaltung, das der CDU angehört, verpflichtet fühlte, die Maßnahmen seiner Behörde zu verteidigen. Eine der Hauptreferentinnen des Parteitages, Frau Many Jost aus Meißen, soll nach ihrer Heimkehr ein Redeverbot erhalten haben. Der Parteitag des Landesverbandes Thüringen wurde auf Wunsch der Militäradministration vertagt, da „die Personalfragen noch nicht geklärt“ seien. Kaiser lehnte die Einladung in die Vereinigten Staaten ab und bezog sich dabei ausdrücklich auf die Gefährdung seiner „Mittlerrolle zwischen Ost und West“. Schon die Stellungnahme zum Marshall-Plan, der in der Ostzone von amtlicher Seite schärfstens abgelehnt wird, hat Kaiser in eine Lage gebracht, in der er Sich nicht so verhaltöl kann, wie es seine Kritiker unter dem Sternenbanner gerne sähen.
Bei der SED besteht das Bestreben, Verbände außerhalb der Parteien und Parlamente
Vorsitzende zu, das Karteiblatt aus der Parteikartei sei an sich noch kein Beweis der Parteimitgliedschaft. Prinz Ferdinand wurde sogleich festgenommen.
Landtag
(Fortsetzung: von Spalte 2)
Wirtschaftsminister Dr. Wildermuth führt« aus, daß der Schwarzhandel und Tauschverkehr nur dann auszuschalten wären, wenn die allgemeine Versorgung so würde, daß die dringlichsten Bedürfnisse auf dem normalen Weg gedeckt werden könnten. Es würden deshalb im Augenblick Vorschläge geprüft, um eine ausreichende Versorgung mit Verbrauchsgütern zu erreichen. Minister Dr. Weiß dankte für die Anregungen und sagte, daß versucht werde, alles in die Tat umzusetzen, was in der Aussprache vorgebracht worden sei. Hierauf wurde ein Antrag aller Parteien einstimmig Eingenommen, der Landtag wolle die Regierung ersuchen, bei der Militärregierung vorstellig zu werden, daß der Anteil der deutschen Zivilbevölkerung an der gewerblichen Produktion im Inland wesentlich erhöht werde, um dem Tauschhandel zu begegnen und den Einfluß von Lebensmitteln an Unzulässige zu verhindern. Abgeordneter Dr. Köhler erläuterte einen Antrag, die Regierung möge der Militärregierung Vorschlägen, daß der einheimischen Exportwirtschaft gestattet werde, direkte Beziehungen zum Ausland aufzunehmen, daß der Abschluß von Lieferungsverträgen nur noch der Genehmigung von Oficomex bedürfe, und daß die einheimische Wirtschaft an Devisenerträgen zur Beschaffung von Rohstoffen und Lebensmitteln angemessen beteiligt werde. Zu diesem Punkt sprachen noch die Abgeordneten Dr. Doll und Dr. Roser. Der Antrag wurde einstimmig angenommen.
an der Politik teilhaben zu lassen. So hat die Einheitspartei gefordert, den Gewerkschaftsbund und die Bauemhilfe in die antifaschistischen Blöcke aufzunehmen und die gesetzgeberische Arbeit der Landtage zum Teil in die Antifa-Ausschüsse zu verlagern. Der Zweck ist offensichtlich. Sowohl die Gewerkschaften als auch die Bauernhilfe sind von Funktionären der SED durchsetzt; ihre Beteiligung an politischen Entscheidungen Würde die Position der Einheitspartei weiter stärken. Die CDU hat sich bisher jedem Verlangen widersetzt, die Tätigkeit der Landtage, die sich ohnehin schon unter dem Mehrheitszwang der SED vollzieht, noch mehr einzuschränken. Sie lehnt ebenso eine Majorisierung durch die SED in den Antifa- Blöcken ab. Nur noch unter Vorbehalt arbeitet die CDU in diesen Ausschüssen mit, die praktisch einer „Ausrichtung“ der Politik dienen sollen. Darüber sollte man sich weder durch kleinere Entgegenkommen örtlicher Stellen in der Zone noch durch den Umstand, daß sich die Fortentwicklung der Politik in der Ostzone vorerst auf einer Art Einbahnstraße vollzieht, täuschen lassen. Die Zeit, in der man kollektivistische Boden- und Industriereformen über die Antifa-Ausschüsse gegen den vereinzelten Einspruch der CDU- Politiker erzwingen konnte, sind nach dem Urteil von Kennern vorbei. Die CDU weiß heute, wo die Grenze der Mitarbeit, in diesem Falle des Kompromisses, verläuft.
Von den Westzonen aus betrachtet, trägt die- Politik in der Ostzone unverkennbar einen Zug zur Vereinheitlichung, zur Uniformität, zur Totalität, aber der Widerstand gegen eine solche Entwicklung ist doch stärker, als man in der amerikanischen Zone wahrhaben möchte. Die Sprache, die auf offiziellen Veranstaltungen der Ostzone, auf Konferenzen und Parteitagen gesprochen wird, ist eine andere als bei uns. Die Teilnahme von Wilhelm Pieck und Dr. Külz an der Eröffnungssitzung der CDU-Zonenversammlung mutet uns eigenartig an; Achtung und Höflichkeit vor dem politischen Gegner ließen sich, unserem Empfinden nach, anders ebenso sinnfällig und zweckmäßig beweisen. Kritische Worte werden, bevor sie den Mund verlassen, auf die Apothekerwaage gelegt. Die Sprache mag verhalten sein, aber sie ist doch bestimmt. Im übrigen hat das lateinische Sprichwort „suaviter in modo, fortiter in re" überall Gültigkeit, wo Besatzungsmächte regieren, also nicht nur in der’ Ostzone. Wie leicht unter Umständen Verstimmung entstehen kann, wenn eine auch der Besatzungsmacht nicht unverständliche Forderung am falschen Ort und zur falschen Zeit ausgesprochen wird, zeigt ein viel diskutierter Zwischenfall auf dem Empfang der CDU- Politiker durch die Sowjetische Militäradministration. Jakob Kaiser schnitt die Frage der Ostgrenzen an, Oberst Tulpanow, sonst immer verbindlich, antwortete scharf: „Das Anrühren der Ostgrenzen würde Krieg bedeuten“.
Politik ist noch immer die Kunst gewesen, einen tragbaren Kompromiß zu finden. Darum ist die CDU in der Ostzone bemüht. Bereitschaft zum Kompromiß muß nicht Opportunismus bedeuten. Es bedeutet, den Realitäten Rechnung tragen; diese sehen wir darin, daß Deutschland zwischen Ost und West liegt und, wenn es dem " Krieg abschwört, einen Ausgleich suchen muß.
Die Ernährung im kommenden Winter
Einbahnstraße im Osten
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