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Freitag, 19. September 1947
SOZIALES LEBEN
Die neuen Gewerkschaften
Von Karl Gengier, Kottweil
Die Verordnung Nr. 6. vom IO. 9. 1945 des Chefs der französischen Besätzungsarmee in Deutschland, General Koenig, bezeichnet als ihren Inhalt und Zweck zutreffend: Die Wiederherstellung des Gewerkschaftsrechtes im französischen Besetzungsgebiet. Damit wird ausgesprochen, daß es ehedem ein Gewerkschaftsrecht in Deutschland gab. Bei der Beantwortung der Frage: wann ein Gewerkschaftsrecht bestand, brauchen wir nicht allzuweit zurückgehen. Wie bei so vielen einstigen Rechten und Freiheiten des deutschen Volkes müssen wir sagen: Ein freies Gewerkschaftsrecht bestand vor der Machtübernahme des Nationalsozialismus. Im Jahre 1933 haben wir es verloren.
Beim Neuaufbau der Gewerkschaften gilt es aus der Vergangenheit zu lernen. Wir können nicht dort wieder anfangen, wo wir Ende 1932 aufgehört haben. Wir müssen' uns der großen geistigen Veränderung und des wahren Zustandes von Staat und Wirtschaft bewußt werden. Wir müssen in geistig-seelischer, menschlicher Erneuerung den echt deutschen Menschen wieder finden und schaffen, frei von falschem Pathos, von Phras_en und verhängnisvoller Propaganda. Als Gebot des einigen Zusammenschlusses heißt es, alles ausschalten was trennte, Beschränkung auf das Gemeinsame und rein Gewerkschaftliche. Die neue Gewerkschaft muß also, soll die alte Zersplitterung vermieden werden, streng
parteipolitisch und religiös neutral sein, kein Trabant einer politischen Partei. Außerhalb der Gewerkschaft kann jeder frei seiner politischen Ueberzeugung und Partei nachgehen. In der Gewerkschaft darf keine Mißachtung der christlichen Religionen und Kirchen, keine antireligiöse Propaganda geduldet werden. Achtung und Toleranz muß selbstverständliches Gebot sein. Nur so kommen wir zu einer wirklichen Einheitsgewerkschaft, die es allen ohne Unterschied der Weltanschauung und' politischen Gesinnung ermöglicht, darin mit vollem Herzen tätig zu sein. Dies ist auch der Weg zur Erreichung einer wahren Demokratie.
Die Größe des Gewerkschaftsgedankens Ist gewachsen. Trotz des geistigen Belagerungszustandes im Nazistaat ist in der gesamten Welt die geistig-soziale Entwicklung vorangeschritten. Die Probleme der menschlichen Arbeit und der Arbeiter werden in ihrer überragenden Bedeutung erkannt. Die grundschaffenden Kräfte wollen ihrer Bedeutung gemäß ans Licht, verlangen gleichberechtigte persönliche Wertung und Achtung. „Nur die Arbeit kann uns retten“,. Ist die allgemeine Welterkenntnis. In diesem Sinne hat das Wort Gewerkschaften eine wesentlich höhere Bedeutung als einst. Gewerkschaft ist nicht nur ein organisatorischer Zusammenschluß zur Erringung besserer Lohn- und Arbeitsbedingungen, sondern
Kampf um die volle Menschwerdung der Arbeit
in überragender menschlicher und geistiger Größe. Das' müssen zunächst die Arbeiter tief erkennen, das müssen aber auch die außerhalb der Arbeiterwelt stehenden Kreise sehen und beobachten. In diesem Sinne ist Gewerkschaft nicht bloß ein Machtinstrument, sondern geistige und soziale Höherführung, volle gleichberechtigte Einordnung in Staat, Wirtschaft und menschliche Gesellschaft.
Der organisatorische und technische Aufbau der Gewerkschaften in der französischen Besatzungszone geschieht nach den Bestimmungen der Verfügung Nr. 6. Grundlegend ist hierbei, daß die Gewerkschaften in ihrer Verfassung und Betätigung demokratischen Charakter tragen und ihr Ziel in der Wahrnehmung der beruflichen Interessen ihrer Mitglieder ist. Der Aufbau der Gewerkschaften geschieht von unten herauf, örtlich und betrieblich in der Zusammenfassung nach Berufen, bzw. gleichartiger Industrie- und- Berufsgruppen. Wir, die wir gewohnt waren, vor 1933 in großen Zentralorganisationen zu arbeiten, werden hierdurch wieder in gewissem Sinne in die Zeit der gewerkschaftlichen Anfänge der Gründung örtlicher und bezirklicher Fach-' und Berufsvereine zurückgeführt. Nach der Auffassung der Besatzungsmacht ist dies aber die Grundlage für eine demokratische Erziehung und Gestaltung des Gewerkschaftswesens. Durch die selbständige
Bildung der Gewerkschaften in den Orten von unten herauf sollen die Arbeiter zum eigenen Denken und Handeln veranlaßt werden. Die Nazizeit der von den „Führern“ -willenlos beherrschten Masse soll und muß durch die demokratische verantwortliche Mitarbeit aller Beteiligten ersetzt werden. Darin und in der umfangreichen Bildung von Orts- gewerkschaften liegt die Voraussetzung für Zusammenschlüsse in Berufs- und Industrieverbände. Um die demokratische Gestaltung und Führerauslese in den Gewerkschaften zu sichern, geschieht der Wiederaufbau in Etappen. Das bezieht sich auch auf Art und Umfang der gewerkschaftlichen Aufgaben und Tätigkeit. Im Vergleich zu -den Gewerkschaften in Frankreich ist festzustellen, daß dort das gewerkschaftliche Schwergewicht, namentlich in der Einzelinteressenvertretung sehr viel stärker in den Orten und Bezirken liegt, als das bei uns ehedem der Fall war. Wir hatten uns auch angewöhnt, zu stark zentralistisch zu denken und zu handeln. Dabei kam auch das Denken und die Mitarbeit von unten herauf zu kurz, was sich im Ganzen gesehen unheilvoll auswirkte.
Auch davon wollen' und müssen wir ab- kommen. Bei dem Appell um den Beitritt und die Mitarbeit in den Gewerkschaften handelt es sich nicht nur um die Schaffung der Interessenvertretung und die Höherführung der Arbeiterschaft, sondern auch um den Willensausdruck der Arbeiter zur demokratischen Mitarbeit und Gestaltung von Wirtschaft und Staat. Die Mitgliedschaft ist freiwillig. Wir wollen keine Zwangsmitgliedschaft nach dem Muster der verflossenen deutschen Arbeitsfront. Bei der Wichtigkeit der gewerkschaftlichen Organisation und ihren überragenden Aufgaben, Zweck und Ziel muß man aber davon ausgehen, daß jeder aufrechte, selbst- und standesbewußte Arbeiter und Angestellte es als seinen Stolz und Ehre betrachtet,
Mitglied seiner Berufsorganisation zu sein. Solidarität ist gegenseitige Hilfe, gemeinsamer Schutz, Liebe zum Nebenmenschen.
Im Spiegel des Nürnberger Urteils
„In ihrem Entschlüsse, alle Widerstandsquellen zu beseitigen, richtete die NSDAP ihr Augenmerk auf die Gewerkschaften, die Kirchen und die Juden. Im April 1933 befahl Hitler dem verstorbenen Angeklagten Ley, der damals Stabschef der politischen Organisation der NSDAP war, „die Gewerkschaften zu übernehmen“. Die meisten Gewerkschaften Deutschlands waren in zwei großen Verbanden zusammengefaßt, in die „Freien Gewerkschaften“ und in die „Christlichen Gewerkschaften“. Gewerkschaften außerhalb dieser beiden großen Verbände umfaßten nur 15 Prozent der Gesamtmitgliedschaft der Gewerkschaften. Am 21. April 1933 gab Ley einen NSDAP-Erlaß heraus, in dem er „die Gleichschaltung“ der Freien Gewerkschaften für den 2. Mai ankündigte. Der Erlaß befahl den Einsatz von SS und SA für die geplante „Besetzung der Gewerkschaftsgebäude und die Inschutzhaftnahme der in Frage kommenden Persönlichkeiten^“ Nach Abschluß dieser Aktion verkündete der offizielle NSDAP-Pressedienst, daß die nationalsozialistische Betriebszellenorganisation „die alte Führerstellung der Freien Gewerkschaften beseitigt“ und selbst die Führung übernommen habe. In ähnlicher Weise wurde am 3. Mai 1933 vom NSDAP-Pressedienst verkün- 1 det, daß die Christlichen Gewerkschaften „sich bedingungslos der Führung Adolf Hitlers untergeordnet hätten. An Stelle der Gewerkschaften wurde von der Naziregierung eine „Deutsche Arbeitsfront“ (DAF) errichtet, die von der NSDAP kontrolliert war und der praktisch alle Arbeiter in Deutschland beitreten mußten. Die Führer der Gewerkschaften wurden in Haft genommen und Mißhandlungen —, von Körperverletzungen bis zum Mord — unterworfen.“ (Aus dem Urteil.)
Wir wissen, daß Hitler mit der politischen und wirtschaftlichen Reaktion einen Bund zur Beseitigung der Parteien und der Gewerkschaften geschlossen hatte. Der Werdegang der Aktion ist aus Vorstehendem zu entnehmen. Die Gewerkschaftler haben alle Ursache, ihre Verbände zu starken, wahrhaft demokratischen Organisationen auszubauen.
K. G. G.
Schein und Wirklichkeit
Die „Wirtschaftszeitung“ in Stuttgart weist auf die oroteskeTutsachehin, daß in einemiibervölker- ten Lande wie Deutschland es unmöglich ist, auch nur für die allerwichtigsten Arbeiten genügend Menschen aufzubringen.. Sie untersucht alsdann an d&)i vorliegenden Zahlen das wirkliche Verhältnis zwischen statistischer Vollbeschäftigung und praktischer Leistung und kommt zu folgenden Resultaten:
In den drei westlichen Besatzungszonen werden heute rund 12 Millionen Menschen als •beschäftigte Arbeiter, Angestellte und Beamte gezählt. Die Zahlen liegen vielfach erheblich über der Vorkriegshöhe. Aber wieviel von diesen 12 Millionen arbeiten wirklich? Genauer gesagt, wie schlagen sich die qualitativen Verschlechterungen des Bestandes an Arbeitskräften in quantitativen Mangelerscheinungen nieder? Es gibt darüber keine- exakten Statistiken. Aber es kann der Versuch gemacht werden, eine Vorstellung von den Größenordnungen zu gewinnen. Da ist zunächst der individuelle Leistungsrückgang in den Betrieben, verursacht durch schlechte Ernährung, unzureichende Bekleidung, Ueber- alterung der Belegschaften — denn die besten Jahrgänge sind im Kriege ausgelöscht — und die jämmerlichen Lebensverhältnisse im allgemeinen. Neuere Untersuchungen schätzen den Leistungsausfall in den Industriebetrieben auf 50 Prozent der Vorkriegshöhe oder mehr. Die Bergarbeiter an der Ruhr, in jeder Weise bevorzugt und relativ gut ernährt, haben ein Leistungsdefizit je Schicht von 37 Prozent gegenüber 1938. Die Landarbeiter sind besser ernährt, auch die Arbeiter, die auf dem Lande wohnen und teilweise eigenen Landbesitz haben. Alles in allem wird man ungefähr das Richtige treffen, wenn man den Leistungsrückgang mit rund einem Drittel annimmt. Dies bedeutet, ins Quantitative übersetzt, in den drei Westzonen einen Ausfall von vier Millionen Arbeitskräften. Eine erschreckende Zahl, die aber den heutigen Mangel noch nicht aufklären kann. Auch die normale Arbeitszeit tvird von den Betrieben nicht mehr eingehalten, die 48stündige Arbeitswoche ist nicht mehr die Regel. Dazu bleiben Arbeitnehmer auf eigene Faust oder mit stillschweigender Billigung der Betriebsleitungen stunden- oder tageweise der Arbeit
fern, um Lebensmittel und Holz zu beschaffen, Waren zu tauschen und anderes mehr. Der Krankenstand ist sehr hoch. Immer mehr Scheinarbeitsverhältnisse werden üblich, wenn sie auch schwer zu ermitteln sind. Alles das mag, zusammengenommen, die' Kräftezahl von 12 Millionen um 20 Prozent verringern, das heißt um weitere 2^4 Millionen Berufstätige. Schließlich sind auch die Arbeitnehmer während ihrer tatsächlichen Beschäftigung vielfach nicht produktiv tätig. Arbeitskräfte werden in den Betrieben während der vielen Stockungen der Arbeit mitgeschleppt, werden „gehortet“, leisten die eine oder andere Füllarbeit, oder noch nicht einmal diese. Der Umfang der „berufsfremden“ , Tätigkeit mit ihrer mangelhaften Auswertung der beruflichen Kenntnisse ist großen als je zuvor. Und bei manchen übermäßig aufgeblähten Dienststellen, in denen ein gutes, markenfreies Essen und andere Sondervorteile gewährt werden, schieben leider viele eine „ruhige Kugel“, es gibt beschäftigte und bezahlte Nichtstuer. Schätzen wir diese Ausfälle vorsichtig auf 10 Prozent, so fallen damit wiederum 1,2 Millionen Menschen aus. Die innere Auszehrung des Arbeitslebens kostet uns also insgesamt 7,6 Millionen Arbeitskräfte oder fast zwei Drittel der Gesamtzahl. Nur die restlichen 4,4 Millionen arbeiten „wirklich“, es sind fiktive „Normalarbeitskräfte“, die es heute nicht gibt und nicht geben kann. Aber nur sie können mit den Arbeitskräften der Vorkriegszeit verglichen werden. Um es paradox zu sagen: die wirklich ausgezählten 12 Millionen Beschäftigten sind wirtschaftlich eine Fiktion, und die — statistisch gesehen — fiktiven 4,4 Millionen Beschäftigten sind das wahre Arbeitspotential.
Es ist nicht wesentlich, ob diese Rechnung in allen Einzelheiten stimmt oder ob die Prozentsätze etwas zu hoch oder zu niedrig gegriffen sind. So viel steht fest, daß weit über die Hälfte des normalen Arbeitspotentials durch die Schwächung der Leistungskraft und die wirtschaftliche Zersetzung ausgefallen Ist. V. S.
Man schreibt uns , , .
(Unter <litter lluürik veröffentlichen wir Zuschrift len. die .-Inregnngen. Beobachtungen und Vor. schlüge von allgemeinem Interesse bringen. Wir bitten die Einsender, sich wegen des Vlnlzmangels kure SU halten. Die Redaktion.)
Abgekürzte Lehrzeit
Es ist fiir die vielen nus ilem Krieg umi Her Go, faiigeuseliaft zuriieKKekelirten jungen Leute seüwer, neu kandwerkerberuf zu ergreiieu, trotzdem in unserer bedrängten Lage gerade die Handwerker, nötiger sind als jemals. Soll nun ein jeder junger Mann, der vielleicht bereit« über /.wiinzi^ int, wie ein Lehrling «eine drei Jahre «bsoJvieren müssen? kr bringt ganz andere Voraussetzungen mit, kör- perlieh und geistig. Man kann von ihm auch nicht verlangen, daß er, wie es meist üblich ist, ein Jahr lang mit AufräumungKarhoitei), (Dingen und ullen möglichen Kleinigkeiten beschäftigt wird und so seine beste Zeit vertrödelt. Für solche Lehrlinge mußte ein kurzes Verfahren angewchalTt werden, das mit Kursen verbunden es ermöglicht, die übliche Lehrzeit in einem halben oder in einem Jahr zu erledigen. Man hört, daß in Frankreich bereils eine solche Regelung getroffen werden soll. Warum nicht auch bei uns? Km wäre zu erstreben, daß derartige Lehrlinge zunächst, nicht als „Lehrlinge“ benannt — eine andere Bezeichnung wäre zweifellos am Platze — und daß sie etwa den Lohu" eines ungelernten Arbeiters bekämen. So könnte diese brennende Frage des Handwerks gerecht gelöst werden. Vielleicht äußert sich die Handwerks-' Kammer einmal dazu. i. s. in T.
Ist bei uns eine Währungsreform dringer ^
Immer wieder ertönt von manchen Leuten ^ r achmännern und Nichtfachmiinnern — der Ruf • nach einer neuen Währung, um so mehr, da bald ! dieses, bald jenes Land eine neue Währung ein- 4 führt. l)aß mit den Jahren eine Währungsreform kommen muß, darüber dürften sich die mein' Leute klar sein, es fragt sich nur, ob sie ji /] schon opportun ist. JDie älteren Leute erinnern sicu%• J*™ 1 „“«eh gut an unsere Währungsreform von 1 1923/24, und wie man dann mit der neuen Renten- mark alles kaufen konnte, und wie es dann Lehens- ; mittel und Wartha in Hülle und Fülle gab. Aber die , damaligen relativ guten Verhältnisse dürfen mit den jetzigen gar nicht verglichen werden, denn sie sind himmelhoch voneinander verschieden. Ea gibt wohl Leute, die behaupten, es »ei Ware genug da und bei einer neuen Währung würden die Kaufhäuser bald wieder voll angefiiltt sein. Woher haben diese Propheten wohl ihre Weisheit! Nichts ist da, und wenn etwas da ist, dann ist es zunächst nicht für uns da. ln den Jahren 1923—24 dagegen waren alle Kaufhäuser scheu vor der Währungsreform überfüllt mit Waren, wie z. B. jetzt in Italien usw.; auch in Frankreich Roll man fast alles wieder kaufen können* Auch bei einer neuen Währung wird der Bauer seine Lebensmittel, nicht gerne gegen Geld liergeheu, wenn er mit diesem — wenn auch neuen Gelde — nichts kaufen kann. Bevor unsere einstigen Gegner mit uns keinen rechten und wirklichen Frieden geschlossen haben, sollte man an das überaus schwierige Experiment einer neuen Währungsreform gar nicht herangehen. r Daß bei uns die Schaffung einer neuen Währung, eines der schwersten Probleme ist, daran dürfte wohl niemand zweifeln. Wir halten es deshalb entschieden fiir das beste, langsam und mit aller Sorgfalt und reifster IJeberlegung an diese Frag3 horanzutreten. Immerhin besser, wenn die Leute Geld haben und wenigstens das leicht kaufen können, was sie auf Ihre Marken bekommen, als wenn sie ein neues Geld haben, und 'nicht einmal das bezahlen können. R. L. in S.
MOSAIK
Der „Botenbengel**
Vor Einführung des Aintsbotenwcscns in Württemberg war es in vielen Gemeinden der Brauch, daß inan einen langen hölzernen Stab, den „Botenbengel“, von Haus zu Haus weiterreichte. Wer den Stab erhielt, hatte unverzüglich das Amt des Boten, das reiheum ging, anzutreten. War der Mann am Orte seiner Bestimmung angekommen, bekam er eine Empfangsbescheinigung und war seiner Mission ledig. Zurückgekehrt übergab er den Botenbengel seinem Nachbar, der nunmehr die Verpflichtung übernahm, den nächsten Botengang za Tun. Besonders eilige Fälle wurden hoch zu Roß erledigt. Alles geschah unentgeltlich und ehren«) halber. Böse waren die Bauern aber nicht, ata von oben herunter das Botenwesen geregelt wurde Und mit dieser Regelung der Botenbengel in die Ecke gestellt werden konnte — für alle Zeiten, o. r.
Wir fleischern
Der Amerikaner Horace Flotsclier (1849—1919) hat die Forderung aufgestellt, daß jeder Bissen mindestens 30mal gekaut werden muß, um vom Magen voll aufgenommen zu werden. Es hat dies dieWirkutig, daß so eine völlige Durchmischung der Speisen mit dem Speichel des Mundes stattfindet, und daß die Speicheldrüsen zu erhöhter Tätigkeit angeregt werden, was dem Verdauungsprozeß in hohem Grade zu«? gut kommt. Tu der heutigen Zeit der immer größeren Lebensmittelknappheit Ist es von allergrößter Wichtigkeit, daß man* die wenigen vorhandenen Lebensmittel voll ausschöpft. Ungenügend verkaufe Speisen nimmt der Magen nicht an. Sie gehen unverdaut ab. So geht es, hätten wir nicht gehitlert, so brauchten wir jetzt nicht zu fleischern. W. 11.
„Ich bin der Führer“
In'Frankfurt passierte 1 es neulich, daß ein Mann auf einmal einen Tohsuchtsanfall bekam, mit Gegenständen uin sich schmiß, Leute bedrohte und ln den Ruf ausbrnch: „Heil Hitler, ich hin der Führer“. Er war es aber nicht. Es stellte sich heraus, daß es sich um einen Belgier handelte, der plötzlich den Verstand verloren hatte. Er rannte auf die Straße, hielt Autos an, verteilte sein Hat und Gut und mußte in die Heilanstalt gebracht werden. Wenn man es rechtzeitig mit einem anderen ebenso gemacht hätte, wäre der Welt viel Blut und Elend erspart geblieben. —
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