Beite S
S cf) cd 8 b lj dj e 3citung
Dienstag, 16. September 1041
Im Thüringer Wald ist Holzaktion
G. F. Auch in der Ostzone sind die Holzfäller am Werk. Achtzehn Millionen Festmeter sollen in diesem Jahr im Erzgebirge und Thüringer Wald, im Ostharz und an den Berghängen südlich von Bautzen geschlagen werden. Sie rollen jedoch nicht in Güterzügen über die Grenzen. Die Sowjets lassen das Holz erst, wenn es veredelt ist, aus ihrer Besatzungszone. Wieder muß Thüringen den Hauptanteil des Einschlags stellen, obwohl dort im Vorjahre eiqe Windbruchkatastrophe 1,5 Millionen Raummeter besten Nutzholzes vorzeitig umgelegt hat. Längst arbeiten die Sägewerke zwischen Masserberg und Saalleid, rund um Ilmenau und Friedrichroda in Ueberschichten. Die Demontage erfordert Holz, sehr viel Holz zum Verpacken der. Maschinen und Geräte in wetterfeste Kisten und Verschlüge. Außerdem muß das Land Thüringen auch noch 750 Standardhäuser stellen.
Bei der Beschaffung der Arbeitskräfte für diese Holzaktion ging die SED der Weimarer Militäradministration hillreich an die Hand. Sie sorgte lür Gespanne und Handwerkszeug. Motorsägen konnten Ireilich weder sie noch die Russen beschaffen. Verpflegung und Unterbringung der dienstverpflichteten Holzfäller wurde dem Muster des Uranbergbaus im Erzgebirge angepaßt. Neu war eine eigene Holzabfuhrbehörde, die das Transportproblem zu lösen hatte. Wurden doch nach einem bestimmten Turnus, ungeachtet bäuerlicher Feldarbeiten, Gespanne, Kutscher und Beifahrer von den Gemeinden einberufen und nach dem Thüringer Wald in Marsch gesetzt. Oft kamen Gespanne und Fahrer 200 Kilometer weit her. Die der schweren Holzabfuhr ungewohnten Gäule kehrten ausgemergelt Wieder heim, zumal da die Stallungen und auch Manipulationen mit „amtlichem Hafer“ für die Tiere emährungsmößig nicht eben förderlich waren. Oft genug stehen die einheimischen Gespanne gleichzeitig unbenutzt, Wobei die Besitzer froh wären, die paar Mark Fuhrlohn zu verdienen. Aber die Holzabfuhrbehörde muß ja ihre Daseinsberechtigung ftachweisen und in der „Verteilung“ des Hafers und des Heus ihre Nebenbeschäftigung haben. Da es im Thüringer Niederland immer noch mehr zu essen gibt als an den Hängen des Rennsteigs, sind bei der Holzaktion dem Tauschhandel Tor und Tür geöffnet, was natürlich den amtlichen Hafer keineswegs vermehrt. Denn Hafer gibt es auch in der Ostzone nicht im Ueberfluß.
Aber nicht nur die Besatzungsmacht profitiert am Holzeinschlag, in bescheidenem
Um das Recht des Menschen
Nürnberg. — Der amerikanische Anklagevertreter im kommenden Prozeß gegen 23 ehemalige Offiziere der von Himmler auf- gestellten Einsatzgruppen, Benjamin B. Fe- fencz, sagte in einer Pressekonferenz, daß dieses Verfahren am 22. September beginnen Soll. Das Beweisverfahren durch die Anklage- Vertretung werde nur drei Tage beanspruchen, da das Gericht keine Zeugen vernehmen I werde. Die Anklage wird sich nur auf Dokumente stützen, auf denen die Taten der Einsatzgruppen Tag für Tag eingetragen »sind. Die Dokumente wurden in Berlin aufgefunden, Es sei der Hauptzweck des Verfahrens, mit dem Prinzip des internationalen Rechtes festzulegen, daß es ein Verbrechen ist, Menschen ihrer Rasse oder ihrer Religionszugehörigkeit wegen oder wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer politischen Partei zu töten.
Prozeß gegen deutsche Heerführer
Der ehemalige Oberbefehlshaber der deutschen Truppen auf dem westlichen Kriegsschauplatz, Generalfeldmarschall Rudolf von Rundstedt, wird noch vor Ende dieses Jahres als Hauptangeklagter in einem neuen Kriegsverbrecherprozeß vor einem amerikanischen Kriegsgericht stehen. Mit ihm sind angeklagt der ehemalige Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Süd, Generalfeldmarschall von Man- stein und Generalfeldmarschall von Brau- Chitsch.
Maße gewinnt auch die Möbelindustrie. Zeulenroda in Ostthüringen, die Stadt der Möbelfabriken, erhält hinreichend Holz zugeteilt, um Hausrat und Möbel für Neusiedler anzufertigen, die. dort auf ihre Bezugscheine mehr oder minder'friedensmäßige Betten, Schränke und Tische erwerben können. Viel Holz wird auch für die Inneneinrichtung der Ozeandampfer benötigt, die eine Weimarer Werft für Rußland baut. Der Bau dieser Schiffe — ob auf Reparationskonto oder für Export, ist unbekannt — zumindest ist er kein potem- kinsches Dorf. Außerdem verschlingen die Papierfabriken entsprechende Holzmengen. Die Werke von Halle und Waldheim laufen auf vollen Touren, beliefern die großen, täglich in beträchtlichem Umfange und hoher Auflage erscheinenden Zeitungen, nicht nur der Ostzone, sondern auch Rußlands, sowie die vielen kleinen und mittleren Druckereien, die Lese- und Rechenbücher und Propagandabroschüren drucken. Allein die Druk- kerei Vogel in Pößneck hat fünf Millionen Exemplare des „Lehrganges der Geschichte der bolschewistischen Partei“ unter der Presse. Grubenholz als Reparationen nach England, Zellulose für die Zellwoll- und Kunstseidenfabriken der Ostzone, das alles haben die Wälder der Linie Weimar —
Magdeburg zu liefern. Als Kunstseide oder Zellwolle oder meist als Gewebe weiter veredelt, verläßt dann das Holz die Zone, ohne den Erzeugern mehr einzubringen als den Ruf der Wertarbeit.
Erneute Demontage
hr. Berlin. — Durch eine Meldung des Sowjetischen Nachrichtenbüros wird jetzt zugegeben, daß die Demontagen in der Ostzone fortgesetzt werden. Gegenwärtig werde die Entnahme eines Teils der bei der Demontage 1945 und 1946 vorläufig verbliebenen Ausrüstung der Kohlenbergwerke vorgenommen. Der Abbau der Anlagen der Braunkohlengruben und Brikettfabriken sei auf Bitten der Betriebsleiter, aus technischen Erwägungen oder wegen Transportschwierigkeiten unterblieben. Diese Gründe seien nunmehr fortgefallen. Die Förderung ist wegen des Ausfalls zahlreicher demontierter Tagebauanlagen ständig zürückgegangen, so daß neuerdings, um den Bauern für die Örescharbeit Strom liefern zu können, in Mecklenburg Betrieben und Haushalten die Stromentnahme von 7 bis 21 Uhr verboten ist und Berlins Femstromkontingent» so herabgesetzt wurde, daß wieder Sperrstunden eingeführt werden mußten. Die verbliebenen Gruben behelfen sich mit veralteten Förderanlagen, können aber bei weitem nicht den Bedarf decken.
DIE KURZE MACHRICHT
Auszeichnung für General Koenig Im französischen Staatsanzeiger wird die Ernennung des Oberbefehlshabers der französischen Besatzungsarmee in Deutschland, General Koenig, zum „Akademie- Offizier" veröffentlicht. General Koenig wurde damit die höchste Auszeichnung des Ministeriums für Unterrichtswesen verliehen.
Allzu vertraute Töne Die Leitung der Sozialdemokratischen Partei ln Hannover gibt bekannt, daß Dr. Schumacher voraussichtlich am 20. September Deutschland zu einer Reise nach Amerika verlassen wird. Die SED hat zu dieser Reise erklärt, sie sei eine „nationale Würdelosigkeit, well sie die Preisgabe der nationalen und sozialistischen Interessen zugleich bedeute". Schumacher fahre nach den Vereinigten Staaten, um „Befehle der Wallstreet entgegenzunehmen“.
Nicht nach Belgien Die belgische Mllltärmlssion ln Berlin teilte mit, daß Anträge deutscher Staatsbürger auf Einwanderungserlaubnis nach Belgien von der belgischen Regierung abgelehnt würden. Eine Genehmigung zur Einwanderung nach Belgien könne nur dann erteilt werden, wenn der Antrag einer belgischen Firma zur Beschaffung zusätzlicher Spezialarbeiter mit einem besonderen Dringlichkeitsnachweis eingereicht würde. Die belgische Regierung wird Jugoslawische Zwangsverschleppte, die den Arbeitsbedingungen ln den belgischen Bergwerken und der Industrie des Landes nicht gewachsen waren und ln Ihre Heimat zurückkehren wollen, in. die Ausländerlager in Deutschland zu- rückschicken.
1 Prozent wünschte Rückkehr Der Chef der polnischen Mission ln Berlin richtete an den Kontrollrat eine Note, Jn der er die Rückkehr der „Westfalenpolen" verlangte. Es handelt sich um einen polnischen Bevölkerungstell, der nach dem Kriege von 1870 nach Deutschland zur Arbeit angeworben wurde. Von britischer Seite wird dazu erklärt, daß von den hunderttausend deutschen Bürgern polnischer Abstammung nur etwa tausend die Rückkehr nach Polen beantragt hätten. Die britische Militärregierung hat das Rückkehrgösuch abgelehnt mit dem Bemerken, daß diejenigen Polen, die in Westdeutschland lebten, Jetzt deutsche Staatsangehörige seien.
Studenten arbeiten in England Zweihundert Studenten der Universität Hamburg sind ln England eingetroffen, wo sie für die Dauer von sechs Wochen engli-. sehen Bauern bei der Arbeit helfen wollen. Zur gleichen Zeit kam eine Gruppe von verschleppten Personen, die verschiedenen europäischen Nationalitäten angehören, ln London an. Auch sie werden auf dem Lande arbeiten.
Nicht schlechter als 1948
Der Leiter der Abteilung für Landwirtschaft bei der britischen Militärregierung ln Deutschland, G. E. Hughes, hat erklärt,' daß die Emteaussichten für die britische Besatzungszone verhältnismäßig günstig wären. Zwar sei die Getreideernte schlechter als Im Vorjahr, für die Blzone jedoch könne man Insgesamt mit den gleichen Erträgen rechnen, wie lm Jahre 1946.
Liquidierte Privatbahnen In der Ostzone bestehen noch 103 privat betriebene Eisenbahnen mit einer Gesamtstreckenlange von 3400 Kilometer. Zur Zelt finden zwischen den Wirtschaftsministem der Landesregierungen dort Besprechungen statt, um diese Bahnen In die Planung der Reichsbahn einzubeziehen.
Unbeeinflußte Forschung Der Informationsdienst der amerikanischen Militärregierung für Deutschland hat die bevorstehende Gründung eines deutschen Forschungsinstitutes für die Geschichte des Dritten Reiches angekündigt. Das Institut soll das deutsche Volk in rein wissenschaftlichem Geist aufklären und dafür alle Dokumente sammeln, die mit der Geschichte des Dritten Reiches Zusammenhängen. Jeder politische Einfluß auf das Institut soll ausgeschlossen werden.
Die Länder entnazifizieren Die britische Militärregierung hat dem Zonenbeirat einen Verordnungsentwurf zur Uebertra- gung der Verantwortung für die Entnazifizierung auf die Länderregierungen vorgelegt. Danach sollen die, Landtage Gesetze zur Durchführung der Bestimmungen der Kontrollrats- direktiven Nummer 24 und 38 sowie aller noch ln Zukunft vom Kontrollrat erlassenen Direktiven über Entnazifizierung erlassen. Die Rechtspflege für die Entnazifizierung soll von den Landesregierungen gehand- habt werden.
Verhandlung Meißner verschoben Die Strafverhandlung gegen den ehemaligen Staatsminister Meißner wird nach einer Mitteilung des amerikanischen Anklagevertreters verschoben werden. Meißner leidet- an dem Grauen Star und muß, um seine völlige Erblindung zu verhindern, operiert werden. Erst nach der Operation Ist die Verhandlung gegen Ihn zu erwarten.
Erich Kordt entlastet Vor einer Münchner Spruchkammer wurde gegen den ehemaligen Chef des Ministerbüros Ribbentrops, Dr. Erich Kordt, verhandelt. Kordt war bei Ende des Krieges Gesandter ln Nanking. Da er nachweisen konnte, daß er ein sehr aktives Mitglied der Widerstandsbewegung vom 20. Juli war und seit vielen Jahren Insbesondere das englische Foreign Office laufend über die bevorstehenden Entscheidungen der deutschen Außenpolitik Informierte, sprach Ihn das Gericht von der Anklage frei. Ihm lag auch ein Schreiben des ehemaligen englischen Außenministers Lord Halifax vor, worin bestätigt wurde, daß Dr. Kordt für das Foreign Office von sehr großer Bedeutung gewesen sei.
Ueberfüllte Flüchtlingslager Durch die Anordnung der Militärregierung für Bayern, nach der Illegale Grenzgänger aus der sowjetischen Zone vorläufig nicht mehr zurückgeschickt werden sollen, wird sich eine kritische Lage in den bereits Jetzt überfüllten Flüchtlingslagern erge- _ ben. Mit dem Einsetzen der käl- “ teren Witterung würden, wie das bayerische Staatssekretariat für das Flüchtlingswesen erklärte, die deutschen Stellen vor eine unlösbare Aufgabe gestellt. Die meisten Lager dort sind nur für Durehgangszwecke bestimmt und sind nicht winterfest.
Der Schmuck der Bismarcks Unter einem Bett in einem Durchgangszimmer des Herrenhauses auf Gut Bllesdorf lag ein gelber Lederkoffer, ln dem der Bismarcksche Familienschmuck aufbewahrt wurde. Dieser Koffer wurde entwendet. Von den Tätern fehlt bisher Jede Spur.
Ankunft lm Westen Eine Gruppe von ukrainischen Truppen, die sich durch die Tschechoslowakei nach Westen vorkämpften, wurde ln der Gegend von Passau gestellt. Sie tragen russische Uniformen, sind russisch ausgerüstet und nennen sich „Benderovlcl“.
^er 28 albftetg
18. Erzählung von Adalbert Stifter
Sie gingen von der Wand nicht gegen die Straße zu, sondern gegen den Wald, weil sie /Tiburius bis an die Stelle begleiten wollte, wo ihr Pfad in dem Dickicht seitwärts lenkte, um gegen den Hügel zu gehen, auf dem das Haus ihres Vaters stand.
Als sie an der Stelle angekommen waren,_ blieben sie stehen, und Maria sagte: „Lebt recht wohl und vergeßt nicht, übermorgen zeitlich genug zu kommen; denn jetzt stehen die Erdbeeren in den Thurschlägen unten, wohin es viel weiter ist. Ihr könnt ja dann auch wieder einmal zu dem Vater mitgehen, ich richte euch beiden die Erdbeeren zurecht, daß ihr sie esset. Jetzt gute Nacht.“
„Gute Nacht, Maria, ich werde kommen“, antwortete Tiburius und wandte sich gegen seine’ Wand zurück.
Sie aber vertiefte sich zwischen den Zweigen und Stämmen der Tannen.
Herr Tiburius kam an dem Tage, wie er versprach, sie aber war schon da und wartete auf ihn. Da sie ihn ansichtig wurde, lachte sie und sagte: „Seht, Ihr seid doch zu spät gekommen, ich bin heute genau nach unserer Uhr fortgegangen und bin früher eingetroffen als Ihr. Jetzt müßt Ihr mit mir in die Thurschläge hinunter, und dann müßt Ihr mit zu dem Vater und müßt von den Erdbeeren essen.“ *
Tiburius ging mit ihr in die Thurschläge, er blieb dort, solange sie Erdbeeren pflückte, ging dann mit zu ihrem Vater und aß die Erdbeeren, die sie den Männern auf die gewöhnliche Weise herrichtete, während sie die ihrigen auf einem abgesonderten grünen
Allein Herr Tiburius war von jetzt an viel scheuer und schüchterner als zuvor.
Er erschien jedesmal, wenn sie sich in dem Walde zusammen bestellten; sie gingen miteinander herum wie zuvor; aber er war zurückhaltender als sonst, er umging mit Aengstlichkeit das Wörtchen du, daß er es nicht zu oft sagen mußte, und manchmal, wenn sie es nicht bemerkte, sah er sie verstohlen von der Seite an und bewunderte einen Zug in ihrer Schönheit.
So verging der letzte Teil des Sommers, und es erschien der Herbst, an welchem es gerade ein Jahr war, daß er sie kennen- gelemt hatte.
Da geschah es eines Abends, daß dem Herrn Tiburius unter den vielen Gedanken, die ihm jetzt seltsam und ohne daß er oft ihren Ursprung kannte, in dem Haupte herumgingen, auch der kam: „Wie wäre es, wenn du Maria zu diesem Weibe begehrtest?"
Als er diesen Gedanken gefaßt hatte, wurde er fast aberwitzig vor Ungeduld; denn es war ihm, als müßten alle unverheirateten Männer des Badeortes den heißesten und sehnsüchtigsten Wunsch haben, Maria zu ehelichen. Er war heute nicht bei ihr und ihrem Vater gewesen: wie leicht konnte einer in der Zeit hinausgefahren sein und um sie geworben haben. Er begriff den Leichtsinn nicht, mit welchem er den ganzen Sommer an ihrer Seite gewesen war, ohne diesen Zweck in das Auge gefaßt und Mittel zur annähernden Verwirklichung desselben eingeleitet zu haben.
Er ließ daher am andern Tage frühmorgens anspannen und fuhr so weit -auf der Straße hinaus, als es ohne Aufsehen möglich war, worauf er dann auf dem Fußwege durch das Gestrüpp über den Hügel zu dem Häuschen hinaufwanderte. Er hatte die Badeordnung, die er überhaupt schon vemachläßigte, auf die Seite gesetzt.
Da sich Vater und Tochter verwunderten, warum er denn heute so früh komme, konnte er eigentlich keinen Grund angeben.. Maria blieb gerade darum, weil er da war, immer in der Stube. Als sie aber einmal doch, um irgendein häusliches Geschäft zu besorgen, hinausging, trug er dem Vater sein Anliegen vor. Da sie wieder hereingekommen war, sagte dieser zu ihr: „Maria, unser Freund, da, der uns in diesem Sommer so oft und so nachbarlich besucht hat, begehrt dich zu seinem Weibe — wenn du nämlich selber, wie er gesagt, recht gerne einwilligst, sonst nicht.“
Maria aber stand nach diesen Worten wie eine glühende Rose da. Sie war mit Purpur übergossen und konnte nicht ein einziges Wort hervorbringen.
„Nim, nun, es wird schon gut werden“, sagte der Vater, „du darfst jetzt keine Antwort geben, es wird schon alles gut werden.“-
Als sie auf diese Worte hinausgegangen war, als Herr Tiburius, dem es beim Herausfahren nicht eingefallen war, daß er Belege über seine Person mitnehmen müsse, zu dem Vater gesagt hatte,, er werde ihm alles, was ihn und seine Verhältnisse angehe, bringen, insofern er es hier habe, und um das Fehlende werde er sogleich schreiben. Als er sich hierauf bald entfernt hatte und der Vater zu Maria, die auf dem hinteren Gartenbänkchen saß, hinausgegangen war, sagte diese zu ihm: „Lieber Väter, ich nehme ihn recht, recht gerne; denn er ist so gut, wie gar kein einziger anderer ist, er ist von einer solchen rechtschaffenen Artigkeit, daß man weit und breit mit ihm in den Wäldern und in der Wildnis herumgehen könnte, auch trägt er nicht die närrischen Gewänder, wie die anderen in dem Badeorte, sondern ist so einfach und geradehin gekleidet wie wir selber: aber das einzige fürchte ich, ob es denn wird möglich sein, ich weiß nicht, wer er ist,
Ute '
Superlative an der Spree
-ch. Mit Berlin verband man bisher die Vorstellung eines Häusermeeres, über dessen eintönig ebenem Boden einzig der Kreuzberg emporragt, den die Berliner so sehr rühmen, ein Hügel von Sechsundsechzig Meter Höhe. Sollte nun ein Plan für den Wiederaufbau der Stadt Wahrheit werden, von dem die „Continental Daily Mail“ zu berichten weiß, so wird das Berlin der Zukunft eine Gebirgslandschaft werden, eine Stadt der sieben mal sieben Hügel. Denkt man doch dort, wie es heißt, daran, die Trümmermassen der zerstörten Häuser zu Bergen aufzuschütten und sie mit Gras und Bäumen zu bepflanzen. Alpine Aussicht auf das Brandenburger Tor und die Linden? Ein mannigfaltiges Skigelände in der Innenstadt? Grotesk zu denken, Berlin als Stadt der Berge! Rom und seine sieben Hügel fallen, einem ein, zu denen im' Monte Testaccio mit der Zeit ja auch ein Scherbenberg kam. Man ist versucht, sich Trojas zu erinnern, das auf seinen eigenen Trümmern immer von neuem entstehend, sich höher und höher über dem Strande erhob. Bei der fast sprichwörtlichen Liebe des Berliners zu Superlativen liegt die Annahme nicht fern, er wolle so aus seinen 55 Milli-/ onen Kubikmetern Schutt, einem Achtel aller deutschen Trümmer, ein Wahrzeichen seiner Bedeutung errichten, ein sichtbares Mahnmal für den Anspruch, Bürger der Hauptstadt Deutschlands zu bleiben. Ob es ihm gelingen würde, einen solchen Plan in die Tat umzusetzen? Wer weiß! Der Berliner ist seiner Aktivität wegen bekannt, und solche „pyramidalen“ Pläne könnte man ihm schon Zutrauen. 55 Millionen Kubikmeter Schutt — aus diesen bizarren Resten ehemaligen Glanzes ergäben sich fast 45 Pyramiden von je 150 Meter Höhe und 210 000 Quadratmeter Bodenfläche. Wahrlich ein gespenstischer Trümmerrekord, um den keine andere Stadt Berlin beneiden wird.
AM RANDE
An der Ausstellung ,,Warschau klagt ao'\ die zur Zeit in Wien stattfindet» wurde bei Nacht ein Plakat angebracht: »»Zwölf Millionen Deutsche klagen an: vertrieben, verhungert, gemetzelt, erfroren. Wer fragt danach*“
Der Chef der Abteilung für Arbeitsverhältnisse der Militärregierung in Bayern hat Verweise an die Betriebsräte zweier Fabriken erteilt, weil sie zum Protest gegen die Lebensmittelrationen zum Streik aufgerufen hatten. Streiks und. öffentliche Kundgebung zur Lebensmittelversorgung verschlimmerten lediglich eine bereits hinreichend ernste Situation und wären niemals ein positiver Beitrag zur Abhilfe.
Auf dem dreitägigen theokratiseben Kongreß der „Zeugen Jehovas“, der in der T^ufe von 65 Gläubigen gipfelte, nannte ein Redner die Presse das Mundstück des Teufels. *
In Mannheim haben von 600 befragten Jugendlichen 70 Prozent den Winter in ungeheizten Räumen verbracht. 12 Prozent litten an Hungerödem, 50 Prozent besaßen nur einen Anzug und kein eigenes Bett, 64 Prozent nur ein Paar Schuhe.
Im Bezirk Weser-Ems sind mehr als drei Millionen Liter Milch verdorben, weil sie infolge der Stromabschaltungen nicht rechtzeitig verarbeitet werden konnten. Das bedeutet einen Verlust von 13 700 Kilogramm Butter und 22 150 Kilogramm Käse.
Das mecklenburgische Volksbildungsministerlum hat einen Erlaß zurückgezogen, nach dem die Kinder „reaktionärer“ Eltern nicht in die neunte Klasse der Oberschule aufgenommen werden sollten.
Wetterbericht
Das mitteleuropäische Hochdruckgebiet ist für unser Wetter immer noch maßgebend. Nunmehr verlagert es sich nach SUdrußland, so daß atlantische Störungen Ihren Einfluß allmählich weiter nach Süden ausdehnen können. — Aussichten bis Wochenmitt'- Zunächst noch heiter und sehr warm, dann Uebergang zu etwas stärker bewölktem Wetter ur.cl Temperaturen etwas absinkend.
ju, ”
Redaktion: Albert Komma, Johannes Schmid. Verlag: Schwäbischer Verlag, KG., Friedrichshafen, lü Leutklrch. Druck: Rottweller Verlags- und Druckereigenossenschaft, Rottweil.
ob er ein Häuschen oder sonst etwas habe, womit er ein Weib erhalten könne, und als ich in dem Badeorte war und um ihn fragte, vergaß ich gerade, um solche Dinge' zu fragen.“
„Sei wohl über diese Sache ruhig“, antwortete der Vater, „er ist ja die ganze Zeit, da er uns besuchte, so eingezogen und 'redlich gewesen. Er wird daher doch nicht um ein Weib anhalten, wenn er nicht hätte, was sich ziemt. Der Mensch kann mit wenigem zufrieden sein sowie mit vielem.“
Maria war durch diese Worte überzeugt und beruhigt.
Als am anderen Tage Tiburius kam, sagte ihm der Vater gleich beim Eintritte, daß Maria eingewilligt habe. Tiburius war voll Freude darüber, er wußte gar nicht, was er tun und was er nur beginnen solle. Erst in der'nächsten Woche, als ihm Maria selber, da Sie auf der Gassenbank saßen, sagte, daß sie ihn mit großer, großer Freude zum Männe nehme, legte er heimlich, ehe er fortging, ein Geschenk auf den Tisch, das ei schon mehrere Tage mit sich in der Tasche herumgetragen hatte.
Es war ein Halsband mit sechs. Reihen de? erlesensten Perlen, welche schon durch viele Alter her ein Schmuck der Frauen seines Hauses gewesen waren. Er hatte, da er in. Frühling kam, das Schmuckkästchen mit sich in das Bad genommen, und es lagen noch mannigfaltige andere Sachen darin, die ei nur erst fassen und umändem lassen mußte um sie dann seiner Braut als Zierde geben zu können.
Maria kannte den großen Wert dieser Per- .len nicht, aber sie hatte eine weibliche Ahnung, daß sie viel wert sein müssen — dar einzige aber wußte sie mit Gewißheit, daß sie ihr, als sie sie einmal umgetan hatte, unsäglich schön und sanft um den Hals stünden
(Fortsetzung folgt)