Keine Landlagsauflösung in Hessen
Herabsetzung der Ministcrgehälter auf 1LVVV Mark.
TU. Darmstadt, 6. Okt. Im hessischen Landtag wurde am Dienstag der sozialdemokratische Antrag auf Lanütagsauflö- sung und Neuwahlen zusammen mit der Reichstagswahl mit den Stimmen der Antragsteller gegen die Stimmen des Zentrums und der sozialistischen Arbeiterpartei angenommen. Da aber die Nationalsozialisten vor der Abstimmung den Saal verlassen hatten, blieb der Antrag unwirksam, da zu seiner Verwirklichung eine Zweidrittelmehrheit erforderlich ist. Die NSDAP, hat ihre Zustimmung von der Annahme ihres Antrages abhängig gemacht, die Zahl der Abgeordneten von 70 auf 35 herabzusetzen. Dieser Antrag war mit den Stimmen der SPD., des Zentrums, der SAP. und DVP. gegen Nationalsozialisten und Deutschnationale abgelehnt worden. Dagegen fand ein nationalsozialistischer Antrag auf Herabsetzung der Ministergehälter auf 12 000 Mark mit sofortiger Wirkung Annahme.
Devisenverhandlungen mit Italien
TU. Berlin, 8. Okt. Amtlich wirb mitgeteilt: Nachdem das mit Italien abgeschlossene Devisenabkommen von deutscher Seite gekündigt worden ist, wurde mit Italien eine Vereinbarung getroffen, durch die die Einfuhr und Bezahlung italienischer Weintrauben erleichtert werden sollte. Die italienische Regierung hat gleichwohl mit Wirkung vom 1. Oktober 1932 ab eine allgemeine Sperre für die Bezahlung deutscher Warenlieferungen nach Italien verhängt. Bor Ergreifung von Gegenmaßnahmen sind zunächst Verhandlungen mit Italien eingeleitet worden, um eine Aufhebung der Zahlungssperre zu erleichtern.
Kleine politische Nachrichten
Preußen sorgt für vorschriftsmäßige Badebekleibung. In einer neuen preußischen Verordnung über Badebekleidung heißt eS: Frauen dürfen öffentlich nur baden, falls sie einen Badeanzug tragen, der Brust und Leib an -er Vorderseite des Oberkörpers vollständig bedeckt, unter den Armen fest anliegt, sowie mit angeschnittenen Beinen und einem Zwickel versehen ist. Der Rückenausschnitt des Badeanzuges darf nicht über das untere Ende der Schulterblätter hinausgehen. Das gleiche gilt für Strandanzüge.
Polnische Reservearmee in Pommerelle». Eine größere Anzahl polnischer Organisationen in Pommerellen hat in der dortigen Regterungspresse einen Aufruf veröffentlicht, in dem die gesamte Einwohnerschaft Pommerellens aufgefordert wird, sich zu einer „Reservearmee" Pommerellen zusammenzuschließen zum Zwecke der Verteidigung der polnischen Grenzen.
Der neue Kurs iu Ungarn. In einer programmatischen Rundfunkansprache sagte der neu ernannte ungarische Ministerpräsident Gömbös, die Hauptaufgabe der neuen ungarischen Regierung sei der Ausbau eines starken unabhängigen nationalen Staates. Die Regierung fordere die Revision des Trianon-Vertrages. Ueber handelspolitische Fragen erklärte der Ministerpräsident, die Regierung wünsche die Verstärkung der ungarischen Ausfuhrtätigkcit und plane aus diesem Grunde eine einheitliche Leitung der Ausfuhr zu schaffen. _
Frankreichs Bündnispolitik im Osten
--- Prag, 5. Okt. Die tschechische Zeitung „Narodny Poli- tica" meldet, baß in Genf gegenwärtig Verhandlungen zwischen Frankreich einerseits und den Vertretern Polens und der kleinen Entente andererseits stattfinden, die den Zweck hätten, ein Sicherheitsbünbnts zu schaffen und die bisherigen militärischen Bündnisse zu erweitern. Ueber die Einzelheiten der Verhandlungen teilt das Blatt noch mit, baß Frankreich bereit wäre, die polnische We st grenze zu garantieren mit der ausdrücklichen Bestimmung, daß sich die Vertragsparteien jedem diplomatischen Druck, der in die Richtung einer Revision des Versailler Vertrages hinausliefe, »übersetzen müßten. Die polnisch-französischen Vereinbarungen sollen dann durch Verträge zwischen
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Konrad faßte die Hände der Mutter und bat mit leiser Stimme:
„Komm zu Jörge." — —---—
Es war still in dem Krankenzimmer. Nur die rote Ampel brannte über dem Ruhebett in der Ecke. Jörge lag in den Kissen lang ausgestreckt. Er war von dem großen Blut- Verlust sehr blaß, aber sein Gesicht war verändert. Alles Rauhe jener letzten Tage war verschwunden. Wie er nun, in der Wäsche Konrads, still in den Kissen lag, war die Aehnlichkeit mit Agnes stärker als je. Nun erst sah man, daß ihr Gesicht in der Tat seine Züge besaß. Dieser arme Kranke, der da seiner Auflösung entgegenging, war nicht mehr der Sohn der Magd Uminski, noch viel weniger der wilde Geselle, der mit seinen Kumpanen im Fürstenbau des Schlosses zechte — es war der Sohn des Grafen und der Gräfin Tarnau!
Konrad saß an Jörges Bett und hielt die rechte Hand des Sterbenden. Gräfin Hermine saß auf der anderen Seite — man hatte seit Jörges schwerer Erkrankung das Bett in die Mitte des Zimmers gerückt. Sie sah still vor sich hin und weinte leise. Im Hintergrund standen Georg und Agnes, und Pfarrer Ambrosius machte sich bereit, dem Kranken die letzte Wegzehrung zu reichen, während der Arzt, dessen Kunst zu ende war, ihn beobachtete.
Jörge öffnete die Augen. Diese Augen waren verändert. Groß, von einem schon unirdischen Glanz erfüllt, blickten sie auf, und dann - ruhten sie aus Konrad.
Da erschien ein leises Lächeln an! den blutleeren Liü-
Frankreich und der Tschechoslowakei einerseits und Pole« und der Tschechoslowakei andererseits ergänzt und zu einem einheitlichen Vertragswerk abgerundet werden.
Hoovergegen Streichung derKrieqsschulden
TU. Neuyork, 5. Okt. Präsident Hoover hielt in Des- moines im Staate Iowa seine erste Wahlrede. Dabei enthüllte er zum ersten Male die Gefahren, in denen in den letzten Monaten der Dollar war. Er erklärte, baß der Finanzminister ihn im Juli dahin unterrichtet habe, daß bei gleichbleibender Nachfrage nur noch für zwei Wochen Gold vorhanden sei. Dank der unternommenen Schritte sei die Jn- flationsgefahr aber abgew endet worden. Die Erfahrung lehre, daß eine einmal begonnene Inflation unaufhaltsam fortgehe. Jetzt sei die Wirtschaftsschlacht gewonnen und die Weltwirtschaft in der Besserung begriffen. Hoo- ver machte sodann die fremden Goldabzüge und die verringerten Steuereinkünfte für den Fehlbetrag im Haushalt der Vereinigten Staaten verantwortlich. Darauf betonte er, baß seit Juni 278 Millionen Dollar nach den Vereinigten Staaten zurückgeflossen seien.
Hoover verteidigte dann die Maßnahmen der republikanischen Partei und sprach sich gegen eine Streichung der Kriegsschulden aus. Er befürwortete aber die Verwendung der eingehenden jährlichen Kricgsschuldenteil- zahlungen zur Vergrößerung der auswärtigen Absatzgebiete für die landwirtschaftlichen Erzeugnisse der Vereinigten Staaten.
Politische Kurzmeldungen
Das preußische Innenministerium hat in einem Runderlaß die Polizeibehörden angewiesen, aufs schärfste allen Versuchen entgegenzutreten, die geeignet sind, die Wahlfreiheit zu beeinträchtigen. Mit besonderer Strenge werden die Wahlflugblätter geprüft werden, wobei ihrer Wirkung auf den Durchschnittsleser ausschlaggebende Bedeutung beizn- messen ist. Die Parteien werden verwarnt, Veranstaltungen Andersgesinnter zu stören, andernfalls können ihre eigenen Versammlungen vorbeugend verboten werden. — In Berlin- Steglitz haben Nationalsozialisten wieder eine Wahlversammlung der Deutschnationalen Volkspartei gestört, in welcher der Reichstagsfraktionsvorsitzenöe Dr. Oberfohren sprach. Die Polizei mußte einschreiten und die Ruhestörer verhaften. — In Breslau wurden nachts drei Angehörige des Reichsbanners von mehreren Personen unter den Rufen „Freiheit!" angefallcn. Zwei Reichsbannerleute erhielten mehrere Messerstiche in Sen Rücken. Die Täter konnten nicht ermittelt werden. — Zu den Vorfällen in Braunschweig, wo nach Störung eines Stahlhelmfackelzuges Nationalsozialisten und Kommunisten gegen einschreitende Polizei tätlich wurden, gibt die Standarte S2 der NSDAP, einen SA.-Befehl heraus, in dem gesagt wird, daß der verhaftete SA.-Mann Mila- chewsky als Provokateur erkannt und mit sofortiger Wirkung aus der SA. ausgestoßen worben sei. — Anläßlich des 85. Geburtstages des Reichspräsidenten sind 22 00V Gratulationen eingegangen. Die Abfindung der Dankschreiben wird mindestens 10 Tage in Anspruch nehmen. — In Preußen ist jetzt durch Verordnung die Möglichkeit geschaffen worben, für sämtliche Stadtgemeinden mit einer Einwohnerzahl bis 3000 di« Stelle eines ehrenamtlichen unbesoldeten Bürgermeisters einzurichten. — Das preußische Innenministerium hat an das Reichsinnenministerium den Antrag gerichtet, das
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pen, und die zarten, sehr schmalen Finger streichelten leise die Hand Konrads.
„Du Guter!"
Konrad nahm alle Kraft zusammen.
„Lieber Jörge, nun wird dir besser werden. Nun wird bald alles gut."
„Ja, Konrad, nun wird alles gut!"
Jörge sah sich um. Sein Blick glitt von einem zum andern, als wollte er in den Gesichtern lesen.
Er haftete auf Viola, die neben Konrad kniete und weinte, er ruhte auf Georg, der tieferschüttert nun vor- getreten war, und auf Agnes, die auch weinte.
„Weinen sie alle um mich?"
Konrad strich ihm über die Stirn.
„Sie haben dich lieb."
Fragend sah Jörge ihn an.
„Sie haben mich lieb, weil ich sterbe!"
Jetzt konnte Gräfin Hermine sich nicht mehr halten und schluchzte laut auf. Jörge wandte sich langsam um. Bisher hatte er sie nicht sehen können. Nun aber blickte er sie voll und groß an, als suche er in ihrem Gesicht. Dann streckte er seine Hand aus, und in diesen großen, schon der irdischen Welt entrückten Augen erschien etwas Neues, etwas Weiches, etwas Kindliches, während seine Lippen das Wort formten, ganz leise, ganz träumerisch:
„Mutter!"
Gräfin Hermine sank vor dem Bett in die Knie, faßte diese Hand, die sich ihr entgegenstrcckte, preßte ihre Lippen darauf und stammelte unter Tränen:
„Mein Kind, mein Sohn! Mein armes, liebes, unglückliches Kind! Verzeih mir, was ich an dir gesündigt! Ich wußte es ja selbst nicht."
Totenstille war in dem Zimmer. Pfarrer Ambrosius hatte die Kerzen entzündet.
Der Kranke lag ganz still. Seine eine Hand hielt Konrads Rechte, die andere aber die der Gräfin. Seine Augen,
di» nicht mehr durch Schmerlen aelrübt waren, hasteten
Gesetz über bi« Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten abzuändern. Die Bekämpfung der Auswüchse der Prostitution in der Oeffentlichkeit sei erschwert durch die unzulänglichen Vorschriften des Neichsgesetzcs. — Mit Rücksicht auf die schlechte Finanzlage des Reiches zahlt Deutschland seine Völkcrbundbeiträge nicht, sondern läßt sie stunden. Sie sind ui diesem Jahre auf fast s Millionen Mark gegenüber nur 3,0 Millionen Mark im Vorjahre gestiegen. — Eine vor einigen Tagen in der Kattowitzer Kaserne ausgebrochcne Tpphnsepidemie hat bisher 7 Todesopfer gefordert. Es liegen außerdem noch etwa 100 Soldaten schwer krank darnieder, an deren Aufkommen gezweifclt wird. Die zur Uebung cin- bcrufenen Reservisten wurden wieder heimgeschickt. — Der japanische Kriegsminister Araki erklärte, das japanische Oberkommando in der Mandschurei werde die alten Anweisungen und Richtlinien der japanischen Politik weiter verfolgen. Der Lytton-Bcricht werde keinerlei Rückwirkungen auf die Grundsätze der japanischen Politik in der Mandschurei ha- ben. — Nach der bedingungslosen Uebergabe der brasiliani- scheu Aufständischen ist die Gegenregierung in Sao Paulo Nestür'! -orden. Der Oberbefehlshaber der Aufständischen ist
Aus aller Welt
Der erste Schnee.
Die kühle Witterung hat in den bayerischen Bergen die ersten Schneefülle gebracht. Zahlreiche Orte des bayerische» Oberlandes und des Gebirges meldeten am Mittwoch zum Teil starke Schneefälle. So ist z. B. in den Allgäuer Bergen bis hinab auf etwa 1300 Meter starker Schneefall zu verzeichnen. AnS den Tannheimer und Ammcrgauer Bergen wurde bis zu 30 Zentimeter Neuschnee gemeldet. Alle Berggipfel bis weit hinab sind in glänzendes und schimmerndes Weiß gebettet. Bei einem Anhalten der kühlen Witterung wird mit weiteren Schneefällen gerechnet.
Jugendliche« Mörder.
Die Polizei verhaftete in Frankfurt am Main den 2ljäh- rigen kaufmännischen Angestellten Robert Stubenrauch unfeine beiden 17 und 18 Jahre alten Freunde, die im Dezember vorigen Jahres die 19jährige Hausangestellte Emma Busse von einer Mainbrücke nachts in den Main geworfen hatten, so daß bas Mädchen ertrank. Man glaubte seinerzeit, die Busse hätte Selbstmord verübt. Nunmehr stellte sich aber heraus, daß Stubenrauch das Mädchen gemeinsam mit seinen zwei Freunden nachts von der Main-Neckarbrücke in den Main geworfen hatte, um sich seiner zu entledigen, da cs von ihm schwanger war.
Der größte Devisenschieberprozeß Deutschlands begann dieser Tage vor der Zweiten Großen Strafkammer beim Landgericht j in Berlin. Der Hanptangeklagte ist der früher bei einer Großbank tätig gewesene Devisenhändler Emeran Sedlmaier, der mit einem Monatsgehalt von 1000 Mark und weiteren Tantiemebezügen bei der Bank angestellt war. Sedlmaier, der eingeschriebenes Mitglied der KPD. ist, wirb des Vergehens gegen die Devisenverord- nung vom 23. Mat 1932 und der Urkundenfälschung beschuldigt. Es wirb ihm vorgeworfen, 6,8 Millionen in ausländischem Besitz befindliche deutsche Effekten bei Berliner Banken verkauft und den Erlös wieder nach dem Auslände, häuptsächlich nach der Schweiz und nach Oesterreich, gebracht zu haben.
Eisenbahnnnsall bei Lüneburg.
In der Nähe des Rangierbahnhofes Lüneburg ereignete sich ein Eisenbahnunfall. Ein Güterzug, der aus der Richtung Uelzen kam und mit einer Geschwindigkeit von 40 Stundenkilometer fuhr, entgleiste plötzlich. Sämtliche Wagen wurden umgerissen und zum Teil völlig ineinander geschoben, so daß ein wüster Trümmerhaufen entstand. Von dem Zugpersonal wurde niemand verletzt, doch ist der Materialschaden sehr groß. Wie die Neichsbahndirektion Altona mittetlt, sind von 60 Wagen insgesamt 10 Wagen entgleist. Ein infolge Achsenbruchs aus Len Schienen gesprungener Benzoltankwagen hat 9 andere Wagen mit sich gerissen, die ineinander geschoben und teilweise zertrümmert wurden.
rf dem Antlitz der Gräfin Hermine, als wollten sie sich stsaugen an ihm, als wollten sie nachholen in der Todes- rinde, was er ein ganzes Leben lang entbehrt hatte.
Dann öffnete er noch einmal die Lippen:
„Meine liebe Mutter!"
Hermine weinte laut auf, preßte sein Haupt an die ruft; da ging ein Zucken durch Jörges Körper. Der Arzt mgte sich über ihn.
„Es ist vorüber!"
Pfarrer Ambrosirus breitete segnend seine Hände über :n Entschlafenen, während Hermine ihm die Augen zu- cückte. — »
Es war nicht der Fremde, der in das Fürstenhaus «gezogen, es war ihr Sohn, ihr lieber Sohn, der ge> orben.
Ganz leise, auf den Zehenspitzen, schlich der alte Hein- -ch, der an der Tür gestanden, hinaus. Mit zitternden !änden senkte er die Fahne auf dem Turm des Schlosses chnau auf Halbmast.
Nicht der Sohn der Magd Uminski — der älteste Erb» es Hauses war heimgegangen, und unten im Dorfe be- annen die Glocken zu läuten. "
Gelöst waren alle Rätsel des Schlosses Kynau, gelöst ,aren die Rätsel um Bruder und Schwester! Gefestigt für ie Zukunft war das Werk, das Gras Eberhard geschafien.
Betend stand Pfarrer Ambrosius am Sterbelager, und während seine Lippen die Worte sprachen, die sein Glaube hm vorschrieb, dachte er in seinem lieben, einfältigen Kerzen:
„Wunder sind es, die hier geschehen. Don allen aber as größte, von allen Rätseln das gewaltigste ist das Nutterherz, das sich endlich heimgefunden hat zu
einem toten Kinde." ,
Und die Arme des Priesters breiteten sich segnend aus
iber Mutter und Sohn.
— Ende. 7-,