Der Erlaß zur Fugenderlüchtigung

im Wortlaut

--- Berlin, 16. Sept. Der Reichspräsident hat unter dem 13. September folgenden Erlaß an den Reichsminister des Innern gerichtet:

Die deutsche Jugend ist die Zukunft unseres Volkes. Seit Jahren habe ich daher mit besonderer Anteilnahme alle Bestrebungen verfolgt, die ihrer körperlichen Er­tüchtigung galten. Die Stählung des Körpers, die Er­ziehung der Jugend zu Zucht, Ordnungsliebe und Kameradschaft und zur Opferbereitschaft für die Gesamtheit sind Aufgaben, deren sich anzunehmen der Staat die Pflicht hat.

Ihre Lösung wirb in der Zusammenarbeit mit allen Ver­einigungen verschiedenster Art erfolgen können, die schon bisher sich diesem Werke an der deutschen Jugend gewidmet haben und denen ich für diese Arbeit danke.

Um für die Zukunft alle Kräfte, denen die körperliche Ertüchtigung der deutschen Jugend am Herzen liegt, zu gemeinsamer und einheitlicher Arbeit zusammenzufassen, berufe ich hiermit ein Reichskuratorium für Jugendertüch­tigung.

Ich bestelle den Reichsminister des Innern zu seinem Vorsitzenden und den General der Infanterie a. D. Edwin von Stülpnagel zum geschäftsführenden Prä­sidenten. Ich beauftrage den Netchsminister des Innern, geeignete Persönlichkeiten, Sie auf diesem Gebiete besondere Erfahrungen besitzen, als Mitglieder des Kuratoriums zu berufen, mir die Satzungen zur Genehmigung vorzulegen und alle Maßnahmen zur Durchführung dieses Erlasses im Benehmen mit den sonst beteiligten Reichsministerien zu treffen.

sgez.) von Hindenburg

sgez.) von Papcn

(gez.1 Freiherr von Gayl."

Der Leiter der Jugendertüchtigung

Der Reichspräsident hat in einem besonderen Erlaß ein Neichskuratorium für Jugendertüchtigung bestellt, an dessen Spitze der Neichsinnenminister steht. Geschäftsführender

Präsident dieses Kuratoriums wird der frühere Komman­deur des Wehrkreises IV, Generalleutnant Edwin v. Stülp­nagel sunser Bild). Die Aufgabe des Kuratoriums wird es sein, die Jugend aus allen parteipolitischen Lagern syste­matisch in dem sog. Geländesport auszubilden. Zu diesem Zweck werden zwanzig Lager errichtet, in denen je 100200 Mann in dreiwöchigen Kursen ausgebildet werden sollen

1,8 Milliarden RM. öffentliche Zinslast

Fast so RM., mit Fürsorgelast 57 RM. je Kops der Bevölkerung

Nach einer Uebersicht des Instituts für Konjunkturfor­schung betrug vor kurzem die Verschuldung von Reich, Ländern und Gemeinden, ohne deren Ve'-.- pflichtungen untereinander, rund 24 Milliarden Reichsmark. Die Zinslasten hierfür sind auf rund 1,4 Milliarden Reichsmark jährlich zu veranschlagen. Zu diesem Betrag treten noch die Zinsen, die die selbständigen öffentlichen Unternehmungen und öffentlich-rechtlichen Zweckverbänbe für ihre Schulden zu entrichten haben. Sie dürften sich bei einem Schulbenstand von etwa 5,1 bis 5,3 Milliarden Reichs­mark zwischen 330 bis 350 Millionen Reichsmark bewegen. Damit stellt sich der jährliche Zinsbetrag gegenwär­tig ungefähr auf insgesamt IR Milliarden Reichs­mark, das sind faßt 30 NM. je Kopf der Bevölkerung. Zusammen mit dem Zuschußbedarf für die öffentliche Für­sorge in Höhe von rund 27 NM. je Kopf der Bevölkerung ergeben sich demnach allein aus der Verschuldung und der Fürsorgepflicht zusammen 57 NM. je Kopf der Bevölke­rung.

Von dem Gesamtzinsaufwand der öffentlichen Hand trifft immer noch ein erheblicher Teil auf die Ablösungs­und Aufwertungs schulden. Die Altschulden erfor­dern eine jährliche Verzinsung von rund 250 Millionen Reichsmark, das sind über 17 v. H. des Gesamtzinsaufwan­des. Der Rest von 1,2 Milliarden Reichsmark ist auf die rund 18,4 Milliarden Reichsmark betragende Neuverschul­dung zu entrichten.

Seit 1928 ist die Zinslast der öffentlichen Hand außerordentlich gestiegen und zwar hauptsächlich, weil die Verschuldung in dieser Zeit rasch zugenommen hat. An der Steigerung der Zinslast seit 1928 waren am stärksten das Reich und die Gemeinden s-s- bzw. 87 v. H.), weniger stark die Länder (->- 71 v. H.) beteiligt. Die Entlastung durch die Zwangskonversion ist beim Reich und bei den Ländern durch eine weitere Zunahme der Schulden völlig ausgeglichen ivorden. Die Gemeinden dagegen, die seit 1931 kaum neue Schulden mehr.aufgenommen haben, brauchen im Rechnungs­jahre 1982 nur 850 Millionen Reichsmark für die Ver­zinsung der Schulden aufzuwenden gegen 750 Millionen Reichsmark im Rechnungsjahr 1931.

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Die Frage der Rüstungsfreiheit

England wird vorerst nicht vermitteln

TU. London, 15. Sept. Der diplomatische Mitarbeiter des Daily Telegraph" meldet, daß die englische Negierung vor­geschlagen habe, den sür den 21. September vorgesehenen Zusammentritt des allgemeinen Büros der Abrüstungskonfe­renz hinauszuschieben, um die spätere Beteiligung Deutsch­lands zu ermöglichen. Paris habe jedoch hiervon nichts wissen wollen. Der Zusammentritt werde da­her planmäßig, aber ohne Beteiligung Deutsch­lands erfolgen. Englische Kreise betonten, daß der B ö l k e r b u n d s r a t nicht die geeignete Kör­perschaft zur Führung der Gleich berechti- gungsverhandlungen sei. Man betrachte eine Kör­perschaft, die sich aus Vertretern Englands, Frankreichs, Deutschlands, Italiens, Amerikas und vielleicht Belgiens zusammensetze, als die am besten geeignete. England habe etwa die ähnliche Auffassung wie Mussolini, daß die An­näherung an den deutschen Rüstungsstanö durch die Abrüstung der anderen erfolgen soll«.

Üondoncr politische Kreise rechnen mit Bestimmtheit damit, daß die englische Regierung vorerst von einem Eingreifen Abstand nehmen wirb. Die weitere Ent­wicklung würde sich demnach wie folgt gestalten: Das all­gemeine Büro der Abrüstungskonferenz tritt am 21. Sep­tember zusammen, ohne baß Deutschland darin vertreten wird. Mit einer Anwesenheit des englischen Außenministers Sir John Simon zum 21. September in Genf ist ebenfalls nicht zu rechnen. Dieser wird voraussichtlich erst am 26. Sep­tember in Genf eintreffen, um an der Sitzung des Völker­bundsrates tetlzunehmen, zu der Deutschland bekanntlich den Reichsaußenminister Freiherrn v. Neurath entsenden wirb. Diese Zusammenkunft wirb dann Gelegenheit bieten, außerhalb des eigentlichen Rahmens der Völkerbundsrats­sitzung die von Deutschland aufgeworfene Frage -er Nüstungsgleichheit und die französischen Gegenforderungen zu besprechen.

Der diplomatische Mitarbeiter derD a i ly M a i l" sagt, man hoffe in London, daß in englisch-beutsch-französischen Besprechungen noch Fortschritte erzielt würden. Sollte das unmöglich sein, so werde der Vorschlag gemacht werden, mit den Abrüstungsverhandlungen fortzufahren und einen Plan zu entwerfen, der Deutschland vorgelegt werden könne.

Die deutsche Abordnung für die Völkerbunds­versammlung

Eine Entscheidung darüber, ob die Neichsregierung einen Vertreter zur Tagung des Büros der Abrüstungskonferenz am 21. September entsenden wird, ist bisher noch nicht ge­fallen. Dagegen steht fest, daß sich zur Vülkerbundsversamm- lung der Reichsaußenminister von Neurath, der Ge­sandte von Rosenberg, Ministerialdirektor Dr. Gauß, der Gesandte von Rheinbaben, der Gesandte Weizsäcker und andere begeben werden.

Das Problem der privaten Auslandschulden

Ein holländischer Vorschlag

Um die Zinsen für unsere Auslandsschuld, die fast 27 Milliarden beträgt, zu begleichen, müßte unsere Handels­bilanz in diesem Jahre mit einem Ausfuhrüberschuß von 1,5 Milliarden RM. abschließen. Im ersten Halbjahr 1932 konn­ten wir aber nur einen Ausfuhrgewinn von 600 Mill. RM. erreichen. Im 2. Halbjahr dürste leider nicht einmal diese Summe zustande kommen. Wir müssen daher unter allen Umständen unsere privat« Auslandsschuld regeln. In diesem Zusammenhang dürfte ein Plan aus holländischen Bank­kreisen beachtet werden, der lautFrankfurter Zeitung" die

Anleihezinsen auf 4,5 Prozent herabsetzen will. Außerdem soll die Tilgung der Anleihe selbst lnicht aber der Zinsen- dienstj auf 6 Jahre aufgeschoben werden. Dafür aber soll das deutsche Reich seinen Gläubigern mit einer 4,5prozen. Ligen, in 68 Jahren tilgbaren Prämienanleihe ent- gegenkommcn. Dadurch bräuchte Deutschland im Jahre rund 300 Millionen NM. Devisen weniger als jetzt. Nach­dem aber die Gläubiger durch die unerhörten Zinsen für ihre uns geliehenen Gelder in der Hauptsache bis jetzt schon entschädigt wurden, hätte Deutschland einen nicht unberech­tigten Anspruch darauf, baß nicht nur die Zinsen der Aus. lanösgelöer. sondern auch die privaten Auslandsgelder selbst, ähnlich wie die Reparationen, herabgesetzt würden

Die Einturmantenne

Eine eigenartige Antennenanlage besitzt der ncuerrichtete Breslauer Großsender. Es ist ein alleinstehender, 140 Meter hoher Holzgitterturm, der das höchste Holzbauwerk in der ganzen Welt ist. Die Antenne selbst besteht lediglich aus einem senkrechten Stahldraht, der in der Achse des Holz­turmes hochgeführt wird und oben in einer Kapazität endet, die aus einem Bronzering von 10,6 Meter Durchmesser ge­bildet wird. Der Vorzug dieser neuartigen Anlage besteht darin, daß sie beim Rundfunkempfang die gefürchtete»

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Schwund- und Verzerrungserscheinungen ganz erheblich ver» ringert, die in etwa 70 Kilometer Entfernung vom Rund­funksender auftreten. Versuche haben ergeben, baß mit dieser neuen Antenne der Empfang in 16g Kilometer Ent­fernung noch wesentlich störungsfreier ist, als bei einer nor­malen Antenne in 80 Kilometer Entfernung. Die neue Antenne dürfte für den künftigen Senderbau bahnbrechend wirken.

Nur ständiges Inserieren

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Auf der grauen Slroße

Von Else Richter.

Von den Bäumen reißt der Sturm die halbreifen Vogel­beeren. Auf der grauen Straße liegend, werden sie zertreten. Wagen gleiten darüber hinweg. Wie rote Blutflecke erscheinen sie im Lichte des Scheinwerfers. Das Leben flutet weiter...

So wie der Sturm die Vogelbeeren von den Bäumen riß, halbreif, so riß er mitten aus einem tätigen Leben die Men­schen, junge und alte. Sie liegen auf den Straßen wie die Vogelbeeren, die der Sturm von den Bäumen riß. Männer, Frauen und Kinder. Und darüber hinweg gleitet das Leben.

Das Volk in den Fesseln der Arbeitslosigkeit möchte sich frei machen, wütend kämpft es dagegen, die meisten Menschen ohne Erfolg.

So ziehen sie dahin, auf der großen, grauen Straße. Frühling, Sommer, Herbst und Winter wechseln. Die Wan­dernden sehen den Landmann säen und ernten, sehen die Mutter Erde unter den Pflug kommen, Schollen fallen, Saat keimen und wieder Frucht treiben. Wind, Regen, Sonnen­schein und Sturm. Von Stadt zu Land, von Dorf zu Dorf.

Eine seltsame Gesellschaft sind sie, die Wanderer der großen Straße. Jeder Pfennig tut ihnen leid, den sie dem Herbergsvater in die Hand drücken müssen. Sommerszeit ist ihr Quartier auf weitem freien Felo, der Himmel ihre warme Decke. Unter den tausend glitzernden Ocllämpchen sinken die müden Gesellen in den Schlaf.

Willige Lehrmeister sind sie den Neulingen, die noch nichts verstehen von der Kunst der Tipvelbrüder. Still und schweigsam zieht einer seinen Weg, vielleicht hat er eben erst sein Elternhaus verlassen, vielleicht ist ihm nach langem Warten an den Arbeitsämtern das hoff" .agslose Stempeln zuwider geworden. Er zog hinaus, um Arbeit zu suchen, weil der Raum der Kleinstadt zu eng wurde, der Menschen zu viele waren, der Arbeit zu wenig. Seine Kleider sind noch sauber. Fehlende Knöpfe, Löcher und Risse gibt es noch nicht. Der junge Wanderer will sauber bleiben, an Leib und Seele, will sich nicht an fremdem Gut vergreifen. Wird nicht auch ihn die Not mürbe machen? Mitleioia sehen die Meister der Landstraße ihn an, sie erkennen den Neuling sofort.Ser­vus!" grüßen sie ihn und stehen ihm mit einem guten Rat zur Seite. Dann ziehen sie weiter, um bei einer gutherzigen Bäuerin ein warmes Mittagbrot zu ergattern.

Und manchmal findet sich eine gute Gelegenheit: Ein Lastwagen oder ein Ferntransport nimmt die Tippelbrüder eine Strecke mit, dann kommen sie weiter, weiter, weiter.

Wo sie nur hin wollen, die Wanderer der großen Straße, das für sie das Mitfahren so wichtig ist? O fa, es^ist sehr

wichtig, veun mit jever neuen tzStavl, mlt jevem Mensii)en leben neue Hoffnungen auf, die bis in das Gigantische wachsen, wenn schon einmal ein Personenwagen hält und sie mitnimmt. Dann gibt es ab und zu einen Groschen, dann und wann einmal...

Viel wissen sie zu erzählen. Die der ganz großen Klasse kennen das Reich von einem Ende bis zum anderen. Sie haben eine bestimmte Einteilung. Die Sommermonate ver­leben sie in Deutschland, und sobald die Vögel ziehen, wan­dern sie hinüber nach Oesterreich, Ungarn, Italien, Dal­matien, Spanien, die Balkanländer, und ein ganz Mutiger wagt sich auch einmal nach Aegypten hinein.

, Biel wissen sie zu erzählen, und wenn es ihnen einmal wieder besser geht, wollen sie fast alle ein Buch schreiben. Die echten Tippelbrüder klagen selten über Not. Sie erzählen von gutem Essen, von einem Korn, den sie einmal er­standen... Man sollte meinen, sie erlebten lauter Feiertage mit Festessen vom Morgen bis zum Abend. Die Tage des Hungerns vergessen sie, wenn sie wieder einmal einen Topf heißen Kaffee und ein warmes Mittagessen erhalten.

Und finden sie eine Kameradin, die ihnen das Klinken­putzen abnimmt, dann ist das Leben eine Wonne. An warmen Sommertagen sorgt sie für das Wohl des Körpers. Eint leere Bratheringsdose ist die beste Kochgelegenheit für Wäsche etwas Reisig findet sich ja allenthalben. Auch das Rasieren wird am Bache besorgt, wenn ein klein wenig Ordnungsneve

ch in einem sitzt. . . -

Dazwischen zieht eine einsame Frau mit einem Karren, t zwei kleinen Kindern als Insassen, und eins tippelt ienher mit bloßen Füßen, mit schmalen Wangen -md e.nem se röchelnden Husten. Eine einsame Frau mit blassen

)pen und trostlosen Auge::...

Was sie noch nicht können, werden sie lernen. Erst sind schüchtern und bitten, dann werden sie dringlich, und eines ocs nehmen sie es sich selbst, erst unter Gewissensbissen, an skrupellos. Und dahinter steht das Gefängnis mit seinen aalen, mit seiner Verderbnis, die hinter den Mauern wartet. Der Herbst ist die reichste Zeit, wenn auf den Feldern eckrüben stehen und an den Bäumen halbreife und reife üchte hängen. Dann werden die Tippelbruder zu Roy- tlern und erleben ihre schönste Zeit. .^d unter allen indern die Stiefkinder des Lebens, die das Zuchthaus im icken und iv Blicke haben. Sie fühlen sich'n der Gemeiil. aft der Menschen nicht wohl, und finden in den seltensten Ren den Weg in die Gemeinschaft zuruck. ^

Auf der großen Straße wandern die Menschen eines ,Ikcs - und liegen wie Vogelbeeren und Werden zertreten, d wir müssen zusehen...