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Jahrgang 105

Donnerstag, den 15. September 1932

Nr. 216

Ein Reichskuratorium für Iugendertüchtigung

Die deutsche Jugend soll Wehrsport treiben Einheitliche Zusammenfassung der

Arbeit der Zugendverbände

^ Berlin, 15. Sept. Der Reichspräsident hat mit einem vom Reichskanzler und Reichsminister des Inner» gegen­gezeichneten Erlaß ein Reichskuratorium sür Ju- gendertüchtignng berufen. Vorsitzender ist der Neichs- minister des Innern und geschäftsführender Präsident Gene­ral der Infanterie a. D. Edwin von Stülpnagel.

Im Reichsinnenministerium sind seit geraumer Zeit Vor­arbeiten für eine Ueberwachnng der wehrsportlichen Betäti­gung zahlreicher Verbände durch das Reich geleistet worden. Diese Arbeiten gehen schon auf gewisse Pläne des Ministers Wirth und auf andere Pläne des früheren Innenministers Groener zurück. Sie sind jetzt zum Abschluß gebracht wor­den. Der Reichspräsident hat unter dem 13. September 1932 einen Erlaß an den Reichsinenminister von Gayl gerichtet, in dem er die wehrsportlichen Bestrebungen aller Jugcnd- verbände begrüßt und sich für deren Förderung einsetzt. Er weist aber darauf hin, baß eine gemeinsame und ein­heitliche Arbeit notwendig ist. Aus diesem Grunde hat er jetzt ein Reichskuratorium für Iugendertüchtigung ins Leben gerufen, dessen Vorsitzender der Neichsminisicr des Innern von Gayl ist. Ihm steht der bisherige Komman­deur des Reichswehrkreises IV in Dresden, General der Infanterie von Stülpnagel, der vor einiger Zeit in Pension getreten ist, zur Seite. Der Ncichsinnenmtnister wird die geeigneten Persönlichkeiten für die Besetzung des Kura­toriums auswählen.

Durch bas Reichskuratorium für Iugendertüchtigung soll hauptsächlich die Sportart gefördert werden, für die sich der Ausdruck Geländesport eingebürgert hat, b. h. die­jenige sportliche Betätigung, die den jungen Mann aus den Turnhallen und Sportplätzen hinausführt in das freie Ge­lände, wo er in Wanderungen, Ordnungsübungen und Ge­ländeübungen seinen Körper stählen und zur Willensstärke, Ausdauer, Selbstbeherrschung, Kameradschaft und Opfer- öereitschast erzögen, wo seine Liebe zum gemeinsamen Vater­land und zum Boden der Heimat gestärkt werden soll.

Es ist nicht geplant, in die Freiheit der bestehenden Ver­bände irgendwie einzugreifen, vielmehr sollen Vertreter die­ser Verbände und aller sonstigen Organisationen, die sich in Zukunft mit dem Wehrsport beschäftigen werden, eintreten. Außerdem wird das Neichskuratorium im engsten Ein­vernehmen mit den Länderregierungen ar­beiten, die ebenfalls Vertreter entsenden. Aufgabe des Kura­toriums ist es, dafür zu sorgen, daß geeignete Lehrkräfte für die Ertüchtigung der Jugend herangebildet werden. Jetzt ist die Beobachtung gemacht worden, daß in diesen Verbänden, abgesehen vom Stahlhelm, nicht überall brauchbares Mate­rial für die sittliche, geistige und körperliche Ertüchtigung unserer Jugend vorhanden ist. Es muß also eine gewisse Auswahl vorgenommen werben.

Im Reichsetat sind für diese Bestrebungen andert­halb Millionen Mark zur Verfügung gestellt wor­den. Diese anderthalb Millionen werden natürlich nicht auf die Verbände verteilt. Sie dienen lediglich zur Ausbil­dung der Lehrkräfte durch das Reich. Wahr­scheinlich wird man in diesem Jahre etwa 29 099 Personen auswählen, die auf ganz bestimmte Richtlinien auf dem Gebiete des Wehrsports unterrichtet werden. Diese Lehr­kräfte werden zu einem späteren Zeitpunkt durch andere abgelvst. Sie gehen in die Verbände zurück und wirken dann im Sinne der Aufgabe der Nation. Die Richtlinien sind im einzelnen noch nicht bekannt gegeben. Sämtliche Verbände werden natürlich durch den Erlaß des Reichspräsidenten er­faßt, allerdings nicht die kommunistischen Vereine und Organisationen. Sie sind von der wehrsportlichen Be­tätigung wegen ihrer staatsfeindlichen Einstellung aus­geschlossen.

29 Lager für die Iugendertüchtigung

Wie derLokalanzeiger" erfährt, sind die Vorbereitun­gen für die neu zu schaffende Organisation zur Jugend- ertttchtigung bereits dadurch getroffen, daß die Lehrer zum größten Teil ausgebildet sind. Die Leitung der ganzen Orga­nisation wird ehrenamtlich erfolgen. Die Gcländesport- schulcn, die bereits bestehen, werden vom Reich zur Aus­bildung übernommen. Als Sportlehrer kommen im allgemei­nen frühere Offiziere in Betracht. Es werden etwa 29 Lager in Deutschland gebildet, in die je 199 bis 299 Mann je 3 Wochen ausgenommen werden, und zwar ohne Par­teiuniform. Es werden Drillichanzüge getragen. Die Verpflegung in den Lagern ist unentgeltlich. Hin- und Rück­reise'zu den Lagern sind gleichfalls frei. Sonstige finanzielle" Zuschüsse werden nicht gewährt. Die Art der Ausbildung er­folgt in Geländespiel mit bewußter Abkehr von amerikani­schen Sportformen. Als Lager komme» zum Teil frühere Truppenübungsplätze in Betracht.

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Frankreich nimmt Anstoß

Der Berliner Berichterstatter desJournal" schreibt zu Ser durch Verordnung geschaffenen Einsetzung desReichs- kuratoriums für Jugenderziehung", daß es sich um eine ver­kappt« militärische Ausbildung der Jugend handle. Man könne sich des Eindrucks nicht erwehren, daß die neue Orga­nisation nur dazu geschaffen sei, dem stehenden Heer einen in jeder Beziehung militärisch ausgebildeten Organismus zur Seite zu stellen. Es sei sehr wahrscheinlich, daß dieser Orga­nismus die Reserve für die von der Reichsregierung be­absichtigte Bürgerwehr liefern werde. In ausländischen diplomatischen Kreisen Berlins sei man der Auffassung, daß dieser neue Gesetzeserlaß des Reichspräsidenten mit den Milttärklauseln des Versailler Vertrages nicht in Einklang gebracht werden könne.

Die Sozialdemokratie.zur Wehrfrage

TU. Berlin, 15 . Sept. Di« sozialdemokratisch Retchstagsfraktion teilt in einem Bericht über die am Mit wochnachmittag abgeschlossenen zweitägigen Beratungen dl politischen Lage mit, daß in den Verhandlungen zur Aktiv der Neichsregierung in der Wehrfrage einstimmig eir Erklärung angenommen worben ist, ln der es u. a. heißt:

Die Reichsregierung hält nun den Zeitpunkt für gekon men, für Deutschland die Freiheit zur Ausgestaltung seim Wehrmacht zu beanspruchen. Die Sicherheit der Völker kan aber mit den Mitteln der militärischen Rüstung nicht erreiä werden. Insbesondere gilt dies für Deutschland angesichl seiner geographischen Lage und der militärischen und wir schaftltchen Kräfte der anderen Länder. Die Sozial i?""k*atie hzit deshalb die wehrpolitisch A kt >0 n derReichsregierung sür verfehlt. Diel Aktion birgt die Gefahr in sich, daß sie den anderen den Boi Wettrüsten gibt, das am meisten di Sicherheit Deutschlands gefährden und die Völker in ein

- "Ec. Nur eine Außenpolitik, di

auf die Verteidigung der Völker au, dem Boden allgeme ner Gleichberechtigung, ans die Erhaltung des Friedens un die internationale Abrüstung gerichtet ist, bürgt für die wir! liche Sicherheit.

Weiter heißt es in der Erklärung:Jeder Schritt im Sinne der deutschen Rttstungsnote, wie sie insbesondere durch zahlreiche Erklärungen des Neichswehrministers erläutert worden ist, birgt die Gefahr in sich, Deutschland in poli- tischeJsolierungzu führen, di« Welt gegen Deutsch­land zusammenzuschweißen und das Versailler Diktat zu ver­ewigen. Die sozialdemokratische Fraktion protestiert mit aller Entschiedenheit gegen jede Entfesselung nationalistischer und

militaristischer Instinkt« in allen Ländern, da sie darin eine Bedrohung der Freiheit der Arbeiterschaft und eine Gefähr­dung des Weltfriedens erblickt."

Nach dem Bericht hat am Schluß der Aussprache der Frak­tionsvorsitzende, Abg. Dr. Vreitscheid, noch darauf hin­gewiesen, daß in den Verhandlungen zwar Meinungs­verschiedenheiten über die taktische Behandlung von einzelnen Fragen sich gezeigt hätten, baß aber niemals der Geist der Kameradschaftlichkeit verletzt worden ist.

Die Reichstcigsbeschlüsse bleiben ohne Wirkung

Berlin, 18. Sept. Die Auseinandersetzungen zwischen Rctchstagspräsidenten und Neichsregierung haben jetzt mit einem kurz und bündig gehaltenen Schreiben des Reichs­präsidenten an Herrn Göring ihren Abschluß gefunden. Der Reichspräsident lehnt darin eine Anerkennung der Reichs­tagsbeschlüsse endgültig ab. Das Schreiben, welches der Reichspräsident durch seinen Sekretär fertigen ließ, hat folgenden Wortlaut:

Sehr geehrter Herr Reichstagspräsident! Der Herr Reichspräsident hat mich beauftragt, Ihnen de» Empfang Ihres Schreibens vom 13. September 1832 zu bestätigen. Unter Hinweis auf sein gestern an Sie gerichtetes persön­liches Schreiben läßt Ihnen der Reichspräsident Mitteilen, baß nach Uebergabe der Auflösungsverorbnung vom Reichs­tag noch gefaßte Beschlüsse verfassungswidrig und somit gegenstandslos sind. Der Herr Reichspräsident beabsichtigt daher nicht, aus diesen Beschlüssen Folgerungen zu ziehen. Mit dem Ausdruck vorzüglicher Hochachtung bin ich Ihr sehr ergebener sgez.) Dr. Meißner."

Tages-Spiegel

Durch einen Erlaß des Reichspräsidenten wurde ein Reichs» kuratorium sür körperliche Ausbildung der Jugend ge» gründet.

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Die Reichstagsbeschlüsse über Aushebung der Notverordnung und Rücktritt des Kabinetts werden ohne Wirkung blei» ben. Der Reichspräsident hat sie als verfassungswidrig abgelehnt.

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Der Ueberwachungsausschuß des Reichstages hat einen Un» tersuchnngsausschuß eingesetzt, der die Vorgänge im Reichs­tag prüfen soll.

Frankreich bleibt in seiner Haltung zur deutschen Gleich- berechtigungssordernng hartnäckig. Wie verkantet, hat es England vorerst ansgegcben» als Vermittler eiuzugreisc«.

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Reichsautzenminister von Neurath wird als deutscher Haupt« delegierter zur Völkerbundstagung nach Genf fahren.

Nach Mitteilung des Deutschen Städtetages betrug die Ge­samtzahl der Wohlfahrtserwerbslosen in de» deutschen Gemeinden Ende August 2159 909.

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In diesem Jahr sind bisher 8K7 Erkrankungen «nd 87 Todes­fälle an spinaler Kinderlähmung zu verzeichnen.

Ein Untersuchungsausschuß eingesetzt

Der Ausschuß zur Wahrung der Rechte der Volksver« tretung hat gestern beschlossen, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen, der u. a. den Reichskanzler und den Reichs­innenminister über di« Vorgänge in der letzten Reichstags- sitzvng vernehmen soll. An zuständiger Reichsstelle wird hier­zu erklärt, - Vertreter der Neichsregierung vor diesem Ausschuß, sollten sie zitiert werden, erst dann erscheinen würden, wenn völlige Klarheit darüber bestehe, daß die noch vorhandenen Organe des Reichstages der 8. Wahlperiode, die von dem Reichspräsidenten vor den Abstimmungen voll­zogene Auflösung des Reichstages und die darüber hinaus für die Reichsregierung sich ergebende staatsrechtlich« Sieb lung anerkennen würben.

Hartnäckige Haltung Frankreichs in der Gleichberechligungsfrage

TU. Paris, 16. Sept. Am Mittwochnachmittag fand unter dem Vorsitz k:s Ministerpräsidenten ein Kabinettsrat statt. Im Anschluß an diesen Kabinettsrat wurde eine amtliche Verlautbarung herausgegeben, in der darauf hingewiesen wird, daß die anwesenden Minister sich sowohl mit der durch die französische Antwortnote an Deutschland geschaffenen Lage beschäftigten, wie auch mit den Konvertierungsmodalitäten, die bekanntlich in Form eines Gesehesvorschlages am Frei­tag der Kammer unterbreitet werden sollen.

Im Zusammenhang mit den kürzlichen Londoner Be­sprechungen zwischen dem amerikanischen Botschafter und dem englischen Außenminister einerseits, sowie zwischen diesen und dem französichen Botschafter andererseits, meldet Havas,' daß die Haltung Englands gegenüber -er deutschen Forde­rung auf Gleichberechtigung eingehend erörtert worden sei. Der Londoner Sonderberichterstatter der Agentur Havas will dazu efahren haben, daß die englische Regierung noch vor Ablauf dieser Wocheeine in dieser Richtung gehende Initiative ergreifen wird." Die französische Regierung sei fest entschlossen» ihre Haltung gegenüber der deutsche» Gleichbercchtigungsfordernng nicht zu ändern, gleichgültig, wie sich die Negierungen Amerikas und Englands dazu fiel» len sollte«.

Schweres Eisenbahnunglück in Nordafrika

Französischer Militärzug in Algerien in einen Abgrund gestürzt

TU. Paris, 16. Sept. Wie aus Oran sAlgerien) gedrahtet wird, ist ein Pcrsonenzug, der 1699 Fremdenlegionäre, dar­unter Offiziere und Mannschaften, befördert, in der Nähe von TIemcen in einen Abgrund gestürzt. Es sollen ins­gesamt 199 Frembenlcgionäre getötet worden sein. Der Zug bestand aus 14 Wagen, in denen 2 Offiziere, 27 Unter­offiziere, 46 Gefreite und 1435 Fremdenlegionäre Platz ge­nommen hatten. Sofort nach Vekanntwerden des Unglücks gingen zwei Hilfszüge mit sämtlichen Chirurgen und Mili­tärärzten der benchbarten Garnison nach dem Schauplatz ab. Es ist zur Zeit noch ganz unmöglich, genauere Zahlen anzu­geben. Man nimmt an, daß das Unglück auf die Unter­spülung deS Eisenbahndammes infolge starker Niederschläge zurückzuführen ist