Ernste Mahnung des Reichskanzlers

Reichskanzler v. Papen hat in seiner Rundfunkrede während seiner Ausführungen zum Wirtschaftspro­gramm eine sehr ernste Mahnung ausgesprochen. Er sagte: Alle Maßnahmen, die in den Verordnungen vom 4. und 8. September niebergelegt sind, gelten für eine Uebergangszett von zwölf Monaten. In dieser Zeit entscheidet sich die Zu­kunft unserer Wirtschaft und damit unseres Staates. Nach genauester Beobachtung der Entwicklung der Weltwirtschaft sind wir zu der Entscheidung gekommen, daß jetzt der rich­tige Zeitpunkt da ist, um die Privatinitiative wieder zu wek- ken und ihr Gelegenheit zu geben, ihre gewaltigen realen und moralischen Kräfte zu entfalten. Die Reichsregierung erwartet von den Unternehmern, daß sie die ihnen anver­trauten Mittel gewissenhaft zum Wohle des ganzen Volkes verwalten. Sie wirb mit eiserner Strenge gegen Elemente Vorgehen, die sich als Parasiten der Wirtschaft auf Kosten der Arbeitnehmer bereichern wollen. Mißlingt der Plan der Reichsregierung, dann ist bas freie Unternehmertum verloren. Dann werden jene Kräfte die Oberhand gewinnen, die den Gesamtbereich der Wirtschaft der staatlichen Regelung unterwerfen wollen. Wehe dem Unter­nehmertum, wenn es nur an eigenen Nutzen denkt und nicht an das große Ganze, wenn es jetzt nicht seine Stunde er­kennt und die große Chance begreift, die ihm die Reichs- regterung bietet, wenn es nichts wagt, sondern zurückhaltend abwartet.

Der Kanzler ging dann noch auf seine Pläne zur Re- formderVerfassung ein. Sie werde, so sagte er, nicht übereilt und nur in Uebereinstimmung mit den Ländern einer Lösung zugeführt werden. Es sei ein Entwurf beab­sichtigt, der auf Grund der Erfahrungen der Geschichte und der Eigenart unserer Heimat für lange Zeit die Grundlage unseres staatlichen Lebens sichern solle. Ganz bringend sei dabet die Frage einer Neuregelung eines Ausbaus des Rei­ches. Ausgeschlossen müsse in Zukunft ein Ge­geneinander-undNebeneinanderregierenim Reich und in Preußen sein. Man werde den geschicht­lich gewordenen preußischen Staat nicht zerschlagen, aber notwendig sei eine organische Verbindung der preußischen Regierung mit der des Reiches. Hier läge die Möglichkeit einer durchgreifenden Verwaltungsreform und Verwaltnngs- verbilligung. Die Regelung des Verhältnisses zwischen Reich und Preußen werde die Eigenstaatlichkeit der an­deren deutschen Länder nicht antasten. Das Programm der Reichsregierung sei ein einheitlicher und folgerichtiger Plan zur Wiederherstellung von Wirtschaft und Staatsleben. Die Regierung betrachte sich dabei als Voll­strecker eines nationalen Willens, der zwar seinen Nieder­schlag noch nicht in manchen Parteien gefunden haben möge, der aber der eigentliche und wahre Bolkswille sei.

Reichsreqierunq und Reichstag

Ein Brief Papens an Göring

Reichskanzler von Papen hat an den Reichstagspräsident Göring ein Schreiben gerichtet, in dem er feststellt, daß Göring zweimal verfassungswidrig gehandelt hat, indem er einmal dem Reichskanzler auf dessen Bitte hin nicht das Wort erteilt und indem er zum anderen, obwohl der Reichstag aufgelöst war, noch eine Abstimmung hat vornehmen lassen. Die Neichsregierung hat die Absicht, falls der Reichstag trotzdem er aufgelöst ist, noch versuchen sollte, zusammenzutreten, einen solchen Zusammentritt unmöglich zu machen. Sie will nur solchen Abgeord­neten das Betreten des Reichstags gestatten, die zum Ueber- wachungsausschuß ober zum Auswärtigen Ausschuß des Reichstags gehören, da nur diese beiden Ausschüsse auch in der Zeit zwischen der Auflösung des einen Reichstags bis zum Zusammentritt des neuen Reichstags verfassungsmäßig im Amte bleiben.

Ueber die Gründe der Auflösung wird er­klärt: Die Reichsregierung hat von langer Hand ein Programm zur Besserung unserer wirtschaftlichen Verhält­nisse vorbereitet und durch Notverordnung vom 4. September in Kraft gesetzt. Für die Wirtschaft wäre es nicht erträglich, wenn die nun einmal ergangene Notverordnung plötzlich außer Kraft gesetzt würde. Die Gefahr der Außerkraftsetzung lag deutlich in der ganzen Art und Weise des Vorgehens des Reichstages. Deswegen war die Neichsregierung gezwungen, von ihrer Ermächtigung auf Auflösung auch tatsächlich Ge­brauch zu machen.

Verlrelerlag des Kyffhäuserbundes

Am 10. und 11. September fand auf dem Kyffhäuser der 81. Vertretertag des Deutschen NeichskriegervunbcsKyff­häuser" statt. Die Tagung nahm eine Entschließung an, in der es heißt: Die Milliouenorganisation des Kyffhänserbun- des steht fest und geschlossen. Sie ist Mitgrttnder des Auf­bruches zur Nation und der wahrhaft volkSverbundene Trä­ger des deutschen Gedankens. Der sichtbar« Beweis dieser lebendigen Kraft war der 4. Reichskriegertag, der trotz aller Wirtschaftsnot unter Beteiligung von ungefähr 180 000 Mit­gliedern und aller Bevölkerungskreise in erhebender Weise verlaufen ist. Das alte Soldatentum kennt als höchsten Dienst nur den Dienst am Staate und an der Gesamtheit der Nation. Unser Streben nach dem Zusammenschluß aller aufbauwilli- gen nationalen Kräfte unabhängig von Partei- und Kon­fessionsbindungen hat Erfolg gehabt. Die Schaffung eines einheitlichen geschlossenen Willens in den Lebens-und Schicksalsfragen der Nation ist bei der überwältigenden Mehrheit des Volkes Tatsache geworden. Das bisherige vater­ländische Programm soll, muß und wird bestehen bleiben. Im Vordergrund unseres Freiheitskampfes steht bas Rin­gen um Gleichberechtigung und nationale Sicherheit. Für diese will der Bund im neugegründe­tenAufklärungsausschuß für nationale Sicherheit" gemein­sam mit dem Arbeitsausschuß deutscher Verbände und der Arbeitsgemeinschaft für deutsche Wehrverstärkung in Mttn- -üL» -»1U- Krait einletzen. Lbenw wird der Bund für die

Die Parteien zur Auflösung des Reichstages

Die Nationalsozialistische Parteikorrefponöenz schreibt zu den Vorgängen im Reichstag u. a.: Der Reichstag hat der Regierung von Papen ein Mißtrauen ausge­sprochen, wie es vernichtender in der Geschichte noch nicht dagewesen ist. Das mit erdrückender Mehrheit ausgesprochene Mißtrauensvotum hat mit einem Schlage die politische Situa­tion geklärt und vor aller Welt kundgetan und bestätigt, was wir immer behauptet haben, daß diese Regierung eine Regierung ohne Volk ist. Der Reichstagspräsidcnt hat nach der Abstimmung dem Gedanken Ausdruck gegeben, daß vom Herrn Reichspräsidenten erwartet werden dürfe, daß er das vor der Abstimmung Unterzeichnete Auflösungsdekret zurückziehen werde. Wir können und wollen nicht annehmen, daß der Herr Reichspräsident noch länger einem Kabinett sein Vertrauen schenkt, das fast vom gesamten deutschen Volk in so unzweideutiger verfassungsmäßiger Weise im Reichstag mit schärfstem Mißtrauen abgelehnt worden ist."

Die Zentrumsfraktion des Reichstages gibt zu der durch die Auflösung des Reichstages geschaffenen Lage nachstehende Verlautbarung aus:Die Zentrumsfraktion er­blickt in der von der Regierung ausgesprochenen Erklärung der Auflösung des Reichstages eine schwere Schädi­gung von Volk und Wirtschaft und eine verhäng­nisvolle Verschärfung der innerpolitischen Spannungen und Gegensätze. Nach der Auffassung der ZentrumSfraktio» hätte diese erneute Erschütterung unseres gesamten Volkslebens vermieden werden können und müssen. Die Zentrums­fraktion hat nichts unversucht gelassen, um alle positiven Möglichkeiten zu einer sachlichen Zusammenarbeit zwischen Reichslettung und Volksvertretung auszusprechen. Die Reichsregierung hat indessen jeden derarti­gen Versuch vereitelt. Die Zentrumspartei muß da­her jede Verantwortung für die verhängnisvollen Folgen dieser Auflösung ablehnen, die weder dem Wortlaut noch dem Geiste der Verfassung entspricht. Getreu ihrer bewährten Ueberlieferung als Verfassungspartei und als Hüterin der Bolksrechte wird die Zentrumspartei ihren Weg unbeirr­barer Sachlichkeit zum Wohle des VolkSganzen mit äußer­ster Entschlossenheit fortsetzen."

Die deutsch nationale Reichstagsfraktion veröffent­licht folgende Erklärung:Nachdem die Nationalsozialisten im Verein mit dem Zentrum den vergeblichen Versuch ge­macht hatten, den Reichspräsidenten zur Aufrichtung einer neuen Parteiherrschaft zu bewegen, sind sie in der Reichs­tagssitzung vom 12. September zur offenen Revolte gegen die Staatsführung geschritten. Der Neichs- tagspräsident Goering hat die Entgegennahme der verfas­sungsmäßigen Anflösungsorder verweigert und ist in der

Mißachtung von Recht und Gesetz so weit gegangen, daß er die Auflösung als ungültig zu bezeichnen wagte. Das be­deutet die Ausschließung der Parteiherr­schaft gegen den Staat. Die deutschnationale Neichs- tagsfraktion hat den Reichstag verlassen. Es blieben zunächst nur die Parlamentsparteien, bestehend aus den National- soztalisten, den Sozialdemokraten, den Kommunisten und dem Zentrum in fruchtloser Demonstration zusammen, um schon eine Stunde später in Streit zu geraten. Wir Deutschnatio- nalen werden uns nach wie vor für die autoritäre Staats- ftthrung des Reichspräsidenten v. Hindenburg gegen Paria- ments- und Parteiherrschaft einsetzen. Wir sind dessen ge­wiß, daß in diesem Kampf das nationale Deutschland, das die Parteiherrschaft hassen gelernt hat, hinter uns steht. De, 12. September muß zur Geburtsstunde des neuen Deutsch­land werden."

DieDeutscheVolkspartei erklärt:Was wir nicht für möglich gehalten haben, ist eingetreten. Die Mehrheit des Reichstages hat ein Mißtrauensvotum gegen die Reichs­regierung angenommen, bevor noch der Reichskanzler Ge­legenheit erhielt, die politischen Pläne des Kabinetts vor­zutragen. Wir bedauern aufs tiefste, daß die Parteien beS Zentrums und der Nationalsozialisten bei diesem Vorstoß der Führung der Kommunisten gefolgt sind. Di« Mehrheit des Reichstages hat gegenüber einer Negierung, die gewillt ist, gewissenhaft und mutig ihres Amtes zu walten, Staat und Volk vom Abgrund zurückzureißen, voreiligund über- mütig den Streit vom Zaune gebrochen. Bet dem Kampf um staatliche Ordnung und wirtschaftlichen Auf­bau lautet die Parole der Deutschen Volkspartei auch in Zukunft:Für Hindenburg und das Reich!"

DieBayer. -Volkspartei- Korrespondenz" bezeich­net den 12. September als einen schwarzen Tag für die Reichsregierung, die sich im Augenblick vielleicht als die Siegerin sehe, und als einen schwarzen Tag für den Reichs­tag, der Mit unzulänglichen Mitteln die gegen ihn gerichtete und ihn offenbar brüskierende Taktik der Regierung zu be­streiten versucht habe, vor allem aber als einen schwarzen Tag für das deutsche Volk. Die Tatsache, daß das deutsche Volk am Beginn eines neuen Wahlkampfes stehe, bedeute für Staat und Wirtschaft ein schweres Unglück. Autorität und Ansehen des Reichspräsidenten hätten keine Einbuße, sondern eine Stärkung erfahren, wenn es mit Unterstützung vom Parlament her gelungen wäre, eine selbstverständlich von ihm zu bestätigende Um- oder Neubildung der Reichsregie­rung vorzunehmen, die den notwendigen Rückhalt beim Reichstag gefunden und die Reichstagsauflösung unnötig gemacht hätte.

Der denkwürdige Augenblick im Neickslng

Reichskanzler v. Papen lals erster in der Ncgierungs- bank stehend) meldet sich zum Wort. Rechts auf der Präsi- dcntentribiine stehend Reichstagspräsidcnt Göring bei der

Ankündigung, daß nun die Abstimmung vorgenommen werde Hinter Papen Neichsaußcnminister Neurath und weitet links Reichsinncnministcr v. Gayl.

geistige und körperliche W e h r h a f t m a ch u n g des Volkes arbeiten. Den Verbänden sind Sonderausgaben für Luft- und Gasschutz zugewiesen. Der Freiwillige Arbeits­dienst ist nach Kräften zu fördern.

Kleine politische Nachrichten

Konferenz der nationalsozialistischen Länderminister. Am Dienstag nachmittag tagten in Berlin unter Vorsitz des Abg. Feder lNS.), des Vorsitzenden des Reichswirtschafts, rates der NSDAP, die nationalsozialistischen Länderminister von Oldenburg, Mecklenburg-Schwerin, Braunschweig, An­halt und Thüringen, um zu den nächsten Maßnahmen für die Arbeitsbeschaffung Stellung zu nehmen. Nach eingehen­der Aussprache wurde volle Einmütigkeit erzielt.

Reichsrnndsunkkommissar Scholz tritt ans der NSDAP, aus. Die durch die Reichstagsauflösung geschaffene Lage hat den Rundfunkkommissar, den Reichsmiuister des Innern, Ministerialrat Scholz, veranlaßt, um jeden Anschein partei­politischer Rücksichten in seiner Amtstätigkeit zu vermeiden, im Einvernehmen mit der Parteileitung der Nationalsozia­listischen Deutschen Arbeiterpartei als deren Mitglied aus­zuscheiden.

Neuwahlen auch kn Hessen? Die Sozialdemokratie for­dert Auslösung des hessischen Landtags. Hierzu ist die Zu­

stimmung einer Zweidrittelmehrheit des Landtags notwen­dig, so daß bei den Nationalsozialisten die Entscheidung über die Auflösung des Parlaments liegt. Die sozialdemokratische Fraktion hat beschlossen, alsbald einen entsprechenden Antrag einzubringcn.

Blutige Zusammenstöße in Oesterreich. Nach den Ge- meindewahlen in Bruck an der Leitha, die den National- soztalisten einen Mandatsgewinn von 5 Mandaten brachte, ereigneten sich blutige Zusammenstöße zwischen Sozialdemo, kraten und Nationalsozialisten, wobei zunächst einige Per­sonen leicht verletzt wurden. Als mehrere Schüsse fielen, ging die Landjägerei mit gefälltem Bajonett vor. Zwei lebensgefährlich verletzte Nationalsozialisten blieben auf dem Platz. Da die Sozialdemokraten gegen die Landjäger Stel­lung nahmen, machten diese auss neue von der Waffe Ge­brauch, wobei zwei Sozialdemokraten verletzt wurden.

Der Ratspräsident mahnt Bolivien und Paraguay. Der rtierende Präsident des Völkerbundsrates, Matos, hat an- sichts der neuen außerordentlichen Verschärfung des Streit- les zwischen Bolivien und Paraguay die beterligten Re- rungen ersucht, innerhalb kürzerster Frist dem Völkerbunds, t über diejenigen Maßnahmen zu berichten, die sie zur -endigung für den gegenwärtigen gcsährlichcn Zustand n wollen.