Weltwirtschaft und Arbeitslosigkeit

Von Dr. Klaus Spttta

In London findet in nächster Zeit eine Vorbesprechung von Vertretern verschiedener Länder zur Festsetzung einer neuen Weltwirtschaftskonferenz statt, auf der man die bren­nendsten Probleme der Weltwirtschaftskrise einer befriedi­genden Lösung entgegenzuführen hofft. Deutschland, Frank­reich, England, Italien, Belgien, Norwegen und Japan werden auf dieser Vorkonferenz vertreten sein, ebenso die Vereinigten Staaten, welche inzwischen die an sie ergangene Einladung des Völkerbundes zur Teilnahme an der dies­jährigen Weltwirtschaftskonferenz und der damit verbun­denen internationalen Währungskonfercnz angenommen haben.

Der Wunsch der Völker zu einer gemeinsamen Bekämp­fung und Ueberwindung der alle Länder des Erdballs mehr oder weniger stark heimsuchenden allgemeinen Wirtschafts­krise, die vor allem eine Vertrauenskrise wurde, ist bisher, abgesehen von etlichen internationalen Versuchen mit über­aus mageren Ergebnissen, nicht erfüllt. Die Jagd nach Augenblicksvorteilen einzelner Länder, die in einem unge­sunden Wirtschaftsprotektionismus, in der Errichtung un­überwindlicher Schutzzollmauern, ihr Heil erblickten, erwies sich bisher noch immer als stärker als die Bildung einer internationalen Front zur Bezwingung der Weltkrise. Dabei sollte sich doch wohl überall die Erkenntnis burchgesetzt haben, baß auf die Dauer kein Land imstande ist, mit seinen be­schränkten Mitteln dieser furchtbaren allgemeinen Krise, die alle und jeden zum Abgrund treibt, allein Herr zu werden. Vorläufig begnügt man sich in verschiedenen Ländern mit Selbsthilfemaßnahmen autarker Natur, aber natürlich kann eine Heilung des weltwirtschaftlichen Gesamtorganismus durch Sanierung einzelner Glieder in absehbarer Zeit nicht «reicht werben. Die Autorität internationaler Organi­sationen reichte im übrigen nicht aus, um die Bildung einer wirtschaftlichen Einheitsfront aller Länder gegen die Welt­depression zu ermöglichen. Das gilt insbesondere für den Völkerbund, der bekanntlich mit den vom Völkerbunbsrat gebilligten Beschlüssen einer früheren Weltwirtschaftskon­ferenz neben seinem politischen auch ein international-welt­wirtschaftliches Programm erhielt. Diese Weltwirtschafts­konferenz stellte sich seinerzeit auf den Standpunkt, daß die Erhaltung des Weltfriedens in weitgehendem Matze von denjenigen Grundsätzen abhänge, nach denen die Wirtschafts­politik der Nationen gestaltet und durchgeführt wird. Auch ein Mann wie der amerikanische Präsident Wilson forderte in seinen 14 Punkten unter anderem die Schaffung eines Völkerbundes, der die ungeschmälerte Freiheit der Seeschif­fahrt, die Aufhebung aller entbehrlichen Wirtschaftsschranken und die Gleichheit der Handelsbeziehungen für alle Völker gewährleisten sollte. Sieht man von der Tätigkeit des Genfer Internationalen Arbeitsamtes indessen ab, so ergibt sich die Tatsache, dah der Völkerbund seiner wichtigsten Wirtschafts­ausgabe, der Zusammenfassung und Organisierung groher, von ihm beeinflußbarer Teile der Weltwirtschaft, bisher nur in ungenügendem Maße gerecht geworden ist.

Neben der Zusammenarbeit der verschiedenen National­wirtschaften ein Zustand, von dem sich die Welt immer weiter entfernt hat bildet die Bekämpfung der allgemeinen Arbeitslosigkeit eins der Hauptprobleme der Weltwirtschaft überhaupt. Der unlängst verstorbene Direktor des Inter­nationalen Arbeitsamtes in Genf, Albert Thomas, bezeich­net« bereits im vorigen Jahr in seinem Jahresbericht zur IS. Internationalen Arbeitskonferenz als wichtigste Ursachen der Weltarbeitslosigkeit die verschärfte Landwirtschaftskrise in verschiedenen großen Agrarländern, die industrielle Ueberproduktion infolge weitgehender Rationalisierung zahl­reicher Betriebe, die schlechte und ungerechte Goldverteilung, den Preisfall des Silbers und verschiedener bedeutsamer Rohstoffe, die zu hohen Erzeugungskostcn in vielen Län­dern, die Hanbelshindernisse verschiedenster Art und den überall herrschenden Mangel an Vertrauen. Als Mittel zur Milderung der Arbeitslosigkeit wurden damals von Thomas

Auftakt zur Wellwirischaftskonserenz

Die Konferenz von Stresa

TU. Mailand, 26. Aug. Am 5. September tritt der in Lausanne geschaffene Ausschuß zum Studium der Wirt- jschaftsprobleme Zentral- und Osteuropas in Mtresa am Laggio Maggiore zusammen. Das Programm Heines Präsidenten George Bonnet enthält, wiePopolo S'Jtalia" erfährt, die Prüfung aller Maßnahmen, durch die die gegenwärtigen Hemmungen des Transfers und die durch den Schwund des Güterverkehrs hervorgcrufenen Schwierig­keiten überwunden werden können. Es enthält auch die Prüfung aller Maßnahmen zur Belebung des darnieder- diegenden Handelsverkehrs zwischen den mitteleuropäischen Ländern und besonders zur Hebung der Schwierigkeiten, die dadurch entstanden sind, daß in den Agrarstaaten Mittel­und Osteuropas die Getreidepreise so außerordentlich stark gesunken sind.

Die Sitzung des Ausschusses in Stresa wird voraussicht­lich 14 Tage bis drei Wochen bauern. In eingeweihten Kreisen betrachtet man die Stresaer Konferenz als einen Auftakt zu der in Lausanne beschlossenen Weltwirtschafts- konferenz.

Die Ost-Agrarstaaten in Warschau

Warschau, 26. Aug. Die Sachverständigenkonferenz des sogenannten Agrarstaatenblocks Mittel- und Osteuropas, dem Polen, die Tschechoslowakei, Rumänien, Bulgarien, Süb- slawien und Ungarn sowie Lettland und Estland angehören, wurde vom stellvertretenden polnischen Ministerpräsidenten eröffnet. Den Kern ihrer Beratungen bildet ein Vorschlag des Warschauer Ministerialdirektors Dr. Adam Rose, der sich grundsätzlich für Zollabbau ausspricht und während der Fortdauer der jetzigen Behinderungen des internatio­nalen Warenaustausches die Gewährung von Einsuhrkon­tingenten für Produkte der agrarischen Schuldnerländer

unter anderem die Aufstellung und Durchführung eines internationalen Programms öffentlicher Arbeiten vorge­schlagen ein Plan, der bisher keine Verwirklichungs­möglichkeiten bot sowie eine internationale Verkürzung der Arbeitszeit über bas in Washington festgesetzte Maß von 48 Stunden hinaus und wenigstens die Ratifizierung des Washingtoner Achtstunöenabkommens durch alle Staaten. Es wurde in diesem Zusammenhang auch auf die ungünstigen international-wirtschaftlichen Auswirkungen des Repara­tionsproblems auf den Beschäftigungsgrad in den einzelnen Ländern hingewiesen, Auswirkungen, die heute keine inter­nationale Mächtekonferenz mehr hinwegdiskutieren kann! Die deutsche These, wonach im Interesse der Wohlfahrt aller Völker künftig keine Reparationen mehr gezahlt werden sollen, ist inzwischen Allgemeingut aller gerecht denkenden Weltwirtschaftler geworden. Der Vertreter Englands im Finanzausschuß des Völkerbundes, Sir Henry Strakosch, be­kannte zu Beginn dieses Jahres in einer Abhandlung des Economist" unumwunden, die Grundursache der heutigen Weltkrise sei in dem durch gesteigerten Goldwert hervorge­rufenen katastrophalen Preissturz zu suchen, für den wiederum die vornehmlich in Gold zu zahlenden Repara­tionen und interalliierten Schulden verantwortlich zu machen seien. So greift gegenwärtig eins ins andere.

In seiner SchriftDie Pflicht zu handeln" hat kürzlich der Direktor und Hauptschriftleiter der in Buenos Aires erscheinenden La Plata-Zeitung, Emil Tjarks, einen Vor­schlag zur internationalen Lösung des Arbeitslosenproblems gemacht, der zunächst etwas utopisch anmutet, bei näherer Betrachtung jedoch wert erscheint, vor einem internationalen Kreis von Wirtschaftlern erörtert zu werden. Nach Tjarks Ansicht ist das Problem der Arbeitslosigkeit der Kernpunkt der Weltwirtschaftskrise überhaupt.So lange ein Millionen­heer von Erwerbslosen aus dem Produktionsprozeß ausge­schaltet bleibt und so lange diese Millionen als Konsu­menten ihre Rolle als Faktor des Wirtschaftslebens ebenso wenig zu erfüllen vermögen wie ihre Aufgabe als Mit­arbeiter am Werk des gemeinsamen Aufstiegs, wird jeder Plan einer Besserung der Weltlage sich als wirkungslos erweisen." Der Verfasser schlägt deshalb die Schaffung einer internationalen Gesetzgebung vor, durch welche in sämtlichen Kulturstaaten der Welt die mechanische Produktion gewissen Bedingungen unterworfen wird.In keinem Lande sollen die Maschinen länger arbeiten, als zur Herstellung der je­weils im Rahmen der bestehenden Verbrauchs- und Absatz­möglichkeiten benötigten Waren erforderlich ist." Eine inter­nationale Kontrollkommission soll die Arbeitsquoten der Maschinen aller Länder überwachen und in allen Ländern die Arbeitsleistungen der Mcnschenkraft in ein gesundes Verhältnis zu denjenigen der Maschinen setzen. Mit dieser Normalisierung der Arbeitszeit wäre bann ein erster und bedeutsamer Schritt auf dem Wege der Arbeitslosigkeits­bekämpfung getan, allerdings soll dadurch keine Unterbin­dung des natürlichen Expansionsbranges einzelner Wirt­schaftszweige eintreten. Die Finanzierung dieses großzügigen Planes denkt sich Tjarks etwa in der Weise, daß der Staat als Vertreter der Allgemeinheit jedem Unternehmer im Ver­hältnis zur Zahl der von diesem Beschäftigten so viele Mittel eine Zeitlang zur Verfügung stellt, als der Unternehmer für die Entlohnung seiner neuen Angestellten benötigt. Die Dauer der staatlichen Unterstützung ist nicht schematisch fest­zusetzen. Der Staat soll demfinanziellen Gesamtorganis­mus" seines Landes zu diesem Zweck eine neue Geldemission einverleiben, die für die Durchführung des Projekts in den einzelnen Ländern unerläßlich erscheint, wobei zu berück­sichtigen ist, daß eine solche Emission Sache des einzelnen Staates und seiner Währung sein soll und nicht etwa an die Schaffung einer internationalen Währung gedacht ist. Ob sich dieser Vorschlag einer zusätzlichen Notenemission in der Praxis durchführen läßt, bleibt abzuwarten.

durch die westlichen Gläubigerstaaten anregt. Die Gegen­werte für diese Kontingentslieferungen sollen für die schritt­weise Herabsetzung der landwirtschaftlichen Schulden Osteuropas verivendet werden.

Die offiziöse polnischeGazeta Polska" erklärt: Wenn eine solche oder ähnliche Erleichterung der Kreditlasten für die Agrarländer nicht erfolgen würde, müßte notgedrungen eine Konvertierung ihrer Schulden erfolgen. Da die meisten Staaten nur durch Sachverständige vertreten sind, die zu einer endgültigen Stellungnahme keine Ermächti­gung besitzen, dürfte die Konferenz sich mit Empfehlungen an den in Lausanne gegründeten Studienausschuß für die Agrarnöte der mittel- und osteuropäischen Staaten begnügen, der nach Stresa einberufen ist.

Frankreich fordert unbedingte Sicherheit

Herriot berichtet im Kabinettsrat über die Lage in Deutsch­land.

TU. Paris, 2S. Aug. Im Kabinettsrat am Mittwoch be­richtete der Ministerpräsident und Außenminister Herriot über die außenpolitische Lage. Der Minister für öffentliche Arbeiten, Da lädier, hielt anschließend einen Vortrag über die Eisenbahnfrage. Landwirtschaftsminister Gardey unterrichtete seine Kollegen über die ernste Lage auf dem französischen Getreibemarkt. Neben der kurzen amtlichen Mitteilung verlautet, daß Herriot sich in seinem Bericht hauptsächlich mit der Lage in Deutschland und ihren möglichen Rückwirkungen auf die deutsche Politik gegenüber Frankreich befaßt habe. Der Ministerpräsident soll hierbei erneut die unbedingte Sicherheit Frankreichs als oberstes Gesetz der französischen Politik bezeichnet haben, gleichgültig, ob Herr von Papen oder Hitler die Geschicke Deutschlands leite.

DerTemps" beschäftigt sich in seinem Leitartikel mit der Lage in Deutschland und wirst die Frage auf, ob es noch

möglich sei, nach dem Todesurteil von Beuthcn den Bürger­krieg zu vermeiden und ob ferner die Reichsregierung ge­zwungen sein werde, die Reichswehr gegn die Nationalsozia­listen aufmarschieren zu lassen. Das Blatt bezeichnet sowohl die Lage Hitlers wie die des Reichskanzlers von Papen als sehr ernst. Beide seien in tragischer Weis« gezwungen, eine schwere Verantwortung aus sich zu nehmen, um ihr Ansehen und ihren Einfluß im Lande zu retten. Beim Reichskanzler gehe es um das Ansehen der Regierung, während Hitler einen Teil seiner Anhänger einbüßen müsse, ivenn es ihm nicht gelinge, das Todesurteil abzuwenden.

D?e französischen Luftübungen

Paris, 25. Aug. Die großen französischen Luftübun­gen an der deutsch-französischen Grenze haben am Mittwoch abend mit einem Hauptangriff derfeindlichen Luftstreit­kräfte" auf Mürchingen, Metz, Reims usw. begonnen. Es gelang dem größten Teil der angreifenden Flugzeuge, die angenommene Grenze zu überqueren und die Angriffs­punkte zu erreichen. Sie wurden aber von den Horchpostert bald festgestellt und unter die Scheinwerfer genommen. Nur die bis Reims vorgedrungenen Bombenflugzeuge haben die Lperrlinie ohne bemerkt zu werden überquert und konnten nach Erledigung ihres Angriffs auf die Hauptgebäude der Stabt und die umliegenden Jirdustrien ungehindert den Rückzug nach Nancy antreten.

Die Beisetzung derNiobe"-Toten

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Kleine politische Nachrichten

Der neue Staatssekretär im Reichswirtschaftsministerinm. Als Nachfolger des zurücktretenden Staatssekretärs Tren­delenburg ist Geheimrat Schwarzkopf, bisher Direktor der Landeskreditkasse in Kassel, in Aussicht genommen. Geheim­rat Schwarzkopf war früher Vortragender Rat im Reichs­innenministerium. 191S übernahm er die Leitung der Le­vante-Linie. Im Jahr« 1921 wurde er mit der Organisa­tion des Reichswirtschaftsrates betraut. Gehcimrat Schwarz­kopf hat sich insbesondere mit Fragen des Jmmobilienkredits der Weltwirtschaft und des Welthandels befaßt.

Anklageerhebnng gegen Weiß «nd Heimannsberg. Die Staatsanwaltschaft 1 Berlin hat gegen die nicht mehr im Dienst befindlichen Polizeivizepräsidenten Dr. Bernhari Weiß und Polizeikommanbeur Heimannsberg Anklage wegen Vergehens gegen 8 9 der Verordnung des Reichs­präsidenten betr. die Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Großberlin und der Provinz Brandenburg vom 20. Juli 1932 erhoben.

Abschluß der dentfch-belgischen Kohlcnverhandlnngen. Die deutsch-belgischen Kohlenverhandlungen in Brüssel sind zum Abschluß gebracht worden. In dem Verhandlungsbericht wird nur von einem vorläufigen Abschluß gesprochen. Auf Grund der Vereinbarung ist in Aussicht genommen, die deut­sche Kohleneinfuhr nach Belgien vom Oktober ab herab­zusetzen gegen handelspolitische Zusicherungen Belgiens aus anderen Gebieten, lieber die Frage der Deutschland zu ge währenden Gegenleistungen wird erst im September verhan­delt werden.

Erzherzog Karl von Habsbnrg in Barcelona verhaftet Die politische Polizei verhaftete nach einer Meldung aus Barcelona den Erzherzog Karl von .Habsburg Bourbon, den Sohn des verstorbenen Erzherzogs Leopold unter dein Ver­dacht, an dem letzten Militärputch beteiligt gewesen zu lein.

Französische Trnppenabteilnng in Mauretanien nieder­gemetzelt. Nach einer Meldung aus St. Louis de Senegal ist eine französische Truppenabteilung in Nordmauretanien von einem kriegerischen Eingeborenenstamm überfallen und niedergemetzelt worden. Die Eingeborenen die man als vollkommen unterworfen angesehen hatte, haben sich plötzlich erhoben und in der Nähe von Nukchott eine französische Ab­teilung überfallen. Zwei Offiziere und drei europäische Sergeanten sowie 17 Senegaljäger fanden den Tod.

Bor Beilegung des Streites zwischen Argentinien und Uruguay. Wie aus Montevideo gemeldet wird, ist mit einer baldigen Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen Uruguay und Argentinien zu rechnen. Um eine freundschaftliche Beilegung des Streites mit Argentinien herbeizuführen, beabsichtigt die uruguayische Regierung, ihren bisherigen Botschafter in Buenos Aires, Aguirre, so- wie den bisherigen Außenminister Blanco, die den Argenti­niern am wenigsten genehm sind, auf anderen Posten zu be- schäftigen.