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Nr. 199 Freitag, den 26. August 1932 Jahrgang 105
Die Wirtschaftspläne der Reichsregierung
Bekanntgabe des neuen Wirtschaftsprogramms am Sonntag — In Erwartung
tiefgreifender Regierungsmaßnahmen
TU. Berlin, 26. Aug. Am Donnerstag nachmittag empfing Reichskanzler von Papen eine Reihe von Jndnstrie- führern, u. a. die Herren Krupp von Bohlen und Halbach, Geheimrat Bosch und von Siemens. Die Besprechungen galten dem Wirtschaftsprogramm der Reichsregierung. Im Zusammenhang mit dieser Unterredung berichtet der „B e r l i n e r B ö r s e n k u r i e r", daß man entgegen den offiziellen Versicherungen, daß kein Rückfall in planmirtschaftliche Tendenzen zu erivarten sei, in Kreisen der genannten Wirtschaftsführer offenbar gegenteisige Befürchtungen habe. Das Blatt fährt fort: „Es verlautet, die Negierung erwäge, das große Arbeitsbeschaffungsprogramm, das Landrat Dr. Gereke, der zum Reichskommissar für Arbeitsbeschaffung ausersehen ist, entworfen hat, entweder durch eine dreiprozentige Vermögensabgabe oder durch eine drciprozentige Z w a n g s a n l e i h e zu finanzieren. Auf der Grundlage von zusätzlichem Geld soll die Wirtschaft in einem solchen Maße angeknrbelt und steuerkräftig gemacht werden, daß infolge der zu erwartenden starken Gelürückflüsse zur Reichsbank und zu den Staatskassen keine Jnflationsgesahr entstehen würde".
Auf Anfrage an unterrichteter Stelle wird darauf hingewiesen, daß über den Inhalt der Besprechungen zwischen dem Reichskanzler und den Jndustrieftthrern völliges Stillschweigen vereinbart worden ist. Aus der Meldung des Börsen- kurters können daher keinerlei Schlüffe auf den Gang der Besprechungen oder auf die Pläne der Reichsregicrung gezogen werden. Wie der Börscnkurier ergänzend zu seinen Informationen über die angeblichen Pläne der Reichsregic- rung bezüglich der Finanzierung,HeL, .Arbeitsbeschaffungs- Programms meldet, soll die endgültige Entscheidung über diese Fragen am heutigen Freitag falle». Es scheine beabsichtigt zu sein, von der breiprozcntigen Zwangsanleihe auf das Vermögen die Industrie, ö. h. das festliegendeKa- pital, auszunehmen. Es könne natürlich zu Schwierigkeiten bei der Zwangsanlcihe kommen, als es den Steuer- bclastcten manchmal nicht möglich sein werbe, die erforderlichen Summen bar aufznbringen. In solchen Fällen würbe, wie man annehmen könne, eine Stundung gewährt werden und es gebe ja für das Reich Wege, seine mobile Forderung in Lombarbkredite umzuwandcln.
Anfang nächster Woche Berichterstattung des Reichskanzlers in Neudeck.
Der Reichskanzler wird, wie der „Lokalanzeiger" berichtet, wahrscheinlich anfangs der nächsten Woche dem Reichspräsidenten in Nendeck einen Besuch abstatten. Er werde über die Beratungen des Kabinetts und den Inhalt der Notverordnung, die die Maßnahmen des Aufbanprogramms enthält und deren Veröffentlichung für Ende nächster Woche vorgesehen ist, Bericht erstatten. Außerdem werde der Reichskanzler mit dem Reichspräsidenten die gesamte politische Lage besprechen. Wahrscheinlich werde der Reichskanzler zur Zeit der formalen Eröffnung des Reichstages sich in Neudeck aufhalten.
Die Haltung des Kabinetts von Papen
In längeren Erörterungen beschäftigt sich die „DAZ." offenbar auf Grund guter Informationen mit der Haltung und den Plänen des Neichskabinetts. Mit Recht, so schreibt das Blatt, wird der Bekanntgabe deS Wirtschastsprogramms durch Reichskanzler von Papen am Sonntag in Münster von allen politischen Kreisen das größte Interesse entgegen- gebracht. Die Spannung, mit der man dem Ergebnis der Kabinettsberatungcn entgegensieht, wird nicht enttäuscht werden. Es wird sich um wichtige» tiefgreifende kühne Maßregeln handeln, und zwar in einem wcitcrgespannten Nahmen als das bisher erwartet worden ist. Daß der Wechsel aus dem Posten des Staatssekretärs im Rrichswirt- schaftsministerium keinen Kurswechsel bedeutet, dürfte sich aus der Bekanntgabe des Wirtschaftsprogramms ergeben, an dem ja Dr. Trendclenburg noch bis zuletzt mitgearbeitct hat. Daß die Machtbestrcbungcn bestimmter gewerkschaftlicher Gruppen und die Versuche, von hier aus auf das Kabinett Einfluß zu nehmen, fortdauern werden, ist unschwer vorauszuschen. Es ist aber heute mehr denn je ausgeschlossen, daß diese Druckversuche eine Acndcrung der Linie des Kabinetts bewirken können. Die Befürchtungen, die in manchen Kreisen gegen die Rolle des Generals von Schleicher gehegt werden, sind durchaus nicht zutreffend. Es ist einwandfrei fcstzustellen, daß beispielsweise die Verhandlungen des Reichswehrministers mit Vertretern der Nationalsozialistischen Partei dauernd im Aufträge des Reichskanzlers und des Reichskabinetts erfolgt sind. Es kann auch keine Rede davon sein, baß hierbei Vereinbarungen zustandegekommen wären, die sich gegen die bisherige Linie des Kabinetts richten, im Gegenteil: Die Besprechungen sind
zur Enttäuschung der Nationalsozialisten durchaus negativ verlaufen, was übrigens auch für die zwischen den Parteien unternommenen parlamentarischen Fühlungsversuche gilt, die zwar noch anhalten, aber allgemein als nicht mehr er- folgverheißcnd beurteilt werden. Ueber die weitere inner- politische Entwicklung einschließlich der Frage, ob etwa später eine Beteiligung der Nationalsozialisten an dem Reichs- kabinctt durchführbar sein sollte, wird man wohl erst nach der Auflösung des Reichstages klarer sehen können, die sofort erfolgen wird, falls sich eine Mehrheit für Aufhebung der Notverordnungen zusammensinden sollte. Also ohne die Abstimmung über die Mitztrauensanträge abzuwarten. Die Auflösung ist infolgedessen mit großer Wahrscheinlichkeit für den 3. oder 4. Tag des neuen Parlaments zu erwarten.
Zentrum und kommende Reichstagssitzung.
Unter Hinuzeis auf die Mittwochbesprechungen führerider Zentrumspersönlichkeitcn in Stuttgart bemerkt die „German ia" u. a.: Alle Bemühungen der Zentrumspartei werden schon heute darauf gerichtet sein, einen verfassungsmäßigen Ablauf der kommenden Dinge' mit allen Mitteln sicher zu stellen. Wenn die Reichsregicrung das Festhalten ihrer Position und in Verbindung hiermit auch die sofortige Wiederauflösung des Reichstages mit dem Hinweis darauf zu begründen sucht, daß der Reichstag keine arbeitsfähige Mehrheit aufweise, so ist das vorläufig doch wohl noch.keine Tatsache, sondern nur eine subjektive Vermutung, die noch keineswegs bestätigt ist. Ein wirklich arbeitsunfähiger Reichstag würde zweifellos ein negativer Faktor sein, der die kommende Entwicklung sehr ungünstig beeinflussen würde. So wertvoll dieses Argument für die Reichsregierung zu sein scheint, mit dem sie sich Handlungsfreiheit für sehr ungewisse Unternehmungen zu gewinnen sucht, so wichtig sollte es für den Reichstag sein, dieses Argument zu widerlegen. — Das Blatt kündigt weiter an, die Zentrumspartei lege Wert darauf, daß die Neichstagstagung wegen des Deutschen Katholikentages in Essen sofort unterbrochen wird. Der Reichstag würde dann etwa am Dienstag, den 6. September, seine Beratungen fortsetzen.
TU. London, 26. Aug. Die rechtlichen Untersuchungen im englischen Außenamt über die deutschen Gleichheitsansprüche in der Nüstungsfrage haben nach eingehender Prüfung der verschiedenen in Frage kommenden Verträge lVersailler Vertrag, Brief Clemenceaus an die deutsche Abk,dnung in Versailles, Locarnovertrag) ergeben, daß an der juristischen Berechtigung der deutschen Forderung kein Zweifel mehr bestehen kann. Man sei sich im englischen Außenministerium, so versicherte ein hoher Beamter, dem Londoner Korrespondenten der Telegraphen-Union, über die ethische und juristische Berechtigung der deutschen Gleichheitsansprüche vollkommen klar und man stehe den deutschen Wünschen auf Beseitigung der diskriminierenden Bestimmungen durchaus verständnisvoll gegenüber.
Die anfänglichen Bedenken, die man zuerst beim Ausweisen der deutschen Forderungen gehabt habe und die Befürchtungen, daß sie zu einer ungünstigen Rückwirkung auf die internationale Lage führen könnten, hätten sich glücklicherweise nicht erfüllt und man sei jetzt in London der Ansicht, daß kein Schaden angerichtet sei. Das beste was man von der Abrüstungskonferenz im Augenblick erhoffen könne, sei, daß sie sich im Rahmen der letzten Entschließung Punkt für Punkt weiter entwickeln werde. Man sei sich aber darüber vollkommen klar, daß nur langsam Fortschritte gemacht werden könnten. Die englische Diplomatie sei sich — ohne daß bisher amtliche Schritte in London unternommen worden seien — über die deutschen Ziele klar und rechne damit, daß die Deutschen, vielleicht schon bald, sicherlich aber nach Wiederaufnahme der Genfer Verhandlungen und voraussichtlich innerhalb des allgemeinen Büros die Frage der Gleichberechtigung aufwerfen würden, obwohl dieser Punkt nicht in der Entschließung enthalten sei. Man habe ihn — wie auch die französische Sicherheitsforderung — aus naheliegenden Gründen absichtlich aus der Entschließung weggelassen.
Bet aller Würdigung der deutschen Absichten gebe man sich aber in London -er Hoffnung hin, daß die deutsche
Tages-Spiegel
Reichskanzler von Papen hatte gestern mit Vertretern de» Industrie eine Besprechung über das neue Wirtschasts» Programm der Reichsregierung, das tiefgreifende kühne Maßnahmen enthalten soll.
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Das Wirtschaftsprogramm wird am kommenden Sonntag in seinen großen Umriffen durch den Kanzler bekannt, gegeben werden.
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In England erkennt man die deutschen Ansprüche auf Gleich» berechtig«»« in der Rttstungssrage an. Aus Paris ver» lautet, baß in dieser Frage Verhandlnügen mit Berli« stattgefnnden hätten.
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Der russische Botschafter in Paris hat erneut wegen Abschluß eines französisch-russischen Nichtangriffsvertrags mit -er französischen Regierung Fühlung genommen.
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Der japanische Außenminister gab die Anerkennung der mandschurischen Negierung durch Japan bekannt und wies Chinas Ansprüche zurück.
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Der Führer des letzten spanischen Anfstandes, General Sanjurjo, wurde zum Tode verurteilt, jedoch von der Regierung z« lebenslänglicher Kerkerstrase begnadigt.
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In Berlin starb im Alter von SS Jahren der Führer des Christ!. Sozialen Volksdienstes, v. Reinhard Mumm.
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Mit einem feierlichen Festakt im Rathaus wurde in Nürnberg das Gnstav-Adolf-Jahr eingeleitet.
am 81. August ablaufende Verordnung über Len Burgfrieden zu verlängern. Sollte sich später eine Wiederholung der Verordnung als notwendig erweisen, so kann immer wieder auf sie zurückgegriffen werden.
Klara Zetkin
TU. Berlin, 26. Aug. Die kommunistische Reichstagsfraktion hat dem Reichstagsbüro mitgeteilt, daß die kommunistische Abgeordnete Frau Klara Zetkin den Reichstag als Alterspräsidentin eröffnen werde.
Die kommunistische Reichstagsfraktion hat im neuen Reichstag mehr als SO Anträge eingebracht.
Politik unter Berücksichtigung der internationalen Lage ihre Geduld nicht verlieren, sich bei Vorbringung ihrer Forderung des größten Taktes und Geschickes befleißigen und sich der weiteren Entwicklung auf der Abrüstungskonferenz anpassen werde. England sei zwar an deutsch-französischen Verhandlungen zur Regelung und BefriedV,ung der europäischen Verhältnisse nicht unmittelbar interessiert, werde diese aber doch begrüßen, da sie zurzeit die einzige Aussicht auf mögliche Fortschritte in den allgemeinen Abrüstungsverhandlungen böten.
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Deutsch-französische Verhandlungen über die Gleichberechti- gnngsfordernng?
Einer Pariser Havasmeldung zufolg« hat der Berichterstatter des Auswärtigen Kammerausschusses, Fribourg, im Auftrag der französischen Regierung in Berlin Verhandlungen mit Papen, Schleicher und Bülow über die deutsche Forderung auf Gleichberechtigung gehabt.
Der Vorsitzende des Heercsausschuffes der französischen Kammer und Abrüstungsdelegiert« Oberst Fabry veröf. fentlicht am Donnerstag im „Jntranstgeant" einen Leitartikel, in dem er u. a. erklärt, daß Deutschland nur darum sein« Gleichberechtigungsforöerung so lärmen- aufstelle, weil es die Aufmerksamkeit der Welt von seiner bereits erfolgten Wiederaufrüstung (!) ablenken wolle. Das Reich könne gewisse Forderungen aufstellen, man müsse den deutschen Gene- ralftab jedoch Saran erinnern, daß er einen großen Teil dieser Forderungen bereits heimlich verwirklicht habe. Jetzt sei es an der Zeit, den d e u t s ch e n R ü st u n g s st a n d g e n a n fcstzustellen. Ohne eine vorherige Auseinandersetzung könne Frankreich auf dem Abrüstungsiveg« nicht weiter fortschreiten. Es sei eine Utopie, von einer Gleichheit zwischen Frankreich und Deutschland zu spreche«. Eines der beiden Länder müsse immer stärker und das andere schwächer sein. Di« Frieöensverträge, Gerechtigkeit und Vernunft forderten das Uebergewicht für Frankreiöü wäbrend Deutschland es für sich in Anspruch nehme.
Keine Verlängerung des Burgfriedens.
Wie aus Berlin verlautet, wird nicht daran gedacht, die
Für Gleichberechtigung in der Rüstungsfrage
England anerkennt die deutschen Gleichheitsansprüche — Deutsch-sranzösische
Verhandlungen?