Frankreichs „Friedenswille"
Ski KkwgSWWister, der den Völkerbund lobt — Was der Franzose unter „Wachsamkeit" alles versteht
Von Dr. Er
Mit d« Ernennung des früheren Marxisten Paul Bon- I««r zmn Hriegsminlster.hat Frankreich zweifellos einen ^VoÄ zum Gärtner gemacht. Dieser gerissenste Saboteur des iMrüstungsgedankens hat Frankreich im Verkauf der letzten AaHre mehr genützt, die militärische Vormachtstellung in Europa und der ganzen Welt unter dem Deckmantel unerschütterlicher Friedensliebe auszubauen, als jeder andere i französische Staatsmann. Höchstens ein Diplomat wie Ari- isttd« Brianb verfügte über eine ähnliche Rabulrstik wie Boncour, doch besaß er nicht die gleiche Unverfrorenheit, die :We!t über die wahren „Sriegszi«^" Frankreichs wifientlich zu täuschen, wie dieser Marxist, Paul Boncour war es, der, während er sich in etnem künstlich geschaffenen Grstrüpp von Haupt- und Untsrausschußsitzungen der Angriffe aller wahren Friedensfreunde gegen seine Gabotagepolitik zu er- iwehren hatte, sich gleichzeitig maßgeblich an der Vorarbeit jfttr die französische Heeresreform beteiligte. Er, der Marxist, jder Pazifist, der i« unge-
!hA«erlicher Weise bi« Sache de» WÄWÄens und der Alt- ^ «Brüstung.
Es gab Staatsmänner, die schon im voraus das Zer- stsrungsmerk Paul Boneours in der vorbereitenden Ab- ^stungskonferenz deutlich erkannten, aber ihre warnenden »mmen verhallten wie die von Predigers in der Wüste. So zitierte gelegentlich der Russe Tschitscherin eine überaus bezeichnende Stelle au« etnem Bericht des amerikanischen Botschafters Houghto« an de« Präsidenten Looltdge. Sie plantet: „Die vorbereitende Abrüstungskommission wirb in ^rnf zusammentreten, wenn sie überhaupt jemals zusammen- stchten wird, um Vorschläge zu untersuchen, über die eine Verständigung weder erwünscht noch vorgesehen ist und die suttt dem Ziel formuliert sein werbe«, den Mißerfolg des "Unternehmens zu sichern.*
Heute steht Frankreich am Ziel seiner Wünsche. Die überlegende Mehrheit der im Völkerbund vertretenen Staaten h^t unlängst den Entschließungsentwurf des Autzsumtnisters Dr. Benesch gutgeheißen, einen Entwurf, der eine» allgemeinen Triumph der französischen Sicherheitsthese über die der allgemeinen Abrüstung barsteltt. Rach französischer Lesart wurde damit eine „Verständigung" der meisten Bölker- ! bnndsstaaten in der Abrüstungssrage erzielt. Wer sich diese Tatsachen vergegenwärtigt, verstecht auch, weshalb Paul ^ Boncour in seiner Eigenschaft als französischer Kvisgs- mintster es für angebracht hielt, jüngst bet der Einweihung -es Beinhauses von Douaumont dem Völkerbund in aller Oeffentlichkeit ein Lob dafür zu zollen, daß dieser „die berechtigten Ansprüche Frankreichs auf vollkommene sl) Sicherheit" so bereitwillig anerkannt hatte.
Paul Boncour stieß bei dieser Gelegenheit ins gleiche Horn wie früher Poincars. Im Namen der Regierung
nst Rolo f f ^
Herriot — der Name H»e«iot,hat längst aufgehört, in der Weltöffentlichkeit als der, eines Aie dxn Weundes
zu gelten! — verflieg sich der Marxist sogar zu
der Erklärung, daß keine MaA her ^lt Frankreich davon abbringen werbe, für seine „WÄ'erhett" zu sorgen. Frankreich lehnL jede Schwä chung Mne r W^ rmaM ab, so lange der Friede nicht gefestigt s?i. Jn ähnliohem^Srnne verbreitete sich auA der französische Dt'acttsMäsibent LÄrun über die lächerliche französische Sicherheitsthese, und als Dritter im trauten Bunde gallischer Friedensapostel sprach Herriot von der „absoluten Fricdselrttgkeit Frankreichs". „Aber in seiner Wachsamkeit wird sich Frankreich durch keinen wie auch immer gearteten Zwischenfall stören lasten", sagte er wörtlich.
Es erhebt sich die nur auf den ersten Blick selbstverständlich erscheinende Frage: Was versteht der Franzose eigentlich unter dieser „Wachsamkeit"? Der Durchschnittsfranzose ist der Ansicht, sein Vaterland werbe von verschiedensten Mächten ständig bedroht: Durch Revanchepolitiker in Deutschland, durch amerikanische Wbrüstungsfanatiker, durch ehrgeizige italienisch« Annekttönisten und die Doppelzüngigkeit englischer Arbetterparteiler. KriegsächtungSpakte und „Gentleman-Agreements" feien nur dazu da, die französische Oeffentlichkeit in Sicherheit zu wiegen und damit die Wachsamkeit des französischen Volkes herabzusetzen. Man glaubt für diese hirnverbrannte Ansicht Beweise zu haben: Das Verhalten der Reichswehr und der deutschen Wehrverbände sowie das Anwachsen der deutschen Zivilluftfahrt — Herrtot. hat gelegentlich sogar deutsche RadsÄhpovkolouue» als eis« Bedrohung der franzHßscheu Nation hingestelltl —, den angeblichen Druck der Amerikaner auf Her/rbsetzurrg der französischen Rüstungen, die „Nieder mit Aankeicht"-RÜse verantwortlicher italienischer Staatsmänner auf der letzten interparlamentarischen Konferenz tn^Gcnf, die undurchsichtige Maske Mac Donalds gegenüber FrankrÄch trotz Wiederbelebung der Entente Cordiale, und rvas dergleichen haltlose Phantastereien noch mehr s6rd. Wachsamkeit heißt unter diesem Eindruck für den Franzosen äußerst« militärische Kraftentfaltung, Mißtrauen gegenüber jedem anderen Staate und deshalb nur sehr bedingte, keineswegs, ivte Herriot es auszudrücken beliebte, „absolüte" Hriedsertigkeit! Nur um die Oeffentlichkeit in FMiEreich zu^beruhigK, gab kürzlich der RadikMvzialist Lamoreux in der Kammer die Erklärung ab, die französischen Grenzbefestigungen seien für jede feindliche Macht einfach unüberwind'lN. An übrigen schmeichelt es dem französischen Bürger, wenn ihm seine eigenen Regierungsvertreter bet jeder sich bietenden Ge- legcnheit versichern, Frankreichs Stellung an der Spitze der Zivilisation erfordere es, in einem aufgewiegeltcn Europa für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Daß in Wirklichkeit dte französische Rüstungspolitik alles anders als ruheförbernb ist, weiß heute allerdings die ganze Welt.
Kleine politische Nachrichten
Göhring über die nationalsozialistische« Forderungen TU. Stockholm, 11. Aug. „E§a Dagligt Allehanda" bringt am Mittwoch abend in großer Ausmachung eine Unterredung mit Hauptmann Göhring, der sich in Stockholm aufhält, um d^ Grab seiner schwedisch geborenen Frau zu besuchen. Göhring sagt dem genannten Blatt zufolge u. a., baß alle Führer der Nationalsozialisten von Berlin abwesend seien und deshalb in den nächsten Tagen keine politischen Entscheidungen zu erwarten seien. „Wir haben die absolute und selbstverständliche Forderung erhoben, daß Hitler Reichskanzler wirb. Außerdem ist es ja selbstverständlich, daß die nationalsozialistische Partei im Verhältnis zu ihrer Stärke eine Reihe anderer wichtiger Posten der Reichs
regierung besetzen muß. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird General von Schleicher auch in einer Negierung bleiben, in der Hitler Kanzler ist. Ueber von Papen kann man noch nichts sagen. Es ist falsch, wenn man behauptet, baß von Papen gegen die Nationalsozialisten feindlich gestimmt sei. Vermutlich wird von Papen an der neuen Regierung teff- nehmen, doch nicht als Kanzler. Das Wort hat jetzt der Reichspräsident."
Die Londoner Presse zur neuen Notverordnung.
TU. London, 11. August. Die neu« Notverordnung zur Unterdrückung politischer Ausschreitungen Hat in Ser Los- doner Presse durchweg Beifall gefunden. „TAily Te^WaH" sagt, die Tatsache, baß die Mehrhett üer deutschen PrMe R« Verfügung begrüße, sei em beredtes Zeugnis für den allgemeinen Zustand Ser öffentlichen Meinung nach den Aus
schreitungen der letzten Tage? Am BerfifffttnMag^w»rd» man sich dessen erinnern müssen, daß das Denkmal der Demokratie schon halb verfallen sei und vollständiger Zerstörung entgegengehe. „Morningpost" bedauert, daß es Hitler nicht in vollem Umfang gelungen sei, unbotmäßige Elemente aus seinen Reihen seruznhalten. „Daily Expreß" sagt, wenn alle schössen, sei es Pflicht der Regierung, zuerst zu schießen uitt> dte Gangster aller Parteien zu unterdrücken. Jede Regierung, h<Hßt es in der liberalen „News Chroniole", die noch Selbstachtung habe, müsse alle Schießereien unterdrücken.
Frankreich und die italienischen Flottenmanöver - Auch Italien fordert Sicherheit
TU. Rom, 11. Aug. Ein Teil der französischen Presst hat dte Manöver der italienischen Kriegsschiffe, die seit einigen Tagen zwischen der afrikanischen und der süd- italienischen Küste stattfinden, zum Anlaß durchsichtiger An- griffe gegen Italien genommen. Die Darlegung der angeblichen „italienischen Gefahr" im Mittelmeer führt weiterhin zu dem üblichen Sicherheitsstreit. Die faschistische Presse beruft sich demgegenüber auf die französischen Manöver, dte zu Lande und zu Wasser in unmittelbarer Nähe Italiens stattgefunden haben und wieder dort vorgesehen seien. Wenn dt« französische Flotte dte Beherrschung des MittelmeereS studiere und den Transport ganzer farbiger Heere übe, dann sei bas angeblich „Verteidigung". Wenn aber Italien durch Manöver die Verteidigung seiner Küsten und die Sicherstellung der Verpflegung des Landes übe, so sei bas an» gebltch „Angriff". Im übrigen finden die römischenDlätter, es sei an der Zeit, baß auch Italien von seiner Sicherheit zu reden beginne.
Der erste Inder als Gouverneur »
Darbar KhanStkhander Hayat-Khan wnrH» zum Gouverneur der indischen Provinz Pnnjab ernannt.
SS ist dies das erste Mal, daß ein Inder Gouverneur einer indischen Provinz wurde.
Bolivien verlangt Wiederherstellung des früher«« Goh i etS -
st« «des.
TU. B«e«os-Aires, 11. August. Meldungen aus La P«z zufolge hat die Regierung von Bolivien den neutralen Mächten gegenüber ihre Bereitwilligkeit zur EinstMung der Feindseligkeiten erklärt, wenn die GMeisverhältniffe wieder heogestellt werde«, die vor Eröffnung der Feindseligkeiten bestanden. Die Regierung bittet um Antwort, ob Paraguay und dte neutralen Mächte sich damit einverstand«« er- Der Schritt Boliviens erfolgte auf die Aufforderung Her. Bereinigten Staaten, Mexikos, Kubas und Kolumbiens Hin, von Mittwoch ab alle militärischen Operationen einzustsllen.
Unbestätigten Meldungen zufolge wurden in Bolivien 8 Arbeiter wogen Kundgebungen gegen den Kri»g erschossen. Zwischen Studenten -er verschiedenen Richtungen haben eiwste Zusammenstöße stattgefunden.
Argentinien hat seine Militärmission ans Paraguay zum Zeichen strengster Neutralität zurückgezogen.
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30)
„Ich bitte dich um Erlaubnis, meinen Vater fragen zu dürfen, ob Viola sein Kind ist."
Georg wußte, daß es die schwerste Frage war, die er an seinen Vater richten konnte, aber es mußte sein.
„Tun Sie, was Sie für recht halten."
„Erhole dich, Jram Lahors, du hast mein Wort, daß ich das Recht deiner Enkelin in jeder Weise vertreten
werde."-
Georg trat aus dem Tempel, Viola eilte an das Lager ihres Großvaters, und die Geschwister schritten nebeneinander dem Herrenhause zu.
„Was hat dir der Mann gesagt? Du bist ganz verstört."
„Verzeih, wenn ich jetzt nicht spreche, vielleicht ist mir «ine Welt in Stücke gegangen."
Agnes fragte nicht; schweigend setzten sie den Weg fort.
Als sie eben aus dem alten Park heraustreten wollten, kam ihnen ein Reiter entgegen, der anscheinend vom Herrenhause herkam, in einen Regenmantel eingehüllt war und den Kragen derart hochgeklappt hatte, als wolle er sein Gesicht verbergen.
Trotzdem erkannte ihn Georg.
„Das war Onkel Herbert; sein Gesicht war ganz Verstört." . '
„War er wohl bei Vater?"
„Warum der Regenmantel bei dem strahlenden Wetter?"
„Wer weiß, was er in Khnau wollte, nachdem Vater «s Uuu verboten^" ' ^
Jetzt sahen sie die Mutter, die ihnen im GestzräA mit denl katholischen Ortspfarrer AMbrofiuS entgegemrat.
„Ist Vater daheim?"
„Er war noch immer nicht wohl und blieb in seinem Zimmer."
„War Onkel Herbert hier?"
Die Mutter lachte:
„Ich denke, der traut sich nicht mehr nach Kynau!"
Die Geschwister hielten es nicht für nötig, die Gräfin unnütz zu erschrecken; als sie aber nun dem Herrenhaus« zuschritten, stürzte ihnen der alte Heinrich, der von den Aisthäusern kam, entgegen:
„Gnädiger Herr Graf — ein Unglück — die Anna ist von einem Auto überfahren!"
„Ich komme!"
Georg rannte in daS Herrenhaus, lief die Treppen empor, ging nicht erst zum Vater hmein, holte einige Medikamente, die er als Chemiker besaß, und den Verbandskasten und kam sofort wieder herab, um dem Jnsthaus«, in dem Anna wohnte, zuzueilen.
Der alte Heinrich sprach mit der Gräfin und dem Pfarrer.
„Ich glaube, es wäre gut, wenn auch HoKvürden
„So schlecht steht es?"
„Ich fürchte, da ist alles verloren." . '
„Dann komme auch ich mit."
Ti« Gräfin und Pfarrer AmbrofiuS gingen noch N» den Jnsthäusern hinüber, während Georg und Agnes bereits bei der Anna waren.
6. Kapitel.
Die Tür wurde geöffnet, und Doktor Wendtland, der alte Landarzt, der natürlich wußte, daß Georg etwas von Medizin verstand, trat ein.
Der junge Graf streckte ihm di« Hand entgegen.
„Guten Tag, Herr Doktor. Ich fürchte, meiner gut«« Nährmutter ist Schlimme- widerfahren.
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Md ging mit ihm hinaus, während Doktor Wendtland und Agnes bei der Kranken zurückvlieben.
Jörge saß jetzt auf dem Holzklotz vor der Tür, und dicke Tränen liefen ihm über die Wangen. Georg lief erregt auf und nieder.
Nach einiger Zeit trat der Arzt wieder heraus.
„Nun?" i
„Da ist nichts zu machen. Der Leib sieht schlimm aus^ l»s Rad ist über ihn hinweggegangen und hat die innere« irgane übel zugerichtet, es hat sicher ein Bluterguß statt« »sunden, wahrscheinlich sind Därme zerrissen."
„Eine Operation —?"
„Zwecklos. Ueberdies hat die Frau kaum noch Schmer^ m, die Empfindlichkeit der Gefühlsnerven im Leibe -st hon fast erstorben."
„Und man kann gar nicht- tun?" , ^
„Ich gebe ihr höchstens noch zwei Stunden. Nach dem iefund würde sie nicht einmal einen Transport m ^ schloß auShalten, und hier könte man sie nicht operieren. Georg ging wieder in das Zimmer zurück, und Jörge
»lat« ihm wortlos. ^
Annas Gesicht war in der kurzen Zeit noch viel mehr
erfüllen, sie schien schmerzfrei zu sein, auch ha te sie wohl ein Fieber. Agnes saß bei ihr und hielt ihre linke Hand. " -z beugte sich über sie. . ^
äst gar nicht so schlimm! Doktor Wendtland hat mir t, daß du bald wieder wohl sein wirst, nur das zerkochen« Bein muß erst heilen." .
Anna bewegte ganz langsam verneinend den nops von >r einen Seite zur andern und starrte Georg an.
„Ich danke dir herzlich für all deine Liebe und ich bitte ch, mrge für Jörge, er hat es um dich verdient. „
Georg achtete kaum darauf, daß Anna ihn „du nannte. Vielleicht sah sie jetzt, in ihrer Sterbestunde, in ihm
jeder da- Kind. . . .. ^ n .
„Ich verspreche es dir, Anna, nie -«rde ich vergessen.
aß J^e mein Milchbruder war."