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Nr. 166
Dienstag, den 19. Juli 1932
Jahrgang 105
Allgemeines Kundgebungsverbot im Reich
Die Reichsregierung trifft Maßnahmen zum Schutze der Staatsbürger und mahnt
zur Ruhe und Besonnenheit
TU. Berlin, IS. Juli. Amtlich wird mitgeteilt: Am vergangenen Sonntag ist eS wiederum an vielen Orten zu blutigen Zusammenstößen gekommen. In der weitaus überwiegenden Zahl der Fälle beruhen die Zusammenstöße auf Provokationen und hinterhältigen Ueberfällen von kommunistischer Seite. Um die unmittelbare Gefahr neuer Uevcrfälle auf öffentliche Umzüge zu verhindern, hat der Reichsminister des Innern mit dem heutigen Tage bis auf weiteres auf Grund der zweite« Verordnung des Reichspräsidenten über politische Ausschreitungen vom 28. 6. 32 ein allgemeines Verbot von Versammlungen unter freiem Himmel «nd Aufzügen erlassen. Die Reichsregierung ist entschlossen, alle Maßnahme« z« treffen, «m Leib «nd Leben der Staatsbürger gegen weitere Angriffe zu schützen und die freie politische Betätigung z« sichern. Sie erwartet von allen Teilen des Volkes, die auf dem Boden des Rechts stehen, Ruhe und Besonnenheit. Nur dann kann den bewußten Provokateuren blutiger Auseinandersetzungen wirksam das Handwerk gelegt werden.
Die Verordnung.
Die Verordnung des Neichsinnenministers vom 18. Juli über das Demonstrationsverbot hat folgenden Wortlaut: Auf Grund des Paragraphen 2 der zweiten Verordnung des Reichspräsidenten gegen politische Ausschreitungen vom 28. Juni 1932 — Reichsgesctzßblatt I Seite 339 — wird mit Wirkung für das Reichsgebiet folgendes verordnen
8 1.
1. Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge sind bis auf weiteres verboten.
2. Das Verbot gilt nicht für Versammlungen unter freiem Himmel, wenn sie in festumfriedeten, bauernd für Massenbesuch eingerichteten Anlage« stattfinden und ihr Besuch nur gegen Eintrittskarten zugclassen ist. Auf Versammlungen dieser Art findet die Verordnung des Reichsministers des Innern über Versammlungen und Aufzüge vom 28. Juni 1932 sNeichsgesetzblatt I S. 339) Anwendung.
8 2 .
1. Mit Gefängnis, neben dem auf Geldstrafe erkannt werden kann, wird bestraft:
s) Wer unter Zuwiderhandlung gegen das Verbot des Paragraphen 1 eine Versammlung unter freiem Himmel ober einen Aufzug veranstaltet oder leitet oder dabei als Redner auftritt.
b) Wer für eine Versammlung unter freiem Himmel, die nach Paragraph 1 verboten ist, den Platz zur Verfügung stellt.
c) Mit Geldstrafe bis zu 160 Rm. wird bestraft, wer an einer Versammlung unter freiem Himmel oder einem Aufzuge, die nach Paragraph 1 verboten sind, teilntmmt.
8 S.
Diese Verordnung tritt mit ihrer Verkündigung in Kraft. Die Presse zum Demonstrationsverbot
Zum Demonstrationsverbot der Reichsregierung nehmen die Berliner Bl 8 tter eingehend Stellung. Die „Ger -
Die vertagte Abrüstungskonferenz
Französisch-englisch-amerikanische Einigung in Genf
Keine Berücksichtigung der dentschen Gleichberechtigung
TU.Gens, 19. Juli. Zwischen Herriot, dem englischen Außenminister Simon und dem amerikanischen Botschafter Gibson haben am Montag unter Hinzuziehung von Be- nesch eingehende Besprechungen über die Vertagungsentschließung der Abrüstungskonferenz stattgefunden. Man erklärt in französischen Kreisen, daß im großen weitgehende Uebereinstimmung erzielt worden sei. Zu den Verhandlungen sind die deutschen Vertreter nicht zugezogen worden.
Ministerpräsident Herriot hat am Montag abend der französischen Presse nachfolgende Mitteilung über den gegenwärtigen Stand der Abrüstungsverhandlungcn gemacht: In Besprechungen zwischen der französischen, der englischen und der amerikanischen Abordnung ist im großen erne grün d s ä tzliche Einigung zustande gekommen, das künftige Abrüstungsabkommen zu einer wesentlichen Herabsetzung der Rüstungen auf dem Gebiete der Luft- und Seewaffen und vor allem zu einer wesentlichen Einschränkung der Angriffswaffen führen loll. In den grundsätzlichen Punkten ist ein Ergebnis erzielt worden, bas weitgehend dem französischen Standpunkt Eragt 0). In der Bertagungsentschließung der Abrüstungskonferenz wird festgestellt, daß in der ersten Phase oer Konferenz über folgende Punkte eine allgemeine Einigung erzielt worden Ist:
o ?Egrenzung der Tonnage der Tanks.
. Verbot -sc Gas-, chemischen und Branbwaffe«.
mania" spricht von einer späten Erkenntnis der NeichS- regierung und einer Rechtfertigung für die Haltung der Minister der süddeutschen Länder. Die „Germania" glaubt, daß die Neichsregierung den bitteren Weg der Erkenntnis bis zum Ende gehen müsse. Dieses Ende werde das Ende der Uniformfreihcit sein. — Der „L o ka l a n z e i g e r" hebt hervor, die Schwierigkeit liege darin, daß fast alle von der Neichsregierung vorgesehenen Maßnahmen unter die Exekutive der Ländcrregierungen fielen. Die Wurzel des Uebels liege in dem Fortregieren der geschäftsführenben preußischen Staatsregierung und des von ihr abhängigen politischen Bc- amtenapparates. Deshalb müsse baldigst in Preußen ein Reichskonnniffar eingesetzt werden. — Die „Vossischc Zeitung" sagt, die Verordnung des Reichsinnenministcrs fei das Eingeständnis, daß ein Experiment mißglückt sei. Man müsse st chfragen, ob es sich wirklich gelohnt habe, den Gegensatz Reich-Länder auf die Spitze zu treiben, nur um am 18. Juli für das ganze Reich zu verbieten, was bis zum 28. Juni in den Ländern verboten gewesen sei. — Die „Börsenzeitung" meint, es bleibe abzuwarten, ob die Maßnahme der Neichsregierung den gewünschten Erfolg habe. Die Lage sei zu ernst, als baß die Reichsregierung sich scheuen dürste, Schritte grundsätzlicher politischer Art zu unternehmen, di« allein geeignet seien, den Terror der Linken wirksam zu bekämpfen und den nationalen Kurs auf weitere Sicht zu garantieren. — Die „Deutsche Zeitung" fordert ganze Arbeit. Dem Land könne nur Ruhe und Frieden gegeben werden, wenn die Reichsregierung den Reichskommissar in Preußen einsetze. — Der „Vorwärts" meint, das Ergebnis des Verbotes sei, daß auch die Nationalsozialisten auf Demonstrationen verzichten müßten und daß -er Wert der Uniformerlaubnis auf ein Miniinnm reduziert werde.
Die „Bayerische Staatszeitung" begrüßt die Wiederaufnahme des Demonstrationsverbots. Es bestehe aller Grund, -en verantwortlichen Neichsinnenminister für dies« Kehrtwendung zu belobigen und zu verhindern, daß unter dem Druck irgendwelcher Einflußnahmen dieser heilsame Beschluß wieder umgestoßen werbe. Damit sei auch das Spiel mit dem Gedanken einer Verhängung des Ausnahmezustandes auf militärischer Grundlage im Reich und in den Ländern hoffentlich zu Ende gespielt.
Der Reichskommissar sür den freiwilligen Arbeitsdienst
TU. Berlin, 19. Juli. Auf Grund der Verordnung über den freiwilligen Arbeitsdienst vom 16. Juli 1932 hat der Reichskanzler namens der Reichsregierung auf Vorschlag des Reichsarbeitsmtnisters den Präsidenten der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, Dr. Syrup, zum Reichskommissar für den freiwilligen Arbeitsdienst ernannt.
3. Schaffung eines ständigen Kontrollausschusses, der über die Durchführung des künftigen Abrüstungsabkommens wachen soll.
Ferner ist eine Uebereinkunft darüber erzielt worden, daß das am 22. September ablaufende Rüstungsfeier- jahr vorläufig auf vier Monate verlängert wird. Des weiteren ist vereinbart worden, daß neue Regeln des internationalen Rechts über besondere Strasmatz- nahmen gegen diejenigen Mächte geschaffen werden, die in Zukunft bas Abrüstungsabkommen nicht etnhalten. Weiter ist die Einsetzung eines besonderen AusschusserS für die Frage der privaten Waffenherstellung und des Waffenhandels erzielt worben.
Keine Einigung besteht über folgende drei Fragen: 1. Das Verbot der Bombenflugzeuge. Auf diesem Gebiet sind die Verhandlungen jedoch auf gutem Wege. 2. Die Beschränkung der effektiven Truppenbestände. In dieser Frage stoßen die Verhandlungen mit der amerikanischen Abordnung gegenwärtig noch auf große Schwierigkeiten. 3. In der Flottenfrage ist bisher noch keine Entscheidung getroffen. Herriot betonte weiter, daß man sich über eine wesentliche Herab- setzungderHeeresausgaben geeinigt habe. In der Vertagungsentschließung werde eine besondere Klausel angenommen werden, daß die in der ersten Phase der Abrüstungskonferenz erzielten Ergebnisse in keiner Weise weiter- gehenden AVrüstungSmaßnahmen in der zweiten Phase der Abrüstungskonferenz, insbesondere den Vorschlägen der einzelnen Abordnungen Vorgriffen.
AuS den Ausführungen Herriots geht eindeutig hervor, daß in den Alleinverhanülungen zwischen der englischen, der
Tages-Spiegel
Die Neichsregierung hat auf Grund der sich häufenden poli» tischen Zusammenstöße ein Kundgebungsverbot sür das ganze Reich erlassen.
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Der Reichskanzler hat Dr. Syrup zum Reichskommissar sür den Freiwilligen Arbeitsdienst ernannt.
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Der neue Direktor des Internationalen Arbeitsamtes» H. B. Butler, ist in Berlin eingetrofseu, um der Neichsregierung seine» Antrittsbesuch zu machen.
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In Genf ist zwischen Frankreich, England und Amerika eine Vereinbarung über die Behandlung dsr Abrttstuugssrage zustande gekommen. Die Frage der Gleichberechtigung Deutschlands wird geflissentlich umgangen.
Am Sonntag fand in Rumänien die Parlamentswahl statt, wobei die National-Zaranisten die Mehrheit der Sitze des Parlaments erlangte«.
Die Zahl der in Württemberg zur RcichStagswahl eingereichte« Kreiswahlvorschläge wurde vom Kreiswahlaus- schutz mit 28 festgestellt.
französischen und der amerikanischen Abordnung eine weitgehende Uebereinkunft erzielt worden ist, die offensichtlich in der Bertagungsentschließung als das Kernstück und die Grundlage des künftigen Abrüstungsabkommens erklärt werden soll. Wie zu erwarten war, ist die Frage der Gleichberechtigung bisher überhaupt noch nicht behandelt worden.
Vierzehn Todesopfer in Altona
TU. Altona, 19. Juli. Wie amtlich mitgeteilt wird, beziffert sich die Zahl der Opfer des Sonntags in Altona nach den bisherigen Feststellungen auf 14 Tote und 56 Verletzte. Von den Verletzten konnten bis Montag früh 27 wieder entlassen werden. Von den 29 noch im Krankenhaus Befindlichen sind 16 schwer und 13 leicht verletzt. Unter den Toten befinden sich 3 Angehörige der NSDAP., während es sich bei den übrigen Opfern um Zivilisten handelt. Unter ihnen befinden sich auch 8 Frauen.
Vom preußischen Innenministerium wird im Zusammenhang mit den Vorgängen in Altona darauf hingewiesen, daß die NSDAP, trotz der Warnungen der Polizei darauf bestanden habe, durch die Altstadt von Altona zu marschieren. Die Polizei habe diesem Verlangen nur zögernd stattgege- ben, um nicht den Eindruck zu erwecken, als ob die Demo», strationsfreiheit dieser Partei beengt werden solle.
Weitere Zusammenstöße
Am Sonntag kam es in Hessen wieder zu schweren Zusammenstößen zwischen Nationalsozialisten und politischen Gegnern. In Odernheim entstand bei einem Propagandamarsch der SA. mit Angehörigen eines Sportvereins eine Schlägerei. Von der Bürgermeisterei wird dazu mitge- teill, -aß die Turner mit Stühlen und Bierglasern auf die SA.-Leute einschlugen, die sich heftig zur Wehr setzten. — In Ser Nacht zum Sonntag wurden ferner auf der Landstraße zwischen Homberg und Nieder-Offleiden 54 Nationalsozialisten von etwa IM Kommunisten überfallen. Bon den SA.-Leuten wurden 12 Mann schwer verletzt.
Im Aachener Landkreis, in Euskirchen und in Ber- gtsch-Gladbach bei Köln kam es mehrfach zu kommunistischen Feuerüberfällen auf demonstrierende SA.-Leute: die Zahl der Verletzten ist glücklicherweise verhältnismäßig gering. In der Provinz Hannover beschossen Kommunisten einen mit SA.-Leuten besetzten Lastwagen, zwei Insassen wurden verletzt. Zu schweren politischen Unruhen kam es gestern mittag in Groß-Rosen sSchlesien) anläßlich eines Propagandamarsches der SA. Mitglieder der Eisernen Front griffen einen durch die Ortschaft marschierenden SA.-Trupp mit Aexten, Hacken und Revolvern an. Die SA. mußte der Uebermacht weichen und hatte einen Toten, einen Schwer- und drei Leichtverletzte.
Kommunistisches Sprengstofflager in einer Berliner Kleingarten-Kolonie anfgedeckt
In einer Berliner Kleingartenkoloni« wurde ein Spreng, stofflager von -er Polizei entdeckt. Der Besitzer des Sprengstoffes, ein Kommunist namens Abbrecht, wurde verhaftet. Der Sprengstoff wurde beschlagnahmt. Es handelt sich um etwa 6 Pfund Ammonit, einen Sprengstoff, -er von unge- heurer Durchschlagskraft ist. Außerdem fand man 6 Kapseln und 5 Schnüre. Teilweise waren bereits aus dem Sprengstoff Sprengkörper verfertigt worben, dt« mtt K Schnüre» «nd Sprengkapseln versehe« waren.