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Nr. 163

Freitag, den 15. 3uli 1932

Jahrgang 105

Der Wortlaut der Lausanner Sonderabkommen

England und Frankreich behalten sich die Rückkehr zur Rechtsgrundlage

des Joung-Plans vor

TU. Paris, 16. Juli. Das französische Außenministerium veröffentlichte am Donnerstag mittag den Wortlaut des Vertrauens-Abkommens, das in Lausanne zwischen Frankreich, England und Italien getroffen wurde. Das Abkommen lautet folgendermaßen:

Die Lausanner Abkommen treten erst nach der in diesen Abkommen vorgesehenen Ratifizierung endgültig in Kraft. Was die Gläubigermächte anlangt, in deren Namen dieses Schriftstück paraphiert ist, so wird die Ratifizierung nicht eher stattfinden, bis zwischen ihnen und ihren eigenen Gläu­bigern eine befriedigende Lösung erzielt worben ist. Sie ha­ben alle Freiheit, ihre Haltung vor ihren Parlamenten dar­zulegen. Im Wortlaut des Abkommens mit Deutschland wird dagegen nicht auf dieses Uebereinkommen hingewiesen werden. Wenn in der Folge eine befriedigende Lösung der eigenen Schulden erreicht worden ist, werden die Unterzeich­neten Gläubigermächte die Ratifizierung vornehmen, womit das Abkommen mit Deutschland Rechtskraft erhält. In dem Falle, in dem eine Regelung der Schulden nicht erzielt wer­den kann, wird das Abkommen mit Deutschland nicht rati­fiziert werden. Dadurch würde eine neue Lage entstehen, und die interessierten Negierungen würden sich darüber einigen, was zu geschehen hat. In diesem Falle wird die Rechtslage aller interessierten Mächte wie­der die werden, die vor dem Hoover-Morato- rium bestanden hat.

Dem LausannerGentleman Agreement" ist ein Begleit­brief des englischen Schatzkanzlers Chamberlain an den fran­zösischen Finanzminister Gcrmain Martin beigesügt, in dem es heißt:Im Falle der Nichtratifizierung des Laulan, «dkommens würde die Rechtslage aller beteiligten Regie­rungen zueinander wieder die sein, die nach den Bestimmun­gen des Haager Abkommens vom 20. Januar 1930 und des Wax-debth-Funding-Abkommens bestand. In diesem Fall würden die britische und die französische Regierung gemein­sam den dann geschaffenen Tatsachenbestand zu prüfen haben."

Der Wortlaut dieses Abkommens und des Chamberlain- Briefes lassen keinen Zweifel darüber, daß bei einem Schei­tern der Ratifizierung des Lausanner Vertrages die Alli­ierten zu den Rechtsgrundlagen des Haager Abkom­mens, also des Aoung-Planes, zurückkehrcn werden.

In Kreisen der R e i ch s r i e r u n g hat das heute ver­öffentlichteGentleman Agreement" der Lausanner Gläubi­germächte nicht überrascht/ obwohl die deutsche Abordnung in Lausanne über einen Abschluß dieses Abkommens nicht in Kenntnis gesetzt worden war, hatte sie sich doch darauf be­schränkt, zu verhindern, daß ein in diesem Abkommen gemach­ter Ratifizicrungsvorbehalt in das Lausanner Bertragswerk ausgenommen wurde. Demzufolge stellt das Gentleman Agreement eine einseitige Handlung der an der Trtbutsraae interessierten Mächte dar, die für Deutschland auch nicht bindend sein kann, sondern allei­nige Angelegenheit der Gläubigermächte ist. Wenn das Lausanner Vertragswert nicht ratifiziert werden sollte, hat der Präsident der Lausanner Konferenz, Macdonald, tatsäch­lich mehrmals sowohl in Lausanne, wie auch im englischen Unterhaus betont, dann wird es eine neue Konferenz geben! Aufgabe dieser neuen Konferenz würde eS bann zunächst sein, sich zu überlegen, wie das bann eingetretene Vakuum des Lausanner Vertragswerkes mit etwaigen neuen Abmachun­gen auSznfttllen wäre. Bezüglich des englisch-französischen

Vertragsabkommens, dem betzutreten auch Deutschland auf­gefordert wurde, hält man sich in Kreisen der Regierung an­gesichts der durchaus verschiedenen Auslegungen in Paris einerseits und in London andererseits noch sehr zurück. Man betont, daß auf jede« Fall keinerlei Behinderun­gen der deutschen Handlungsfreiheit in Frage kommen könnten.

Der englisch-französische Freundschaslspakt

Deutschland amtlich zum Beitritt anfgesordert Der Text des am Mittwoch im Unterhaus vekanntge- gebene« englisch-französische« Abkommens ist nunmehr dem deutschen Geschäftsträger in London übermittelt worden mit der Bitte der englischem Regierung, dem Abkommen beizutrcten.

Entgegen einer Meldung des Pariser Korrespondenten derTimes", daß der Wortlaut des englisch-französischen Konsultativpaktes den Vereinigten Staaten von Amerika mitgeteilt worden sei, wird von zuständiger eng­lischer Seite erklärt, daß das Abkommen ein rein europäisches sei und daß infolgedessen.für eine amt­liche Unterrichtung Amerikas kein Grund vorliege. Weiter wird von amtlicher englischer Stelle unter Berufung auf die Aeußerungen Macdonalds erklärt. Saß durch den Pakt die Handlungsfreiheit Englands in den Kriegsschuldenverhand­lungen mit Amerika in keiner Weise eingeschränkt sei. Von einer europäischen Einheitsfront gegenüber Amerika könne der ganzen Natur der Abmachungen nach keine Rede sein. Mit diesen amtlichen Erklärungen würde, so wird betont, Amtlich die in Deutschland bestehende mißverständliche mnaßung über das Ltonsnttativabkommen Le,eUigl j.u, ,v daß dem Beitritt Deutschlands nichts mehr im Wege stände. Eine Einschränkung der deutschen Hand­lungsfreiheit in der Abrüstung sei mit die­sem Pakt nicht beabsichtigt, sondern im Gegenteil dürfte Deutschland neue Gelegenheit haben, seine verschie­denen Revisionswünsche vor einem neuen Gremium zwangs­los vortragen zu können.

Italien «nd Belgien stimmen grundsätzlich dem Konsultativ­pakt

Londoner amtlichen Meldungen zufolge haben der italie­nische und der belgische Geschäftsträger am Donnerstag dem Foreign Office die grundsätzliche Zustimmung ihrer Regierungen zum Konsultattvpakt mitgeteilt. Der ita­lienische Geschäftsträger unterrichtete die englische Regierung davon, daß di« italienische Regierung ihre volle uebereinstim- mung mit den Gedanken, wie sie in der Erklärung vom 13. Juli hinsichtlich der europäischen Zusammenarbeit Large- legt sind, ausgeörückt hat und daß sie sich freue, ihre Zustim­mung zu der Art der vorgeschlagenen Behandlung der euro­päischen Fragen zu geben. Belgien ist debs Sonderabkom­men mit England und Frankreich bereits beigetreten.

Die Haltung Amerikas

Präsident Hoover: Die amerikanische Schuldenpolitik bleibt von den europäischen Sonderabmachnngen ««berührt Präsident Hoover hat an den Vorsitzenden des Auswär­tigen Ausschusses, Senator Borah, einen Brief gerichtet, in dem er erklärt, daß die Politik der Vereinigten Staaten in der Frage der europäischen Schulden weder durch das Gent­leman-Abkommen noch durch die Entente cordiale berührt werde.

Die Besprechungen in Neudeck

TU. Berlin, 15. Juli. Amtlich wird mitgeteilt:Reichs­präsident von Hinbenburg empfing gestern den Reichskanz­ler von Papen zum Bericht über die Lausanner Verhandlungen. Nach Entgegennahme des Vortrag? sprach der Reichspräsident dem Reichskanzler seinen Dank für die in Lausanne geleistete Arbeit aus und bat, diesen Dank auch den anderen Mitgliedern der Abordnung zu übermitteln. Hieran schloß sich ein gemeinsamer Vortrag des Reichskanzlers und des Neichsministers des Innern über innerpolitische Fragen."

Reichsinnenminister von Gayl trifft am Freitag früh von Neudeck kommend wieder in Berlin ein. Der Kanzler wird erst am Samstag in Berlin zurttckerwartet. Uever den Ausgang der Besprechung mit dem Reichspräsidenten hin­sichtlich der inncrpolitischen Fragen verlautet vorläufig noch nichts.

Die Sozialdemokraten protestieren

Otto Wels und Rudolf Breitscheid sandten nach­stehendes Telegramm an den Reichspräsidenten von Hin- «enburg nach Neuöeck:Die Unterzeichneten, Vorsitzender

der Sozialdem. Partei Deutschlands und Vorsitzender der bisherigen sozialdem. Reichstagsfraktion, erheben schärf­sten Protest gegen die Politik der Reichs­regierung, die innerhalb von 6 Wochen, nicht zuletzt durch die Aufhebung des SA.-Verbotes und die Freigabe ihrer Uniformen, bürgerkrtegsähnliche Zustände in ganz Deutschland ausgelöst hat. Die täglich wachsende Zahl von Toten und Schwerverletzten stellt die furchtbarste Anklage gegen eine Politik dar, die bestimmt wird durch offenkundige Bilanz des neuen Kurses der verfassungs­feindlichen NSDAP. Die öwöchige Bilanz des neuen Kur­ses ist gekennzeichnet durch eine Herabsetzung -er Existenzberechtigung für Millionen unter die Hungergrenze, durch eine Verwilderung der poli­tischen Sitten, die vor dem Leben der eigenen Volksgenos­sen «nd vor der Ehre wehrloser Frauen nicht Halt macht, durch eine Erschütterung der Reichseinheit und jeder Staatsautorität, wie sie selbst in den schlimmsten Nachkriegsjahren nicht in Erscheinung getreten ist. Das sind die Folgen einer fortgesetzten Begünstigung verfas­sungsfeindlicher Kräfte, während die Bemühungen verfas­sungstreuer Länderregierungen, Ordnung und Ruhe aus»

Tages-Spiegel

Vom französischen Anbemministerium ist das Sonderabkom­me» zwischen Frankreich, England «nd Italien veröffent­licht worden, nach welchem die Lausanner Abkomme« erst nach einer befriedigende« Regelung der Kriegsschulden dieser Staaten ratifiziert werden.

*

Ans dem Wortlaut des Sonderabkommens geht klar hervor, daß England «nd Frankreich sich im Fall eines Scheiterns die Rückkehr zur Rechtsgrundlage -es Nonngplans Vor­behalten haben.

Deutschland ist nunmehr offiziell anfgefordert worden, dem englisch-französischen Freundschaslspakt beizntreten. Ita­lien «nd Belgien haben ihre grundsätzliche Bereitschaft er­klärt.

*

Reichspräsident von Hindenvnrg hat dem Reichskanzler von Pape« seinen Dank für die in Lansanne geleistete Arbeit ausgesprochen.

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In Königsberg wurde der 15. Deutsche Stnbententag mit einem riesigen Fackelzng «nd einer Kundgebung für die Verbundenheit Ostpreußens mit dem Reich erössnct.

rechtzuerhalten, durch Maßnahmen der Reichsregierung durchkreuzt werden. Die Fortsetzung des bisherigen Kurses beschwört unabsehbare Gefahren für Reich und Volk herauf. Wir ermahnen vor aller Welt in letzter Stunde zu grund­sätzlicher Umkehr."

Zusammenstoß in Düsseldorf.

Die Polizeipressestelle Düsseldorf teilt mit: In der Nacht zum Donnerstag kam es auf der Hansa-Allee zu einer An­sammlung von Nationalsozialisten und Kommunisten. Nach » - - io^-v«r^Ber!-7's Tt-luen ge­

worfen wurde, fielen mehrere Schüsse, von Lenen einer den 23jährigen Peter Sonnen tödlich verletzte. Der Er­schossene stk Mitglied der KPD.

Die Arbeitsdienstverordnung vor dem Reichsrat

Berlin, 16. Juli. Die am Mittwoch vom Reichskabi­nett verabschiedete Verordnung über Len freiwilligen Ar­beitsdienst ist den Ländern zur Stellungnahme zngegangen. Am Samstag wird der Reichsrat die Ver­ordnung zur Kenntnis nehmen. Der Reichsarveitsminister will am Samstag abend im Rundfunk in der Stunde des Reiches Wer Sie Verordnung sprechen. Von zuständiger Stelle wird mitgeteilt, daß der Arbeitsdienst nicht nur die Unterstützungsempfänger umfassen, sondern allen arbeits­willigen jungen Leuten Gelegenheit geben solle, Arbeit zu leisten und sich geistig und körperlich zu ertüchtigen. Es könne nunmehr ein« wesentlich größere Menge von Menschen beschäftigt werden als bisher im freiwilligen Arbeitsdienst. Im Februar dieses Jahres seien im freiwilligen Arbeits- denst 69 900 Personen, Ende April nur noch 38 909 beschäftigt gewesen. Die Beschäftigung eines Mannes im freiwilligen Arbeitsdienst koste etwa 2 Mark am Tage. Bis Ende des Haushaltsjahres würde dies für 199999 Mann rund 59 Millionen ausmachen. Bisher stünden ftir den frei­willigen Arbeitsdienst 56 Millionen zur Verfügung. Es be­stehe jedoch die Aussicht, daß auch noch für dieses Haushalts­jahr größere Summen für diesen Zweck zur Verfügung ge­stellt werden können. Träger der Arbeit könnten all« Ver­einigungen sein, die Gruppen von Arbeitsdienstwilligen um­fassen, also auch politische Vereinigungen. Die Arbeiten müßten stets gemeinnützig sein. Es handle sich bei der Mitt­woch verabschiedeten Verordnung nicht um eine abschließende Regelung, sondern es ist noch eine ausführliche Durchfüh­rungsverordnung zu erwarten.

ArtillerieschulschiffBremse" in Dienst gestellt

TU. Wilhelmshaven, 16. Juli. Am Donnerstag vormittag wurde das neue ArtillerieschulschisfBremse" in der üblichen militärischen Form in Dienst gestellt. Die neue bremse" ist ein Schiff von 103ch Meter Länge, einer Breite von 9,5 und einem Tiefgang von 2,85 Meter. Die Wasserverdrän­gung ist ohne Brennstoff 1250 Tonen. Bei fast der gleichen Tonnage wie das VermessungsschiffMeteor" hat die Bremse" die Größe der kleinen Kreuzer derAmazone"- Flotte. Angetrieben wird das Schiff Lurch Oelmotoren, die eine Kraft von 25 909 PS entwickeln und dem Schiff eine Geschwindigkeit von 27 Seemeilen geben. Die Armierung richtet sich nach Len Bedürfnissen der praktischen Versuche. Sie wird jeweils den Beständen der Flotte entnommen. Die Bremse" hat 2 Vorgängerinnen gleichen Namens, ein Pan- -erkanonenboot und einen Minenkrenzer.