Vorsichtiger Haushalt durch Nowerordnung

Immer noch keine Aussicht auf Steuernachlässe Vernichtung der Wirtschaft als Steuerquelle

Nun brachte es öer Parlamentarismus bei uns so weit, öaß er auch nicht mehr Herr seiner eigentlichen Lebensauf­gabe, des Haushalts, geblieben ist. Die Reichswirtschaft wickelt sich im Jahre 1932 nach einem durch Notverordnung erlassenen Haushalt ab, auf den der Reichstag überhaupt keinen Einfluß nehmen durfte. Nicht einmal der Ueber- wachungsausschuß des Parlaments erfährt etwas darüber mehr oder früher, als jeder Staatsbürger. Der alte Reichs­tag hatte dazu gar nichts zu sagen, sondern die Reichs­regierung besprach das Wichtigste nur mit dem Reichsrat; öer zu wählende Reichstag soll wenigstens nachträglich vom Haushalt wie von jeder anderen Notverordnung Kenntnis nehmen. Aenderungen kann er schwerlich hineinbringen. Das einzig Nützliche, das er mit Sicherheit machen könnte und das man ihm raten muß auf keinen Fall zu versäumen, wäre ein Beschluß, nach dem die etwaigen Steuerüberschüsse unverzüglich zu Steuersenkungen benutzt werden müssen.

Das scheint eine überflüssige Sorge zu sein, ist es aber selbst in dem ungünstigen Falle nicht, daß die Steuer­voranschläge nicht erreicht werden. Dann bliebe von einem derartigen Reichstagsbeschluß wenigstens immer noch die unterstrichene Forderung nach Steuersenkung übrig, wäre -er einmütige Wille von Wirtschaft und Volk wenigstens durch einen Beschluß des Parlaments zum Ausdruck gebracht worden. Außerdem aber setzte sich das Parlament in seiner Bewilltgungsberettschaft dann selbst eine Grenze und würde , wenigstens mittelbar an einer Entlastung der Wirtschaft Mit­wirken. Es ist aber nicht gesagt, daß der ungünstigste Fall einer neuen erheblichen Unterschreit»«- der Steuer­voranschläge unbedingt eintreten wird; denn zum ersten Mal seit mehr als einem Jahrzehnt brachte das Reichs- ftnanzministerium, das ja augenblicklich durch parteipolitische Forderungen an einer sachlichen Haushaltsaufstellung nicht gehindert wird, einen Haushalt mit betont vorsichtigen Ein­nahmeschätzungen heraus. Aber immer noch weist der Reichs­haushalt eine Riesensumme von 8,2 Milliarden Mark auf. Außer dem Zwei-Milliardenposten für Ueberweisungen an die Länder bilden die mittelbaren Kriegslasten von mehr als 1L Milliarden für Kriegsbeschädigte, Hinterbliebene und ähnliche Zwecke und die 930 Millionen Mark Zuschuß zu -er Arbeitslosenfürsorge die ansehnlichsten Aufwandssummen. An äußeren Kriegslasten enthält der neue Haushalt einen um 4M Millionen Mark geringeren Betrag als sein Vor­gänger, weil nun die Streichung der Tribute schon berück­sichtigt wird. Streichung bedeutet in diesem Zusammen­hänge, daß zwar nicht in Lausanne, aber bet uns zu Hause die Tribute gestrichen wurden. Darauf kommt es ja schließ­lich an.

Eine besondere Betrachtung verdient der Verbrauch der eigentlichen Hoheitsverwaltungen des Reiches ohne Reichs-

Die Verpflichtung zur Siedlung

Jungdeutsche Forderungen

--- Berlin, 5. Juli. Auf einer Reichsführertagung -es Iungdeutschen Ordens wurde über die Erfahrungen berich­tet, die in etwa 130 jungdeutschen Kolonnen des Freiwilligen Arbeitsdienstes sowie in der jungdeutschen Siedlungsarbeit gemacht worden sind. Für den Freiwilligen Arbeitsdienst müßten unterstützte Arbeitslose jeder Unterstützungsart, be­sonders alle Jugendlichen bis zu 25 Jahren zugelas­sen werden. Die Frage der Bedürftigkeit dürfe nicht ein­engend für dieses volkspolitisch sehr wichtige Gebiet wirken. Die zulässige Förderungsdauer für den Arbeitsfrei- willigen müsse von 20 Wochen auf mindestens ein Jahr, für die Leiter von Arbeitsgruppen auf vier Jahre verlän­gert werden. Jede einseitige parteipolitische Besetzung des Reichskommissariats für Arbeitsdienst müsse auf das Schärfste abgelehnt werden. Die zwei Millionen Morgen nicht mehr sanierungsfähigen Großgrundbesitzes müßten für die Sied­lung zu erträglichen Preisen freigegeben werden. Auch die jetzige Reichsregierung habe die Pflicht, das Versprechen der Regierung Brüning zur bäuerlichen Aussiedlung dieser Ländereien einzulösen. Das Reich habe die geschicht­liche Verpflichtung im Sinne des Freiherrn vom Stein, eine Ostsiedlung von bisher ungewohnten Ausmaßen burchzuftth- ren, wenn der Osten überhaupt gerettet werden solle.

Akademische Jugend und Siedlung

Die Karlsruher Studentenschaft hat folgende beacht­liche Entschließung zur Siedlungsfrage gefaßt:Die Stu­dentenschaft erkennt, daß unsere Arbeitslosigkeit keine vor­übergehende Konjunktur-Erscheinung, sondern die Folge einer übertriebenen Industrialisierung und einer Zusam­menschrumpfung des Weltmarktes ist, daß sie nur durch eine Umsiedlung von der Stadt aufs Land von 3 Millionen Ar­beitslosen, denen 12 Millionen Menschen entsprechen, besei­tigt werden kann. Die Studentenschaft verlangt von den zu­ständigen Behörden des Reichs und der Länder, daß diese Umschichtung sofort in Angriff genommen wird, da in unse­rem Reiche genügend Land, Baustoffe und Arbeitskräfte da­für vorhanden sind und daß diese Umschichtung technisch rich­tig durch Zusammenschluß aller Siedlungsbereiten zu fach­männisch gegliederten Arbeitsgruppen unter Einsatz der brach­liegenden technischen Intelligenz durchgeführt wird. Im kom­menden Winter soll nicht wieder ein Drittel unseres Volkes ohne eigenen Unterhalt von der Arbeit der andern leben müssen."

Politische Kurzmeldungen

Der Reichsminister des Innern hat die Aufmerksamkeit der Landesregierungen auf den Aufruf des Deutschen Bundes für Heimatschuh gegen die Verunstaltung des Hermatbildes durch Auswüchse der Wahlpropaganda gelenkt und für den Tag der Reichstagswahl ein Branntwein-Ausschankverbot

l wehrministerium. Er machte von 719 Millionen im Jahre 1926 im nächsten Jahre einen kühnen Sprung auf 817 und erreichte mit 842 Millionen im Jahre 1928 seinen höchsten Gipfel. Unter dem Druck der öffentlichen Meinung senkten sich die Verwaltungsausgaben hier natürlich nur des Reiches allein! auf 833 Millionen Mark. Mit äußerster Zähigkeit hielten sich diese Ausgabenposten auch 1930 noch mit 805 Millionen nahe dem einmal erreichten höchsten Punkt. Erst 1931 brachte einen jähen Absturz auf 720 Millionen Mark, und im neuen Haushalt erscheinen die Hoheitsverwal­tungen ohne Reichswehrministerium noch mit 654 Millionen Mark, sanken also um rund 10 v. H. unter den Stand von 1926. Aber von diesem Posten werden im laufenden Haus­haltsjahr noch weitere Abstriche gemacht werden müssen. Das Reichsfinanzministerium sah sich genötigt, bei den Ressorts noch Einsparungen in Höhe von 110 Millionen Mark anzu­fordern, die in dem bereits hinter uns liegenden Teil des eigentlichen, im April beginnenden Haushaltsjahres schon verbraucht wurden, für die aber bislang, so weit sich sehen läßt, noch keine Deckung geschaffen werden konnte.

Das ist eine Neuigkeit, die bei den Aemtern gewiß eine sehr lebhafte Bewegung der Unzufriedenheit auslösen wirb, weil man dort schon so weitgehend gestrichen zu haben glaubt, wie man irgend kann. Da mit Ersparungen an Beamten­gehältern schon jetzt der Gipfel des Möglichen erreicht wor­den ist, muß der erwähnte Millionenbetrag bei den Sach­ausgaben hereingeholt werden; denn ebenso wenig, wie man zu neuen Gehaltskürzungen Mut haben wird, fehlt auch jede Möglichkeit einer Steuerheraufsetzung.

Die Steuervoranschläge lassen vielmehr erkennen, daß die Verwaltung die Steuerquellen der Wirtschaft für weitgehend erschöpft hält; denn aus einer ganzen Reihe wichtigster Steuern glaubt man im laufenden Jahre bis zu 65 v. H. weniger als im Vorjahre herausholen zu können. Unvor­sichtig geschätzt scheint trotz allem noch die Umsatzsteuer zu sein. Wo die 1,8 Milliarden Mark aus dem ständig schrump­fenden Umsatz herauskommen sollen, wird auch das Reichs­finanzministerium nicht mit Zuversicht erklären können. Mit einem ganz bedeutenden Rückgang des Verbrauchs und also auch des Umsatzes rechnet das Reich beim Bier. Anstatt 450 Millionen Mark werden hier aus der ergiebigsten Steuerart nur noch 300 Millionen Mark, also 33 v. H. weniger als bis­her erwartet. Verbrauchs- und Umsatzrückgang wird aber nicht nur bei den Genußmitteln einsetzen. In diesem Punkte arbeitet eben auch öer neue Haushalt mehr auf dem Papier als mit der Wirklichkeit. Das besagt aber noch nicht, baß er zum Scheitern bestimmt sein wird. Wir müssen uns schon wünschen, daß dieses Schiff nicht unter den Stürmen der bereits chronisch anmutenden Krise kentert.

angeregt. Im Ncichspräsi-entenpalais sollen jetzt die schon lange dringend notwendigen Ausbesserungsarbeiten vorgenommen werben. Aus diesem Grunde hat Reichspräsi­dent von Hinöenburg vorübergehend seine Wohnung mit öer alten Reichskanzlei getauscht. Hier wohnte bis zu seinem Sturz Reichskanzler Brüning. Der neue Reichskanzler von Papen hat noch keine Wohnräume in der Wtlhelmstraße be­zogen. In Kreisen, die der Reichswehr und der Industrie nahcstehen, wird die Behauptung verbreitet, daß mit der Ein­führung der allgemeinen Arbeitsdienstpflicht für den 1. Aug. mit Bestimmtheit zu rechnen sei. In dem neuen Reichs­haushalt sind nur wenig mehr als 40 Millionen für den weiteren Ausbau des freiwilligen Arbeitsdienstes enthalten. Es ist wahrscheinlich, daß noch im Laufe des Juli die nähe­ren Ausführungsbestimmungen erlaffen werden und daß ein Reichskommissar für freiwilligen Arbeitsdienst" berufen wird. Bei Aufmärschen im Berliner Lustgarten stellte sich eine Einheitsfront der Sozialdemokraten und Kommunisten heraus. Gegenwärtig findet in Dortmund der 4. Deutsche Reichskriegcrtag des Kyffhäuserbundes statt. Der 1. Bunbes- prästöent, General der Artillerie von Horn, erklärte, daß der Kyffhäuserbund mit seinen rund 3 Millionen Mitgliedern der größte Frontsoldatenbund der Welt sei. Der Kampf des Bundes gehe vor allem gegen die Kriegsschuldlüge, für die Gleichberechtigung in der Sicherheit und Wehrfrage und für die Verwirklichung des großbeutschen Gedankens. Ruß­land hat, da es, wie man weiß, nicht in der Lage ist, seine Schulden aus den deutschen Lieferungsverträgen in Gold oder Devisen zu begleichen, der Reichsregierung vorgeschla- gen, die vollen Beträge mit Petroleumlieferungen zu ver­rechnen. Auf dem demokratischen Parteikongreß in Chi­cago wurde Roosevelt zum Präsidentschaftskandidaten nomi­niert.

Die Abwerlungsgerüchte

--- Amsterdam, 5. Juli. Der Sonderberichterstatter des Nieuwe Rotterdamsche Courant" hat den in Lausanne weilenden Reichswirtschaftsminister Prof. Dr. Warm- bold über die inzwischen dementierten Gerüchte von einer Abwertung deutscher Privatschulden befragt. Der Minister versicherte mit größter Entschiedenheit, daß bei der deutschen Reichsregierung in keinem Augenblick der Plan einer derartigen Maßnahme bestanden habe, und daß ein solcher Gedanke niemals in Erwägung gezogen worben sei. Im übrigen erklärte der Minister, daß die Angelegenheit mit eine internationale Frage sei. Nach der Darstellung des Korrespondenten hat Reichsminister Dr. Warmbolb weiterhin noch ausgesührt, wenn das Mißverhältnis zwi­schen dem Wert des Geldes und dem Wert der Produkte noch andauere und die Deflation sich noch weiter verschärfe, werbe vielleicht nichts anderes übrig bleiben, als daß in Schwierigkeiten geratene Unternehmungen privatim und aus geschäftlicher Basis mit ihren Gläubigern verhandeln.

Die deutsche Regierung werde die Weltwtrtschaftskonse-

renz ausdrücklich aus die Gefahren Hinweisen, die sich aus einer solchen Entwicklung ergäben. Neuerdings scheine die Erkenntnis zuzunehmen, daß man die Geld- und ?apital- angelrgenheiten der Welt nicht in Ordnung bringen könne, wenn es nicht glücke, vermöge der Ausräumung der sich dem Waren- und Geldverkehr entgegenstellenden Hindernisse ein größeres Volumen für den internationalen Warenhan­del und ekn höheres Preisniveau zu erreichen. Das allge­meine Vertrauen könne aber erst wieder hergestellt werden, wenn das Neparationsproblem in Ucbereinstimmung mit der deutschen Auffassung endgültig geregelt werde. Der Minister erklärte schließlich noch, daß der Neichsregierung viel daran gelegen sei, den aus der Dawes- und der Young- anleihe sich ergebenden Verpflichtungen unter allen Um­ständen nachzukommen.

Die Rettung der deutschen Australienftieger

Berliner Blätter bringen ausführliche Darstellungen über die Rettung der seit dem 17. Mai verschollenen deutschen Australienflieger Bertram und Klaußmann. Darnach sind die Flieger nach einer 6 Wochen langen Jrrwanderung durch die Wildnis bei Cap Bernier, 250 Meilen westlich von Port Darwin, von zwei australischen Buschnegern durch Zu­fall am 26, Juni aufgefunden worden. Einer der Eingebore­nen alarmierte ein von der australischen Regierung nach de« Fliegern ausgesandtes Suchkommando, das dann die Absen­dung eines Motorbootes mit Lebensmitteln, Kleidung und Medikamenten veranlqßte. Die beiden Flieger waren bei ihrer Auffindung derart erschöpft, daß sie nur nochBrotl Brot!" ausrufen konnten und dann zusammenbrachen. Ihre Kleider waren bei der Wanderung durch den Busch in Fetzen gerissen und nach und nach verloren gegangen. Ihre letzten Wasser- und Eßvorräte waren bereits seit Wochen erschöpft. Die ganze Zeit hindurch waren sie in einem Umkreis von etwa 18 Klm. um ihr Flugzeug herumgeirrt. Wie Klauß­mann später erzählte, waren beide seit dem 22. Juli be­wegungsunfähig. Sie hatten sich hinter einem Steinhaufen niedergelegt, um den Tod zu erwarten. Die Flieger waren nach der Ueberfliegung der Timor-See wegen Benzinman­gels zur Landung gezwungen worden. Drei Tage lang such­ten sie zunächst nach einer menschlichen Ansiedlung. Dan« standen sie plötzlich wieder vor ihrem Flugzeug und konnten hier wieder etwas Nahrung zu sich nehmen. Sie montierten dann einen Schwimmer ab und fuhren auf das Wasser hin­aus. Nach 5tägtger Irrfahrt auf dem Wasser erblickten sie in unmittelbarer Nähe einen Dampfer. Alle Rufe und Signale blieben vergeblich. In einer Entfernung von knapp 1 Klm. fuhr der Dampfer an ihnen vorüber. Das Boot wurde schließlich au Land getrieben und die Flieger nahmen mechanisch ihre Jrrwanderung wieder auf, bis sie von Ne­gern gefunden wurden.

Die deutschen Flieger Bertram (links) und Klauß­mann (rechts), die seit Wochen in der australischen Wüste verschollen waren. Die beiden Flieger waren, wie erinner­lich, am 17. Mai von den Kleinen Sundainseln über die Timorsee nach Australien gestartet.

Die Neichsregierung dankt Australien Die Reichsregieruirg hat den Generalkonsul in Sidney angewiesen, der australischen Bundesregierung den Dank der Reichsregierung für das tatkräftige Eingreifen der Bundes- behörben auszusprechen, das zu der glücklichen Auffindung der beiden Anstralienflieger Bertram und Klausmann ge-

^Nach^einer Meldung aus Sidney traten die geretteten utschen Flieger mit einem Motorboot die Fahrt nach Wmd- m an. Beide befinden sich den Umstanden 'wch wohl .nd «r durch die furchtbaren Strapazen ihres Marsches stark schöpft und leiden noch an Hungerphantasten, wie können r Zeit nur Wasser und flüssige Nahrung zu sich nehme«, n Windham werden sie noch mehrere Wochen im Kranken- ,us bleiben müssen, ehe sie wieder vollkommen genesen sind.

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