Frankreichs vervorgene Aengste

Von Dr. R. Li ng-Paris.

Die Berichte aus Genf sprechen bekanntlich sehr häufig von angeblichen französischen Vorschlägen und, wenn sie sehr' ausführlich sind, von gewissen Anregungen, die nach fran­zösischer Darstellung ein Zugeständnis an die Welterforder­nisse -und den Friedenswillen sein sollen. Dazu gehört die Erklärung, die HeeresauSgabe» kürzen und damit ein Vor­bild schaffen zu wollen. In Wahrheit steht es aber ganz an­ders um diese angeblichen Zugeständnisse. Es klingt zwar recht schön, wenn im Interesse des Friedens die Heeresaus­gaben herabgesetzt werden sollen, aber nicht diese Friebens- bereitschaft, sondern bittere Notwendigkeit und die leeren Kassen des französischen Staatsschatzes sind die eigentlichen Gründe. In den Kellern 'Ser Bank von Frankreich liegt zwar sehr viel Gold, aber der Staat selbst hat kein Geld. Er mußt« sogar soeben einen Pump bei Len Großbanken an- legen, um über die Kassenebbe hinwegzukommen. In Wahr­heit kann Frankreich die bisher gemachten Ausgaben für seine Rüstungen einfach nicht mehr fortsetzen. Offiziell be­tragen die Ausgaben rund 12 Milliarden Franken, also 2 Milliarden Mark,- das ist an sich schon eine ungeheure Sum­me, aber in Wirklichkeit belaufen sie sich auf mindestens 16 Milliarden Franken, da eine ganze Reihe von Posten nicht im eigentlichen Heeresetat, sondern versteckt in anderen Etats untergebracht ist.

So gewaltige Summen übersteigen auch das Vermögen Frankreichs; es ist zu sofortigen Kürzungen genötigt, wenn e» seinen Haushalt auch nur einigermaßen in Ordnung bringen will. Frankreich will einfach aus der Not eine Tugend machen und die unumgänglichen Herabsetzungen zu einem politischen Schacher benutzen, um nach außen hin eine vermeintliche Opkerwilltgkett vorzutäuschen. Von besonderen Opfern kann aber keine Rebe sein: mit oder ohne Genf müssen die Einschränkungen, und zwar unverzüglich, vor­genommen werden. Ihre Notwendigkeit wirb noch klarer, wenn man bedenkt, daß der gesamte Fehlbetrag im Haushalt am Ende des Jahres mindestens 6 Milliarden Franken er­reichen wirb. Er ist zum großen Teil auf die zügellose Wirt­schaft Tardieus zurückzuführen, der den französischen Vasal­lenstaaten, hauptsächlich Polen, Rumänien und Sübslawien, immer wieder und sehr bedeutende Summen lieh, nur um sich ihre Unterstützung auf allen internationalen Konferenzen zu sichern. Unter Poincare war vor einigen Jahren ein Staatsschatz von 5 Milliarden Franken in bar vorhanden, heute steht dem ein Fehlbetrag von 6 Milliarden gegenüber!

Das ist die eine der wirklichen Aengste Frankreichs. Nun wird bekanntlich in Genf auch sehr heftig um Herabsetzung der stehenden Heere gekämpft. Schon wird wieder ein ver­meintliches Zugeständnis Frankreichs angekünöigt, aber auch hier trägt es nur einer Notwendigkeit Rechnung. In zwei Jahren werben sich die Folgen des Geburtenausfalls der ersten Kriegsjahre bemerkbar machen. Von 1934 an kann Frankreich für eine ganze Reihe von Jahren nur viel weniger Rekruten zur militärischen Dienstpflicht aufrusen als heute. Der Ausfall wird mindestens 35 000 bis 40 000 Mann im Jahr betragen, und es ist undenkbar, daß er etwa durch eine Heraufsetzung der einjährigen Dienstzeit aus­geglichen werden könnte. Solche Gedanken hatte wohl der verstorbene Deutschenfreffer Kriegsminister Maginot hegen können, aber jetzt sind sie nicht mehr durchführbar. Auch hier ist Frankreich, ob es will oder nicht, zu Maßnahmen ge­zwungen, die unabhängig von Genf getroffen werden müssen. Wenn Paul-Boncour in Genf von Entgegenkommen auf diesem Gebiet reden sollte, so wäre auch bas nur Schein, durch den man sich nicht täuschen lassen darf.

Drittens bleibt die Kapitalfrage Frankreichs zu erörtern. Das ewige Gerede von derSicherheit" hat eine unvorher­gesehene Wirkung in Frankreich selbst gehabt, indem die Sparer, Banken und Finanzleute so große Angst bekommen haben, daß sie überhaupt nichts mehr ausleihen, nicht einmal mehr an die eigene Wirtschaft. Da die eigene Regierung ihnen immer wieder von vermeintlichen Gefahren und Stö­rungen der Ruhe Europas gesprochen hat, so haben sie un­geheure Summen in Bankdepots, in den Sparkassen und selbst zu Hause angchäuft, anstatt sie in französischen Jn- dustriewerten anzulegen. Die Folge ist ein immer drücken­derer Kapitalmangel der französischen Wirtschaft, der min­destens ebenso schwere Folgen hervorgerufen hat wie die Weltwirtschaftskrise. Es ist daher sehr bezeichnend, daß jetzt nicht etwa von extremen Linksparteien, sondern ausgerechnet von Finanz- und Wirtschaftskreisen ein Druck auf die Re­gierung zu entgegenkommenderer Haltung in Lausanne aus­geübt wird, damit endlich einmal Ruhe eintritt und die -ranzösischen Kapitalisten wieder Vertrauen fassen können.

So steht es in Wahrheit um Frankreich, wenn man hinter die Kulissen blickt. Es wäre zwar übertrieben, von einem loloß auf tönernen Füßen zu reden, aber daß diese Füße weniger fest stehen, als es aussteht, ist unleugbar.

Umfangreicher Waffenschmuggel

Die holländische Polizei ist einem Waffenschmuggel nach Deutschland auf die Spur gekommen, der bereits seit Wochen betrieben wurde. Im Zusammenhang damit sind sechs holländische Staatsangehörige von der Vaalser Polizei verhaftet worden. Nach eingehendem Verhör hat man sie vorläufig wieder auf freien Fuß gesetzt. Inzwischen haben sich Anhaltspunkte dafür ergeben, daß die geschmuggelten Waffen nicht aus Holland, sondern aus Belgien stammen. Sie sollen dort für Rechnung einer deutschen politischen Organisation erworben worden sein. Es steht aber noch nicht fest, um welche Organisation es sich handelt. Wie ver­lautet, soll ursprünglich der Plan bestanden haben, größere Mengen von Schußwaffen und Munition über die belgisch­deutsche und luxemburgisch-deutsche Grenze nach Deutschland zu schmuggeln. Der Weg über Holland wurde dann wegen der schgrfdn Bewachung der deutsch-belgischen und deutsch- luxemburgischen Grenze gewählt. Die Polizei hüllt sich vor­läufig in Stillschweigen und verweigert jede Auskunft

Läuterung zur neuen Notverordnung

Der Reichsinnenminister kommentiert.

Amtlich wird mitgeteilt: Mit der Zweiten Verordnung des Reichspräsidenten vom 28. Juni 1932 gegen politische Ausschreitungen haben die Maßnahmen der Reichsregiernng auf diesem Gebiete ihren Abschluß gefunden. Allgemeine Verbote von Umzügen und des Tragens einheitlicher Klei­dung können künftig für das ganze Reich oder einzelne Teile nur noch vom Reichsminister des Innern erlassen werden. Die Pflicht und das Recht, Maßnahmen zur Sicherung von Ruhe und Ordnung im Einzelfalle zu treffen, liegen den Ländern ob, die allein über Polizeikräfte verfügen, wäh­rend das Reich Exekutioorgane nicht besitzt. Die zur Siche­rung von Ruhe und Ordnung für die Länder notwendigen Grundlagen sind ihnen ausführlich in der Verordnung des Reichsministers des Innern vom 28. Juni 1932 zu Para­graph 4 der Verordnung des Reichspräsidenten vom 14. Juni 1932 gewährleistet.

Diese Regelung entspricht der Reichsverfassung, die grundsätzliche Regelungen dem Reich, die Ausführung den Ländern überwiesen hat. Die Materie ist abschließend un- grundsätzlich reichsrechtlich geregelt. Die Zuständigkeiten sind klar. Von einem ungesetzlichen Eingriff in die Rechte der Länder kann bet dieser Sachlage keine Rede sein.

Der Reichsinnenminister hat diese Aufgabe im vollen un­getrübten Einvernehmen mit dem Gesamtkabinett Surchge- führt. Es hat dabei keine Schwankungen und kein Nachgeben vor Einflüssen von irgendeiner Seite gegeben. Das einmal klar erkannte Ziel ist mit der in einer so wich­tigen Sache unbedingt notwendigen Ruhe und Sachlichkeit er­reicht worben.

Nachdem sich nach Erlaß der Verordnung vom 14. Juni 1932 gezeigt hatte, baß einige Landerregierungen nicht ge­neigt waren, ihre allgemeinen Umzugs- und Kleidungsver­bote aufzuheben, wurde auf den frühesten Termin, der mög­lich war, auf den 22. Juni d. I., eine Besprechung der Polizeimtnister der Länder anberaumt, in der nach ausgiebiger Aussprache der Reichsinnenminister an die Länder das Ersuchen richtete, von sich aus die der Reichspoli­tik widerstrebenden Verbote aufzuheben. Mit Rundschreiben vom 23. Juni ist dieses Ersuchen schriftlich wiederholt worden mit der Bitte, bis zum 28. Juni morgens die endgültige Antwort dem Reichsinnenminister zu übermitteln. Mit einigen Ländern haben in der Zwischenzeit noch mündliche Aussprachen stattgefunden. Nachdem am 28. Juni die Ant­worten Vorlagen und amtlich feststand, daß einige Re­gierungen an ihren allgemeinen Verboten fest hielten, wurde der Verorönungsentwurf zur end­gültigen Regelung dem Reichspräsidenten vorgelcgt und von ihm vollzogen.

Der Versuch, zunächst im Verhandlungswege zwischen Reich und Ländern eine Verständigung zu erzielen, ist mit Unrecht von einem Teil der Oeffentlichkeit getadelt worden; denn er entsprach nicht nur den bisher in Deutschland üb­lichen Gepflogenheiten des Verkehrs zwischen Reich und Län­

dern, sondern war ein Gebot politischer Notwendigkeit. Die Regierungen der deutschen Länder sind keine Nachgeordneten , Stellen des Retchsinnenministeriums, denen Befehle und Erlasse zugestellt werden, sondern selbständige, verfassungs- . mäßige Organe der Glieder des Reiches. Erst nachdem der Weg der Verhandlung nicht zum Ziele geführt hatte, schien eine reichsrechtliche Regelung durch Verordnungen am Platze. Die in der Oeffentlichkeit fühlbare Aufregung, die beson­ders in Versammlungsreden, in Presseäußerungen Süd­deutschlands bedauerlicherweise zutage trat, entbehrt der in­neren Berechtigung. Es handelt sich hier nicht um eine an­geblich willkürliche Vergewaltigung von Länderrechten, son­dern um die reichsrechtliche Regelung einer in­nerpolitischen Frage für das ganze Reich, wie sie regelmäßig dann vorgenommen werben muß, wenn die Verschiedenartigkeit der Rechtsverhältnisse untragbar gewor­den ist. Dieser Zustand war in der Behandlung großer über das ganze Reich verbreiteter Parteien und Verbände zutage getreten und bedurfte dringend der Abhilfe. Die Maßnah­men der Reichsregierung waren auch nichts neues. Die Ver­ordnungen z. B. über das Verbot der einheitlichen Kleidung und die Aufhebung der SS. und SA. sind vor Monaten vom Reich gegen den Willen einzelner Länder erlas­sen und durchgeführt worden, ohne baß ein Angriff gerade der Länder erfolgt wäre, deren Bevölkerung heute zum Teil in den neuen Verordnungen eine Vergewaltigung sehe» zu müssen glaubt. Nach den Erklärungen Ser einzelnen Regie­rungen besteht bei der Reichsregierung kein Zweifel, baß die neuen Verordnungen als Neichsrecht auch loyal burch- ge führt werden.

Die vielfach geäußerten Bedenken gegen die wieberge- währte Freiheit sind übertrieben. Es war vorauszu­sehen, daß in der Uebergangszeit hier und da Schwierigkei­ten eintreten würben, bis die Oeffentlichkeit sich an die ver­änderten Verhältnisse gewöhnt hat. Dieser Uebcrgang ist von kommuni st ischer Seite zu Ueberfällen und örtlichen Störungen der Ordnung planmäßig benützt worden. Die energische Abweisung dieser Störungsversuchc ist allein Sache der Länder, deren Polizei stark genug ist, ihre Aufgabe zu erfüllen. Die Reichsregierung hat zurzeit keine Veranlassung, irgendwelche Ausnahmematzregeln zu ergreifen. Sie wird die Entwicklung genau beobachten und, wenn wider Erwarten die Gefahr ernster Ruhestörungen ihre Schatten vorauswerfen sollte, nicht zögern, das dann Not­wendige zu tun.

An die politischen Parteien und die Presse aller Richtun­gen muß die ernste Mahnung ergehen, die Lage ruhiger als bisher zu betrachten und zu besprechen. Es liegt nicht im Interesse Deutschlands, das Gespenst von Unruhe immer wieder aus parteitaktischen Erwägungen an die Wand »u malen. In diesem Augenblick entscheidender Verhandlungen sind Selbstdisziplin und Ruhe notwendiger den« je. Es ist zu hoffen, daß dir Ruhe und Festigkeit, mit denen die Reichsregicrung diese innerpolitische Frage heute behandelt, von der deutschen Oeffentlichkeit verstanden und auch von ihr gewahrt werden.

11V- Milliarden Tributleistungen vom Jahre 1924 bis 1932

Der neue Reichshaushalt bringt einen Ueberblick über die Gesamtleistungen an Tribntzahlungen für die Rechnungs­jahre 1924 bis 1932. Nach dem Dawes-Plan sind gezahlt worden vom 1. September 1924 bis 31. August 1929 7964,3 Millionen Mark. Diese Summe gliedert sich in 800 Millio­nen für die Dawes-Anleihe, 2,4 Milliarden Zahlungen aus dem Reichshaushalt, 2,7 Milliarden Neichsbahn-Tribut- Schuldverschreibungcn. Jndnstrieobligationen 975 Millionen

und Beföröerungssteuer 1,1 Milliarde Golömark. Nach dem Neuen Plan sind gezahlt worden vom 1. September 1929 bis 30. Juni 1931 2855 Millionen Mark, davon 1646 Millionen Mark aus dem Reichshaushalt und 1210 als Reichsbahn- Tributsteuer. Nach dem Hoover-Plan sind in der Zeit vom 1. Juli 1981 bis 30. Juni 1932 71,6 Millionen Mark gezahlt worden. Das siird insgesamt 10 891,2 Millionen Goldmark.

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Dazu kommen aber noch 508,6 Millionen Mark, die sich zusammensetzen aus dem Dienst der Aeußeren Anleihe 1924 in Höhe von 310 Millionen Mark, Zahlung nach dem Deutsch- Belgischen Markabkommen rund SO Millionen Mark, Bei­trag zu den äußeren Besatzungskosten 30 Millionen, Bei­trag zu den Kosten der fremden Kommission 6 Millionen, einmalige Sonöeranleihe bei der Bank für Internationale

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Zahlungen 62,5 Millionen, Dienst der uuernationalen An­leihe 1930 48 Millionen Mark.

Die Summe für alle Gesamtleistungen in der Zeit vom 1. September 1924 bis 30. Juni 1932 beträgt 11399,8 Millio­nen Mark. ^

Unsere Statistik gibt einen Ueberblick über die bisher ge­leisteten Zahlungen.

Em angeblicher Lindbergh-Mörder?

DasPrager Tagblatt" meldet aus Waag--Neustadl in d»r owakei: Ein 3ljLhriger Amerikaner, der seinen Namen ht angeben will, stellte sich der Gendarmerie in Waag-Neü- dl mit der Selbstbeschuldigung, der Mörder des Lindbergh- rbys zu sein. Er sei zusammen mit 6 Gangsters nach dem orde nach London geflüchtet, wobt« mau ihnen Geld nach­

gesandt habe. Sie seien dann nach Paris gefahren, wo sie sich einen Kraftwagen, Marke Durand, kauften und ^dann über Antwerpen und Brüssel durch Deutschland mvd die Tschechoslowakei reiften, um in die Sowjetunion zu fluchten. In Sillein habe man ihm alle seine Dokumente gestohlen. Seine Genossen hätten die Flucht fortgesetzt. Er sei rn Sil­lein in einen Autobus gestiegen und nnt diesem nach Waag- Neustadl -gefahren. Der Amerikaner war sehr erjchöxst.