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Nr. 148
Dienstag, den 28. Juni 1932
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Jahrgang 105
Die deutschen Vorschläge in Lausanne
Als Gegenleistung für Streichung der Tribute deutsche Bereitschaft zur Mitarbeit an einem europäischen Wiederausbauplan — Die Franzosen sind verstimmt
TU. Lausanne, 28. Juni. Die dritte deutsch-französische Sitzung, die gestern nachmittag im Palace-Hotel hinter streng verschlossenen Türen stattfanb, wurde nach fast dreistündiger Dauer abgeschlossen. Ucber den Verlauf der Sitzung wurde folgende amtliche Mitteilung veröffentlicht:
„Die deutschen und französischen Delegierten sind heute nachmittag von neuem zusammcngetrcten. Der deutsche Reichs sin an-minister hat die Gründe auseinandergesetzt, die nach seiner Ansicht für die Annulierung der Reparationen sprechen, sowie die ersten Mastnahmen dargclegt, die er zum Wiederaufbau Europas vorschlägt. Der deutsche Reichskanzler hat diese Erklärung des Rcichsfinanzministcrs vom allgemeinen Standpunkt aus erweitert und vervollständigt. Der französische Ministerpräsident Herr tot hat im Namen Frankreichs die Vorbehalte ««gemeldet, die er für notwendig erachtet. Die Verhandlungen werden am Mittwoch vormittag iveiter fortgesetzt werden.
Die Ausführungen von Papens.
Ueber den Verlauf der deutsch-französischen Besprechung am Montag wird bekannt, dast der Reichskanzler von Papen nach den Ausführungen des Neichssinanzministers erklärte, diese Konferenz habe die außerordentliche Möglichkeit, die Jrrtümcr der Nachkriegszeit zu beseitigen und die Welt wieder gesünderen Verhältnissen zuzuführen. Das System der Tribute müsse unter allen Umständen fallen. Jede Fortsetzung dieses Systems bedeute den völligen Ruin der gesamten Weltwirtschaft und des Vertrauens, das die Grundlage eines allgemeinen Wiederaufstiegs sei. Die deutsche Negierung würde keine Unterschrift leisten, von der sie schon heute überzeugt sei, daß sie nicht gehalten werben könne, weil sie eine völlige Unmöglichkeit sei. Die deutsche Negierung sei durchaus bereit, an einem konstruktiven Aufbanprogramm für Europa mitzuarbciten. In den Ausführungen des Reichsfinanzministers seien dahingehende konkrete Vorschläge vorhanden. Das dcntsch-französische Problem werde in Zukunft eine entscheidende Rolle spielen. In der außerordentlich ernsten Stunde, in der wir uns befänden, müsse die Wiederherstellung des Vertrauens in der Welt gefordert werden. Diese historische Aufgabe falle den Sic- germächten. nicht aber Deutschland zn.
Die französischen Minister erklärten nach den Darlegungen des ReichSfinanzministcrs, daß sie auf die eingehenden Ausführungen der Vertreter Deutschlands gleichfalls ausführlich antworten wollten. Die Fortsetzung der Verhandlungen sei ans diesem Grunde ans Mittwoch verschoben worden. Herrivt hat dann nach deutschen Mitteilungen lediglich znm Schluß erklärt, daß er Vorbehalte zu dem deutschen Standpunki mache. In der Mittwochsitzung werden somit wichtige Ansfiihrnngen durch die Franzosen gemacht werden.
Papen «ud Herriot bei Macdonalb
In den späten Abendstunden des Montag fand eine längere Unterredung zwischen von Papen und Macdonald statt. Kurz vorher hatte Macdonald Herriot empfangen. Als sich Herriot am Montag abend zu Macdonald ins Hotel „Beau Nivage" begab, wurde er nach einer Meldung Berliner Vlätter aus Lausanne über den Stand der deutsch-fran
zösischen Besprechungen befragt. Er habe geantwortet, daß er die Lage für ernst halte. Zu einer Verständigung gehörten eben zwei.
In unterrichteten Kreisen wird allgemein angenommen, daß nach den bisher völlig unüberbrückbaren Gegensätzen zwischen der deutschen und französischen Abordnung sich Macdonald wieder einschalte und seine bisher allerdings erfolglos gebliebene Vermittlungstätigkeit wieder aufnehme. Für heute sind neue gesonderte Besprechungen zwischen Macdonpld, den deutschen und französischen Ministern vorgesehen. In französischen Kreisen zeigt sich offene Mißstimmung darüber, daß von deutscher Seite keine Zugeständnisse gemacht worden sind. Man hatte auf französischer Seite erwartet, daß sich die deutsche Regierung in der großen Erklärung am Montag in der Tributfrage zu einem Entgegenkommen bereit finden werde.
In den jetzt wieder beginnenden privaten Besprechungen dürfte sich endgültig zeigen, ob die französische Regierung überhaupt bereit ist, der weltwirtschaftlichen Notlage Rechnung zu tragen und Beweise des Willens einer ehrlichen Zusammenarbeit mit Deutschland zu erbringen. Von neuem muß fcstgestellt werden, daß die alleinige Verantwortung für ein Scheitern der Reparationskonferenz nicht bei der deutschen, sondern bei der französischen Regierung liegen würde.
In internationalen Kreisen der Konferenz wird die Lage allgemein als sehr ernst bezeichnet. Man stellt allgemein fest, daß die deutsche Regierung den sachlich bereits bekannten deutschen Standpunkt in der Tribuifrage mit großer Offenheit und Klarheit dargelogt habe und über den Standpunkt der deutschen Regierung nunmehr keinerlei Zweifel bestehen könnten. Es wird allgemein hervorgehoben, daß die deutsche Regierung auf der einen Seite jedoch ihre grundsätzliche Bereitwilligkeit erklärt habe, in breitem Maße an dem Wiederaufbau Europas mitzuwirken. In diesem Rahmen sei die Möglichkeit der wirtschaftlichen Verständigung mit Frankreich zu suchen. Das in der gestrigen Sitzung entwickelte Programm enthält damit neben dem negativen einen durchaus aufbauenben Teil, der sofort zu den sachlichen Verhandlungen der Regierungen wegen der Ucbcrwindung der Weltwirtschaftskrisis und des Wiederaufbaues Europas alle Wege öffnet. Jedoch verstärkt sich der Eindruck, daß die französische Regierung an ihrem unnachgiebigen Standpunkt festhä'lt und weitere Tributzah- lungen verlangt. Ob ein Ausweg aus dieser Lage gesunden werden kann, ist noch in keiner Weise zu übersehen.
Sollte es nicht möglich sein, ein Abkommen über die wirtschaftliche Gemeinschaftsarbeit zu erzielen, das selbstverständlich den ausdrücklichen französischen Verzicht auf jede weitere Tributzahlung zur Voraussetzung haben müßte, so ist, darüber darf man sich keinem Zweifel hingeben, noch diese Woche mit dem Zusammenbruch der Lausanner Verhandlungen zu rechnen. Rein äußerlich dürfte diese Tatsache durch einen Vertagungsbeschlutz verschleiert werden. Voraussichtlich wird man sich dann einigen, nach einer bestimmten Zeit, jedenfalls vor dem 16. Dezember, nämlich dem Tage, an dem die sranzösischen Zahlungen an Amerika fällig werden, wieder zusammcnzutreten.
Länderberalung in Berlin
TU. Berlin, 28. Juni. Die amtliche preußische Pressestelle «eilt mit: Die größte Anzahl -er leitende» Ländcr- ministcr ist gestern ans Einladung Preußens in Berlin zn- sammcngetrctc», um politische Fragen von besonderer Bedeutung zn erörtern. Die Konferenz ergab eine erfreuliche volle Ucbereinstimmuug der Erschienene«. Weitere Sitzungen gleicher Art sind von Fall zu Fall je nach Bedarf in Ansficht genommen.
Wie verlautet, wurde zn der bevorstehenden Notverordnung der Reich sregierung bezüglich der generellen Aufhebung des Uniform- und Demonstrationsverbots eingehend Stellung genommen. Es habe sich dabei eine völlige Einmütigkeit darüber ergeben, daß die Länder die von der Neichsregiernng geplanten Maßnahmen ablehnen. Gegen die Bestimmungen der neuen Notverordnung seien die schwersten Bedenken erhoben worden und die Verantwortung für das in der Notverordnung Geplante würde der Neichsregiernng überlassen. Der Einladung Preu- «ens stnb all« süddeutschen Länder einschließlich Hetzen ge- wtgt, von den norddeutschen «. a. Mecklenburg-Schwerin.
""treten waren die drei nationalsozialistisch regierten ii Ottenburg und Anhalt, ebenso fehlt«
Die nenc Notverordnung -es Reichspräsident«« wird voraussichtlich heute mittag veröffentlicht werden. Die Notverordnung wir- die Bestimmung enthalten, daß die Uniform- und Demonstrationsverbote im ganzen Reich aufgehoben werden. In der Notverordnung werden jedoch die Wünsche -er Länder insofern berücksichtigt werden, als die Länderpolizeibehörden ermächtigt werden, unter besonderen Bedingungen Ausnahmebestimmungen zu erlassen. Ferner wird eine Ausführungsverordnung -um 8 4 der Notverordnung vom 14. Juni ergehen, durch die eine Anmeldepflicht für Demonstrationen elngcfnhrt wird, um z» verhindern, baß gleichzeitig und an derselben Stelle Kundgebungen feindlicher Parteien erfolgen können.
Der Monarchie-Gedanke in Bayern
TN. London, 28. Juni. In einer Unterredung mit dem Sonderberichterstatter -es „Daily Expreß" hat der Bauern- führcr -er Bayerischen Volkspartei, Dr. Heim, unter anderem ausgeführt: Jederzeit könne jetzt der Tag kommen, an dem Kronprinz Rupprecht zum König von Bayern ausgcrusen werde. Dies sei nicht nur die Meinung der großen Mehrheit des bayerischen Volkes, sondern er habe guten Grund, zu glauben, daß sie auch von der gegenwärtigen bayerischen Regierung geteilt werde. 75 v. H. der bayerischen Bevölkerung würden sofort die Wiederanfrichtung der alten
Tages-Spiegel
Der neue ReichShaushaltspla« enthält eine Ueberflcht übel die deutsche« Gesamtleistungen an Tribute« in dem Rechnungsjahre« 1924 bis 19S2. Sie belaufen sich ans über 11 Milliarden Reichsmark.
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Jn Lausanne Wurden die -entsch-sranzöfische« Sonderver» handlnngen gestern fortgesetzt. Reichskanzler «nd Reichs« ftnanzminister unterbreiteten dentsche Vorschläge» die aber bei den Franzosen keinen Anklang fanden.
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Deutschland hält in Lansanne an der völligen Streichung der Tribute fest, ist aber z« Gegenleistungen anf «irt- schaftspolitischen Gebieten bereit. Bei den Verhandlungen dürste es im wesentlichen «m de« Wiederaufbau der Wirtschaft Südosteuropas gehen.
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Die Ergänzungsnotverordnnng des Reichspräsidenten betr. Aushebung der Länderverbote über Uniformtragen «nd Kundgebungen soll «och heute erlaffen werden.
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Das dentsche Linienschiff „Schlesien", sowie die Torpedoboote „T 199" «nd „G 19" haben nach fünftägigem Besuch gestern den Danziger Hasen wieder »erlassen.
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In einer Versammlung -er NSDAP, in Tuttlingen äußerte Gregor Straffer, er sei der festen Ueberzengnng, daß Adolf, Hitler spätestens i« September deutscher Reichskanzler sei« werde.
bayerischen Monarchie unterstützen. „Die Weimarer Verfassung ist tot. Wir warten nur noch auf die Stunde ihres Begräbnisses." Die Wiedereinführung der Monarchie bedeute allerdings nicht die Trennung Bayerns vom Reich. Alles, was Bayern verlange, sei, ein treues Glied des Reiches zu bleiben. Bayern müsse aber das Recht zu einer von den anderen deutschen Staaten unabhängigen Verfassung haben.
Heim erklärte ferner, er glaube, daß die Stunde kommen werde, wo der Konflikt zwischen Bayern und dem Reich zum offenen Ausbruch komme. Bayern werbe sich dann nach einem König umschauen, der es in dem Kampf um die Wahrung der bayerischen Gesetze gegen die allgemeine deutsche Unordnung, die die Reichsregierung Bayern auszwingen wolle, führen werde. „Wir wünschen keinen Kampf; aber, wenn uns ein Kampf aufgezwungen wird, dann sind wir bereit dazu."
Dr. Heim beeilt sich, die Ausführungen des Berichterstatters richtigzustellen. Er beteuert u. a.: Die monarchistischen Bestrebungen Bayerns hätten nichts mit Separatismus zu tun, da Bayern sonst in volle Hörigkeit des Auslandes komme. Die Wiederherstellung der Monarchie habe die Wiederherstellung der Bismarckschen Reichsverfassung zur Voraussetzung unter Anpassung an die veränderten Zeitverhältniffe.
Slraßenkrawalle in Sachsen
Barrikaden-«» in Leipzig.
TU. Leipzig, 28. Juni. Im Osten Leipzigs, in Volkmars- dorf und in Paunsdorf führten die Nationalsozialisten am Montag abend in Stärke von etwa 1300 Mann einen ge- nehmigten Umzug durch. Als der Zug in die Nähe des Volkmarsdorfer Marktes kam, stieß er auf zusammengerottete Kommunisten, die Barrikaden errichtet hatten. Sie hatten Fuhrwerke umgeworsen und Steine dazwischengelegt. Außerdem hatten sie auch die Straßenlaternen zerschlagen. Die Polizei nahm sofort eine gründliche Säuberung vor, wurde aber aus den Reihen der Kommunisten heraus beschoffen. Daraufhin machte die Polizei von -er Schußwaffe ^ Gebrauch. Es wurde eine ganze Anzahl von Kommunisten verletzt.
In Chemnitz veranstalteten im ganzen Stadtgebiet die verschiedenen politischen Parteien Umzüge, bei denen es zu zahlreichen Zusammenstößen -wischen Kommunisten und Reichsbannerleuten einerseits und Nationalsozialisten und Stahlhelmleuten auf der anderen Seite kam. Die Zahl -er Verletzten wir- auf 30 geschätzt. 2 SS.-Leute wurden durch Messerstiche schwer verletzt. In beiden Fällen sollen Kommunisten die Täter gewesen sein.
In Oppeln lOS.) wurde in -er Hafen-Straße -er . SA.-Mann Seifert von einer Anzahl Kommunisten überfallen und in den Schaukasten einer Firma gestoßen. Die Angreifer versuchten ihr Opfer in die Oder zu werfen. Als sich Seifert zur Wehr setzte, zog einer der Kommunisten ein Messer und brachte dem Nationalsozialisten mehrere Sticke bei.