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Nr. 120 Donnerstag, den 26. Mai 1932 ' ' Jahrgang 105

Wüste Schlacht im Preußenparlament

Zweihundert Abgeordnete im Handgemenge Nationalsozialisten schlagen

Kommunisten zum Saal hinaus

Berlin» 26. Mai. Am neugewählten Preußischen Land­tag Hat es bereits am zweiten Sitzungstage Austritte gege­ben, wie sie in der gesamten parlamentarischen Geschichte Deutschlands noch niemals verzeichnet wurden. Die Sitzung selbst galt im wesentlichen der Wahl des Präsidi­ums. Alles ging glatt. Die Nationalsozialisten brachten ihren Kandidaten» den Abg. Kerrl, durch, der mit 262 St. Mm Präsidenten gewählt wurde, während der sozialdemo­kratische Kandidat Wittmaack 52 und der Kommunist Kasper 66 Stimmen erhielt. Wittmaack, der Präsident des letz­ten Landtags, wurde seinerseits mit 167 Stimmen zum er­sten Vizepräsidenten, der Zentrumsabgeordnete Baum- hoff mit 864 St. zum zweiten Vizepräsidenten und der Deutschnationale von Kries mit 254 Stimmen zum dritten Vizepräsidenten gewählt. Erst als man sich anderen Punkten -er Tagesordnung näherte, kam eine gereizte Stimmung im Hause auf. Als der kommunistische Abg. Pieck maßlos heftige Angriffe gegen die Nationalsozialisten schleuderte und schließlich zu ihnen hinüberschrie, daß sich in ihren Reihen eine ungeheure Zahl von Mördern befände flammte bei den Nationalsozialisten eine milde Erregung empor, sie dräng­ten nach vorne, die Kommunisten stürzten von ihren Sitz­plätzen auf und scharten sich um ihren Redner.

Im gleichen Augenblick schlug der kommunistische Ab­geordnete Fränkel dem Nationalsozialisten Hinkler ins Gesicht, während der Abgeordnete Kasper von den Kommunisten auf einen anderen Nationalsozialisten ein­schlug. Das Wasserglas, das neben dem Rednerpult steht, wurde nach rechts hinübergeworfen, ein Kommunist ergriff eine auf dem Pult der Stenographen stehende Lampe mit Glasschirm, die er gegen Nationalsozialisten schleuderte. Das alles spielte sich in großer Geschwindigkeit ab, ebenso die Abwehraktion der Nationalsozialisten. Die gesamte mehr als 166 Mann starke Fraktion stürzte von ihren Bänken zum Rednerpult. Es kam in der Nähe des Präsidenten- stuhles zu einem wilden Handgemenge. Bei dieser Schlä­gerei trug eine ganze Reihe von Abgeordneten mehr oder weniger schwere Verletzungen davon. Der sozialdemokratische Abgeordnete Jürgensen, der unmittelbar vor dem Red­

nerpult seinen Platz hat und nicht rechtzeitig flüchten konnte, erhielt mit einem Stuhlbein einen so schweren Hieb gegen den Hals, Saß er ohnmächtig zum Saal hinausgetragen wer­den mußte. Die Schlägerei endete damit, daß die Kom­munisten fluchtartig den Saal verlassen mußten. Die Natio­nalsozialisten behaupteten das Feld und stimmten nunmehr im Sitzungssaal eines ihrer Kampflieder an.

Nach der Schlägerei bot der Sitzungssaal einen wüsten Anblick. Der Platz des Abg. Jürgensen war mit Blut be­sudelt, große Blutflecken befanden sich auf dem Teppichbelag des Sitzungssaales, ebenso auch aus den Läufern in den Wandelgängen. Auf den Teppichen des Sitzungssaales lagen die schweren Stühle des Staatsrats vollkommen zertrüm­mert und zerbrochen. Schubkasten fand man überall im Saal verstreut, die Stehlampen waren in Trümmer gegangen. Tintenfässer lagen in Scherben auf dem Fußboden.

Der Aeltestenrat trat sofort nach der gewaltsamen Ver­tagung der Sitzung zusammen, um sich über die gegen die schuldigen Abgeordneten zu ergreifenden Maßnahmen schlüssig M werden. Wie verlautet, haben Nationalsozialisten und Kommunisten erklärt, daß ihnen an der Klärung der Schuldfrage nicht gelegen sei und daß sie ein Eingreifen der Polizei nicht wünschten. Die Sozialdemokraten erklärten dagegen, - sie sich angesichts der Verletzungen des Abg. Jürgensen und des ganzen Tatbestandes nicht damit abfin- öen könnten, daß die Beteiligten erklärten, sie seien ohne weiteres Interesse. Ein« ähnliche Erklärung wurde vom Zentrum abgegeben.

SVV Abgeordnete an der Schlacht beteiligt

Die Schlägerei im preußischen Landtag ist beispiellos in der Geschichte deutscher Parlamente. Es sind zwar im Land­tag in den letzten Jahren schon mehrfach Schlägereien vor­gekommen, bei denen es auch Leichtverletzte gegeben hat. Gestern aber kam es zu einer förmlichen Schlacht, bei der reichlich 266 Abgeordnete mit allen erreichbaren Gegenstän­den aufeinander einschlugen. Nach den bisherigen Feststel­lungen haben 5 Abgeordnete erhebliche Verletzungen davon­getragen.

Tages-Spiegel

Im preußischen Landtag ereignete sich eine Gaalschlacht »an beispiellosem Umsang zwischen Nationalsozialisten und Kommunisten. Fünf Abgeordnete wurden z. T. ernMch verletzt.

»

Zum Präsidenten -es preußischen Landtags wnrde gestern der nationalsozialistische Abgeordnete Kerrl gewählt. Die Vizepräsidenten «erden von der Sozialdemokratie, dem Zentrum und den Dentschnattonalen gestellt.

Ueber die bevorstehende Notverordnung bestehen immer noch Unklarheiten, insbesondere ist die Frage der geplante« Beschäftignngsstener noch nicht völlig geklärt.

I« Ostpreußen werde« Geländeverstärknnge« z«m militari» schen Schutz -er «-getrennte» Provinz »»»genommen.

«-

Die Entlastung der Reichsbank nimmt ihren Fortgang. I« -er dritten Maiwoche ist der Goldbestand «m 4,8 Millio» «e« gestiegen. Das Decknngsverhältnis beträgt gegenwär­tig 26,5 v. H.

allgemeinen Verbots der Kopfsteuer. Die Vertreter aller Parteien, di« das Wort ergriffen, erklärten, daß sie sich mit der Bürgersteuer in ihrer gegenwätigen Form und Wir­kung in keiner Weise befreunden könnten.

Verstärkter Schutz in Ostpreußen

TU. Königsberg» 36. Mai. Das Wehrkreiskommando I in Königsberg teilt mit: die dauernde Bedrohung der vom Reich abgetrennten Provinz habe das Reichswehrministerium veranlaßt, ihre Verteidigungsfähigkeit im Rahmen des durch das Versailler Diktat Erlaubten zu verbessern. Hierfür zur Verfügung gestellte Mittel würben zur Verstärkung des sog.Heilsberger Dreiecks" benutzt, um der Abwehrkraft der Provinz ein weiteres Rückgrat zu geben. Die erforder­lichen Geländeverstärkungen würden zum größten Teil an provinziale Baufirmen vergeben werden. Daneben dürfte auch der Freiwillige Arbeitsdienst eingesetzt werben. Ab­gesehen von dem Zweck der Geländeverstärkungen seien dies« Arbeiten auch im Interesse der Arbeitsbeschaffung zu be­grüßen.

Das Wehrkreiskommando fügt jedoch hinzu, daß die neuen Verstärkungen keineswegs auf eine Ver­schärfung der Bedrohung der Provinz zurückzusüh- ren seien oder hindeutetcn.

Stwßenkrmvcille m Homburq

Gtnrm auf den Alsterpavillon

TU Hamburg, 26. Mai. Am Mittwoch abend kam eS auf dem Jungsernstieg zu schweren Ausschreitungen erwerbs­loser und kommunistischer Elemente. Ein Zug von mehre­ren tausend Personen, darunter auffallend viel Frauen, zog unter fortivährenden Hungerrufen durch die genannte Straße. Vor dem Alsterpavtllon ergriffen Demon­stranten Stühle und Tische und schleuder­ten sie gegen die großen Spiegelscheiben des gut besuchten Lokals. In das Klirren der Fensterscheiben mischten sich di« Angstrufe der Gäste, die ihre Fensterplätze fluchtartig räumten. Um die Menschenmenge am Eindrin­gen zu verhindern, nahmen vier Polizeibeamte mit gezoge­nen Revolvern an den Eingängen Aufstellung. Es gelang ihnen, die Angreifer so lange in Schach zu halten, bis von den benachbarten Polizeiwachen Hilfsbereitschaften zur Stelle waren.

Der Alsterpavillon wurde vorübergehend geschlossen. Auch die am Jungsernstieg gelegenen zahlreichen Geschäfte mach­ten zu, da Plünderungen befürchtet wurden. Die Fenster­scheiben zweier Läden wurden eingeschlagen. Mehrere den Jungsernstieg passierende Privatautomobile wurden von der erregten Menge angehaltcn und u.mgekippt, nachdem die Insassen die Wagen verlassen hatten. Wie von Augenzeugen einwandfrei festgestellt werden konnte, war die ganze Aktion systematisch vorbereitet.

Schlechter Auftakt für Lausanne

Nachzahlung der gestundeten Kriegsschulden?

TU. Washington, 26. Mai. Das Schatzamt gibt bekannt, daß sich alle sechzehn Schuldnernationen bereit erklärt haben» die Verpflichtung zur Nachzahlung der durch das Hoo-ver-Moratorium gestundeten Kriegsschuldenzahlungen in zehn Jahresraten mit vierprozentiger Verzinsung innerhalb 14 Tagen zu unterschreiben. Die Verpflichtung ist recht illu­sorisch, weil sie die Wiederaufnahme der Tributzahlunge» voran ssetzt.

Kabinettsberatung über die Notverordnung

Ausdehnung der Beschäftigtensteuer auf alle Arbeitnehmer? Anrufung des Reichspräsidenten

TU Berlin, 26. Mai. Die ursprünglichen Pläne des Ka­binetts über die Sozialversicherung und die Arbeitsbeschaf­fung scheinen inzwischen einige Minderungen erfahren zu haben. Bei -er Arbeitslosenversicherung dürfte es bei der Kürzung der Unter st tttzungsdauer von 2Y auf 13 Wochen bleiben. Die Verlängerung -er Krisenfürsorge um 7 Wochen auf 45 Wochen wollte das Kabinett zuerst nicht durchführen. Es entschied aber schließlich Loch dafür, die Verlängerung betzubehalten. In Erwägung gezogen wurde ferner die Bedürftigkeitsprüfung für die Wohlfahrtser- werbslosenfiirsorge auf die Arbeitsämter zu übertragen. Ob es zu dieser Neuregelung kommt, ist noch zweifelhaft. Der freiwillige Arbeitsdienst soll auf alle Jugend­lichen bis zu 25 Jahren und zwar auf sämtliche Berufe ein­schließlich Akademiker und Abiturienten ausgedehnt werden. Eine der Hauptbeschäftigungsarten des Arbeitsdienstes wird die Siedlungsarbeit werden.

Ueber die Frage -er Arbeitszeitverkürzung sind die Beratungen noch nicht abgeschlossen. Die Forderung der Freien Gewerkschaften, eine allgemeine Herabsetzung der Arbeitszeit und einen Einstellungszivang herbeizusühren, wird vom Kabinett als undurchführbar bezeichnet. Die Frage Ser Finanzierung hat im allgemeinen keine Aende- nrng erfahren. Es soll jedoch in Erwägung gezogen worden sein, die Beschäftigtensteuer in Höhe von 1,5 v. H. von allen Arbeitnehmern ohne Unterschieb des Einkommens zu erheben. An zuständiger Stell« konnte aber über diesen letzten Punkt nichts erfahren werden.

Das Reichskabinett setzte am Mittwoch nachmittag seine Beratungen fort. Es beschäftigte sich neben der Sanierung der Sozialversicherung vor allem mit der Sied lungs­frage, die in den Mittelpunkt der politischen Auseinan­dersetzung getreten ist und wohl auch bei der Aussprache iwischen dem Reichspräsidenten und dem Reichskanzler eine erhebliche Rolle spielen wird.

Dentschnationaler Appell an den Reichspräsidenten

Die deutschnationale Reichstagsfraktion hat sich gestern mit einem dringenden Appell an den Reichspräsiden­ten gewandt, um gegen die geplanten Notverordnungen, di« schon jetzt stärkste Erregung im Volk« auslös«« und allen

während der Wahlzeit von der Negierung gegebenen Zu­sicherungen widersprechen, Verwahrung einzulegen und gleichzeitig den Reichspräsidenten zu bitten, auf Grund der ihm im Art., 24 der Reichsverfassung gegebenen Vollmacht von sich aus die alsbaldig« Einberufung des Reichstags zu veranlassen.

Auch der ReichSbunü der höheren Beamten hat in einem Telegramm an den Reichspräsidenten gegen die geplante neue Notverordnung Stellung genommen. Der Reichsbund stellt in seinem Telegramm fest, baß derartige Mehrbelastungen zu denvor der Reichspräfldentenwahl und den Länderwahlen mehrfach abgegebenen Erklärungen leitender Staatsmänner" im Widerspruch stehen würden.

Einberufung des Acltcstenrats des Reichstages

Der Aeltestenrat des Reichstages ist jetzt für Dienstag, 31. Mai, 17 Uhr, einberufen worden. Aus ber Tagesord­nung dieser Sitzung steht die Frage der Einberufung -es Reichstages.

Die Wirkung der Steueramnestie

Der Steueransschuß des Reichstages beschäftigte sich mit Anträgen zur Kapital- und Steuerflucht. Ministerialdirek­tor Zahr den vom Reichsfinanzministerium teilte mit, daß infolge der Steueramnestie des Vorjahres 2093 Mill. Reichsmark bisher hinterzogen« Vermögenswerte Len Steuerbehörden angegeben worden seien. Daneben aber seien nicht unerhebliche Beträge ohne direkte Angaben dekla­riert worden. Von den 2693 Mill. entfielen 898 Mill. aus ausländische Beteiligungen. 179 Familienstiftungen hätten 48 Mill. Mark Vermögenswerte angegeben. An Einkommen seien 132 Mill. RM. für das Jahr 1630 nachträglich angemel­det worden. Die mit der Amnestie verbundene ReichsbaHn- anleihe habe bis zum 28. Mai ein Zeichnungsergebnis von 248 Mill. RM. aufgewiesen. Erschöpfendes Material über di« Reichsfluchtsteuer liege noch nicht vor.

Die Kapitalflucht sei geringer geworden, man könne auch annehmen, daß geflüchtetes Kapital in nicht geringem Um­fang« inzwischen wieder den inländischen Verwendungen -»gewendet worden sei.

Der Ausschuß befaßte sich daun mit einem Antrag des