Dr. Luther für behelfsmäßige Ein­führung einergeldlosen" Wirtschaft

Der Deutsche HanöelSöienst ist jetzt in der Lage, Vor­schläge der Reichsbank zum Arbeitsbeschaffungsproblem in ihren wesentlichen Gedankengängen zu veröffentlichen. Sie sind unter dem Titel:Gedanken zur Prüfung der Frage, ob durch geldlose Wirtschaft hilfswirtschaftliche Maßnahmen möglich sind", zusammengefaßt. In ihrem ersten Teil wird als das Wesen einer geldlosen Wirtschaft bezeichnet, mög­lichst wenig für Material und Löhne bar auszugeben. Die eigentlichen Vorschläge einer geldlosen Wirtschaft zielen darauf ab, durch Maßnahmen, die als hilfswirtschaftliche Maßnahmen bezeichnet werden, im Interesse der Beschäf­tigung der Arbeitslosen unter Nutzbarmachung ihrer Ar­beitskraft auf bestimmten Gebieten vorübergehend und be­helfsmäßig wegen der freien Marktwirtschaft eine geld­lose Wirtschaft entstehen zu lassen.

Die charakteristischen Merkmale dieser Hilfswirtschaft sind Beschäftigung von Arbeitslosen in der Form der Arbeits­dienstpflicht oder sonstwie, dazu vielleicht Neueinführung von öffentlichen Leistungsvcrpflichtnngen lwie in den soge­nannten Hand- und Spanndiensten), ferner Vergütung für Land und Materialien z. B. Holz, das zur Zeit marktwirt­schaftlich nicht verwertet werden kan». Hineingearbeitet in den Plan wird ein Vorschlag von Professor Lederer, still- gclegte Unternehmungen durch arbeitslose Arbeiter und Angestellte wieder in Betrieb zu setzen und die so erzeugten Konsumartikel an die Arbeitslosen ohne Entgelt zu vertei­len. Betont wird, daß die Begrenzung von Arbeiten auf Gemeinnützigkeit und zusätzlicher Artikel genau inuegehal- ten werden muß. Als hauptsächliche Arbeiten werden ge­nannt: landwirtschaftliche und städtische Rand-Sied­lung, Meliorationen, Straßenbau, Hoch­wasser schütz und Flußregulierung. Die erste Stelle nimmt hierbei die landwirtschaftliche Siedlung, be­sonders die sogen. Primttiv-Siedlung, ein. Ein Teil des hilfwirtschaftlichen Programms werde zwar durch Geld be­stritten werden müssen. Das könne durch die Prämien­anleihe geschehen.

Im ziveiten Teil wird die Organisation des hilfswirt- schaftlichcn Programms skizziert, wobei als Beispiel die landwirtschaftliche Siedlung gewählt ist. Der Aufbau der Siedlung soll durch Erwerbslose in freiwilligem Arbeits­dienst geschehen bet gemeinsamer Verpflegung und gemein­samer Unterbringung. Die Arbeitsfreimilligen sollen in Gruppen ihre Siedlungen erwerben. Innerhalb des Ar­beitslagers ist Ausbildung der in der Landwirtschaft Un­erfahrenen vorgesehen. Für die Siedlungsbanten soll in möglichst umfangreichem Maße Holz verwandt werden, das von den Gemeinden und Ländern zunächst geldlos geliefert wird, gegebenenfalls Abgabe von ausrangierten Reichsbahn­wagen. Für die Herstellung des Materials sollen gleichzei­tig stillgelegte Betriebe durch Arbeitslose in Betrieb genom­men werden. Die hilfswirtschaftlichen Maßnahmen wären einem Reichskommissar mit großen Vollmachten zu unter­stellen. Aufgabe des Reichskommissars sei auch, dafür zu sor­gen, daß die Erzeugnisse der Selbsthilfebetriebe nicht auf den freien Markt gelangen. Im dritten Teil werden Be­denken und Vorschläge des Programms gegeniibergestellt. Bei diesen Mitteilungen handelt es sich um einen Teil eines Gedankenaustausches zwischen der Reichsbank und der Reichsregierung. Die Ausführungen stellen daher nichts M- geschlossencs dar, sondern sind vielmehr eine Zusammenfas­sung von Gedanken, die Dr. Luther vor einigen Wochen er­wogen hat.

Tagung der deutschen Landkreise

Die kommnnale Selbstverwaltung in höchster Gefahr

Auf einer Tagung der deutschen Landkreise in Wei­mar gab Präsident Dr. v. Stempel ein trübes Bild von der augenblicklichen Lage der Landkreise. In­folge der Wirtschaftsschrumpfung und der Erhöhung der Zahl der Arbeitslosen, so sagte der Redner, habe jede kom­munale Tätigkeit vielfach aufgehört, weil alle Finanzkräfte auf die Auszahlung der Unterstützungen konzentriert wer­den mußten. Dabei sei die Steigerung der Arbeitsloscnzahl auf dem Lande vielfach stärker gewesen als in den Großstäd­ten. Die deutschen Landkreise hätten am 31. Mürz 1932 775 0Ü9 Wohlfahrtseriverbslose aufzuweisen gehabt. Der all­gemeine Rückgang der Finanzen auch in den Landkreisen habe nicht nur eine weitere Verschlechterung auch auf dem Nrbeitsmarkt erzeugt, sondern auch den Verfall der Kultur in drohende Nähe gebracht. Die Verschuldung sei weiter stark im Ansteigen. Einsparungsmöglichkeiten gäbe es jetzt nicht mehr. Eine Rcichsfinanzierung sei so lange wirkungslos, als die Kommunen ihrem Schicksal selbst überlassen bleiben. Die Finanzsanierung müsse für Reich, Länder und Kommu­nen gemeinsam sein. Syndikus Dr. v. Hausen-Weimar führte in einem Referat über den Finanzausgleich aus: Die kommunale Selbstverwaltung sei in höchster Ge­fahr. Die Not der Gemeinden und Gemeindeverbände sei nicht nur eine Folge der Wirtschaftsnot, sondern auch der Gesetzgebung. Der verzweifelte Kampf, den die Kommunen um die Mittel für die lebensnotwendigsten Ausgaben kämp­fen müßten, und die zunehmende Verelendung der Bevölke­rung in vielen Landkreisen drohten zu einer Auflösung des Staates zu führen. Eine Neuregelung des Finanzausgleichs sei dringend erforderlich. Das Steuersystem müsse von un­ten nach oben aufgebaut werden. Dringend erforderlich sei die Umgestaltung der Arbeitslosenhilfe. Die Landkreise müß­ten eigene Steuern erhalten und an den Staatszuschüssen und Finanzzuweisungen beteiligt werden. In allen Fragen des Finanzausgleichs komme es darauf an. Sie Verantwor­tung klar abzugrenzen und festzulegen. Wer Ausgaben be­schließt, müsse für Deckung sorgen. Reich und Land dürsten keine Vorzugsstellung für die Deckung ihres Bedarfs in An­spruch nehmen.

Gin Mahnruf aus Danzig

Der deutsche Osten durch Polen gefährdet

TU. Danzig, 16. Mai. Die Landesgruppe Danzig des Alldeutschen Verbands erläßt folgende Kundgebung: Die Ausführungen des Reichskanzlers Dr. Brüning inner­halb des Verbands der auswärtigen Presse, denen zufolge das Gerücht, über eine bevorstehende Bedrohung Danzigs unbegründet sei, erscheinen geeignet, den Eindruck zu er­wecken, als ob ernstliche Bedrohungen außenpolitischer Art für Danzig nicht bestanden hätten. Demgegenüber fühlen wir uns verpflichtet, aus eigener Kenntnis der örtlichen Ver­hältnisse festzustellen, daß alle militärischen Maßnahmen Po­lens im Korridorgebiet und in verschleierter Art in Danzig in den letzten Wochen stattgefunüe» haben, zweifellos als Anzeichen einer aktiven Bedrohung Danzigs und auch Ostpreußens angesehen werden mußten. Da­zu gehören die großen polnischen Truppenhüufungen im benachbarten Korridorgebiet, das versteckte Zusammenwirken aktiven polnischen Militärs mit den Verbünden, der polni­schen militärischen Vorbereitung im Korridorgebiet, die un­ausgesetzte kriegsmäßige Schulung der in Danzig ansässigen Mitglieder polnischer Wehrverbände in Dirschau und Gdin­gen unter Leitung von Offizieren der Militürabtcilung der diplomatischen Vertretung Polens in Danzig unter tätiger Mithilfe des Präsidenten der polnischen Eisenbahndirektion in Danzig.

Bei ber planmäßig zu gleicher Zeit zu offener Gewalt gegen Danzig aufforderndcn polnischen Regierungspresse be­dürfte es nur eines geringen Anstoßes, um von polnischer Seite unter nichtigen Vorwänden zu bewaffneten Ak­tionen gegen Danzig und Ostpreußen zu schrei­ten. Die auch jetzt noch ungewöhnlich starke Militarisierung des Korridorgebiets durch Polen und unterirdische Wühle­reien polnischer Militärorganisationen in Danzig bleiben eine starke Gefahrenquelle für den Frieden des deutschen Ost rau ms von Danzig bis Königsberg und erfordern daher auch in Zukunft schärfste Wachsamkeit aller verantwortungsbewußten Deutschen innerhalb und außerhalb des bedrohten deutschen Ostlands.

Frankreichs neues Staatsoberhaupt

Der Präsident der Republik Lebrnn

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Das gerichtliche Nachspiel zum Reichstags-Krach

Das Berliner Schnell-Schöffcngericht hat, wie mir be­reits berichteten, die an der Schlägerei im Reichstagsrcstau- raunt beteiligten nat.soz. Abgeordneten Heines Steg­mann und Weitzelzu je 3 Monaten Gefängnis und zur Tragung der Kosten des Verfahrens verurteilt.

In der Urteilsverkündung führte der Vorsitzende u. a. aus: Das Gericht hat mildernde Umstände nicht annchmen können. Es ist zu verstehen, daß die Angeklagten durch die Angriffe von Dr. Klotz gegen hervorragende Führer ihrer Partei aufs äußerste erbittert waren. Dabei kommt es gar nicht darauf an, ob die von Dr. Klotz erhobenen Angriff« geschmackvoll oder nicht geschmackvoll waren. Wenn die An­geklagten aber ihrer Empörung darüber Ausdruck geben wollten, dann hätten sie seit März Gelegenheit dazu gehabt. Sie könnten es auf legalem Wege tun, denn nach dem neuer­dings verschärften Ehrenschutz werden harte Strafen ver­hängt bei der Ehrenkränknng von Personen, die im öffent­lichen Leben stehen, also auch von Parteiführern. Wenn die Angeklagten aber, wie sie andeuteten, noch auf dem Stand­punkt stehen, daß solche Ehrenhändel nach der früheren Weise ausgetragen werden müßten, dann hätten sie dazu auch andere Plätze und Orte gefunden. Das Gericht macht den Angeklagten einen schweren Vorwurf daraus, daß sie zur Austragung dieser Sache den Reichstag gewählt haben, der Millionen von Deutschen als Sitz der Volkssouveränität so heilig ist, wie religiös empfindenden Menschen ein Got­teshaus oder ein Friedhof.

Das Gericht hat beschlossen, die Angeklagten sofort aus der Haft zu entlassen.

Der Berliner Polizeivizepräsident Dr. Weiß hat gegen Dr. Göbbels wegen einer während der Vorgänge im Reichstag gefallenen AeuHsemrg Dr. Göbbels Strafantrag gestellt.

Politische Kurzmeldungen

In der Berliner Gemeindevertretung erklärte Oberbür­germeister Sahm, daß, wenn keine Hilfe von Staat oder Reich komme, Berlins Finanzen in wenigen Wochen zusam­menbrechen müßten. Im braunschweigischen Landtag hat der Abgeordnete Alpers sNS.) folgenden Dringlichkeits­antrag eingebracht: Das Staatsministeriilm wird ersucht, unverzüglich beim Herrn Reichspräsidenten und bei der Reichsregierung Einspruch gegen das einseitige Verbot der Organisationen der NSDAP, zu erheben. Die Londoner Zeitung Daily Telegraph meint, daß die gegenwärtige deutsche Neichsregierung den Rücktritt Gröners höchstens um 6 Wochen überleben werde. Man sei allgemein davon überzeugt, daß das nächste Neichskabinett sowohl Dr. Brü­ning, als auch Vertreter der gemäßigten Nationalsozialisten und ferner einige der wichtigsten Führer des Zentrums und der Rechten einschließen werde. Laut Beschluß des polni­schen Staatspräsidenten ist der schlesische Sejm auf unbe­stimmte Zeit geschlossen worden. Die Schließung des Par­laments muß als Folge des Konflikts zwischen den Abge­ordneten der Regierungsparteien und dein Sejm-Marschall angesehen werden. Das Regicrungsorgan Polska Zachoönia kündigt an, daß in allernächster Zet eine grundsätzliche Re­organisation des schlesischen Sejms im Geiste und im Inter­esse der Westmarkenpolitik erfolgen würde. Daily Matl gibt bisher übrigens noch keineswegs bestätigte Ge­rüchte wieder, wonach Verhandlungen zwischen England und Amerika über einen neuen Handelsvertrag bovor- stehen, bei dessen Abschluß England sich zur Wiederauf­nahme der KriegSschuldenzahlungcn an Amerika bereit er­klären würde. Der WührungSausschuß des amerikani­schen Abgeordnetenhauses hat beschlossen, Präsident Hoover aufznfordcrn, die interessierten Mächte zu einer internatio­nalen Konferenz einzuladen.

Aus aller Well

Abstürze in de» Bergen.

Die alpine Verlustliste der Pfingsttage in den bayrischen Bergen ist außerordentlich umfangreich. Es verunglückten durch Absturz 7 Touristen tödlich,' 3 wurden schwer verletzt.

Förderkorbungliick in Dortmund

Auf der Zeche Dorstfeld der Gelsenkirchcner Bergwerks AG. ereignete sich ein schweres Förderkorbungliick. Bei der Einfahrt der Bergleute in die Grube riß plötzlich das För­derseil, so daß beide Fvrderkörbe in die Tiefe sausten. Die Zahl der Toten beträgt 5.

Autounsälle im Harz.

Ueber Pfingsten ereigneten sich im Harz mehrere schwere ^KMftwagenunfälle. Es haben hiebei insgesamt 9 Personen den Tod gefunden, vier wurden schwer verletzt.

Flugzeugabsturz bei Berlin.

Am Piingssonntag nachmittag stürzte über dem Flug­platz Adlershof ein Flugzeug der akademischen Flieger- gruppe ab. Der Führer, .Kniemeier, trug schwere Kopfver­letzungen dnoon irnd wurde nach dem Krankenhaus trans­portiert. Der Beobachter, der 29 Jahre alte Student Lud­wig Wunsch aus Adlershof, erlitt einen Schädelbruch und ivar sofort tot.

Lahmlegung -es Schiffsverkehrs im Kanal.

Ein undurchdringlicher Nebel legte am Sonntag nach- nrtttag und in der Nacht zum Montag den ganzen Schiffs­verkehr auf dem Kanal lahm.

Großer französischer Passagierdampser in Brand

Der französische PassagierdampferGeorge Philippart" mit etwa 600 Passagieren an Bord hat im Golf von Aden Feuer gefangen. Das Schiff hatte Marseille am 26. Februar nach Aokohama verlassen. Die Besatzung setzt sich aus rund 306 Mann zusammen, so daß mit den Passagieren rund 906 Mann an Bord sind. Die Gesellschaft, der das Schiff gehört, ist im Augenblick ohne direkte Nachricht.

Mißglückter Ozeanslng

Der amerikanische Flieger Lu Reichers, der am Freitag mittag zu einer Ueberfliegung des Atlantik von Harvonr Grace lNeufundland) aufgestiegen war, stürzte in den frühe« Morgenstunden des Samstag etwa 50 Seemeilen von der irischen Küste entfernt mit seinem Flugzeug ins Meer. Er wurde von dem Passagierdampfer Roosevelt, der sich auf der Fahrt von Queenstown nach Neuyork befindet, mit einer ge­brochenen Nase und leichten Zerrungen anfgefischt. Infolge des hohen Seeganges konnte die Maschine nicht gerettet werben.

Eine Minute Berkehrsstillegung aus Anteilnahme für Lindbergh.

In Newyork wurde der gesanrte Verkehr am Samstag uin 12 Uhr eine Minute stillgelegt, um dadurch der Teil­nahme an dem tragischen Schicksal, das das Ehepaar Lind­bergh betroffen hat, Ansdruck zu verleihen.

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Kurznachrichten aus aller Welt.

Im Offenburger Spritschiebcrprozeß wurde das Urteil verkündet. Insgesamt wurden gegen 14 Angeklagte Geld­strafen in Höhe von 31 835 000 Reichsmark und Wertersatz­strafen in Höhe von 16164 608 Reichsmark verhängt. Ferner Gefängnisstrafen von 16 Monaten und 2)^ Jahren Zucht­haus. 6 Angeklagte wurden freigesprochen. Der 60 Jahre alte Packmeister Albert Heining wurde in einer Wurstküche auf dem Dortmunder Schlachthof von seinem 28 Jahre alten Sohn durch einen Stich in den Rücken getötet. Der Täter stellte sich der Polizei. In Bengalen wurde ein Expreßzug von Räubern überfallen. Die Räuber drangen mit vor­gehaltenen Revolvern in Sie Abteile ein und nahmen den Fahrgästen, zum größten Teil Kaufleuten, insgesamt etwa 100 000 Mark an Geld und Wertsachen ab. Das Washing­toner Marineamt gibt bekannt, daß das Luftschiff Los An­geles am 30. Juni außer Dienst gestellt werde. Das Lust- schiff wird in der Lakehurster Halle bleiben und instand­gehalten werben. Durch die Anßerdienststellung soll eine jährliche Ersparnis von 280 000 Dollar erzielt werden.