v. Hindenburg bleibt Reichspräsident
UM
Die Wahlbeteiligung war gestern etwas geringer wie beim ersten Wahlgang, wo bekanntlich im Bezirk rund 79 v. H. und in der Oberamtsstadt rund 8V v. H. der Wahlberechtigten ihre Stimme abgaben. Insgesamt haben beim zweiten Wahlgang im Bezirk 634 stimmberechtigte Wähler (in Calw 197) weniger von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht. Es dürfte sich hierbei zu einem großen Teil um Duestcrbcrgwähler und Anhänger der KPD. handeln. Auffallend erscheint in diesem Zusammenhang auch die hohe Zahl der ungültigen Stimmen mit 87. Wie wir erfahren, besteht ein großer Teil hiervon in weiß abgegebenen Wahlzetteln, Sic Wähler wollten sich also der Stimme enthalten. Wo die 1399 Ducsterbergstimmen hingekommcn sind, läßt sich nicht ohne weiteres feststellcn. Sicher ist, daß >iclc Anhänger dieser ersten Wahlgangskandidatur überhaupt nicht zur Urne gingen, die restlichen Stimmen haben sich anscheinend ziemlich gleichmäßig auf die Kandidaten v. Hindenburg und Hitler verteilt. Die gestrigen Wahlen sind, soweit wir unterrichtet sind, im Bezirk überall in Ruhe ..»d Ordnung verlaufen.- das prächtige Frtthjahrswctt:r, welches der Sonntag nach den Aprillaunen der Vorwoche brachte, mag wesentlich zu der immerhin noch recht m-hen Wahlbeteiligung beigctragen haben. Die Prästdcntschastsirage ist nunmehr entschieden, aber damit ist die Zeit der Wahlen, mit denen uns das Frühjahr 1932 in so reichem Maße beglückt, noch nicht vorüber. Ter politische Kampf geht weiter, denn noch in diesem Monat — am 24. April — sollen > ie Landtagswahlen erledigt werden.
Revolveranschlag auf Or. Lutber
Der Reichobankpräsident durch leichten Streifschuß verletzt
TU. Berlin, 11. April. Auf Sen Reichsbankpräsidenten Dr. Luther, der sich am Samstagabend mit dem fahrplanmäßigen FD.-Zug nach Basel begeben wollte, wurde um 29.52 Uhr auf dem Potsdamer Bahnhof Bahnsteig 6 von einem Herrn ein Schuß abgegeben, der durch den Rock ging und den Rcichsbankpräsidcntcn am Arm leicht verletzte. Dr. Luther trat seine Fahrt trotz des Anschlags an. Der Attentäter, sowie eine zweite ihn begleitende Person wurden festgenommcn. Sie leisteten keinerlei Widerstand. Einen der Täter hat Dr. Luther selbst festgehalten. Wie der Reichsbankpräsidcnt erklärt, trat der Attentäter, der den Schuß abgegeben hatte, auf ihn zu mit den englischen Worten: „I 8 NPPO 80 " (ich vermute). Die Wunde ist ein ungefährlicher 4 Zentimeter langer Streifschuß unterhalb des Oberarmes. Die Wunde wurde von einem Tr. Lnther begleitenden Major verbunden.
Als Täter hat die Polizei den Kaufmann Werner Kcrt- scher, 1898 in Koschitz geboren, der ohne Beruf ist und sich in Berlin aufhält, fcstgestellt. Sein Mittäter ist der frühere Rechtsanwalt Dr. Roofen aus Hamburg, Alsterglacis. Dr. Rooscn hat selbst ein Geständnis nicdergcschrieben, erklärte aber, daß er nähere Angaben nur dem ordentlichen Richter machen wolle. Ueber die Beweggründe der Tat verweigern beide festgenommenc Personen jede Auskunft. Bei Kertscher wurde eine Einladung des Nationalsozialistischen Juristcnbundes Gruppe Volkswirte, Gau Groß-Berlin gefunden. Beide Personen verweigern Angaben über ihre Parteizugehörigkeit.
Der Reichstagsabgeordnete Hinkel, der Leiter der Lügenabwehrstelle der NSDAP, gibt zu dem Anschlag auf Neichs- bankpräsident Dr. Luther folgendes bekannt: „Das Attentat auf Rcichsbankprüsident Dr. Luther wird von Gegnern der NSDAP, zu dem Anlaß genommen, die Partei mit der Verantwortung für dieses Attentat zu belasten. Dazu stellen wir fest: Der 59 Jahre alte Dr. Max Noosen ist der NSDAP, unbekannt. Der andere Täter, der 34 Jahre alte Walter Kertscher, hat kurze Zeit der NSDAP, angchört, ist aber Anfang Januar dieses Jahres auS der NSDAP, aus- geschieden, da ihm „der legale Kurs im Sinne Adolf Hitlers nicht paßte". Schon mit dieser Erklärung ist genug bewiesen, das; Kertscher niemals Nationalsozialist gewesen ist, sondern zu jenen Elementen gehört, die aus der nur mit legalen Mitteln kämpfenden Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei wegen Verstoße? gegen die strengen Partciricht- ltnien zur Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften entfernt werden mußte.
Deutschland und die Präsidentenwahl in Amerika
gen Staatsmänner im „Weißen Hause" die parteipolitischen
Im Spätherbst wählen die Vereinigten Staaten ihren > neuen Präsidenten. Deshalb werden sie schon vom frühen Sommer ab für die außeramerikanischeu Geschehnisse nicht mehr zu sprechen sein. Habe» sic darin überhaupt noch viel zu sagen'? Die Macht über die Erde, die ihnen die Weltgeschichte in Sen Schoß geworfen hatte, verstanden sie schon in Versailles nicht zu nutzen. Anstatt Sem Weltfrieden zn dienen, rafften sie einseitig Vorteile nicht einmal politische, sondern in erster Linie geschäftliche, zusammen. Sie verkannten, daß Macht Handeln, Taten verrichten müssen, bedeutet, wenn sie nicht ihren Inhabern zum Verderben gereichen soll. Sie benutzten die Macht zum Schacher und sonst zu nichts. Mit einer Art kindischer Sorglosigkeit ließen sie die Führung der Erde, die Zügel, die ihnen zugeworfcn wurden, am Boden schleifen. Die Zugkräfte der Politik und der Wirtschaft verstrickten sich darin, und nun fällt alles durcheinander.
Die Vereinigte» Staaten gehen uns zur Zeit in erster Linie als d t c T r i b n t m a ch t der Erde an, ganz gleich, ob es sich dabei um verbriefte Schulden oder anfgczwmigene echte Tribute handelt. Für Deutschland ist die Tributfrage gelöst, weil es nicht mehr zahlen kann und auch keine Regierung bekommen könnte, die überhaupt wieder zahlen dürfte. Wenn sich die im doppelten Sinne des Wortes verschobene Lausanner Negiernngskonscrenz allein mit der Tributfrage beschäftigen wollte, würde sie nichts als leeres Stroh dreschen; j denn in der deutschen Tribntangelegenhcit sind allenfalls noch die Förmlichkeiten zu erledigen. Man spricht bei uns zuweilen noch von der Hilfe Englands, Japans oder Italiens in dieser Sache. Es wäre richtiger nnd entspräche mehr dem Gang der Ereignisse, schon heute von einer Hilfsstellnng Deutschlands für Frankreich, England und Italien zu reden, damit diese ihrer amerikanischen Schulden ledig werden.
Hier mündet die Tributwirklichkcit in die amtliche Politik der Bereinigten Staaten ein. Man mutz den Begriff amtlich in diesem Zusammenhang besonders stark betonen. Nichtamtlich gaben die Vereinigten Staaten ihre Tribute und ihre Glänbigcransprüche preis, weil sie wissen daß die Welt sie mit dem Aufhören der deutschen Tribntzahlungen nicht mehr befriedigen kann und will. Wen; sagt Lloyd George in seiner verdienstvollen Abhandlung „Die Wahrheit über Reparationen und Kriegsschulden" noch Neues, wenn er hervorhebt, daß man allenfalls noch den Zinscndienft für die Dawes- und die Aonnganleihe von Deutschland erwarten dürfe und daß man im übrigen lediglich noch anerkennen müffe, daß Deutschland schon soviel bezahlt habe, wie „vernünftigerweise von ihm erwartet werden könnte?" Das sind Töne, die man längst auch in den Bereinigten Staaten nicht mehr als ungewöhnlich empfindet.
Um die Mitte des Jahres 1931 können für die kurzsichti
Unbeguemlichkciten um die Schuldenstrcichung noch eine Bedeutung gehabt haben. Heute wissen sie wohl selbst, daß die Weltgeschichte über ihrkn aufgeblasenen Parteidünkel schon wieder einmal weit hinweggeschritten ist und daß sie nur noch aus Prestigegründen so tun müssen, als hätten sie die -Streichung der Schulden und der Tribute überhaupt uöch in der -?and. Es sind jedoch nur'noch Formalien zu erledige». Wenn wir ans ihre reibungslose Abwickelung Wert lege» würden, müßten mir wünschen, daß uns twr Präsident der amerikanischeil und der Welt-Enttäuschungen, Herr Hovver auch noch als 32. Präsident seines Landes erhalten oieiben möge. Es wäre aber grundfalsch, etwa anzunchmen, dag der mächtige Präsident Macht genug besäße, schon um die Zeit der Lausanner Konferenz, also im Juni, das Schlußwort in der Schulöcnstreichungsfrage zu sprechen. Er Hütte diese Macht, wenn er ein heroischer, mitreißender Führer wäre. Er ist aber nur ein kleiner, durchschnittlicher Parteifunktionär, der sich mit Glück nnd einigem Geschick zur Stellung dcS höchsten Beamten cmporgeivnnde» hat.
Deshalb darf er frühestens im November, Dezember 1932 tun, was er tn n muß, da er es doch nicht aushalten kann. Die Tributsgeschichtc würde sich inzwischen in folgenden, genau voranszusagenden Abschnitten entwickeln: In Lausanne verzögert man in; Juni den Entschluß zur formalen Streichung der TribuZ weil Amerika nicht die Streichung der Schulden vollzieht. Am 39. Juni läuft das Hoovcrjahr ab und am 15. Juli muß Deutschland die Zahlungen nach dem Aonngplan wieder aufnehmen. Da das nicht geschehen kann, weil seine Kaffen gänzlich leer sind, haben die anderen diese Wirkung ihrer Politik irgendwie zu vertmchen. Es kommt zn einem neuen Stundungs- oder „Vefreinngs"- Verfahrcn. Wird dann im November Hoovcr gewählt, so bekommt er tatsächlich eine günstige Gelegenheit m der Schulden- und Tribntfrage auf den Boden der Wirklichkeit zu treten. Kommt ein anderer, dann kann Hover gar nichts unternehmen, aber auch nicht verhindern, daß der Zahltag der Amerika-Schuldner Frankreich, England und Italien usw. hcranrttckt, der 15. Dezember. Er wird dann die Erklärung dieser Staaten cntgegenneymcn dürfen, daß sie nichts haben, weil Deutschland ihnen nichts geben kann- Das wird Hoovcr nicht an Fröhlichen Weihnachten hindern; denn die Nuß könnte er »»geknackt am 4. März 1933 seinem Nachfolger überreichen, der dann seine Zähne daran erproben mag. Zweifelt man angesichts dieser Lage noch, daß die Tribut- frage eine rein iuneramcrikanischc Angelegenheit geworden ist? Noch ein Jahr der Ungewißheit? Das hält die Welt nicht anS! Und das ist die einzige Hoffnung für Lausanne.
Dr. Luther in Basel
TU. Basel, 11. April. Die SonntagSsitznng der Gouverneure der Notenbanken bet der BIZ., an welcher auch Dr. Luther teilnahm, dauerte nur knapp eine Stunde. Die Verlängerung der Kredite an Oesterreich, Ungarn und Jugoslawien um voraussichtlich weitere 3 Monate steht so gut wie fest. Bei der heutigen trostlosen Finanzlage vor
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allem Oesterreichs und Ungarns ist an eine Rückzahlung der Kredite so wie so nicht zu denken. Bei der Besprechung der Geschäftstätigkeit im letzten Monai wurde fcstgestellt, daß Sie starke Zunahme der Einlagen der Zentralbanken um etwa 149 Millionen auf 463 Millionen zu einem wesentlichen Teil von der erhöhten Einlagetütigkcit der Bank von England hcrriihrt.
Die Regelung der Auslandsschulden der Länder und Gemeinden
Das „Abkommen mit ösfentlichen deutschen Schnldncrn von 1932" abgeschloffen
TU. Berlin, 11. April. Die am 29- Mürz eingelcitetcn Verhandlungen über die Regelung der kurzfristigen Auslandsschulden der Länder und Gemeinden sind, wie amtlich mitgeteilt wird, jetzt zum Abschluß gekommen. Die Verhandlungen sind in freundschaftlichem Geiste geführt worden. Beide Teile haben sich bemüht, den obwaltenden Umständen Rechnung zu tragen. Ein Abkommen zwischen dem die deutschen öffentlichen Schuldner vertretenden deutschen SchuldnerauSschnß unter Leitung Ministerialdirektors Dr.
Rnppel, dem als Vertreter der Länder StaatSrat Dr. Lipp- mann-Hambnrg nnd als Vertreter der Gemeinden Dr. Fuchs vom Deutschen Städtetag angehörtcn und den ausländischen GläubigcrauSschüssen unter Führung von Arthur Guineß, die die Gläubiger in England nnd Holland, Schweden und der Schweiz vertreten, ist paraphiert worden. Das Abkomme» sieht vor, daß die Gläubiger ihre kurzfristigen Schulden, d. h. solche mit einer Laufzeit von unter einem Jahr, wobei cs gleichgültig ist, ob sic bereits fällig waren — bis zum 15. März 1933 aufrecht erhalten. Die Gläubiger erhalten, soweit sie nicht bereits eine Teilzahlung erhalten haben, alsbald eine lüprozentigc Teil-Rückzahlung auf ihre kurzfristigen Forderungen nach dem Stande vom 31. Juli 1931. Der Zinssatz beträgt praktisch für die Dauer des Abkommens 6 Prozent.
Schulrat Meyer in Memel verhaftet
TU. Kowno, 11. April. Samstag nachmittag wurde in Memel Schulrat Meyer verhaftet. Dazu wird von amt-' licher Seite erklärt, daß Schulrat Meyer das bei dem wegen Spionage verhafteten Reichsdeutschen Becker aufgefnudene belastende Material an Becker ausgehändigt habe. Meyer wird ebenfalls der Spionage beschuldigt. Er soll sich gegen Paragraph IW des in Litauen geltenden russischen Strafgesetzes nnd Paragraph 14 des Krtegszustandsgesetzcs vergangen haben, die bekanntlich Strafen bis zur Todesstrafe vorsehen. Meyer soll, so wird erklärt, das Material nicht selbst hergcstellt haben, sondern cs von anderer Seite bezogen haben. Er soll sich jedoch geweigert haben, die Quelle anzn- geben.
Vor neuen Kämpfen in Schancchai
TN. Schanghai, 11. April. Die chinesisch-japanischen Verhandlungen befinden sich infolge beiderseitiger Unnachgiebigkeit auf einem toten Punkt. Es sind bereits Vorbereitungen für eine beschleunigte Abreise der chinesischen Vertreter getroffen worden. Die japanischen nnd chinesischen Truppe» legen nunmehr ununterbrochen neue Schützengräben an. Täglich finden kleinere Gefechte zwischen den Dorpostcn- truppen statt. Aus Nanking sind mehrere Flugzeuge mit Soldaten der Mustertruppen Tschiangkeischecks cingeirofsen.
Kurznachrichten aus aller Welt
f dem Flugplatz Gera ereignete sich ein schweres Flug- nalück Das Sportfliigzeng D. 1919 des Technikums LL-n am Kysfhünser stürzte aus etwa 199 Meter >cr Student Ernst Tvlksdorf nnd sein Begleiter, der iker Ncichardt ans Gera waren sofort tot. — In einem n 1. Kl. dcö Schnellzugs Marseille-Gens wnrdcn drei >dc von zwei 18jährigen Burschen bei dem Ort Balcnce chouc überfallen und ihrer Barschaft beraubt. D e b i- iänber konnten später in Balence "i,eurem Caföh s stet werden. - Auf dem französischen Dampfer and Bouffer", der sich im Hafen von Saigon (Jnbo- befGdet. ereignete sich eine schwere Keffelexplos.on, rch 9 Matrosen getötet und 5 schwer verletzt wurden.