Die Londoner Biermächtekonferenz
Zuversicht i« Berlin
— Berti«, 6. April. Die deutsche Abordnung für London beurteilt die französisch-englischen Besprechungen der letzten Tage außerordentlich ruhig und glaubt, daß durch den Tardieubesuch das Ergebnis der Londoner Konferenz auf keine Weise vorweggcnonnnen ist. Man ist der Auffassung, baß auch in London das entscheidende Wort nicht gesprochen und die Entscheidung in der Donaufrage erst in Genf fallen wirb. Darum sicht man auch in der Londoner Vorbesprechung der ersten Apriltage keinen Gefahrenpunkt für die deutsche Politik. Brüning will übrigens in den kommenden Wochen bei jeder sich bietenden Möglichkeit nach Genf reise«, wo nach deutscher Auffassung nicht nur die ganze Donaufrage geregelt, sondern auch in einem viel weiteren Rahmen die große politische Auseinandersetzung beginnen wird. Darum ist auch die deutsche Abordnung nicht mit gebundener Marschroute nach London gereist und hat keineswegs einen bis ins einzelne gehenden Donauplan in der Tasche.
Weniger zuversichtlich stimmt folgende Londoner Meldung: In den Kreisen der französischen Abordnung zur Biermächtetagung sind umfangreiche Vorbereitungen getroffen worden, um Deutschlands Ansprüche :>r entkräften. Zu den statistischen Angaben, auf die sich die deutschen Forderungen zum Teil stützen, sind Gegenaufstellungen ausgearbeitet worden. Die deutsche Abordnung muß daraus gefaßt sein, -aß ein starker französischer Ansturm gegen die Meistbegünstigungs-Verträge Deutschlands mit den Donaustaaten einsctzen wird Man ist anscheinend bereit, eine deutsche Nachgiebigkeit durch Zugeständnisse auf anderen Gebieten, vielleicht bei den Tributen, z» erkaufen. Schwierige Fragen sollen auf die zweite Donautagung verschoben werden, von der man in französischen Kreisen glaubt, -aß sie nicht in Genf, sondern in Lausanne stattfinben wird.
Fortsetzung der englisch-französische« Donaubesprechungen.
Am Dienstag vormittag fanden in London Besprechungen zwischen Sir Frederic Leith Roß und den französischen Sachverständigen Bizot und Ruett über dte Donaufinanzpläne statt.
Der ö st e r r e i ch i s ch e Gesandte in London, Baron von Frankenstein, stattete dem englischen Außenminister und dem französischen Ftnanzmtnister Flandtn einen längeren Besuch ab. Das Eingreifen Oesterreichs in die Verhandlungen hat in diplomatischen Kreisen ein erhebliches Aufsehen erregt.
Die Hilfe für die Donauländer
Eine Milliarde Franken-Anleihe für die Donaustaateu?
Bainville berichtet in der Pariser Zeitung „Liberts", daß Frankreich eine große Konvertierungsanleihe für dte Donaustaateu vorberette und in Vorschlag gebracht habe. Diese Anleihe solle es den Donaulänbern ermöglichen, eine umfassende Sanierung durchzuführen. Was den Betrag anbelange, so werbe ziemlich übereinstimmend von 1 Milliarde gesprochen. Wenn man Oesterreich eine neue Anleihe gebe, so könne bas nur unter der Voraussetzung geschehen, daß die Finanzkontrolle wieder eingeführt werbe. Es frage sich nur, ob Wien bereit sei, sich der Finanzkontrolle zu unterwerfen, und ob Deutschland einem derartigen Vorschlag zu- sttmme. Die Entscheidung darüber müsse in den nächsten Tagen fallen. Der „Paris Soir" meint, daß der französische Vorschlag in London dahin gehe, dre Donauländer zu einer Konferenz ohne Beteiligung der Großmächte einzuladen. Wenn es den Donaustaaten gelänge, zu einer Verständigung zu gelangen, würden die Vertreter der Großmächte erneut zusammentreten, um ihre Interessen mit den Vorschlägen der Donauländer in Einklang zu bringen. Dte britisch-französischen Vorverhandlungen seien zweifellos geeignet. dte Viererkonferenz wesentlich zu erleichtern, da die finanziellen Opfer für die Hilfsaktion im wesentlichen auf Frankreich und England lasten würben.
Frankreichs „europäische" Ostmark
Ei« französischer 10 Milliarden-Plan.
Um seine Machenschaften und friedlichen Eroberungen in Osteuropa etwas mundgerechter zu machen, verkündet Paris zur Zeit, es wolle „nur" gegen Sowjetrnßland eine europäische Ostmark schaffen. Man hört von 3 bis 10 Milliarden Goldfranken, die der Ausbau des 3000 Kilometer langen und zwischen 200—700 Kilometer breiten Ländergebtets nach französischen Plänen koste» würde. Man plant auf französischer Seite hier 400 000 Kilometer neue Straßen in fünf Jahren anzulegen 1250 Kilometer im Tage!). 1500 Kilometer Kanalbau sollen außerdem erstellt werden. Das Geld soll durch internationale Emissionen aufgebracht werden.
Mit Straßen- und Eisenbahnbauteu könnte sich Frankreich gewisse politische Zugeständnisse vom Donauraum und von Osteuropa erkaufen. Die Wirtschaftsnot dieses Gebietes wäre aber damit nicht nennenswert behoben,- denn das, was hier fehlt, ist ein entsprechendes Absatzgebiet!! Und dieses können die Donaulünder nicht in Frankreich, wohl aber in Deutschland finden.
Hoover über Slimsons Europareise
TU. Washington, 6. April. In einer Prcssebesprechung im Weißen Haus erklärte Präsident Hoover erneut, daß dte Reise Stimsons nach Gens ausschließlich derAbrüstungs- frage gelte. Eine Aufrollung -er Schulöenfrage sei keineswegs geplant. Der Besuch Stimsons ziele einzig und allein auf die Festlegung eines endgültigen Abrüstungsplanes ab, obwohl Amerika von Genf keine umwälzenden Ergebnisse erwarte. Hoover wies weiter darauf hin. daß der vor zwei Monaten in Genf vorgelegte amerikanische Ab- rüstungsplan während des Besuches des amerikanischen Finanzsachverständigen Norman Davis in Washington mit dem MarinekriegSdepartcment und Stimson näher besprochen und «rweitert worden sei.
Außenminister Graf Czernin-f-
In Wien ist Graf Ottokar Czernin im Alter von SO Lebensjahren gestorben. Czernin war von Dezember 1916 bis fast -um Zusammenbruch österreichisch-ungarischer Außenminister und hat während dieser Zeit eine viel umstrittene
ADW
Rolle gespien. Der Gras war ein rzreuno oes ermordeten Thronfolgers Franz Ferdinand. An den Friedensschlüssen von Brest-Litowsk und Bukarest war er führend beteiligt. Nach dem Zusammenbruch zog er sich zurück.
Treuebekenntnis des Landvolkes für Hindenburg
TU. Berlin, 6. April. Amtlich wird mitgctcilt: Reichspräsident von Hindenburg empfing gestern eine größere Abordnung von Landwirten und ländlichen Gemeindevorstehern aus allen Teilen Deutschlands, sowie auch des österreichischen Landbundes. Die Abordnung, welche von dem Präsidenten des Deutschen Landgemetndeta- ges, Landrat a. D. Gerekc, geführt war, brachte übereinstimmend das unerschütterliche Vertrauen des deutschen La ld- volkes in die Person und das Wirken Hindenburgs zum Ausdruck und nahm zugleich Gelegenheit, dem Herrn Reichspräsidenten die Wünsche der deutschen Landwirtschaft, insbesondere der bäuerlichen Wirtschaft, in eingehender Besprechung darzulegen.
Reichspräsident vonHin den bürg dankte für das ihm ausgesprochene Vertrauen; in seiner Erwiderung auf die landwirtschaftlichen Forderungen gab der Herr Reichspräsident einen Rückblick über die Maßnahmen, die seit seiner Osterbotschaft üeS Jahres 1930 zum Schutze der Landwirtschaft getrosfen worden sind; er versicherte, daß er nach wie vor in der Wiederherstellung der Rentabilität der deutschen Landwirtschaft eine unerläßliche Voraussetzung für die Gesundung unteres Vaterlandes erblicke.
Der Empfang schloß mit der gemeinsamen Erklärung der anwesenden Vertreter des deutschen Bauerntums, Satz Ne Sie Parole des ReichSlanöbuiiöes ablehnc« und in geschlossener Front sich in alter Treue zu dem Ehrenmitglied des Reichs- lauöbundes, Sen Feldmarschall und Reichspräsidenten von Hindenburg bekennen.
Konferenz im Reichsinnenministerium
Vertreter der Landcsregiernnge« beim Neichsinnenminifter.
^ Berlin, g. April. Reichsinncnminister Groeuer hielt eine Besprechung mit Vertretern der Landesregierungen, in der eine Reihe wichtiger innenpolitischer Fragen erörtert wurde. An der Besprechung »ahm u. a. der preußische Innenminister Severing teil. Die Besprechung dürste sich mit dem Material befaßt haben, das von der preußischen Polizei vor kurzem bei Ser NSDAP, beschlagnahmt worden ist. _
Forderungen der westdeutschen Industrie
— Düsseldorf, 6. April. In einer Eingabe an den Reichskanzler stellt der Langnam-Berein drei Maßnahmen in den Vordergrund, die sofort und in organischer Verbindung miteinander ergriffen werden müssen. Die kurz- und mittelfristige Verschuldung der deutschen Gemeinden, die drei Milliarden Reichsmark übersteige, bedürfe raschester Konsolidierung. Diese Umschuldung sei notfalls unter Bürgschaft des Reiches vorzunehmen. Die Hilfe, !üe das Reich den Gemeinden durch eine Umschuldung augedeihen lasse, berechtige das Reich, von sich ans eine einheitliche neue Finanzvrdnung für sämtliche deutschen Gemeinden und Gemcinbeverbändc zu schassen, um eine Garantie gegen eine Wiederholung der Fehler der Vergangenheit herzirstellcn. In diesem Zusammenhang wird auf das bekannte Gutachten von Staatsiekre- tär Popttz verwiesen und außerdem eine Untersuchung der Frage verlangt, wie weit die kommunalen Unternehmungen zweckmäßigerweise der öffentlichen Bewirtschaftung entzogen und privaten Wirtschaststrägcrn überlassen werben sollen. Leitender Gesichtspunkt dieser Prüfung müsse die Beseitigung des heute besonders unerträglichen Wettbewerbs der öffentlichen Hand mit der Privatwirtschaft sein. Schließlich werde die Reorganisation der Erwerbslosenbetreuung immer dringlicher. Die Zusammenfassung der gesamten Er- werbslosenbetreuung in einer einzigen Organisation, dte den Arbeitsämtern zu übertragen sei und die allgemeine Einführung der Prüfung von Bedürftigkeit und Arbeits- willigkeit sei dringend erforderlich. Werde das kommunal- finanzpolitische Junktim — Umschuldung, Neuregelung der Finanzordnung, Reform der Erwerbslosenfürsorge — wie vorgeschlagen sofort geschaffen und durchgeführt, so bestehe dte begründete Hoffnung für baldige Gesundung der Gemeindewirtschaft.
öiöMge; Inseriere« bringt Gewinn!
Politische Kurzmeldungen
Trotz Ser Widerrufe amtlicher Steilen wolle» die Nachrichten nicht verstummen, daß die Neichsregiernng noch in diesem Jahre gezwungen fein werde, eine Gencralstillhal- tung für alle deutschen Zahlungsverpflichtungen au das Ausland zu beantragen. — Ueber den März-Abschluß der Reichs-Einnahmen hört man zuverlässig, daß die Einnahmen um insgesamt 55 v. H. hinter dem Voranschlag zurückgeblieben sind. Von 63 Städten liegen den amtlichen preußischen Regierungsstellen Denkschriften über ihre schwierige Finanzlage vor. Die Aufwendungen für die Wohlsahrts- verpflichtungcn solle» nur noch bis Juni ds. Js. zu beschaffen sein. — Eine amtliche Zählung ergab, daß am 1 . April im Hamburger Hafen 178 Schiffe untätig auflagen mit einem Raumgehalt von 710 779 Br.-Tomien. — Die deutsche Schwerindustrie hat mit der Sowjet-HandelSvcrtrctung einen Vertrag auf Lieferung von 300 000 Tonnen Eisen und Bleche ab- geschlossen. — In einem kommunistischen Vcrkehrslokal in Köln wurde» viele Waffen und Munition gefunden. 40 Kommunisten wurden festgcnommen, das Lokal geschlossen. — In Hannover wurde eine nationalsozialistische Wahlkundgebung, in der nach General Litzmann als Hauptredner Gauletter Rust-Hannover Politik und Person Brünings scharf angriff, von der Polizei aufgelöst. — Kapitänleutnant Ehrhardt wird in einer große» Kundgebung der vereinigte» Hinüenburg- Ausschüsie in Hannover am Freitag abend ein feierliches Bekenntnis für Hindenburg ablegcn. — In Königsberg sagte Hitler in einer Wahlrede, die nationalsozialistische Idee könne nicht scheitern, wenn sie sich nicht selbst aufgebe. Sollten die anderen Parteien auch die klugen Köpfe haben, die Nationalsozialisten hätten die Menschen, und die Zukunft werde entscheiden, ob die Köpse oder dre Menschen siege» würden. — Der Gedanke einer Anleihe für die Donaustaaten wird in englischen Finanzkreisen scharf zurückgewicsen.
— Im Prozeß wegen des Anschlags aus Botschaftsrat von Trvardvwski wurden beide Angeklagte zum Tode verurteilt.
— Die Negierung von Neufundland ist zurückgctreten, nachdem Demonstranten das Parlamentsgcbäude gestürmt hatten.
Die Holzeinsuhr nach Frankreich
nahezu völlig unterbunden.
Die Kontingentierung der deutschen Holzeinfuhr, mit der die französische Negierung im August 1931 in recht rigoroser Form den Anfang gemacht hat und die seitdem mehrfach verschärft worden ist, hat nunmehr für das zweite Quartal eine Regelung erfahren, die für die deutsche Holzmirtschaft, in erster Linie für die Badens und Württembergs, eine unerwartete Verschlimmerung der Situation bedeutet. Das bisherige, schon sehr geringe Kontingent ist nochmals erheblich herabgesetzt worden; darüber hinaus werben von dem Kontingent aber noch die Holzmengen abgezogen, um die das Kontingent des ersten Vierteljahres mit Duldung der französischen Zollbehörden überschritten worden ist. Ferner werden auch noch Holzliefcrungen ungerechnet, die auf Grund von Sachliefcrungsverträgen erfolgen sollen, von deren Existenz den zuständigen Fachverbänden bisher nichts bekannt war. Der Erfolg ist, daß im laufenden Vierteljahr an Rund- und Schnittholz nnrrund 1200 Donnen eingeführt werben dürfen, das sind etwa 60 Waggons, eine Menge, die früher von einem einzigen mittleren Sägewerk nach Frankreich geliefert worden ist.
Kleine politische Nachrichten
Beräudernngen im deutschen diplomatische« Dienst. Der Vortragende Legationsrat Frhr. v. Reißwitz ist zum Ge- sandten in Santiago de Chile, Ser Gesandte Graf Tattenbach zum Gesandten in Caracas sVenezucla) und der Vortragende Legattonsrat König zum Gesandten in La Paz IBvlivienj ernannt worden. Der bisherige deutsche Gesandte tn San- tlago, Ohlshansen, wurde zur Disposition gestellt. Der Gesandte v. Mudra in Quito (Ecuador) und Generalkonsul Bölckers sind ins Auswärtige Amt cinberufen morden.
Die ostpreußischen Landwirtschaftskammerwahlen. Die TU. errechnete folgendes vorläufiges Gesamtergebnis der Landwirtschaftskammerwahlen der Provinz Ostpreußen: Nationalsozialisten 50 Mandate, Landwirtschaftsverband Ostpreußen 21 Mandate und Ermländischer Bauernverein S Mandate.
Wieder Litfaßsänlenbrände in Berlin. In Berlin mußte die Feuerwehr wiederum verschiedene Male ausrückcn, »m in Brand gesteckte Litfaßsäulen zu löschen. Die Täter hatten es in der Hauptsache ans die politischen Plakate abgesehen und sind tn allen sechs Fällen unerkannt entkommen. Im Sportpalast löste die Polizei eine kommunistische Antikriegs- kundgebnng auf.
Der Führer des Südtiroler Republikanischen Schutzbundes ansgesunde». In den frühen Morgenstunden des Mittwoch wurde in einem durch die Stabt Innsbruck fließenden Kanal die Leiche des Führers des sozialdemokratisch-republikanischen Schutzbundes Sübtirols, August Wagner, aufgefunden. Wagner war auch Redakteur des sozialdemokratischen Innsbrucker Blattes.
Masseuverfammlnngc« der streikenden Bergarbeiter in Brüx. In Brüx fand auf den drei großen Plätzen der Stadt eine Massenkundgebung der streikenden Bergarbeiter Norü- westböhmcns statt. Die Teilnehmer, rund 18 000 Mann, trafen in langen Zügen in Brüx ein. Sämtliche Geschäfte der Stadt waren geschlossen, da dte Kaufleute und Gewerbetreibenden mit den Bergarbeitern sympathisieren. Auch die Belegschaften fast aller Fabriken hatten die Arbeit nicdcrgelegt.
Die Türkei gegen den Tardienpl««. In einem Leitartikel des halbamtlichen „Mittijet" wird der Donauplan Tardieus verurteilt. Der Plan verhindere die Bildung einer Balkanunion, wie sie von der Türkei und anderen Balkanstaaten gewünscht werde. In dem Leitartikel wirb ein Wirtichafts- schutz für die Länder des nahen Ostens gefordert und die Bildung eines Mittelmccrbunbes, einschließlich der Türkei. Griechenlands, Bulgariens, Albaniens, Aegyptens und Syriens, vorgeschlagcu.