Fort mit den Tributen!
Schlußfolgerungen des englischen Wirtschaftssachverständige» Keynes zur Tributsrage
-- Hamburg» IN. Jan. Im großen Saale des Uebersee- Elubs sprach der englische Finanz- und Wirtschaftssachverständige K e y n e s - Cambridge über Währungs- und Tributfragen. Keynes führte u. a. aus: Ich bin der Ansicht, daß Großbritanniens Abkehr vom Goldstandard ein Segen für die ganze Welt war. Ich halte es für sehr wahrscheinlich, daß im Laufe dieses Jahres weitere Währungen sich der Sterlingsgruppe anschlteßen werden. Insbesondere Südafrika, Deutschland und die mitteleuropäischen Länder und möglicherweise auch Holland im Schlepptau Javas.
Eine wichtige Frage ergibt sich aus der Scheidung der Länder in zwei Gruppen, die sich für oder gegen den Goldstandard erklärt haben. Die Abkehr der einen Gruppe vom Gold bedeutet den Anfang der Wiederherstellung des wirtschaftlichen Gleichgewichts. Sie bedeutet die Mobilisierung natürlicher Kräfte, die im Laufe der Zeit bestimmt die Stellung der beiden führenden Gläubiger-Goldländer unterminieren und möglicherweise zerstören wird. Dieser Prozeß wird bet Frankreich sehr bald in Erscheinung treten. Ich möchte annehmen, daß Frankreichs Gläubigerstellung noch vor Ende 1932 untergraben sein wirb. Bei den Vereinigten Staaten mag der Prozeß langsamer vor sich gehe». Tendenz- mäßig aber handelt es sich hier um das gleiche. Es wird sicherlich der Augenblick kommen, an dem die laufende Freisetzung von Gold aus Indien und aus den Goldminen in Afrika den Aktivsaldo der Goldlänber übertreffen wird.
Zur Tribut- und Kriegsschuldenfrage erklärte Keynes folgendes: „In gewissem Sinne handelt es sich hierbei nicht mehr um eine Frage der praktischen Finanzpolitik, den» heute werden weder Tribute noch Kriegsschulden gezahlt. Und niemand kann sich vorstellen, daß in der nächsten Zukunft irgendeine nennenswerte Summe gezahlt wird. Man hat heute die Wahl zwischen einer endgültigen Regelung durch einen großen Akt internationaler Versöhnung und einer allgemeinen Zahlungseinstellung in einer Atmosphäre internationaler Gegnerschaft." Keynes betonte mit Nachdruck: „Kein verantwortlicher Mensch in England wünscht heute die Fortsetzung der Tribut- und Kriegsschuldenzahlungen in irgendeiner Form. England — alle Parteien und alle Jnter- essentengruppen eingeschlossen — tritt uneingeschränkt für völlige Aufhebung ein. Wir wissen jetzt, daß das ganze System von Gedanken und Entscheidungen, dessen Ausdruck diese Verpflichtungen sind, ein unheilvoller Irrtum war, einer der schwersten Jrrtümer, den die internationale Staatskunst je beging. Die Angelegenheit ist in unseren Augen, was sie immer hätte sein können, verabscheuenswert geworben."
Keine Erweiterung des Pariser Kabinetts
Briand soll Minister ohne Geschäftsbereich werden
TU. Paris, 11. Jan. Es bestätigt sich, baß Laval den zurücktretenden Außenminister Briand dringend gebeten hat, als Minister ohne Geschäftsbereich ins Kabinett zurückzukehren. Es scheint festzustehen, daß sowohl die Sozialisten als auch die Nadikalsoztalisten eine Beteiligung an einer neuen Negierung ablehnen, und daß sich Laval aus diesem Grunde nach der Wiederbetrauung mit der Kabinettsbildung gezwungen sieht, eine Umbesetzung der einzelnen Posten durch die bisherigen Mitglieder des Kabinetts vorzunehmen. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird er selbst bas Außenministerium übernehmen und Tardieu das Kriegsministerium anbieten. _
Schober über Oesterreichs Außenpolitik
TU. Wien, 10. Jan. Im Hauptausschuß des österreichischen Nationalrates erstattete Außenminister Dr. Schober im Zusammenhang mit der bevorstehenden Reise des Bundeskanzlers und Finanzministers nach Genf einen Bericht über die außenpolitische Lage. Dr. Schober betonte: Wenn bei den Verhandlungen in der Schweiz von irgendeiner Seite die Frage eines engeren Zusammenschluffes der Donaustaa - ten aufgeworfen werde, dann würde Oesterreich nichts ohne das Deutsche Reich unternehmen. In der Aussprache fanden die Anschauungen des Außenministers die Billigung der Parteien.
Oesterreich stellt die Stillhaltezahluuge» ein.
Wie verlautet, hat die österreichische Natioualbank die Privatbanken davon verständigt, daß sie ab 19. Januar kaum in der Lage sein werde, die für die Stitthaltezahlungen der österreichischen Privatbanken notwendigen Devisen zur Verfügung zu stellen. Deshalb werde eine neue Konferenz der privaten Anslanösgläubiger unter Beteiligung des holländischen Beraters der österreichischen Nationalbank, Prof. Brnin, einberufen werden, um das Stillhalteabkommen neu zu regeln.
Ernste Loge Bulgariens
Gefährdete Devisendeckung. — Für allgemeine Wehrpflicht.
— Sofia, io. Jan. Ministerpräsident Muschanoff, -er zusammen mit dem bulgarischen Finanzminister in Kürze nach Genf reisen wird, zeichnete anläßlich eines Preffeempfanges ein äußerst düsteres Bild von der schweren Finanz- und Wirtschaftslage Bulgariens. Die Lage habe sich außerordentlich verschlechtert, obwohl Bulgarien alle Vorschriften des Genfer Finanzausschusses, insbesondere hinsichtlich weitgehender Einschränkungen, ausgeführt habe. Die Lebenshaltung in Bulgarien sei unter bas Mindestmaß herabgedrückt worden, so daß guter Wille und Selbstbeschränkung künftig nicht mehr ausreichten. Die Devisendek- kung der Nationalbank sei so sehr geschmolzen, baß Bulgarien zur Erhaltung seiner Währung um fremde Hilfe bitten müsse. Das werbe in Genf geschehen, da Bulgarien sonst unmöglich seinen staatlichen Schuldverpflichtungen Nachkommen könne.
Hinsichtlich der Abrüstungskonferenz wies Mn- schanoff auf die einseitige Abrüstung seines Landes hin. Bulgarien erwarte demgemäß auch die Abrüstung der anderen.
Zur Verminderung seines HeereShauShalteS werde Bulgarien Sie Abschaffung des Söldnerheeres und die Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht in beschränktem Umfange verlangen.
Hitler über den Nationalsozialismus
Anläßlich der Gemeinde- und Kreistagswahlen in Lippe sprach Adolf Hitler in Lemgo. Er sagte: Er würde nie Nationalsozialist geworden sein, wenn er nicht Soldat gewesen wäre. Das Kameradschaftsgefühl, das an der Front geherrscht habe, der Fortfall jeglichen Klassenunterschiedes habe ihn zu der Ueberzeugnng gebracht, Laß die wahre Volksgemeinschaft das Rechte sei. Diese wahre Volksgemeinschaft bestehe schon in der SA, die den Glauben an Deutschlands Zukunft habe und Len Mut, sich dafür einzusetzen. Dazu gehörte» drei Grunderkenntnisse. Daß man sich mit jeder Faser des Herzens zum deutschen Volk bekenne. Laß man der Demokratie entsage und daß das ganze Volk wieder zurückkehre zu der Erkenntnis dcr Notwendigkeit der Vertretung des eigenen Rechtes in der Welt.
Politische Kurzmeldungen
In Berliner politischen Kreisen rechnet man damit, daß auf der Lausanne! Konferenz die englische Auffassung sich durchsetzt, b. h. daß die Tributtagung vor der Abrüstungstagung abgebrochen und dann im Sommer fortgesetzt wird. Jode Kompromißlösung in der Tributfrage wird deutscherseits abgelehnt werden. — Die sog. „Eiserne Front", ein Zusammenschluß republikanischer Organisationen, entfaltet in Berlin neuerdings eine rege Tätigkeit. Auf einer großen Kundgebung der Republikaner erklärte ein Sozialdemokrat- Wenn Hitler illegal oder legal in Deutschland zur Macht komme, dann bedeute das für Deutschland auf jeden Fall einen Bürgerkrieg. Die Sozialdemokratie verdiene ins Irrenhaus zu kommen, wenn sie den Faschisten nur mit demokratischen Mitteln entgcgentrcte. — Im anhaltischeu Landtag wurde der bisherige Ministerpräsident Deist, der nach einem dcutschnationalen MißtrancnSantrag znrückgetreten war, mit 17 Stimmen der Linken wieöergewühlt. Die Rechte hat bereits einen neuen Mißtrauensantrag gegen das Ministerium etngebracht. — Der französische Botschafter in Berlin, Poncet, erstattete in.Paris Bericht über seine Unterredungen, die er mit dem Reichskanzler Brüning über die bevorstehende Lausauner Konferenz hatte. — Aus dem polnischen Korridor sind 70 deutsche Familien, die sich für die deutsche Staatsangehörigkeit entschieden haben, ausgewicsen worden. — Rumänien steht vor dem Staatsbankrott. Die unter französischer Aufsicht stehende Nationalbank hat der Regierung den Kredit gekündigt, trotzdem diese die gesamten Staatseinnahmen im voraus an die Bank verpfändete. Der rumänische Finanzmiuister hat sich auf eine Reise nach Rom, Paris und London begeben, um eine Anleihe zu erhalten. — In Valencia wurden drei spanische Kavallerieoffiziere verhaftet, die unter dem dringenden Verdacht stehen, eine Verschwörung zum Sturz der Negierung vorbereitet zu habe». — Die Fürsten mehrerer indischer Staaten im Guferatdistrikt haben der indischen Negierung ihre volle Unterstützung zur Bekämpfung des indischen Kongresses angeboten und alle englandfeindliche Tätigkeit in ihren Gebieten untersagt. — Im Zusammenhang mit dem Anschlag auf Len japanischen Kaiser stellte die japanische politische Polizei fest, daß der Attentäter mit der sogenannten koreanischen Regierung, Sie ihren Sitz in Schanghai hat, in Verbindung gestanden und in deren Auftrag gehandelt hat.
Herabsetzung der Grenze der Angestelltenversicherungspslichl?
Im Zusammenhang mit der Reform der Sozialversicherung, die augenblicklich im Neichsarbeitsministerium beraten und im Februar bereits dem Reichstag vorgelegt werben wird, wirb auch die Frage besprochen, ob die Grenze der Angestelltenversicherungspflicht gemäß der allgemeinen Gehaltssenkung herabgesetzt werden soll.
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Tic Reichsbahn gewährt Arbeitslosen, die sich dem freiwilligen Arbeitsdienst zur Verfügung stellen für die Fahrt zu ihrem Wohnort und der Arbeitsstätte eine öOprozentige Preisermäßigung. Diese Vergünstigung tritt am 11. Januar 1932 in Kraft.
Die Befreiung der im Rnhrkohlenbcrgbau unter Tage beschäftigten Arbeiter und Angestellten sowie ihrer Arbeitgeber von der Beitragspflicht zur Arbeitslosenversicherung ist über den 31. Dez. 1931 hinaus bis zum 31. Mürz 1932 verlängert worden.
Kleine politische Nachrichten
Bekämpfung der Schwarzarbeit. Der Ausschuß des Reichswirtschaftsrates beschäftigte sich mit Fragen der Bekämpfung von Schwarzarbeiten. Die Reichsregierung hat auf Anregung von Länderregierungen den vorläufigen Reichswirtschaftsrat um ein Gutachten in dieser Frage ersucht. Es ist dabet der Gedanke aufgetaucht, die Gewerbeordnung in einigen Punkten zu verschärfen. Der Ausschuß des Reichswirtschaftsrates hat in einer vorbereitenden Sitzung zunächst beschlossen, Sachverständige darüber zu vernehmen, welchen Umfang die Schwarzarbeit angenommen hat. Mit den Sachverständigen- vernehmnngen soll Ende Januar begonnen werden.
Neuorganisation der englische» Gläubiger. Der Ausschuß Londoner Banken hat sich zu einem gemeinsamen Ausschuß der englischen Gläubiger kurzfristiger Verbindlichkeiten erweitert und seine Mitgliederzahl so erhöht, daß alle betroffenen Interessen vertreten sind. Außer dem zur Zeit noch ernannten Arbeitsausschuß für die deutschen kurzfristigen Privatschulden sollen noch zwei weitere Arbeitsausschüsse gebildet werden, und zwar einer für ungarische und österreichische kurzfristige Schulden und einer für die deutschen kurzfristigen Kommunalanleibeu.
England und die Stillhalteverhandlunge«. In England
glaubt man an eine nahe bevorstehende Einigung indenStill- halteverhandlungen, was auch in Kurssteigerungen deutscher Anleihen an dcr Londoner Börse zum Ansdruck kommt. „Financial News" erwarten allerdings nur eine zeitweilige Regelung der Privatschulden für die nächste Zukunft. Eine Fundierung der Schulden komme zur Zeit nicht mehr in Frage, so daß höchstens die Verlängerung des Stillhalteabkommens um ein Jahr offen bleibe. Die endgültigen Still- haltebeschlüsse würden von dem Ergebnis der Tribntrcge- lung abhängig sein.
Rund Million unterstützte Erwerbslose in Berlin. Die Zahl der unterstützten Erwerbslosen in Berlin betrug am 1. Januar 1932 497 986 Personen gegenüber 381976 am 1. Januar 1931. Die Steigerung betrug also im Laufe des Jahres 1931 rund 30,8 v. H. Da die Neichshauptstadt 4,3 Millionen Einwohner zählt, ergibt sich, daß jeder 8. Berliner Erwerbslosenunterstützung bezieht. Die Zahl der Wohlfahrtserwerbslosen stieg um 90 Prozent.
Verhandlungen der Stadt Dresden mit ihren Jnlands- glänbigern. Zu der Meldung, baß die Stadt Dresden nicht in der Lage sei, die Januarzinsen für die kurzfristigen Jn- landsschulöen aufznbringen, wird an zuständiger Stelle erklärt, daß die Begleichung der am 1. Januar fällig gewesenen Zinsen zu keinerlei Schwierigkeiten geführt habe. Die zurzeit schwebenden Verhandlungen der Stadt mit ihren Gläubigern über ihre ungefähr 30 Millionen betragenden kurzfristigen Schulden und die Herabsetzung des Zinssatzes dafür auf 8 Prozent stünden vor einem befriedigenden Abschluß.
Blutiger Zusammenstoß in Hamburg. In Hamburg kam es am Eilbecker Weg zu einem Zusammenstoß zwischen einer Abteilung von SA-Leuten und einer größeren Gruppe Andersdenkender, die angeblich einen Ucberfall auf bas dort gelegene SA-Lokal ausftthren wollte. Von den Nationalsozialisten wurden 8 verletzt, darunter 3 schwer. Die Gegner nahmen ihre Verwundeten mit.
Das Oldenburger Volksbegehren erfolgreich. In Oldenburg sind für bas nationalsozialistische Volksbegehren zur Auflösung des Landtages bisher 20 000 Einzeichnungen erfolgt. Damit ist die für die Durchführung des Volksentscheids notwendige Stimmcnzahl sichergestcllt.
Französischer Diplomatenschnb. Die französische Negierung hat einen umfangreichen Diplomatenschub bekannt gegeben. Danach sind u. a. Lefevre d'Ormesson zum Gesandten in München und Arnal zum Botschaftsrat in Berlin ernannt worden.
Nanking plant Abbruch der diplomatischen Beziehungen z« Japan? Die chinesische Regierung beabsichtigt, Meldungen aus Nanking zufolge, die diplomatischen Beziehungen zu Japan abzubrechen, um hierdurch einen Druck auf die japanische Regierung auszuttben. Sie beabsichtigt gleichzeitig eine Konferenz der Unterzeichner des Kelloggpaktes und des Neunmächteabkommens vorzuschlagcn.
Dessau im Kampf mit der Mulde
Die Ueberschwemmungen der letzten Tage haben besonders für die Hauptstadt von Anhalt, Dessau, eine bedrohliche Lage geschaffen. Neben Feuerwehr und Militär mußte auch die Technische Nothilfe aufgeboten werden, um die Uebcrflu- tung und den Bruch der Dämme zn verhindern. Selbst die politischen Organisationen stellten ihre Mitglieder zur Verfügung, die einträchtig gegen die gemeinsame Gefahr an- kämpfteu.
Unser Bild zeigt jreiwcllige Helfer, die ununterbrochen Sandsäcke an gefährdete Deichstelten schleppen.
Organisierter Goldschmuggel?
48 Kilogramm Gold in einem Wiener Hotel gesunden TU. Wien, 10. Jan. In einem vornehmen Ringstraßenhotel wurden von der Polizei drei ausländische Kauslente verhaftet, die sich englischer Decknamen bedient hatten. Ihre richtigen Namen werden von der Polizei vorläufig verschwiegen. Bei der sofort vorgenommenen Haussuchung in von den Fremden benutzten Hotelzimmern wurden in ihren Koffern 48 Kilogramm Gold gefunden, die die österreichischen Stempel für Gold trugen. Die Polizei hat sich sofort an die ausländischen Behörden gewandt, um die Hintermänner der Verhafteten zu ermitteln, da man glaubt, einem organisierten Goldschmuggel auf die Spur gekommen zu sein.
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