Kaufkraftreserven für den Binnenmarkt

Milliarden, die für deutsche

Unter Sem Zwang der Tributverträge und der auslän­dische» Kreditabzugspvlitik entwickelte sich Deutschland zu dem Nekorölande der Einfuhrdrosselung unter gleichzeitiger Rekordleistung in der Ausfuhr. Bei diesem Verfahren sind wir zur ersten Außenhandelsmacht der Erde geworden, da wir langst den englischen und neuerdings auch den amerika­nischen Außenhandel dem Werte nach überflügelten. Das in diesem Worte liegende Bild trifft allerdings nicht mehr das Nichtige, denn wir gelangten nicht an die erste Stelle, weil mir mehr als die anderen leisten, sondern weil die anderen noch rascher und weiter zurückpflocken mußten als wir selbst.

Aus der deutschen Ausfuhr von heute läßt sich auch kein Fortschritt herausrcchncn, wenn der Rückgang der Preise herangezogen wird. Im Gegensatz zu den meisten anderen Industrieländern könnten wir verhältnismäßig noch ganz gute Preise, insbesondere für unsere Fertigwaren, erzielen. Um so klarer wird die Tatsache vor unsere Angen gerückt, daß wir trotz aller Ausfuhrüberschüsse einen schweren Rück­fall unserer Ausfuhr erlitten haben, der sich vor allem auf den Arbeitsmarkt nachteilig auSwirkt und im Zusammen­hang damit zur weiteren Schrumpfung auch unserer Bin­nenwirtschaft führen muß. Die Untersuchung unserer Etn- fuhrziffern auf der Grundlage des Preisrückganges führt zu Ueberlegnngen, die im Augenblick der großen internatio­nalen Wirtschaftsaussprachen und der Not des Binnenmark­tes von besonderer praktischer Bedeutung sind. Ein tatsäch­licher Einfuhrrückgang ist im wesentlichen für Rohstoffe und für Fertigwaren festzustcllcn. Er entspricht dem traurigen Bilde der Arbeitslosigkeit im Lande. Wir verarbeiten Roh­stoffe wohl noch für Ausfuhr und Binnenmarkt, schränkten aber ihre Veredlung namentlich für den deutschen Markt in katastrophalem Umfange ein. Während auf diesem Gebiete ein erheblicher Mengenrttckgang der Einfuhrwaren zu be­obachten ist, gilt bas gleiche nicht für den Hauptposten un­serer Einfuhr. Nahrungsmittel, Genußmitkcl und Futter­mittel. Für diese Maren, die wir mit dem Ertrag: unserer Ausfuhr an Rohstoffen und Fertigwaren, also dem Ergeb­nis unserer Arbeit, dem Anslande bezahlen, legen wir zwar erheblich geringere Preise als in früheren Jahren an. Der Menge nach liegt hier aber eine weitreichende Einsuhrdros­selung noch nicht vor. Auf diesem Gebiete sind wir Nutz­nießer der Preise und erstehen aus dem Weltmarkt mit dem Ueberschnß ans einer verminderten Ausfuhr die gleiche oder sogar erhöhte jedenfalls nicht wesentlich veränderte Einfuhr. Dem Auslande gegenüber behalten wir also trotz der schon in den großen Wertrnckgangszisfern so sichtbar ge­wordenen Einfuhrdrosselung der Menge nach doch bis heute die Waffe einer tiefgreifenden EinfuhrdrvsselungZmöglich- keit in der Hand. So sieht sich die Sache nach außen an. Nach innen gestaltet sie sich ebenso lehrreich und zwingt uns zu volkswirtschaftlich überaus wichtigen Gedankengängen. Da wir eine fast unveränderte Warenmasse an Nahrungs- und Genußmitteln von jenseits unserer Grenzen beziehen ein tatsächlich bedeutender Rückgang Ist nur für Milch und Ge-

Dingeldey zur Notverordnung

TN. Berlin, 14. Dez. In einer Vertrauensmännerver­sammlung der Deutschen Bolkspartei sprach Netchstagsab- geordneter Dingeldey über die politische Krise der Ge­genwart. Er erklärte- die neue Notverordnung sei der Ver­such, mit einem großen Wurf die Not des Staates und der Wirtschaft zu bekämpfen. Notwendig sei aber nicht nur die finanzielle Ordnung, sondern auch der psychologische Kontakt zwischen Staatsführung und Ttaatsvolk. Zwischen beiden Teilen sei eine Entfremdung eingetreten, die nicht mit eini­gen Rundfunkreden beseitigt werden könne. Unvereinbar sei aber, daß die Notverordnung erneut an das Rechtsgesühl des Volkes rühre. Mit der Erhöhung der Umsatzsteuer habe man aus den Haushaltsschivierigkcitcn heraus eine Stcuer- quelle erschöpft, die man sich früher als die letzte Reserve für die finanziellen Schwierigkeiten bei dem Kampf um Sie Tributrevision Vorbehalten wollte. Die Wiederherstellung weltwirtschaftlichen Vertrauens werde unmöglich sein, so­lange der Unsinn der politischen Schulden an Frankreich aufrecht erhalten werde. Die Deutsche Volkspartei wolle klare Tatsachen auch in der Innenpolitik, damit das Uebel einer verantwortungslosen Opposition ein Ende finde.

Der ^ohuadbau noch der neuen Notverordnung

Die Bestimmungen der letzten Notverordnung über Löhne und Gehälter erläuterte in einem Rundsunkvortrag der Staatssekretär im Reichsarbeitsministcrium Dr. Geib. Die Notverordnung stellt den Grundsatz auf: Alle Löhne und Ge­hälter werden, soweit sie am Tage des Inkrafttretens der Vorschrift rarifverbin blich geregelt sind, mit Wir­kung vom 1. Januar 1932 auf den Stand vom 10. Januar 1827 gesenkt. Für Arbeitnehmerbezüge, die nicht durch Ta­rifvertrag bestimmt sind, gelten diese Vorschriften der Not­verordnung nicht. Es bleibt also bei den bisherigen gesetz­lichen Bestimmungen. Der Grundsatz der Senkung der Ta­riflöhne und Gehälter aus den Stand vom 10. Januar 1927 ist aber rn verschiedener Beziehung abgewandelt.

Die Kürzung darf n t ch t m e h r a l s 10 v. H. oder, wo seit dem 1. Juli 1931 keine tarisvcrtragliche Kürzung einge- treten ist, nicht mehr als 12 v. H. betragen. Löhne und Ge­hälter. die am 1V. Januar 1927 nicht tarifvertraglich geregelt waren, werben, wie im Kohlen- und Kalibergbau, ebenfalls um 10 bzw. 15 v. H. gesenkt. Tie vorgesehenen Senkungen werden am 1. Januar 1932 von selbst eintreten. Es bedarf also nicht einer Herabsetzung im Wege der Schlichtung. Die Tarifvertragsparteien haben die vom 1. Januar an gelten­den Lätze zahlenmäßig genau schriftlich festzulegen, so daß die Festlegung einen Nachtrag zum Tarifvertrag bildet. Für diese Festlegung ist bis zum 19. Dezember 1831 Zeit. Die

Waren noch zu retten sind

treide, Käse und Fleisch sichtbar geworden, bleibt der deutschen Landwirtschaft noch außerordentlich viel Spielraum für die Erweiterung ihres Binncnabsatzes und der deutschen Verbraucherschaft eine immer noch sehr weitreichende Pflicht der Anlage ihrer knapper und knapper gewordenen Mittel in deutschen Waren, um den einheimischen Arbettsmarkt zu ihrem eigenen Wohle zu beleben. Der Erfüllung dieser Pflicht haben wir uns bisher kaum ernstlich unterzogen.

Während der Binnenmarkt in diesem Jahre unter dem Stand von 1925 zurückfäUt, beziehen wir heute noch ein Drittel mehr Auslandsbutter als in jenem Jahre, rund zwei Fünftel mehr Obst, sogar noch mehr Auslandsbicr 0), mehr Kaffee, Tee, Südfrüchte, mehr Futtergerste, Kleie, Oel- früchte, Oelknchen und Mais ausländischer Herkunft. Die Behauptungen der Verteidiger der Südfruchteinfuhr, daß sie einen Rückgang der ausländischen Fleischeinfuhr über die Wirkung der Regierungsmaßnahmen hinaus erzwungen habe, mögen zutresfen. Dennoch ivicgt der Rückgang der ausländischen Fleisch-, Getreide-, Käse- und Milchciufuhr mengen- und wertmäßig den Zugang der anderen Aus­landswaren für Ernährungszwecke noch lange nicht auf. Ebenso wird die teilweise außergewöhnlich gestiegene AnS- landseinfuhr von Nahrungsmitteln durchaus nicht befriedi­gend durch die inzwischen gewachsene Einwohnerschaft Deutschlands nicht ganz eine halbe Million erklärt werden können. Selbst in diesen Zeiten gibt es bei uns noch einen Luxusverbrauch von Auslanüswaren, so sonderbar das Wort klingt, dem wir entgegenarbetten können und müs­sen. Das ist notwendig sowohl zur Stützung unserer Devi­sensparpolitik als auch zur Förderung unserer eigenen Volkswirtschaft.

Wir können ihr helfen ans dem Wege der Tarifpolitik, da ja der Wettbewerb ausländischer Nahrungsmittel m Deutschland in sehr aufnahmefähigen Bereichen, man denke an die Industriegebiete an den Grenzen im Rheinland, in Sachsen und in Schlesien, eine reine Preisfrage ist. Im wesentlichen müssen sich die durch Anslandscinsnhr benach­teiligten Wirtschaftszweige aber selbst helfen. Es reicht nicht aus, nach Zollschntz zu rufen. Man muß den deutschen Käu­fer auch unmittelbar davon verständigen, daß er deutsche Nahrungsmittel an Stelle ausländischer beziehen kann. Das Mittel, ihm das zu sagen, ist Werbearbeit durch die Zei­tung, die in jedes Hans und vor jedes Auge kommt. Nutzt man sie richtig, dann lohnt sich auch die Werbearbeit. Noch können die deutsche Landwirtschaft und die Nahrungsmittel­industrie Milliarden Goldmark aus deutscher Hand auf deutsche Erzeugnisse ziehen. Mögen sie zeigen, baß sie zur Stelle sind und noch viel bewußter als bisher die erzielten Gewinne in deutsche Landmaschinen und andere deutsche Jnbustriecrzcugnisse stecken. Mobilisieren wir mit allen Mit­teln die noch vorhandenen Kaufkraftreservcn, die immer noch ln vollkommen unnötiger Art für Anskanbserzengnisie ver­schleudert werden, für den deutschen Binnenmarkt.

Festsetzung der neuen Sätze durch den Schlichter ist nur als letztes Mittel gedacht für den Fall, daß zwischen den Tarif­vertragsparteien keine Einigung zustanöekommt.

Nach Senkung der Löhne und Gehälter auf den Stand vom 10. Januar 1927 soll eine Beruhigung des Arbeitsvcr- hältnisses eintreten, die den regelmäßigen Wiederaufbau un­serer Wirtschaft fördert. Darum bestimmt die Verordnung, baß die Lausdancr der Tarifverträge bis zum 30. April 1932 verlängert wird, wenn sie nicht auf längere Zeit abgeschlossen sind oder die Parteien etwas anderes vereinbart haben. Ter Schlichter hat auch das Recht, Tarifverträge sogar bis Ende September 1932 zu verlängern.

«

Das durch die Notverordnung festgelegte Recht der Mie­ter, langfristige Mietverträge mit Wirkung zum 1. April 1932 zu kündigen, hat die Hausbesitzervereini­gung und die Einzelvcrbände der Industrie- und Geschäfts- Hausbesitzer veranlaßt, eine Eingabe an das Neichsarbcits- mtnisterium und Las Neichsjustizministerium zu richten mit der Bitte, das Kündigvngsrecht auf solche Fälle zu beschrän­ken, in Lenen die Hausbesitzer sich nicht zu einem angemesse­nen Mietnachlaß etwa bis 20 v. H. verstehen.

Kleine politische Nachrichten

Seine Zollunion B lgien.Frankrrich Holland. Tie bel­gische Kammer hat in Beendigung der Aussprache über die belgische Handelspolitik die Forderung, mit Frankreich und Holland Zollunionsverhandlungcn aufzunchmen, abgelchnt.

Tagung der östlichen Agrarstaaten. In Sofia ist eine Tagung der östlichen Agrarstaaten durch eine Ansprache des bulgarischen Ministerpräsidenten eröffnet worden. Die Tagung wird beraten über Senkung der landwirtschaftlichen Erzeugungskosten, Erlangung langfristiger Kredite und Sicherung neuer Absatzgebiete unter Ausschaltung des gegen­seitigen Wettbewerbs der teilnehmenden Agrarstaaten. Sie sieht im Wiederaufleben der Schutzzölle eine neue Gefähr­dung der Wirtschaft in den Agrarstaaten.

Blutige Zusammenstöße mit Streikende« kn Spanien. Bei einem Generalstreik in Gijon kam es zu Zusammen­stößen mit der Polizei, die von der Schußwaffe Gebrauch machte und dabei einen Arbeiter tötete und 11 verwundete. In Saragossa und in Alcoy wurde ein 24stündiger General­streik als Protest gegen die Einführung der Mutterschutz- Versicherung erklärt.

Sriegsrecht über Schanghai. In Schanghai ist infolge ernster Studentenunruhen das Kriegsrecht erklärt worden. Bei der Festnahme eines Studenten kam es zu schweren Zusammenstößen. In Nanking hat die Kuomintang eine Sonderkagung ihrer Führer und Leiter der Nankinger Gar­nison zur Abwehr der Studcntenbewegung einberufen.

Spende der deutschen Zuckerindustrie

8990 Zentner Zucker für die notleidende Bevölkerung.

Zuckerinöustrie mitteilt, hat die deutsche Zuckerindustrie trotz der schweren Krise, die auf der rübenbauenden Landwirtschaft und der gesamten Zuckcrwirtschaft lastet, eine gemeinsame Aktion burchgeführt, um die Lage der notleidenden Bevölke­rung durch Versorgung mit Zucker zu bessern. Durch die orotze gemeinsame Sammlung der Zuckeriudustrie konnten ^ 'rcien Wohlfahrtspflege bis jetzt etwa

8000 Zentner Verbrauchszucker als Geschenk zur Verfügung gestellt werden.

Der Preisiiberwachungskommissar

Dr. Gör

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Das ReichSernährungSnlinisteriuur iu Lierlin, der Sitz des Preisllberniachnngskommissars

Wo gesport werden könnte

95 Minister und 2159 Abgeordnete!

Die NeichSreform läßt noch immer ans sich warten. Da­bet könnten bet einer zweckmäßigen Reform umfangreiche Einsparungen gemacht werden. Das veranschaulicht am be­sten ein Vergleich mit anderen Ländern: Frankreich wird von 13, England und die Vereinigten Staaten werden von je 10 Ministern regiert: in Deutschland scheint man die Sache gründlicher zu machen, denn man brauch: nicht weni­ger als 65 Minister und 2150 Volksvertreter. Man findet offenbar nichts dabei, daß das an Kopfzahl doppelt so große amerikanische Volk sehr gut mit 450 Abgeordneten aus­kommt. Die Unterhaltung eines so großen Apparates ist denn auch nicht billig. Die Länderparlamente allein bean­spruchen jährlich rund 11 Millionen, die Länderministericn rund 50 Millionen Reichsmark. In dielen Kosten sind aljo diejenigen für Reichstag und Neichsregierung noch nicht einmal enthalten. Aber es sind nicht die Kosten für Par­lamente und Ministerien allein, die uns durch die übertrie­bene Kleinstaaterei erwachsen. Auch das kleinste deutsche Land besitzt ebenso wie Preußen eine vollständig in sich ge­schlossene Verwaltung. Länder, die die Größe eines von einem Lanbrat verwalteten preußischen Landkreises haben, unterhalten Ministerpräsidenten, Minister, Staatssekretäre, Ministerialdirektoren usw. Hier sollte man, wenn man ernst­lich sparen will, einmal den Hebel ansctzen. Es würde sich lohnen!

Politische Zusammenstöße in Hamburg

1 Toter und mehrere Verletzte.

TU. Hamburg, 14. Dez. Am Sonntag abend gegen ^ ihr kam es auf dem Hamburger Dvmmarrt zu schweren Zu- immenstößen zwischen Mitgliedern der KPD. nuö 'Pou,>cl- eamten. Die KPD.-Mitglieöcr hatten versuchten der zwci- :n Hauptreihe einen Umzug zu organisieren- halten zu iesem Zweck geschickt verteilte Agitationsrcdncr aus ocn »odieu der Schaustellcrbuden postiert, Sie von dort herab aus- eizende Hetzreden hielten. Die Sache endete damit, dag ie Menge unter Ausingung der Jnternat.onale und A>.»- oßung von Schmährufen gegen Brüning und die neue v - ervrdnung einen Zug von mehreren hundert Pcr,vuenbck- ete und die zweite Hanptrcche huumterzog. Als 5 Polizei- eamte der Domwache dem Zug cntgcgentraten und ihn zum luseurandergehen aufforöerten, flogen plvtz l ) -s ^ cisenstücke gegen die Beamten. Diese gaben einige «chreck- chüsse ab und schossen dann scharf. Als die Menge spater urch die inzwischen eingetrvsfenen Mannschaften von drei rolizeiautos auseinandergetrieben worden war, blieben auf er Straße eine Anzahl Schwerverletzte, sowie mehrere icichtverletzte. Die Schwerverletzten wurden ins rankenhaus gebracht, wo einer von ihnen gestorben ich