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Nr. 241
Amts- unä Knzeigeblall für äen obercmlsbezirk calw
Donnerstag, den 15. Oktober 1931
verantwort!. Lchristlettung: Zrieärich Han» Scheel« Druck unä Verlag cker kt. Selschlägerschen
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Jahrgang 104
Beginn der Reichstagsaussprache
Die Stellungnahme der Parteien zur Regierungserklärung — Die erste Garnitur tritt an
schiert, so stimme das schon. Bei Hitler sitze es in den Beinen, bei Brüning im Kopfe.
Abg. Baltrusch, der bann für die Gruppe der VolkS- nationalen Reichsvereinigung sprach, trat den Ausführungen
TU. Berlin, 14. Okt. Der Andrang zu der heutigen Neichs- tagssitzung hat tm Vergleich zum Dienstag erheblich nachgelassen. Gleichwohl sind von der Polizei auch heute wieder umfangreiche Stcherungsmaßnahmen für das Relchstags- gebäube getroffen worden. In Anwesenheit des Kanzlers und einiger Minister eröffnet Präsident Loebe um 13 Uhr die Sitzung.
Der sozialdemokratische Abgeordnete Dr. Brettschetü, der die Reichstagsaussprache über die Regierungserklärung eröffnete, setzte sich bei seiner mehr als einstündigen Rede unter starkem Beifall seiner Partei und zum Teil auch der Mitte mit den Parteien der nationalen Opposition und der Harzburger Tagung auseinander. Er erklärte u. a., er erwarte von einem praktischen regierungsmäßtgen Zusammenwirken der Parteien der Rechten einen sozialreaktionären Vormarsch auf allen Gebieten, den die Sozialdemokratie verhindern wolle. Sie sei mit den Notverordnungen gewiß nicht einverstanden, aber die Ablehnung der Mißtrauensanträge gegen das Kabinett sei Begünstigung des schärfsten Mißtrauens gegen das, was nach Brüning komme.
Zu Beginn der Ausführungen des nationalsozialistischen Abg. Dr. Fr ick betraten Nationalsozialisten und Deutschnationale den Saal, während der Reichskanzler seinen Platz verließ. Dr. Frick gab unter wiederholtem stürmischen Beifall seiner Fraktionsfreunde eine programmatische Erklärung ab, in der er der gegenwärtigen Regierung das Recht bestritt, weiterhin an der Macht zu bleiben. Er verwahrte sich gegen Angriffe des Reichskanzlers und gegen Unterstellungen der Linken, besonders da , cn, daß man den Nationalsozialisten sozialreaktionäre Bestrebungen unterschiebe. Mit lebhaften Hört-Hört-Rusen wurde von der Linken und »er Mitte seine Erklärung ausgenommen, daß die Nationalsozialisten auch zu einer Verständigung mit Frankreich bereit seien, die allerdings von grundsätzlichen und wichtigen Voraussetzungen abhänge. Dr. Frick schloß mit der Forderung aus Uebertragung der vollen Verantwortung, die die NSDAP, zum Wohls der werktätigen Schichten tragen wolle.
Nach der Rede verließen die Nationalsozialisten unter Heilrufe» wieder den Saal. Das Haus leerte sich fast völlig bet den darauf folgenden Ausführungen des kommunistischen Abgeordneten Remmele, der der Regierung schärfsten Kampf ansagte.
Abg. Dr. Oberfohren (DN.) erklärt, während die Deutschnationalen und Nationalsozialisten wieder im Saal erscheinen, damit kein Irrtum entsteht, wir sind nicht in diesen Reichstag gekommen, um ein parteipolitisches ober parlamentarisches Palaver zu halten. (Zustimmung rechts. — Lachen links.) Wir sind hierher gekommen, um Abrechnung zu halten und eine Kampfansage zu richten an das herrschende System und seine Vertreter gegen die Regierung. Wenn Dr. Dingeldey in seiner letzten Rede zwar harte Ansätze zu besserer Einsicht gezeigt, aber Kritik an unserem Auszug aus dem Parlament geübt hat, so hat er damit bewiesen, daß er noch sehr wenig Verbindung mit der wirklichen Bewußtseinsverfassung der deutschen Bevölkerung hat. (Lebhafte Zustimmung rechts.)
Was in der Sitzung vor dem Auszug der nationalen Opposition uns auch von der bürgerlichen Mitte angetan ist. das werden wir an Ihnen hundert- und tausendfältig wieder vergelten (Beifall rechts). Reichskanzler Dr. Brüning hat den Kamp) um die Seele des deutschen Volkes vollständig verloren. Auf der gewaltigen Heerschau des nationalen Gedankens in Harzburg hat sich gezeigt, baß es in Deutschland Millionen gibt, die bereit sind, für eine Idee und ihre Führer ihr Leben zu lassen. Die Front, die in Harzburg gebildet worden ist, steht fest. Und diese Front wird sich in geschlossener Stoßkraft gegen das heutige System wenden.
Die Arbeitslosigkeit kann sich nicht vermindern, solange wir eine Zwangsbewirtschaftung haben mit dem Schlichtungswesen, und den Schiedssprüchen. Die Männer, Quaatz, Bang und Schacht, die die schlimmen Folgen der verfehlten Finanpolitik rechtzeitig gekennzeichnet haben, sind deshalb maßlos angegriffen worben. Wirtschaftliche Landesverräter nennt man die Leute, die der Wahrheit eine Gasse bauen. (Zustimmung rechts.) Das französische Negierungs- organ „Der Kampf" hat geschrieben, die deutsche Wirtschaftskrise sei auf die wahnsinnige deutsche Steuerpolitik zuriick- zufiihren.
Der Schluß der Rekchstagsanssprache
TU. Berlin, 14. Okt., Der Zentrumsabgeordnete Joos hob hervor, daß dem Volke in seiner heutigen Notlage mit Reden nicht gedient sei. Unter vielfacher Heiterkeit der Regierungsparteien ironisierte er die Harzburger Tagung. Zoos erklärte unter anderem, er habe sie weder als drohendes Gespenst, noch als Brockengespenst betrachtet, sondern eher als Brockensammlung. Wenn die nationale Opposition stu Flugblatt verbreitet: Brüning regiert, Hitler Mar
der Abg. Frick und Obersohren entgegen und nahm auch für seine Freunde die Zubilligung wahrhaft nationalen Wollen- in Anspruch.
Die Weiterberatung wurde auf Donnerstag 13 Uhr vertagt.
Eine Erklärung des ReichssinanzminifterS im Reichstag
TU. Berlin, 14. Okt. In der Mittwochsitzung des Reichstages tritt Retchsfinanzminister Dietrich in die Aussprache ein und bezeichnet es als daS Kernproblem, den Arbeitslosen wieder Beschäftigung zu verschaffen. DaS ist aber, so erklärt er, nicht möglich mit den Mitteln städtischer Neubauten, sondern es kommt darauf an, die Städter ausS Land umzustedeln. Der Minister tritt dann den zahlenmäßigen Angaben entgegen, mit denen Dr. Oberfohren seine Angriffe gegen die Steuerpolitik der Regierung unterstützt hat. Beim Einsetzen der Krise im Frühjahr hat kein Mensch in der ganzen Welt die Entwicklung in ihrem ganzen Umfange Voraussagen können. DaS Aufkommen aus der Einkommensteuer ist um eine volle Milliarde zurückgegangen. Die deutschnationalen Angriffe wegen der Anleihepolitik sind unbegründet, denn die jetzt übernommene Anleiheermächtigung stammt noch aus der Zeit» in der dte Regierung eine deutschnationale Führung hatte. Dte deutschnationalen Angaben über die Höhe der deutschen Schulden sind unrichtig und können sehr schädigend für Deutschland wirken.
Die Haltung der Mittelparteie« im Reichstag
TU. Berlin, 14. Ott. Dte entscheidenden Abstimmungen im Reichstag über -te MißtrauenSanträge gegen da» Kabinett Brüning werben voraussichtlich ln den späten Nachmittagsstunden de» Freitag oder am Samstag mittag stattfinden. DaS Schicksal des Kabinetts hängt im Augenblick von der Haltung der Mittelparteten ab. Es ist verständlich baß diese ihre endgültige Entscheidung möglichst lange zurückstellen, um durch Verhandlungen noch gewisse politische Vorteile gewinnen zu können. Wie die Dinge liegen, kann man wohl sagen, daß die Wirtschaftspartet in ihrer Mehrheit dem Kabinett keine Schwierigkeiten machen wird. Sie wird sich wahrscheinlich der Abstimmung enthalten. Einige Wtrtschaftsparteiler werden voraussichtlich sogar für Dr. Brüning stimmen. Vom Landvolk scheint nur eine Minderheit von etwa 8 Stimmen entschlossen zu sein, gegen daS Kabinett zu stimmen, während dte Mehrheit voraussichtlich Stimmenthaltung üben wird. Aehnlich liegen die Dinge bei der DVP. Man nimmt an, daß von der 80 Mann
Tages-Spiegel
Im Reichstag begaua gestern die Aussprache über die Regierungserklärung. Die Sozialdemokratie lehnte die Miß- trauensanträge ab, während di« Nationalsozialisten und die Deutschnatiouale Volkspartei scharfe Erklärungen i» Sin« der Harzburger Beschlüsse abgabe«.
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In politischen Kreisen nimmt man an» daß die Anssprache im Reichstag bis Freitag, höchstens bis SamStag dauern wird. Man erwartet eine kleine Mehrheit für Brüning.
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Di« spanische Nationalversammlung hat die Ausweisung der Jesuiten aus Spanien und die Beschlagnahme ihres Eigentums beschlösse«.
Japan besteht daraus, den Konflikt mit China nur durch direkte Verhandlungen mit China beizulegen.
starken Fraktion der Deutschen Volkspartei nur 20 Mitglieder ihre Karte gegen die Negierung abgeben werden. Nach alledem rechnet man in politischen Kreisen damit, baß die MißtrauenSanträge gegen daS Kabinett Brüning mit einer geringen Mehrheit von 10 bis 20 Stimmen abgclehnt werden. Ueberraschungen sind natürlich nicht ausgeschlossen. Die endgültige Entscheidung der erwähnten Fraktionen hängt wesentlich auch von den weiteren Erklärungen der Regierung ab, dt« tm Plenum tn den nächsten Tagen erwartet werden. '
Beschluß der sozialdemokratische« ReichstagSsraktion: Ablehnung der MißtrauenSanträge gegen Brüning Berlin, 14. Ott. Die sozialdemokratische NeichstagSfrak- tion trat am Dienstag nach der Rede des Reichskanzlers zu einer kurze« Sitzung zusammen. Ohne Aussprache wurde beschlossen, dte gegen das Kabinett Brüning vorliegenden MißtrauenSanträge abzulehnen.
Bestimmen- für diese Entscheidung waren die Gründe, dt« bereits ln der Sitzung vom Montag ausgeführt wurden. Die Rede deS Reichskanzlers bot keinen Anlaß, die politische Situation jetzt anders zu beurteilen. Die Tagung der sog. „nationalen Opposition" in Harzburg hat gezeigt, daß daS Großkapital mit Unterstützung der Nationalsozialisten zum entscheidenden Schlag gegen die Rechte deS werktätigen Volkes ausholt. In ihrer Presse wird jetzt ganz offen mit einem Putsch gedroht, wenn die Diktatur des Schwerkapitals und der Großagrarier auf parlamentarischem Wege dieses Mal nicht verwirklicht werben sollte.
Die sozialdemokratische Fraktion will mit ihrer Entscheidung verhindern, daß durch eine neue Inflation die Gewerbetreibenden und kleinen Sparer noch einmal enteignet werben, daß durch rücksichtslosen Lohnabbau, Zerschlagung deS Tarifrechts und der Sozialgesetzgebung die Existenz der arbeitenden Massen vernichtet wird.
Spanien vor einer völligen Radikalisierung
Kabinett Zamorra zurückgetreten — Die Jesuiten werden aus Spanien ausgewiesen
— Madrid, 14. Okt. Ministerpräsident Zamorra und Innenminister Maura haben am Mittwochnachmittag der Nationalversammlung ihr RücktrtttSgesuch überreicht. Sämtliche KabtnettSmttglieLer haben sich darauf mit Zamorra solidarisch erklärt und den Rücktritt des gesamte« Kabinetts beschlossen.
Dieser Schritt steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Abstimmung der Nationalversammlung über die Religionsfrage. I» politischen Kreisen befürchtet man einen Linksruck, falls der als sehr radikal und revolutionär bekannte Azana bas neue Kabinett bilden sollte. Azana ist der Führer der sogenannten republikanischen Aktion und verwaltete im zurückgetretenen Kabinett bas Krtegsministerium. Zamorra und Maura stellten bekanntlich die beiden einzigen rechtsrepublikanischen und ktrchenfreundlichen Männer in der Regierung dar. Ihre Bemühungen, unter allen Umständen eine Einigung auf mittlere Linie herbeizuführen und die L-paltung des Landes in zwei feindliche Lager zu verhindern, scheiterten an der radikalen Haltung -er Kammer
LU. Madrid, 14. Okt. Nach längeren Verhandlungen mit den Parteiführern beauftragte der Präsident des Parlaments, Besteiro, den zurückgetretenen Kriegsminister Azana im Namen der Nationalversammlung mit der Bildung einer neuen Negierung. Azana hofft, bas neue Kabinett noch am Mittwoch zusammenstellen zu können. Er rechnet mit der Unterstützung der bisherigen sozialistischen und radikalsozialistischen Minister. Damit wäre in Zukunft der Einfluß der Konservativen und katholischen Elemente innerhalb der Nationalversammlung gleich Null, waS sich angesichts der noch lange nicht beendigten Verfassungsberatungen entscheidend für die politische Zukunft Spaniens auswirken müßte. Auch die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, die bisher i« de» Händen de» als energisch be
kannten Innenministers Maura lag, wird der neuen Negierung viel zu schaffen machen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuwetse«, daß der zurückgetretene Minister- Präsident erst vor zwei Tagen erklärt hat, er werde, fall» dte Kammer auf ihrem unversöhnlichen Standpunkt in der ReligionSfrage bestehen bliebe, mit allen gesetzlichen Mitteln gegen diese Volksvertretung arbeiten.
Ausweisung der Jesuiten aus Spanien beschlossen TU. Madrid, 14. Okt. Die spanische Nationalversammlung hat nach 14stünLiger stürmischer Sitzung mit 178 Stimmen gegen 5g die Ausweisung der Jesuiten aus Spanien und die Beschlagnahme ihres Eigentums beschlossen. Für die übrigen Religionsgesellschaften wird ein Sondergesetz geschaffen, das den religiösen Orden die Ausübung des Unterrichts verbietet und das die Verstaatlichung ihres Besitzes ermöglicht. Schließlich wurde die Aufhebung des Haushalts für Klerus und Kult tu der Verfassung niedergelegt.
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Vertrauensvotum für die neue spanische Negierung TU. Madrid, 15. Okt. Der neue Ministerpräsident Azana, der nebenbei auch das Kriegsministerium verwaltet» hielt in der Nationalversammlung seine Antrittsrede, in der er als Regierungsprogramm in der Hauptsache dte Verabschiedung der Verfassung, dte Durchführung der Agrarreform und die Aufstellung des neuen Haushaltsgesetzes bezeichnet«. Er gab zum Schluß der Hoffnung Ausdruck, die Kammer möge sich baldigst zu angespannterer Arbeit aufraffen. Bezeichnend für den neuen Kurs sind die folgenden Sätze seiner Rede: „Wir werden republikanisch für alle Spanier regieren, wobei aber die Hauptaufgabe die Rettung der Republik bildet.' Im Notfall werden wir zu den äußersten Mitteln greisen. Wenn die Republik nicht respektiert werden sollt«, werden wir sie fürchte» lehren."