Friedensverträge Deutschlands
Meine ablehnende Haltung gegenüber dem Völkerbund
Bon Graf Westarp.
Deutschland hat wie alle großen Länder das Recht und die Pflicht, zu der gewaltigen politischen und wirtschaftlichen Krise, unter der die ganze Welt leidet, die aber für Deutschland besonders schwer ist, unter dem Gesichtspunkt seiner eigenen Daseinsmöglichkeiten Stellung zu nehmen. Es wird alles tun müssen, um die Kris« aus eigener Kraft zu über- wiirden, muß aber gleichzeitig aussprechen, daß den großen europäischen Mächten ihre Pflicht wie ihr eigenes Interesse gebietet, alles anzuwenden, um ein internationales Mittel zur Lösung der Problem« zu finden, die in allen Ländern dringend geworden sind. Alle diejenigen, die mit den Elementen der europäischen Politik vertraut sind, werden zugeben, daß Deutschland zur Festigung des internationalen Friedens und zum wirtschaftlichen Fortschritt Europas nicht hinreichend beitragen kann, wenn nicht seine eigenen Aufgaben auf zufriedenstellende Weise gelüst werben.
Im Vordergründe der Ursachen für die allgemeine wie für die deutsche wirtschaftliche Krise stehen die Zahlungen auf Grund des Pariser Tributplanes. Außer in Frankreich, wo man geflissentlich die Augen verschließt, wird jetzt dies« Tatsache überall, besonders auch in der englischen urü» amerikanischen Welt, anerkannt. Die von Deutschland zu zahlenden Kontributionen vernichten seine Kaufkraft. Sie führen die Stauungen des Geldes und Kredites und den dadurch hervorgerufenen Kapitalmangel herbei, die Deutschland an den Rand des Abgrundes bringen und jetzt selbst in dem reichen England sich schwer genug auswirken. Sic tragen den größten Teil der Schuld an der furchtbaren Arbeitslosigkeit, deren Beseitigung vornehmste Pflicht aller Regierungen ist.
Eine Revision des Aoungplanes würbe der Arbeitslosigkeit ein Ende machen und, als erstes Ergebnis, unsere Industrie wieder aufleben lasten und den deutschen Markt wieder für englische und amerikanische Erzeugnisse eröffnen. Ich bin überzeugt, daß die Eröffnung des deutschen Marktes für diese beiden Länder von viel größerer Bedeutung wäre als die Zahlungen, die sie jetzt unter dem Boungplan erhalten — Zahlungen, die ja bald aufhören müssen, nicht weil wir nicht zahlen wollen, sondern weil es die ehernen wirtschaftlichen Gesetze unmöglich machen.
In Deutschland hat die Frage des Aoungplanes außer der wirtschaftlichen auch noch eine politische Seite, die für Europa und für die Welt von gleicher Bedeutung ist. Wenn Not und Armut in ein Land einziehen, verlieren die Masten ihre Urteilsfähigkeit und erwarten ihr Heil von den politisch unverantwortlichen Parteien. Das ist und wird auch in Deutschland geschehen, wo die Not des Volkes den Kommunismus verstärkt hat. Wir sind nicht imstande, die bolschewistische Propaganda in unserem Lande zu bekämpfen. Alles Reden und Schreiben gegen die Gefahr ist nutzlos. Man muß dem Volk Brot geben, denn solange es hungert, wirb es Worten der Vernunft kein Gehör schenken. Liegt es im Interesse Europas und der Welt im allgemeinen, daß der
Berliner Presse und Harzburger Tagung
Stärkste Beachtung finden die Erklärungen Schachts, die von einem Teil der Blätter auf das schärfste abgelehnt werden. Das „Berliner Tageblatt* bezeichnet Schachts Rede als verbrecherisch, das „8-Uhr-Abenbblatt" stellt die Frage: Wird man gegen ihn wegen Landesverrat Vorgehen?, während der „Abend* die Rebe Schachts als den schärfsten Angriff auf die deutsche Währung, den deutschen Kredit und die deutsche Wirtschaft bezeichnet, der bisher geführt worden sei. Seine Rede sei der Versuch gewesen, die deutsche Mark zu werfen. Gegenüber diesen Anklagen gegen Schacht bemerkt der „Lokalanzeiger*, Schacht Hab« eine scharfe und ehrliche Kritik ander jetzigen Reichsbankpolitik geübt. Lese man ruhig nach, was amtlich über die Lage der Neichsbank verbreitet
Bolschewismus Deutschland erobert und von da seinen Angriff gegen die Kultur des Westens vorbereitet?
Vom Völkerbund können wir Deutschen kaum noch etwas Ersprießliches erwarten. Der Grundgedanke, der bei seiner Gründung verkündet wurde, ist vollständig verlassen. Deun seine Verhandlungen werden nicht auf dem Rodender Gleichberechtigung und Verständigung geführt, und er hat es nicht vermocht. Len von Frankreich und seinen engeren Verbündeten, namentlich Polen, aufrecht erhaltenen Gegensatz zwischen Siegern und Besiegten zu überwinden. Er versagt bet Durchführung der allgemeinen Abrüstung. Den 100 000 Mann deutscher Kriegs- und Friedensstärke stellen seine Nachbarn Frankreich, Belgien, Polen und die Tschechoslowakei ein Heer von rund 1,2 Millionen Friedensstärke und mit den beurlaubten und ausgebildeten Reserven von 9,4 Millionen Kriegsstärke gegenüber. Aus diesen Ländern sind 4000 schwere Geschütze, 4000 Tanks, 5060 Kriegsflugzeuge gegen das wehrlose Deutschland gerichtet, das von allen diesen Waffen nichts besitzen darf und nichts besitzt. Außerdem stehen 37 000 schwere Maschinengewehre gegen nur 792 der Deutschen. An der Grenze der entmilitarisierten Zone in Deutschland diesseits und jenseits des Rheins errichtet Frankreich mit einem Kostenaufwand von vielen Milliarden Mark Befestigungen, wie sie in der Weltgeschichte noch nicht dagewesen sind. Das nennt man Erfüllung des rechtlichen, politischen und moralischen Anspruches Deutschlands auf allgemeine Abrüstung, der ihm in den zweiseitigen Vertragsbestimmungen des Versailler Vertrages, der Völkerbundssatzung und des Locarnovertrages eingeräumt worden ist. Das bisherige Ergebnis der Abrüstungskonferenzen aber dient in keiner Weise dem Zwecke, diesen Anspruch Deutschlands zu erfüllen, sondern ist nur geeignet und dazu bestimmt, ihn endgültig zu versagen. Vergeblich warten die deutschen Minderheiten namentlich in Polen auf Schuh ihrer Rechte in Genf. Wehrlos muß Deutschland der Vernichtung des deutschen Volkstums in seinen unter polnische Hoheit geratenen Gebieten zusehen, wo der polnische Staat bisher eine Million Deutscher an den Bettelstab gebracht und vertrieben hat. Wehrlos steht es der Gewaltpolitik Polens gegenüber, das nach weiterem deutschen Gebiet seine Hand ausstreckt. Deutschland verblutet an seiner Ostgrenze und kann nicht gesunden, bevor sie berichtigt ist.
Es wurde von gewissen Politikern oft behauptet, .! Deutschland und Polen könnten wirtschaftlich zusammen- ! arbeiten, und es ist auch sicher, daß ein derartiges Zusammenarbeiten die Schwierigkeiten zwischen den beiden Ländern > vermindern würde. Jedoch glaube ich nicht, daß sogar ein wirtschaftliches Zusammengehen mit Polen möglich wäre, ohe die obengenannten Probleme endgültig erledigt sind.
Wir leben in einer kritischen Zeit. Die Zukunft Europas wird jetzt entschieden. Ich hasse, baß die Führer der Weltpolitik mit mir übereinstimmen werden, wenn ich behaupte, -aß nur ein wirtschaftlich und politisch gesundetes Deutschland dem Frieden aller Länder nützlich sein kann.
werde, dann könne man nur sagen, daß in weitem Umfange die Berechtigung der Kritik Dr. Schachts durch diese Darstellung zugegeben werde.
Zur eigentlichen Tagung nehmen nur der „Abend*, das „Berliner Tageblatt* und die „DAZ.* eingehend Stellung. Der „Abend* schreibt: „Der deutsche Faschismus beginnt, die Karten aufzudecken. Für die Harzburger Tagung existier! die demokratisch-republikanische Verfassung nicht mehr, sie sind offene und erklärt« Verfassungsfeinde. Diese Kundgebung ist zugleich die schlimmste Beschimpfung der Mehrheit des Volkes, sie tst die offene Deklaration, daß die Front des Faschismus, der sozialen Reaktion, der Unternehmerdiktatur bereit steht, über das deutsche arbeitende Volk herzufallen.*
Das „Berliner Tageblatt" schreibt: „Es gibt, bas hat Harzburg bewiesen, eine nationale Opposition, die bereit ist,
das Kabinett Brüning gemeinsam zu stürzen, Neuwahlen »» verlangen, die Aufhebung der Notverordnungen zu fordern. Aber die Geschlossenheit reicht nur bis zum Negativen.* Die „DAZ* weist auf die Schwierigkeiten hin, die es gemacht habe, die Tagung auf eine einheitliche Linie zu bringen und schreibt bann: „Um so größer muß das Verdienst Hugenbergs angeschlagen werden, dem es gelungen ist, diese kleinlichen und Widerstände zu überwinden und ein: ge- schloffcne Kundgebung zustandeznbringen. Der Gesamteinruck kann dadurch nicht abgeschwächt werden, daß einzelne Teile der Rede des früheren Neichsbankpräsidenten Dr. schacht in der Berliner Linkspresse einen Sturm der Entrüstung hervorgerufen haben. Nun müßte es in dieser Woche noch gelinge», das zweite Kabinett Brüning zu stürzen dann wurde Geheimrat Hilgenberg an die Macht gerufen werden. Man kann sagen, daß die Staatsraison erfordert, die blechte so schnell wie möglich, also sofort, ans Ruder zu bringen. Im übrigen weist die „Deutsche Allgemeine Zeitung" darauf hin, daß die Harzburger Tagung der nationalen Opposition ein eindrucksvoller und wichtiger Auftakt für die Reichstags- verhandlnilgen gewesen sei.
Rücktritt des preußischen Finanzministers
Das RücktrittKschreiben Höpker-Aschoffs
TU. Berlin, 13. Okt. In dem Schreiben, tu dem der preußische Finanzminister H ö p k e r - A s ch o f f dem preußischen Ministerpräsidenten Vrann am Montag spät abends seinen RücktrittSentschluß mitteilt, heißt cs u.a.: „Der Verlauf der heutigen Sitzung des interfraktionellen Ausschusses der preußischen Koalitivnspartcien hat mich davon überzeugt, daß ich auf die für meine Amtsführung erforderliche Unterstützung der Regierungsparteien nicht mehr in ausreichendem
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Maße rechnen kann. Der Verlaus der heutigen Staatsmini- srersitzung hat mir sodann gezeigt, daß auch zwischen den übrigen Herren Staatsministern und mir die erforderliche Einmütigkeit nicht mehr besteht. Außerdem tst es mir nicht gelungen, diejenige Ueberetnstimmung zwischen Maßnahmen der Rerchsregierung und der preußischen Staatsregierung herbeizuführen, die in der heutigen Zeit notwendig wäre. Da es mir unter solchen Umständen nicht möglich ist, mein Amt erfolgreich weiter zu verivalten, trete ich gemäß Art. 59 der preußischen Verfassung von meinem Amt zurück."
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Der IVO Millionen-Nebiskoutkredit um 3 Monate verlängert!
TU. Berlin, 13. Okt. Der Verwaltungsrat der BIZ. hat in seiner Sitzung am Montag vormittag den 100 Milltonen- Rebiskonkredit an die Deutsche Neichsbank, der bekanntlich am 0. November abläuft, um weitere 3 Monate verlängert.
Der Verwaltungsrat hat gegen 13 Uhr seine Sitzung zu einer kurzen Mittagspause unterbrochen. Die Beratungen sollen noch im Laufe des heutigen Tages zu Ende geführt werden, weil Reichsbankpräsident Dr. Luther am Dienstag beim Zusammentritt des Reichstages wieder in Berlin sein will.
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Roman von Erich Ebenstein.
VS. Fortsetzung Nachdruck verboten
Leise, zuweilen von Schluchzen unterbrochen, dann wieder von Bitterkeit üdermannt, erzählte sie ihr alles von dem Augenblick an, da Degenwart Neuthuren betreten, bis zu jener Nacht, da sie selbst ihm, von Todesangst geschüttelt, die Scheidung angeboten hatte.
Stumm, mit finsterer Miene hörte Ilse zu.
Aber ihre Stimme wurde seltsam weich und verschleiert, als sie dann, Sibylle liebkosend an sich drückend, sie zu trösten versuchte.
„Laß ihn doch! Weine nicht um ihn! Das ist ja eine ganz erbärmliche Geschichte und gar nicht wert, daß du dich so grämst darum! Natürlich ist Neuthuren fortan deine Heimat und wir lassen dich nie mehr fort! Warum hast du dich nicht längst wenigstens Leo anvertraut?*
„Weil er mir ja doch nicht hätte helfen können! Und weil Männer über solche Sachen so leicht in Streit geraten. Er hätte vielleicht Richard zur Verantwortung ziehen wollen und —"
„Das ist wahr. Als dein Verwandter hätte er sich sogar dazu verpflichtet gefühlt. Wir wollen ihm darum vorläufig lieber nichts davon sagen, bis Degenwart abgereist ist. Warum reist er denn überhaupt nicht, da, wie du sagst, die Koffer doch längst gepackt sind?"
„Ich weiß es nicht!*
„Hat er die Scheidung bereits beantragt?*
„Auch das weiß ich nicht.* l
„Warum fragst du ihn denn nicht?*
„Ich habe so Angst vor ihm, vor der Gewißheit,* murmelte Sibylle zaghaft. „Du weißt nicht, wie einschüchternd er auf mich wirkt, seit er mich immer so kalt upd feindlich ansieht.'
Ilse schüttelte verständnislos den Kopf,
Ihrer energischen, immer auf Klarheit drängenden Natur war ein solcher Zustand unbegreiflich.
„Aber du bist doch gar nicht die Schuldige! Du mußt Klarheit von ihm verlangen. Heute noch! Und du mußt ihm sagen, daß'du nach Neuthuren gehst! Damit er doch weiß, du stehst seiner Willkür und Gnade nicht völlig schutzlos gegenüber. Vielleicht reist er dann endlich ab und du wirst dadurch ruhiger. Versprich mir, daß du noch heute mit ihm redest und zwar nicht etwa in dem Tone einer Sklavin, mit der er sich erlauben kann zu tun, was er will, sondern als die tiefbeleidigte Frau, die du bist, und die ihm ihren Willen
kundgibt I*
„Ich will es versuchen,*
antwortete Sibylle kleinlaut.
Degenwart war in äußerst schlechter Laune heimgekehrt. Er hatte sich wie gewöhnlich zwecklos mit der Büchse im Walde umhergetrieben und auf dem Rückweg den Inspektor getroffen, der den Rest des Weges mit ihm ging. Dabei waren allerlei Neuigkeiten mitgeteilt worden.
„Den Waldrieder Wagen habe ich vorhin auch getroffen,* sagte der Inspektor. „Herr von Römer saß drinnen und der Herr Rittmeister aus Neuthuren.*
„Der ist noch immer da?* fuhr Degenwart auf.
Der Inspektor lächelte.
„Es scheint so. Die Herren fuhren wobl nach Ringelberge. Ich stand gerade im Hohlweg, wo der Wagen nur langsam bergan konnte. Da hörte ich, wie Herr von Römer lachend sagte: „Du — das hätten wir uns vor einem halben Jahr auch noch nicht gedacht, daß wir nun beide zugleich und hoffentlich schon zu Ostern Hoheit machen!* Und der Rittmeister lachte auch und meinte: „Wenn es nur geht — mir soll es je eher, je lieber recht sein!* Ganz deutlich konnte ich das hören!*
Degenwart hatte alle Mühe, seine Aufregung zu verbergen und die Vermutungen des Inspektors, wer wohl die Verlobten der beiden Herren fein könnten, mit ein paar Phrasen abzutun.
Iu Essern icyon! 2U,o hatte sich LiöiM mit Schuren vr- lts ins Einvernehmen gesetzt! Und so schnell machten sie ce Rechnung!
Und Bernd, der alle alte Freundschaft vergessen zu ha- n schien, war schon Du auf Du mit dem Menschen, hatte » heimtückisch eingeladen und verdiente sich wohl gar noch ,en Kuppelpelz um die beiden!
Pfui! Liebe, Treue, Freundschaft — alles Lug und Trug! tterer Ekel würgte ihm an der Kehle.
Daheim erfuhr er durch Zufall, daß Ilse dagewesen ir. „Aha — die spielt wohl den Vermittler!* dachte er Immig.
Bei Tisch herrschte Gewitterschwüle. Degenwart fuhr den lener ein paarmal barsch an wegen ungeschickten Servie- ns und tadelte Roland, weil er nicht manierlich genug e. Mit Heidie und Sibylle sprach er kein Wort.
Trotzdem war Sibylle durch sein Wesen heute weniger »geschüchtert als sonst und zuweilen lag sogar etwas wie n froher Schein auf ihrem blassen Gesicht.
Die Aussprache mit Ilse hatte Sibylle erleichtert und ihr !ut gemacht. Nachträglich empfand sie her die herzliche Freude an ^os Verlobung. Der Me ingel Sie gönnte ihm sein Glück so sehr. Und nun war
ja auch aus allen Sorgen heraus!
Gleich nach Tisch ging Degenwart in sein Arbeitszim
batte den kroben Schein in Sibylles Gesicht wohl be- errt u^d fühlt-lich unfähig, ihren Anblick länger zu er-
° Aber während er dann wie ein gereizter Löwe in seinem immer auf und ab ging, tat sich plötzlich die Türe auf und ibylle erschien auf der Schwelle.
Hättest du fünf Minuten Zeit für mich?* fragte sie, alle rast zusammennehmend, um das Beben ihrer Stimme zu
^Er stieß"sekne Zigarre in den kupfernen Aschenbecher und andte sich ihr zu. „Was wünschest du?"