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Nr. 240

Mittwoch, den 14. Oktober 1931

Jahrgang 104

Brüning vor dem Reichstag

Absperrungsmaßnahmen vor dem Reichstagsgebäude Ruhiger Verlaus der Sitzung

Ein persönlicher Erfolg des Kanzlers

TU. Berlin, 13. Oktober.

Der Andrang zu der ersten Reichstagssitzung nach der Sommerpause war außerordentlich stark. Der Sitzungssaal füllte sich rasch, die Tribünen waren in beängstigendem Maße überfüllt. In der Diplomatenloge sah man die Ver­treter fremder Länder. Den Platz des in der Zwischenzeit Verstorbenen Abgeordneten Gemeinde! (Nat.-Soz.) schmückt ein umflorter Rosenstrauß, ebenso ziert den Platz des ver­storbenen Zentrumsabgeordneten Kerp ein Strauß gelber Rosen.

An der Regierungsbank hat der Reichskanzler mit dem gesamten Kabinett Platz genommen.

Präsident Loebe erösfnete die Sitzung pünktlich um L Uhr.

Auf der Tagesordnung -er ersten Sitzung des Reichs­tags »ach der Sommerpause steht nur die Entgegennahme einer Erklärung der Reichsregterung. Sofort erhält

Reichskanzler Brüning

zu seiner großen Rede das Wort. Er dankte zunächst den ausgeschiedencn Mitgliedern und stellt dann sein Kabinett vor. Die Leitung des Wehr- und Innenministeriums ist in einer Hand vereinigt. Mehr als je zuvor zwingt uns unsere heutige Notlage zu einer einheitlichen Zusammenfassung der staatlichen Machtmittel, namentlich auch von dem Herrn Reichspräsidenten erlassenen besonderen Machtbefugnisse gegen alle Bestrebungen und Störungen, die den Staat zu bedrohen suchen. Die Sicherung der Autorität des Rechtes ist Sie Vorbedingung der Festigung des Vertrauens nach innen und außen und für den politische» und wirtschaftlichen Wiederaufbau, an dem alle positiven Kräfte Mitarbeiten müs­sen. Die Leitung der Wehrmacht wird ihre bisherigen be­währten Grundsätze weiter verfolgen, die dem hohen Hause bekannt sind und Gewähr dafür bieten, daß dieses wichtigste Machtinstrument des Staates jederzeit seinen Aufgaben ge­wachsen ist. Das Justizministerium ist in die Hand eines Mannes gelegt, der seit einem Menschenalter dem Staate in schwerster Zeit besonders treu und erfolgreich gedient hat. Die Leitung des Außenministeriums wird in meiner Hand liegen. Ich werde die Außenpolitik im Laufe der Besprechun­gen der letzten Monat«, vor allem der jüngsten deutsch-fran­zösischen in Berlin, fortführen. Die Reichsregierung er­wartet das Heil nicht allein durch internationale Verhand­lungen oder Hilfe des Ausländers. Aber Deutschland hat im letzten Jahrzehnt am eigenen Leibe mehr als alle Nach­barn gespürt, wie die ungelösten politischen Fragen der Welt die innere Not bis zur Grenze des Erträglichen gesteigert und wachsende Verzweiflung in allen Schichten des Volkes genährt haben. Deshalb hat Deutschland das Recht, an die Völker der Welt den Appell zu richten, die Bemühungen zu der unerläßlichen solidarischen Zusammenarbeit zur prak­tischen Tat werden zu lassen. Ich glaube, daß in den vergan­genen Monaten ein gewisser Fortschritt in solcher Gesinnung erzielt worden ist. Die Reichsregierung nimmt für sich als Erfolg in Anspruch, - sie rechtzeitig und als erste im Kreis der großen Nationen mit entscheidenden Sparmaßnahmen in den öffentlichen Ausgaben und mit möglichster Senkung der Erzengungskosten begonnen hat. Hierdurch allein ist ver­hindert worden, daß die gesunden Grundlagen der deutschen Volkswirtschaft erschüttert worden sind. Das Beispiel der Reichsregierung hat Nachahmung in der ganzen Welt ge­funden. Es ist anerkannt worden als eine mutige Einstellung auf eine schwere Zukunft. Die Reichsregierung wurde durch Entschließungen, die allerdings hart und unpopulär waren, in die Lage versetzt, gerade in dieser Zeit zur Rettung der Privatwirtschaft schwebende Schulden in Höhe von nahezu 800 Millionen RM. zurückzuzahlen. Die Krise des englischen Pfundes stellt Reichsregierung und Reichsbank vor neue Auf­gaben. Noch stärker als in den vergangenen Monaten ist eine Einstellung von Wirtschasts-, Finanz- und Sozialpolitik aufeinander und eine Anpassung -es Selbstkosten- und Preis­niveaus an die wirtschaftliche Entwicklung nötig. Die Reichs­regierung hat in Uebereinstimmnng mit dem Reichspräsiden­ten beschlossen, einen Wirtschaftsbeirat zu ernennen, der ihr zur Seite stehen soll. Mit ihm gemeinsam wird in kurzer Frist ein Wirtschaftsprogramm für die nächsten Monate aus­gearbeitet. Dieses hat als erste Voraussetzung die Aufrecht- erhaltung der Stabilität unserer Währung, an -er unter kei­nen Umständen gerüttelt werden darf. Bon entscheidender Wichtigkeit ist die Durchführung eines Planes zur Tilgung -er kurzfristigen Schulden und eine endgültige Klärung der Reparationsfrage. Nur in diesem Gesamtrahmen wird es möglich sein, zu verhindern, daß bas deutsche Volk an der Sozialpolitik irre wird. Die Sozialpolitik muß sich den lüanziellcn und wirtschaftlichen Notwendigkeiten enfügen. »«bei ka«« au dem verfassungsmäßig verbrieften Selbstbe­

stimmungsrecht der Arbeitnehmerschaft nicht vorbeigegangen werden. Vor allem gilt das auch für den Tarifgedanken, der als solcher gesund ist und erhalten werden muß, aber größe­rer Elastizität in der Handhabung bedarf. Die Tarife müs­sen veränderten Verhältnissen schneller angepaßt werden können. Eine Verzinsung und Tilgung der kommerziellen Schulden des Volkes ist nicht möglich, wenn den deutschen Waren die Weltmärkte in fortschreitendem Maße versperrt werden. Das führt zur Zerrüttung der Weltwirtschaft. Die Reichsregierung ist gewillt, alle Schritte zu tun, um einer solchen Politik zu begegnen. Ebenso klar ist sie sich allerdings darüber, daß die Bedeutung des Binnenmarktes in der kom­menden Zeit stärker in den Vordergrund treten wird. Die­sem Ziele dienen auch die Pläne einer erweiterten und be­schleunigten Siedlung auf dem Lande und im Vorfeld der Städte. Alle.im Inland vorhandenen Produktionsmöglichkei­ten müssen bis auf das letzte ausgenutzt werden, zumal die Notwendigkeit besteht, mit den Devisenbeständen sparsam zu wirtschaften. Einschränkungen der Einfuhr werden im wesentlichen dort erfolgen müssen, wo die heimische Produk­tion, insbesondere die Landwirtschaft, die Bedürfnisse aus­reichend und zu angemessenen Preisen -ecken kann. Der Weg ist uns klar vorgezeichnet. Er ist hart und schwer und kann nur zu Ende gegangen werden, wenn unser Volk die Ueber- zeugung hat, daß Lasten gleichmäßig verteilt und Gerechtig­keit und Verantwortungsbewußtsein wieder hergestellt sind. Das deutsche Volk hat bislang die schwersten Opfer ertragen. Die Reichsregierung ist sich bewußt, - Notverordnungen und polizeiliche Maßnahmen allein nicht ausreichen, sondern nur den Weg freimachen können. Sie bedurfte dabei der hin­gebenden Arbeit eines unter Opfern und erschwerenden Um­ständen pflichttreu tätigen Berufsbeamtentums.

Im Anschluß an die Verlesung dieser Erklärung führte der Reichskanzler in freier Rede aus, es sei notwendig, über einige Vorgänge in der letzten Zeit offene Aufklärung zu geben.

Die Verschärfung der Krise habe in letzter Zeit zu einem Zustand geführt, wie ihn die moderne Wirtschaftsgeschichte noch nicht kenne. Ueberall sehe man ein, baß sich die Welt in einer ganz außergewöhnlichen Lage befinde. Außer­gewöhnliche Verhältnisse erforderten außergewöhnliche Maß­nahmen. Wir haben uns, so erklärt -er Kanzler, der Lage schneller angepaßt als andere Länder. Die deutsche Regie­rung hat sich zwar früher unpopulär gemacht, als andere Regierung. Sie hat aber dem Volke dadurch erspart, mit einem Schlage vor ganz umstürzenden Maßnahmen zu ste­hen. Man hat mich einen Zögerer genannt. Aber ich frage, wo unser Volk heute stände, wenn ich im Sommer dem Drängen nachgegeben und das Moratorium oder den Zah­lungsaufschub angesprochen hätte. (Beifall.) Ich lasse mich lieber jeden Tag als Landesverräter beschimpfen, als daß ich die Nerven verliere und von dem Wege abweiche, den ich eingeschlagen habe. An dem Tage, an dem -er Reichstag das von mir verlangt, würde ich sofort zurücktr.eten. (Bei­fall.) Es wäre in dieser schweren Zeit nationales Erforder­nis, daß sich eine Regierung aller verantwortungsbewußten Parteien zusammensindet. Leider Gottes ist die Bildung einer solchen Regierung ausgeschlossen. In der schicksals­schwersten Zeit find unsere Parteien nicht zur Zusammen­arbeit bereit, sondern richten lieber Fronten gegeneinander auf, statt sich in einfacher Pflichterfüllung für das ganze Deutschland zusammenzufinden. (Beifall.) Darum habe ich mich entschlossen, eine Regierung zu bilden, die noch unab­hängiger von Parteien und Fraktionsbeschlüssen ist als die

Tages-Spiegel

Im Reichstag gab gestern der Reichskanzler das Regierungs» Programm der neuen Negierung bekannt. Die Sitzung ver» lies ruhig. Die Aussprache -er Parteien erfolgt heute. Die Rede des Reichskauzlers hat eine« nachhaltigen Eindruck hervorgerusen.

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Ju Genf ist gestern der «ölkerbnndsrat zusammengetreteu. Den Vorsitz führt Briand. Der Rat, der de« chinesisch» japanischen Konflikt beende« soll, sieht sich vor eine schwere Aufgabe gestellt.

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Der preußische Finauzminiftsr Höpker-Aschoff ist infolge Meinungsverschiedenheiten im preußische« Kabinett zurück» getreten.

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Die sozialdemokratische Reichstagsfraktio« wird die Miß» trauensanträge ablehuen.

frühere. Dem Volke wird in dieser schweren Zeit nicht ge­dient durch die Formen des politischen Kampfes, die sich auf -er Harzburger Tagung gezeigt haben und die auch nicht die Chancen des Erfolges einer kommenden Rechtsregierung sichern können.

Auf einen Zuruf deS Abg. Dr. Quaatz (Dntl.) erwidert -er Kanzler: Wenn Sie 1927 geholfen hätten, wären die Ueberstiegenheiten der Besoldungsordnung damals nicht zu­stande gekommen. (Widerspruch des Abg. Dr. Quaatz.) Der Kanzler betont weiter, baß sich die Fehler der öffentlichen Hand leichter wieder gut machen ließen als die in der Pri­vatwirtschaft begangenen. Darum will ich die Rcichsregie- rung mit den Notverordnungen dahin wirken, daß in der Privatwirtschaft wieder gesunde Grundsätze einziehen. Er- scheinungen, wie wir sie bei Favag und bei Nordd. Wolle erlebt haben, dürfen nicht wieberkehren. (Zustimmung.) Durch Bankenkontrolle und gewisse Eingriffe in die Kartell­wirtschaft hat sich die Regierung Angriffe zugezogen. ES liegt aber gerade im Interesse der Privatwirtschaft, im Volke nicht den Eindruck entstehen zu lassen, daß die Privat­wirtschaft überhaupt nicht länger aufrecht erhalten werben kann. Wenn von einzelnen Organen der Rechten der Re­gierung sogar die Schuld an der Bankenkrise zugeschoben wirb, so möchte ich darauf antworten: Seien Sie vorsichtig, sonst könnte ich vielleicht von dieser Tribüne aus sehr deut­lich werdenl (Zuruf von den Kommunisten: Wo° haben Sie denn für Geheimnisse mit der Rechten?) Wenn die Rechte gegen die Notverordnung Sturm läuft, so wäre es mir politisch sehr interessant, zu sehen, wie die National­sozialisten eine Ablehnung der Notverordnungsbestimmun­gen über die Bankenkontrolle oder über Kürzung der hohen Pensionen verantworten wollen. Andererseits muß ich zur Ehre der deutschen Banken erklären, daß man nicht ihre Organisation oder ihre Wirtschaft für die Bankenkrise ver­antwortlich machen kann. Wenn in einer außergewöhnlichen Notzeit ein allgemeiner Run auf die Banken einsetzt, so ist dem auch das gesündeste Institut nicht gewachsen. Zur Ge­sundung der Wirtschaft ist eine Arbeitsgemeinschaft zwischen Unternehmern und Arbeitnehmern notwendig. Freudig kann die Reichsregierung sagen, daß der bevorstehende schwere Winter unter allen Umständen überstanden werden kann. Die Wirtschaft ist in ihrem Apparat gesund. Für die Finan­zen ist Vorsorge getroffen und eS müßte merkwürdig zu­gehen, wenn das Volk nicht über diesen Winter hinwegkom­men würde. Durch Kritik, Angriffe und Verleumdungen, so schließt der Kanzler, lasse ich mich nicht beirren. Ich stehe vor Ihnen, ich habe Ihnen mein Programm gesagt. Sie, die Parteien, tragen nun die Verantwortung für das, was kommen wird. (Lebhafter Beifall bei den Mittelparteien.

Der Völkerbund vor einer schweren Aufgabe

TU. Genf, 14 . Okt. Di« zur Behandlung des japanisch- I französischen Einfluß in Japan weiter zu stärken und die chtnenschen Konfliktes einberufene außerordentliche Tagung Verhandlungen in der Hand zu behalten. In maßgebenden des Völkervundsrates ist am Dienstagvormittag mit einer geheimen Sitzung des Fünferausschufles des Rats unter Teil­nahme von Mutius, Briand, Grandi und des spanischen Bot­schafters Madariaga eröffnet worden. Auf allseitig«» Wunsch übernahm Briand das Präsidium

Auf englischer und amerikanischer Seite ist man deutlich bestrebt, die japanische Regierung zu einer sofortigen Ein­stellung der militärische» Operationen zu zwingen. Die ame­rikanische Regierung hat, wie allgemein anffällt, sich in einem bisher noch nicht erlebten Maße dem Vorgehen des Völker­bundes angeschlofsen und einen sofortigen energischen Druck auf Japan gefordert.

Demgegenüber besteht auf französischer Seite offensichtlich die Absicht, ein gemeinsames Vorgehen deS Völkerbundes und der ameritanifcheu Regierung zu verhindern, um den

englischen Kreisen wirb erklärt, daß die gegenwärtigen Ver­handlungen deshalb so bedeutungsvoll seien, weil zum ersten Male Las Verfahren des Völkerbundes zur Unterstützung eiues militärisch schwachen Staates gegen eine militärische Großmacht in Gang gesetzt werden soll und zu gleicher Zeit der Kellogpakt und die fernöstlichen Verträge der Groß­mächte praktische Anwendung finden sollen.

Wie verlautet, sollen die Franzosen im Zusammenhang mit dem japanisch-chinesischen Konflikt die Notwendigkeit der Lösung der Frage der Sicherheit in den Vordergrund rücken und damit die kommende Abrüstungskonferenz in französi­schem Sinne festlegen. Nach allgemeiner Auffassung wird daher der Verlauf der gegenwärtigen Verhandlungen über den japanisch-chinesische» KonjtM für die Abvüstungstonfe- »er»z ausschlaggebend sein.