Die geplante Reichstagrverkleinerung

Nach Heraufsetzung des preußischen Wahlkoeffizienten rechnet man nunmehr auch in Kreisen des Reichstages all­gemein mit einer Gesetzesmaßnahme zur Erhöhung der bis­her für ein Reichstagsmandat erforderlichen Stimmenzahl von 60 000. Der Notverordnungsweg wird hierzu aller Bor­aussicht nach im Gegensatz zu Preußen nicht beschritten wer­den. Unsicherheit besteht im Augenblick nur noch darüber, ob eine Heraufsetzung auf 70 000 ober 75000 erfolgen soll. Aber auch bei 70 000 Stimmen für einen Sitz wird die Zahl der Reichstagsmitglieder eine gleich starke Wahlbeteiligung wie am 14. September 1930 vorausgesetzt noch immer rund 480 gegen 577 jetzt betragen. Hätte die beabsichtigte Neu­regelung schon bei der letzten Wahl Geltung gehabt, so hätten Sozialdemokraten 122 statt 143, Nationalsozialisten 92 statt 107, Kommunisten 66 statt 77, das Zentrum 69 statt 68, die Deutschnationalen 35 statt 41, die Deutsche Volkspartet etwa 22 statt 30 Mandate jetzt erlangt. Das Nachsehen bet dieser Sparmaßnahme, die im übrigen auch die Arbeitsfähigkeit des Reichstages bester als bisher gewährleisten soll, werden die kleineren und kleinsten Parteien haben, ist doch beispielsweise schon bei den letzten Wahlen zum Reichstag die Volksrecht­partei mit über 270 000 Stimmen ohne Mandat ausgegangen, weil sie in keinem Wahlkreisverband 60 000 Stimmen auf sich vereinigen konnte.

Die Proteste, mit denen dieKleinen" den Reichstag, die Regierung und sicher auch den Staatsgerichtshof überschütten werden, dürften Aussicht auf Erfolg kaum haben, da die Finanznot des Reiches auch diese Sparmaßnahme dringend erfordert. Es wird mit ihr auch die schon seit langem von der Oeffentlichkeit erhobene Forderung erfüllt sein, den Splitterparteien das Master abzugraben. Man erinnert sich noch, daß vor der Septemberwahl Parteichen auftauchtcn wie die Menschheitspartei, die Partei gegen den Alkohol, die Arbeiterpartei für das arbeitende und schaffende Volk, die Hinterbliebenenpartei der deutschen Mannschaft usw., Ge­bilde, von deren Existenz man bis zum Beginn des Wahl­kampfes nichts gehört hatte und die nur einen sinn- und aussichtslosen zersplitternden Stimmenfang betrieben, im allgemeinen zum Schaden der bürgerlichen Parteien. Sehr ungehalten werden die nationalen Minderheiten sein, be­sonders die Polen, denen die Aussicht auf Vertretung im Reichstag, auf die sie bislang noch bei jeder Wahl Wert legten, endgültig schwinden wird.

Unter diesen Umständen wird das äußere Kennzeichen des nächsten Reichstagswahlkampfes die Konzentrierung der kleineren Parteien ans bestimmte Wahlkreise sein mit dem Ziel, wenigstens dort soviele Grundmandate zu erobern, daß auch die Reststimmen aus den schwachen Wahlkreisen auf der Ncichsliste voll ausgcwertet werden können. Der Ret­tungsanker der Listenverbindung zwischen Parteien ähn­licher Richtung wird in Zukunft noch häufiger benutzt wer­den und dem Reichswahlleiter die Mandatsberechnung erschweren.

Partei der Mitle?

, Bisher ergebnislose Verhandlungen.

Seit Monaten, man könnte beinahe sagen, seit Jahren, sind Bestrebungen im Gange, die bei den Wahlen der letzten Jahre stark geschwächten Gruppen der Mitte zu einer ein­heitlichen Kampfesfront zusammenzuschließen. Es handelt sich im wesentlichen um die Deutsche Volkspartei, die Staats­partei, das Landvolk, die Wirtschaftspartei, die Bayerische Volkspartei, die Christlich-Sozialen, die Volkskonservativen und die Volksnationale Vereinigung. Zwischen den Ver­tretern dieser politischen Richtungen haben mehrfach unver­bindliche Besprechungen stattgefunben, die letzte erst dieser Tage. An diesen Konferenzen haben absichtlich die Partei­führer nicht teilgenommen, um sich völlig freie Hand zu sichern. Die Unterhändler haben die Vorbesprechungen ge­wistermaßen ans eigene Kappe genommen. Erst im Falle des Gelingens eines Zusammenschlusses werden die notwendigen offiziellen Schritte getan werden. Vorläufig ist es aber noch nicht so weit, da man auS den Bedenklichkeiten nicht hcraus- kommt. Man kann sogar feststellen, daß die bisherigen Ver­handlungen ergebnislos verlaufen sind, wenn auch eine neue Konferenz nach Zusammentritt des Reichstages vorgesehen ist. Nach dem Stande der Dinge kann man wohl annehmen, baß eine neue Partei der Mitte zunächst nicht gebildet wer­den wird, daß man sich begnügen wird, in den Parlamenten und auch bei kommenden Wahlen Burgfrieden untereinander zu verkünden, und daß man bestenfalls bet den Wahlen zu einer Listenverbindung kommen wird.

Hitler spricht in Hcunburq

In drei großen Wahlversammlungen in Hamburg er­klärte Adolf Hitler: Gehe die Entwicklung weiter wie jetzt, so werbe man bald erleben, baß die meisten Staaten sich ein eigenes Wirtschaftsleben aufbauten. Dazu würden in erster Linie Länder wie Frankreich, England und Rußland imstande sein, Länder, die sich unabhängig machen könnten. Dieser Aufbau werbe Deutschland aber am schwersten treffen müssen, weil innerhalb seiner Grenzen 65 Millionen Men­schen zusammengepfercht seien, die sich nicht selbst ernähren könnten. Für Deutschland gibt es nach Ansicht Hitlers zwei Möglichkeiten: Entweder wir brechen die Tore im Osten und schaffen uns einen neuen Binnenmarkt, oder wir versuchen unseren Handel im Export nach Westen hin Weltsreiheit zu geben. Das sei aber nur zu erreichen durch die nationale Kraft der ganzen Nation.

Die Männer des heutigen Systems kennen nur einen Ge­danken: Schutz der Republik. Aber heute sei nicht ein System, sondern ein ganzes Volk in Gefahr. Kein Volk könne auf die Dauer zwei Staaten in sich tragen, einen Staat, der ar­beiten müsse, um leben zu können, und einen Staat, der bet­teln gehen müsse, um nicht verhungern zu müssen. Heute richte das Finanzkapital erst die Wirtschaft zugrunde und bann sich selbst. Jetzt erlebe es die ganze Welt, Laß es so wie bisher nicht mehr weiter gehe.

Hitler erklärte sodann, Deutschland werbe entweder kom­munistisch, dann werde eine Katastrophe hcreinbrechcn, die Deutschland nicht so überstehen dürste wie Rußland. Oder

aber der Nationalsozialismus setze sich durch und werschaffe Deutschland wieder Weltgeltung.

Amerikanisch-französische Befriedungs- Aktion?

Deutschland soll natürlich die Rechnung bezahlen

Nach einer Meldung desDaily Telegraph" aus Washing­ton rechnet man in eingeweihten Kreisen damit, daß der Besuch Lavals in Amerika den Weg zu einer Kon­ferenz ebnen werbe, auf der nicht nur die Gold- und Wäh- rungfragen, sondern auch politische Probleme von größter Wichtigkeit verhandelt werden sollten. Der Weg zur poli­tischen Stabilisierung, der in Washington erwogen werde, bestehe darin, Deutschland davon zu überzeugen, daß eine Streichung der Reparationen und finanzielle Unterstützung nur dann erhältlich sei, wenn es sich für bestimmte Zeit ver­pflichte, keine Schritte zur Revision der Ostgrenze zu unter­nehmen.

Die gesamte Pariser Presse veröffentlicht in großer Auf­machung folgende Depesche aus Washington: WieBalti­more Sun" aus Washington berichtet, haben die Berichte des Schatzkanzlers Mellon über seine Europareise den Präsiden­ten Hoover davon überzeugt, daß die Verlängerung des Feierjahres für internationale Zahlun­gen unvermeidlich ist. Hoover sei im Prinzip für eine Verlängerung des Feierjahres u m z w e i I a h r e, sei aber der Ansicht, baß es diesmal eine Aufgabe Deutschlands sei, die Initiative zu ergreifen unter Benutzung der einschlägi­gen Bestimmungen des Joungplanes.

Der chinesisch-japanische Konflikt

Eine amtliche japanische Mitteilung TU. Genf, 25. Sept. In einer von der japanischen Völker- bnndsaborönnng veröffentlichten amtlichen Mitteilung aus Tokio werden die Gerüchte über die Besetzung von Tsingtau und Tschifu, sowie über eine Besetzung sämtlicher mandschu­rischer Städte durch die japanischen Truppen als unrichtig I

bezeichnet. Die japanische Regierung habe vielmehr Re militärischen Stellen angewiesen, eine weitere Ausdehnung des Zwischenfalls mit allen Mitteln zu verhindern. Nörd­licher als Tschangtschun befänden sich keine japanischen Trup­pen. Die in Kirin stationierten Truppenteile seien nach Schangtschun zurückgezogen worden unter Zurücklassung eini­ger Beobachtungspvsten. Die Gesamtstärke der japanischen Truppen in der Mandschurei betrage etwa 15 000 Mann.

Der Präsident des Völkerbundsrates erhielt von dem chinesischen Außenminister Wang iviederum ein längeres Telegramm, in dem es u. a. heißt, daß der an Japan und China gerichtete Völkerbundsappell nur einen ersten Schritt in der Beilegung des Konfliktes darstellen dürfe, und daß unverzüglich Maßnahmen getroffen werden müßten, um der in ihren Rechten verletzten Partei volle Genugtuung zu ver- schassen. Die chinesische Regierung nehme uneingeschränkt die Empfehlungen des Rates an.

Amerikanische Mahnung an China und Japan.

Das Washingtoner Staatsdepartement hat an die Regie­rungen Japans und Chinas Noten gerichtet, in denen mit Bezugnahme auf den Kelloggpakt oder den Neunmächtepakt von 1922 in vorsichtiger Form auf die gefährliche Lage in der Mandschurei hingewiesen wird. Der genaue Inhalt der Noten ist unbekannt. Staatssekretär Stimson hat in persön- lichen Besprechungen mit dem japanischen und dem chtnesi- schen Botschafter die beiden Länder aufgefordert, die Feind- seligkeiten zu beenden.

Japans Vorgehen einigt China.

Die chinesische Abordnung in Genf veröffentlicht ein aus Nanking erhaltenes Telegramm, in dem betont wird, baß infolge der militärischen Krise in der Mandschurei der Widerstand der chinesischen ausständischen Truppen gegen die Nankingregiernng aufgehört habe und ein Zusammen­schluß des ganzen Landes gegen den japani­schen Angriff eingeleitet sei. Infolge der letzten Ereig­nisse in der Mandschurei habe in dem Ansländerviertel in Kanton ein Sturm der Chinesen auf die Banken eingesetzt. In Kanton habe ferner der Boykott japanischer Waren be­gonnen.

Die Orkcmverheerunaen in Brilisch-Honduras

- l.--.

In diesen Trümmerhaufen verwandelte vor einigen Tagen Feuersbrünste im Gefolge hatte, forderte über 1000 Todes- ein Orkan die Stadt Belize in Britisch-Honduras. Die opfer.

Naturkatastrophe, die eine Springflut und verheerende

Kleine politische Nachrichten

14 Millionen müssen vom Außenhandel lebe». Im letzten Jahre führte Deutschland für 8,5 Milliarden Reichsmark Fertigwaren aus. Insgesamt sind bei uns rund 6 Millionen Arbeitskräfte vom Außenhandel von Rohstoffen und Fertig­waren abhängig, also rund ein Fünftel der in Deutschland arbeitenden Menschen. Einschließlich der Familienmitglieder müssen also in Deutschland 13 bis 14 Millionen Menschen vom Außenhandel leben. Diese Ziffern bringt das Zentral­blatt des christlichen Gewerkschaftsbundes Deutschlands in einem längeren Aufsatz, in dem es gegen die wirtschaftliche Selbstgenügsamkeit (Autarkie) Deutschlands Stellung nimmt.

Ansteigen des Wohnnngsneubedarfs noch bks 1S4V. Im Zusammenhang mit der Bevölkerungsbewegung haben stati­stische Berechnungen ergeben, daß erst etwa vom Jahre 1940 ab infolge Abnahme der Zahl der neuen Haushaltungen der Wohnungsneubcdarf erheblich sinken wird. Bis 1935 wird der Zuwachs an neuen Haushaltungen aber noch etwa 300 000 betragen und damit eine Nekordziffer aufweisen. Erst von da an wird dieser Bedarf langsam sinken. Vor dem Kriege belief sich die jährliche Wohnungsanforderung nur auf knapp 200 000.

Ueberfälle anf Teilnehmer einer Versammlung der NSDAP. In Düsseldorf wurden anläßlich einer Versamm­lung der NSDAP., beim An- und Abmarsch Versammlungs­teilnehmer überfallen. Vor der Versammlung wurden zwei Personen in der Kölner-Straße durch Messerstiche so schwer verletzt, baß sie dem Krankenhaus zugeführt werden mußten. Nach der Versammlung wurde auf Versammlungsteilnehmer geschossen. Dabei wurde der 18jährige Jungstahlhelmer Kurt Schulz durch einen Kopfschuß verletzt.

Eintägige österreichische Einreisebewilligung für Hitler. Wie aus Wien gemeldet wird, hat die österreichische Negie- gung Adolf Hitler die Einreisebewilligung nach Wien, wo seine Nichte beerdigt wird, erteilt. Hitler müsse sich jedoch von jeder politischen Betätigung fernhalten und nach der Leichenfeier das österreichische Bundesgebiet wieder verlassen.

Die Wiedereröffnung der Londoner Börse. Nach zwei­tägiger Unterbrechung wurden die Londoner Börse wieder eröffnet. Die Aktien vom Eisen- und Stahlunternehmen konnten zum Teil beträchtliche Gewinne verzeichnen. Aber auch Chemikalien, Textile, Motoren und Brauereien usw. zogen aus der allgemein optimistischen Stimmung Nutzen. Britische Obligationen dagegen notierten niedriger.

Scharfes Anziehen der englische« Lebensmittelpreise er­wartet. Ein scharfes Anziehen der Lebensmtttelpreise inner- halb der nächsten beiden Wochen wird in den laufenden Ge­schäftsberichten von führenden Geschäftsunternehmungeu Englands vorausgesagt.

Der Genfer Finanzausschuß sordert Aktion znr Wieder­herstellung deS Vertrauens. Der Bericht des Finanzaus­schusses an den Rat unterstreicht, daß der Versuch, die gegen- wärttgen Finanzschwterigkeiten einiger Länder durch ein Moratorium zu überwinden, keineswegs eine endgültige Lösung barstellen könne. Derartige Maßnahmen würben viel­mehr zu einer Verminderung der Erzeugung und einer Er- h-chung der allgemeinen Unsicherheit führen. Nur wenn die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen sich wesentlich verbesserten und das Vertrauen sich wieder einstelle, werde es möglich sein, den normalen Krebitverkehr wiederherzu- stellen. Der Finanzausschuß weist zum Schluß auf die zwin­gende Notwendigkeit einer sofortigen Aktion im Interesse sämtlicher Länder hin. _

Vermischtes

Eine Wunderbrille entlarvt den Fälsch:

Bisher wurde zum Nachweis von Fälschungen besonders e Quarzlampe benutzt. Es war ein einwandfreies, aber nständliches Verfahren, das sich des ultraviolett florierten ichtes des Quarzsilbcrbogenlichtes bediente. Neuerdings sir ü Italiener Calio mit einer Erfindung hervorge.-ercn, elche die Feststellung von Fälschungen nicht nur bei sriften, sondern auch bei Kunstwerken ""- Stein und retall, bei chemischen Erzeugnissen und^

Inden in einfacher Weise ermöglicht.

)ium wird bereits ein von Casio rrs"ndenerApParal oer- andt, der wie ein Photoapparat ailssteht und '"i Jnn.rn ne dreieckige Kassette-birgt. ^ ^er

Normw daß er die langwelligen Sirahlen ^Tageslicht ich.bar macht? Es ist also gegenüber dem überen Verfahren ein wesentlicher Vorteil vorhanden, weil icht daS von einer Stromanlage abhängige Queckjttberlic^ ,? Anwendung gelangt. Ter Apparat ist klein und hand ch nd kann in der Ta,che getragen werden. Und doch steht och eine weitere Verbesserung bevor, da er zu emer Brille gestaltet wird. Wenigstens ist nach Auslage des Er, nders damit zu rechnen. In Ankunft wird, also A häftsmann weitgehend gegen Fälschungen gesicherr Sunderbrille, die so preiswert sein durfte wie ver vom ierliner Polizeipräsidium benutzte Apparat, der m 4 9

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