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Nr. 225

Amis- unä Anzeigeblatt für äen Oberamtsbezirk calw

Samstag, den 26. September 1931

Jahrgang 104

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Der französische Ministerbesuch in Berlin

Umfangreiche Vorbereitungen der Polizei Engiifche Warnung vor französischer Finanzhilfe Annahme der Washingtoner Einladung in Paris

TU. Berlin, 28. Sept. Der Empfang der französischen Minister in Berlin ist, wie vom Polizeipräsidium mitgeteilt wird, mit der größten polizeilichen Sorgfalt vorbereitet.

Allenthalben werden sehr starke Polizeikräste bereitgestellt, um dafür zu sorgen, daß sich der Empfang ohne Störung ab­spielt. Der Vorplatz zum Bahnhof Friedrichstrabe wird völlig abgcsperrt sein. Ferner wird die Straße, durch die die Fahrt der Minister zum Hotel Adlon erfolgt, polizeilich gesichert fein. Die Polizei wird ferner dafür Sorge tragen, daß es nirgends zu Menschenansammlungen kommt.

Die Nationalsozialisten nehmen keinerlei Notiz.

Die Neichsleitung der NSDAP, veröffentlicht folgen­den Aufruf:

Es ist der Neichsleitung zur Kenntnis gekommen, daß Linkskreise beabsichtigen, anläßlich desBesuchs" der fran­zösischen Minister durch Provokateure Nationalsozialisten zu Kundgebungen in Berlin oder auf den Bahnhöfen, die der Zug durchfährt, anzurcizen. Es soll dadurch der französischen Negierung der Vorwand gegeben werden, ihre bekannten politischen Forderungen, welche sich in erster Linie gegen die NSDAP, richten, neuerdings zu stellen, wobei gleichzeitig der Berliner Regierung die Annahme derselben erleichtert würde. Die Reichsleitung verbietet daher allen Parteigenos­sen die Teilnahme an irgendwelchen etwaigen Kundgebun­gen gegen die französischen Minister. Von deren Anwe­senheit ist keinerlei Notiz zu nehmen. Partei­genossen, welche dagegen verstoßen, schließen sich von selbst wegen parteischädigenden Verhaltens aus der NSDAP, aus."

Das französische Programm für die Berliner Besprechungen

In einem bemerkenswerten Artikel, der anscheinend aus eine zuverlässige Quelle zurnckgeht, bringt Fernand de Bri- non in derInformation" das angeblich von der fran­zösischen Regierung für Sie Berliner Besprechungen aufge­stellte Programm. Brinon erklärt, man werde versuchen, einen Organismus zu schaffen, dem Vertreter der Industrie, der Regierungen und anderer interessierter Kreise angehö­ren sollten. Dieser Organismus solle die bereits bestehenden Wirtschaftsbeziehungen der beiden Länder überprüfen, Mög­lichkeiten für ihre Erweiterung suchen und nicht nur auf dem Wirtschafts- und Ftnanzgebiet, sondern möglicherweise auch auf politischem Gebiet neue Beziehungen schaffen. Ferner

plane man französischerseits, die Zusammenarbeit mit Deutschland auf die Kolonien auszudehnen. Man denke dar­an, durch Wiederaufnahme der Sachlieferungen im Rahmen der Reparationen Deutschland an der industriel­len Versorgung der Kolonien zu beteiligen. Man verfolge sogar den Plan, Togo und Kamerun in nicht zu ferner Zukunft an Deutschland zurückzugeben. Bezüglich der finanziellen Zusammenarbeit denke man an die Schaf­fung einer gemeinsamen Finanzgesellschaft, die die Finanzierung von den in beiden Ländern bestehenden großen Industriezweige durchführen sollen. Diese Gesellschaft könne Aktien ausgebcn, die an den Börsen beider Länder gehandelt und von den beiden verbündeten Unternehmen garantiert werden sollten.

Englische Warnung vor französischer Finanzhilfe Der Pariser Berichterstatter derTimes" weist im Zu­sammenhang mit dem bevorstehenden Besuch der französischen Minister in Berlin auf die großen Gefahren hin, die den politischen Zielen Deutschlands durch etwaige finanzielle Hilfsmaßnahmen seitens Frankreich drohen und erklärt dann u. a., daß die Rede Flandins in Genf eine endgültige War­nung gewesen sei. L«val werde etwaigen Vorschläge« zur Investierung französische« Kapitals in Deutschland zwecks Erhöhung der Ausfuhr nur von dem Gesichtspunkt aus zu­stimmen, daß ein Ueberschuß der Ausfuhr notwendig sei, um Reparationen bezahle« z« könne«. Dann werde er auch noch die Bedingung daran knüpfen, daß die deutsche Industrie nicht mit der französischen konkurrieren dürfe bzw. daß Ab­machungen über eine Produktionskontrolle und eine Aufteilung der Märkte getroffen werden.

Hooocrs Einladung von Laval offiziell angenommen Amerikas Botschafter in Paris hat Laval eine Abschrift des Wortlautes der Einladung des Präsidenten Hoover über­reicht. Die Einladung wurde vom französischen Ministerprä­sidenten nunmehr offiziell angenommen.

In Washingtoner politischen Kreisen wird erklärt, daß auch ein Besuch Brünings bei Hoover durchaus im Bereiche der Möglichkeiten liege, selbst wenn bisher, soweit amtlich bekannt, keine Schritte zur Herbeiführung eines solchen Be­suches unternommen worden seien.

Brüning über die Aufgaben der Reichsregierung

Rückkehr zu gesunder Wittschaps- und Finanzpolitik Radikallösungen können

nicht helfen

TU. Berlin, 26. Sept. Der Reichsverband der Deutschen Industrie veranstaltete am Freitag abend zu Ehren seines scheidenden Präsidenten Dr. Karl Dnisberg eine Feier, zu Ser zahlreiche Persönlichkeiten der Regierung, der Wis­senschaft und der Wirtschaft erschienen waren. Reichskanzler Brüning würdigte hierbei in einer Rede die Verdienste Duisbergs und machte anschließend sehr bemerkenswerte Mit­teilungen über Arbeit und Aufgaben der Regierung. Er führte u. a. aus:

Der Umfang der Tätigkeit der Ncichsregierung ist in den vergangenen Monaten nnd Wochen ein viel umfassen­derer gewesen, als es zur Stunde zweckmäßig erscheint, einer größeren Oeffentlichkeit mitznteilcn. Abgesehen davon hat die Ncichsregierung eine Fülle anderer Maßnahinen bereits getroffen bzw. zur Veröffentlichung in der nächsten Woche vorbereitet. Darüber hinaus wird es nötig sein, gewisse noch weittragendere Schritte zu tun in dem Augenblick, in dem die Bewegung des englischen Pfundes, die am vergangenen Sonntag eingesetzt hat, in ihrer weiteren Ent­wicklung sicher erkannt werden kann.

Alle diese Maßnahmen der Neichsregiernng bedeuten die Zurücklcgung eines harten und schmerzlichen Weges. Es geht nicht anders, als schrittweise die Fehlet einer langen Vergangenheit in sorgsältiger Abwägung und Ueber- legung aller einzelnen Phasen auch mit Rücksicht auf die je­weiligen Veränderungen der Außenpolitik wieder zu besei­tigen. Ich habe durchaus Verständnis dafür, daß dieser Weg manchem nicht schnell genug ging, weil man nicht erwarten arf, überall die Einsicht bestehen kann in die durch die Reparationslasten, kurzfristige Verschuldung und unsere ergenen Fehler entstandene Kompliziertheit der Verhältnisse, und doch glaube ich, daß cs einen klaren Gesichtspunkt durch alle einzelnen, auf außenpolitische und taktische Gründe je- weils abzutöncnöe Phasen dieser Politik gibt, und das ist » gegangen werde« muß zur Rückkehr in die

unserer gesamten Finanz- und Wirtschaftspolitik, er Weg hex Rückkehr zu den strengste» Maximen der

Generationen vor uns in der Wirtschaft «nd z« dem ent­schlossene« Willen, die Ausgabe« der öffentlichen Hand mit den Einnahme» in Uebereinstimmnng z» bringen. Dieser Weg ist einfach. Er ist der Weg des gesunden Menschenver­standes. Er ist sicher und hält daher auch jeder problemati­schen Theorie gegenüber stand. Wir wissen aber, daß er alle Kreise unseres Volkes manchmal gleichzeitig und manchmal in zeitlichen Abständen treffen muß. Wir wissen auch, Saß dieser Weg so gegangen werden muß, daß er nicht das deutsche Volk in zwei sich bis aufs äußerste bekämpfende La­ger zerreißt. Das gilt ganz besonders für die Wirtschaft s- und sozialpolitischen Fragen. Und wer sich über die ganze Tragweite der Entwicklung der letzten Monate bis in die letzten Tage hinein klar ist, der wir- wenn je dann heute zu der Uebcrzeugung kommen müssen, daß dieser Weg in gegenseitigem Verständnis gemeinsam von den Ar­beitgebern und Arbeitnehmern gegangen werden muß.

An den harten Tatsachen wird keine Schicht der Bevölke­rung vorübergehcn können. Sie werden um so leichter er­kannt und aus ihnen die notwendigen Folgerungen allerseits gezogen werden, wenn der Wille zu einem gegenseitigen Verständnis, zu einer Ueberbrückung der Gegen­sätze vorhanden ist. Eine Negierung in so schwerer Stunde hat nicht die Aufgabe, in jedem Augenblick, bei jeder plötz­lichen Veränderung sofort mit Radikallösungen einzugreifen. Starke Nerven beruhen im wesentlichen darauf, den richtigen Zeitpunkt zu wählen, die Einsicht der Bevölkerung ivachsen zu lassen, manchmal etappenweise, manchmal wiederum schlagartig mit Reformen, die alle Kreise der Bevölkerung betreffen, hervorzutreten.

Wenn eine solche Regierung entschlossen ist, den Weg, den sie sich vorgezeichnet hat, ohne das Endziel aus dem Auge zu verlieren, zu gehen, so wird sie aus dieser Ein­stellung trotz aller Kritik und vieler Zweifel die Kraft schöp­fen, inmitten einer Welt von Schwierigkeiten wegweisend das deutsche Lebensschicksal zu leiten."

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Tages-Spiegel

Die französische« Minister Laval nnd Briand treten heute die Reise nach Berlin an. Das Berliner Polizeipräsidium hat umfangreiche Sicherheitsmaßnahme« getroffen.

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Reichskanzler Brüning sprach ans einer Beraustaltnng deS Reichsverbandes der Deutschen Industrie über die Aus­gaben der Neichsregiernng.

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Die Frage des Rücktritts^Dr. Cnrtins von feinem Minister- Posten ist bis nach dem Besuch der französischen Minister vertagt worden.

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In Anbetracht des Fehlbetrags im Haushalt erhöhte Ita­lien seine Einfuhrzölle um 13 Prozent.

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Nach dem letzten Reichsbankansweis hat sich der Umlauf an Reichsbanknoten «m 75,7 Millionen verringert. Die Be­stände an Gold «nd Devise« gingen um 36 Millionen zu­rück. Die Deckung der Noten beträgt 48,1 Prozent gegen, über 48,7 i« der Vorwoche.

Aussprache zwischen Brüning und Cnrtins

Die vorgesehene Aussprache des Außenministers mit dem Kanzler hat gestern vormittag stattgefunden. Man ist zu dem Ergebnis gekommen, daß der Fall Cnrtins erst nach dem französischen Besuch, voraussichtlich am Mittwoch, zum Aus­trag kommen soll. Der Reichskanzler hat sich mit dem volks­parteilichen Führer Dingelbey inzwischen dahin verständigt, daß Dr. Cnrtius selbst die Entscheidung überlassen bleibt. Curtius wiederum soll die Absicht haben, dem Kabinett die Vertrauensfrage zu stellen. Steht das Kabinett zu ihm, so will er im Amt bleiben. _

Erhöhung der Einfuhrzölle in Italien

TU. Rom, 26. Sept. Amtlich wird gemeldet: Im Hinblick auf öcn Fehlbetrag im Staatshaushalt, der ein schnelles Ein­greifen erfordert, ist eine Erhöhung des Einfuhrzolles be­stimmt worden. Durch königlichen Erlaß, der am Freitag in Kraft trat, wird der Ausfuhrzoll für die Mehrzahl der Waren »m 16 v.H. und für Brennstoffe um 10 v.H. erhöht und zwar für alle Staaten, mit denen nicht das Meistbegünstigungsab­kommen getroffen ist. Ausgenommen von der Zollerhöhung sind u. a. Oelsamen (Leinsamen u. dgl.) und die Getreide­arten, die vor einigen Wochen bereits eine Zollerhöhung er­fahren haben, ferner Edelsteine, die zu Schmucksachen ver­arbeitet werde» und Wollabfälle, sowie Düngemittel. Ferner ist für den inneren Handel eine Preiserhöhung des Benzins und Petroleums erfolgt.

Der Völkerbund spielt eine klägliche Rolle!

Die VölkerbnndSberatunge« über den japanisch-chinesischen Konflikt ergebnislos abgebrochen.

TU. Genf, 26. Sept. In der öffentlichen Sitzung des Völ- kerbunbSrates kam cs am Freitag zu einer Aussprache über den japanisch-chinesischen Konflikt. Der Vertreter der japa­nischen Negierung erklärte, daß er auf das heftigste gegen die ungeheuerlichen Verdächtigungen protestiere. Japan sei in. den internationalen Verträgen die Eisenbahnzone zugc- sprochcn worben, in der Japan nach dem Vertrage berechtigt sei, 15 000 Mann zum Schutze des Lebens und Eigentums der Japaner zu halten. Der gesamte Zwischenfall sei durch die Zerstörung der Eisenbahn durch chinesische Truppen entstan­den. Der Rat würde einen Akt der Klugheit begehen, wenn er jeden vorzeitigen Eingriff vermeiden würde, der nur zu einer Verschlechterung der bereits in Besserung befindlichen Lage führen könnte.

Der chinesische Regierungsvcrtretcr, Sze, verlangte sodann mit großer Energie vom Rat eine sofortige Zurückziehung der japanischen Truppen bis zu der Linie herbeizuführen, die die japanischen Truppen am 18. September besetzt hielten. Ferner sofortige Wiederherstellung des bisherigen Status und sofortige Entsendung eines neutralen Untersuchungsaus­schusses des Völkerbundes. Der Rat sei in seinen Maßnah­men nicht frei, sondern an die Bestimmungen des Art. 15 gebunden.

Die stundenlangen Debatten des Völkerbundsrats wur­den schließlich ergebnislos abgebrochen und auf unbestimmte Zeit vertagt.

Das Blatt des Zentralkomitees der kommunistischen Par­tei der SowjetunionPrawda" veröffentlicht einen Artikel über den Fernen Osten, der in politischen Kreisen großes Aufsehen erregt hat. Das Blatt schreibt, daß die Vorgänge in China von langer Hand von dem japanischen General­stab vorbereitet gewesen wären. Die ganze Aktion sei eine rein wirtschaftliche, weil die Trusts der japanischen Industrie eine Aufteilung Chinas für den Absatz ihrer Waren ver­langten. Das Blatt erklärt weiter, daß der Völkerbund eine große Niederlage erlitten habe, die beweise, daß er gegen starke Staaten vollkommen ohnmächtig sei. Er spiele «tue klägliche Nolle.