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§ernsprech«r Nr. S
verantwortl. Schriftleitung: Friedrich Hans Scheele Druck unä Verlag äer A. Oelschläger'schen Suchäruckerei
Donnerstag, den 17. September 1931
Jahrgang 104
Frankreichs Programm für den Berliner Besuch
Wirlschaftsprobleme im Vordergrund — Die Bildung einer deulsch-sranzösischen Wirtschaftskommission zu erwarten -- Briand warnt vor allzu großen Hoffnungen
Industrien anderer Länder teilhaben können. So hofft man allmählich zu einer internationalen Produktions- und Preisregelung zu gelangen.
^ Berlin, 17. Sept. Der französische Außenminister Briand hat gestern Genf verlassen. Dr. Curtius wird noch ungefähr eine Woche am Sitze des Völkerbundes bleiben und etwa am Mittwoch nächster Woche in Berlin sein. Vis dahin dürften dann die Verhandlungen über die Vorbereitungen des Besuches von Laval und Briand endgültig abgeschlossen sein. Wenn auch beide Stellen vorläufig »och Stillschweigen über bas Thema üben, das in Berlin zur Debatte stehen soll, so steht es doch so aus, als ob man die politischen Fragen etwas in den Hintergrund treten lasten will. Dafür wird man sich um so eingehender mit den Wirtschaftsproblemen beschäftigen. Der neue französische Botschafter Francois Poncet, der gegen den 20. September sein Amt in Berlin an- tretcn wird, hat es sich zur Aufgabe gemacht, eine wirtschaftliche Verständigung zwischen den beiden Nachbarländern herbeizuführen. Seine Pläne dürften dahin gehen, die wirtschaftliche Vorherrschaft Frankreichs noch weiter auszudehnen.
Briand soll bei seiner Zusammenkunft mit Dr. Curtius davor gewarnt haben, an den Berliner Besuch zu große Hoffnungen zu knüpfen, denn man werde auf dem Gebiete der deutsch-französischen Annäherung nur langsam und ohne großes Drängen Vorgehen können. Immerhin hat es den Anschein, daß die französischen Minister in Berlin auf die Grundzttge des Memorandums zurückkommen werden, das die französische Regierung am 16. Mai der Europäischen Studienkommission in Genf überreicht hat. Man erinnert sich, daß in diesem Memorandum die Entwicklung der internationalen Industrien und landwirtschaftliche Zusammenarbeit vorgeschlagen wurde. In diesem Sinne meldet rnch die „Agence Economique et Financiere", daß eine deutschfranzösische Wirtschaftskommission gebildet werden solle, wenn es bei der bevorstehenden -entsch-fran- zösischen Zusammenkunft gelinge, im voraus das Arbeitsgebiet dieser Kommission abzugrenzen. Diese Kommission soll sich vorerst mit dem Gedanken der Bildung deutsch-französischer Jndustrickartelle befassen, an denen späterhin auch die
Die Kabinellsberalungen
über das Nolprogramm
TU. Berlin, 17. Sept. Das Reichskabinett setzte seine Beratungen über das Wirtschaftsprogramm am Mittwochnachmittag und -abend fort. In der Nachmittagssitzung sind, wie verlautet, die Fragen der Bankenaufsicht und der Aktienrechtsreform besprochen worden. Die Beratungen hierüber sind zu einem gewissen Abschluß gelangt. In der Frage der Bankenaufsicht dürste es im allgemeinen bei den bereits bekannten Absichten der Negierung bleiben. Die Reichs-, Landes- und Kommunalbehörden sollen den Bankenkommissar bei der Erfüllung seiner Aufgabe unterstützen. Auf Verlangen soll der Reichskommissar dem Kuratorium für das Bankgewerbe der Reichsregierung und dem NeichLbankdirek- torinm Bericht erstatten. In Fragen von grundsätzlicher Bedeutung soll der Kommissar — über die Personalfrage dürfte erst später entschieden werden — nur im Einvernehmen mit dem Kuratorium Vorgehen. Die Beratungen des Kabinetts über die kommende Notverordnung werden noch die nächsten Tage über andauern.
Zu dem Gesetzentwurf des Reichswirtschaftsministerinms über-die Bankenaufstcht schreibt die „Germania": „So viel läßt sich schon heute sagen, daß weder die Forderungen der Banken jede Staatsaufsicht zu vermeiden, noch aber auch die Forderungen der Sozialdemokratie nach Errichtung eines Amtes für Bankpolitkk, das eine planivirtfchaftliche Lenkung des Kapitalstromes zur Aufgabe haben sollte, verwirklicht werden wird. Vielmehr hält sich der Gesetzentwurf des Reichsivirtschastsministerinms an das Wort des Kanzlers, baß das freie Bankgcwerbe nicht vernichtet ivcrden soll,
Der Minderheitenschutz bleibt ungenügend
Curtius kritisiert das Beschwerdeverfahren des Völkerbundes — Die Minderheiten
sind enttäuscht
— Genf, 17. Sept. Neichsaußenminister Curtius führte gestern im Politischen Ausschuß Ser Völkerbundsversamm- lung bei der Eröffnung der Aussprache über das Minderheitenproblem u. a. aus: Es ist unbedingt notwendig, einen Rückblick auf die Jahrcstätigkeit des Völkerbundes auf dein Gebiet der Minderheitenbehandlung zu werfen und hierzu kritisch Stellung zu nehmen, Erfahrungen auszutauschen und praktische Anregungen für den Ausbau des Mindcrheiten- verfahrens beim Völkervnö zu machen. Die deutsche Delegation hat jedoch nicht die Absicht, jetzt bereits praktische Vorschläge zum Ausbau des Minderheitenschutzes vorzulegen. Das Minderheitenproblem ist nicht ein nationales, sondern ein internationales Problem. Es ist die Aufgabe des Völkerbundes, über die Minderheiten zu wachen. Eine Unterdrückung der Minderheiten entspräche auch nicht den wahren Interessen der Mehrßeitsvölker.
Curtius setzte sich dann kritisch mit dem auf der Madrider Ratstagung geschaffenen Besch werdeverfahren der Minderheiten auseinander und stellte hierbei fest, daß die Zahl -er beim Völkerbund eingegangcnen Beschwerden von 57 im vorigen Jahre auf 204 im abgclaufenen Geschäftsjahre gestiegen sei. Von diesen 204 Beschwerden feien nur 73 vom Völkerbundssekretariat als zulässig erklärt worden. Die Einbringung von Beschwerden sei das selbstverständliche Recht der Minderheiten. Es dürfe nicht verkümmern. Besonders dürfen daraus den Minderheiten keine Nachteile in ihren eigenen Ländern erwachsen.
Curtius brachte sodaün eine Reihe von Anregungen zur Verbesserung -es gegenwärtigen Beschweröcvcrfahrens des Völkerbundes vor und schloß seine Ausführungen mit er Erklärung, es bestehe kein Zweifel daran, -aß noch sehr werden müsse, bis man zu einer Lösung des ^.. »„"^itenproblems gelange, die eine befriedigende Zuvölkern "schaffe Mehrheits- und Minberheits-
Rede^bur«»«^"^ der Minderheitenfrage wurde nach der Curtius ohne jede praktischen Ergebnisse in einer s-bloll!« "E^'dig allgemeinen Aussprache abge-
I?l.vdr^n^ ""^den nur Erklärungen abgegeben, die keinen ^ Fortschritt auf dem Gebiet der Behandlung
oer Minderheiten durch den Völkerbund bedeuten könne».
Der Europaausfchuß bleibt.
Der politische Ausschuß der Völkerbundsversammlung nahm am Mittwoch ohne weitere Aussprache den am Dienstag vom Nedaktionsausschuß ausgcarbeiteten Entschlicßungs- entwurf an, in dem das weitere Bestehen des Europaausschusses und die Richtlinien der Arbeiten des Ausschusses für die nächste Zukunft sestgelegt werden. In dieser Entschließung heißt es: Die Völkerbundsversammlung nimmt mit Befriedigung von Sem Ergebnis der Arbeiten des Europaausschusses Kenntnis und bestätigt den Bericht des Europaausschusses über seine Konstituierung, Organisation und Arbeitsmethoden. Die Versammlung ersucht den Europaausschuß, die eingeleiteten Arbeiten nach den in der vorjährigen Sep- temberentschlietzung festgesetzten Grundsätzen weiter zu verfolgen.
Die Saaranleihe gntgeheihen.
Der Ständige Finanzausschuß des Völkerbundes hat den ihm vom Völkerbundsrat überwiesenen Antrag der Saarregierung auf Aufnahme einer internationalen Anleihe in Höhe von 150 Millionen französischen Franken gut geheißen. Der Bericht des Finanzausschusses über die Saaranleihe gelangt nunmehr vor den Rat, der satzungs- gemäß seine Zustimmung zu jeder internationalen Anleihe deS Saargebiets zu geben hat.
WLiter wurden im Finanzausschuß die Beratungen über den Antrag der ungarischen Regierung auf Prüfung der Finanz- und Wirtschaftslage fortgesetzt. Der Ausschuß beschloß einen engeren Untersuchungsausschuß zum Studium der ungarischen Wirtschafts- und Finanzlage nach Ungarn zu entsenden.
.Vorläufig kein neuer Hooverschrilt
TU. Berlin, 17. Sept. Gegenüber den Pressemeldungen Über die Absichten der amerikanischen Regierung zur Reparationsfrage wird nach einer Meldung aus Washington ans bester Quelle erneut sestgestellt, daß weder ein positiver Schritt «och eine offizielle Aeußernng hierüber vor Beginn des Kongresses im Dezember z« erwarte» sei.
Die Newyorker Zeitung „Sur" meint, daß Hoover insgeheim von der Notwendigkeit überzeugt sei, bas Feierjahr noch vor seinem Ablauf zu verlängern. Gewisse Anzeichen
Tages-Spiegel
Die Reichsregierung hat gestern die Bcrainngen über die B«nkanssicht fortgesetzt. Im Reichssinanzministcrinm erwägt man eine Zusammenlegung des Etatsjahres mit dem Hooverjahr.
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Das französische Programm für den bevorstehenden sr<»n- zösifchcu Ministerbesuch umfaßt vorwiegend wirtschastliche Probleme.
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In Genf kritisierte Rcichsautzenminister Curtius gestern das ungenügende Beschwcrdcverfahren des Völkerbundes in Mindcrheitenangclegenheiten. Seine vorsichtigen Ans» führungen haben in Minderhcitenkrcisen Enttäuschung her, vorgerufe«.
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Präsident Hoover wird vor dem Zusammentritt des amerikanischen Kongresses im Dezember keine Schritte zur Verlängerung des Schulden-Feierjahres unternehme«.
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Die Unzufriedenheit innerhalb der englische» Marine über die «»gerechte Art der Soldkürznng — die Matrosenbezüge wnrde« schärfer gekürzt mie jene der Marinebeamte« — hat in der Atlantikflotte zu einem Streik der Matrose« «nd Heizer geführt.
denteten darauf hi«, daß Hoover bei den kommenden Ab- rüstnngsverhandlungen die Verlängerung des Moratoriums^ als Trumpfkarte ausspielen werde, um insbesondere Pariser Zugeständnisse zu erhalten.
Die englische Atlantikflolle streikt
Di« Löhnnngsrevolte der englische« Marine TU. London, 17. Sept. Die Seeleute der atlantische» Flotte sind, wie der „Star" meldet, in den Streik getreten. Sämtliche Kesselfeuer sind gelöscht. Auf dem Linienschiff „Rodny" weigerten sich die Mannschaften, die Boote, die den Verkehr zwischen Schiff und Land unterhalten, zu besetzen. Die Streikbewegung ging am Dienstag von den Linienschiffen „Nodny" und „Valiant" aus und verbreitete sich schnell auf die anderen Schiffe der Flotte. Die Großkampfschiffe „Hood", „Malaya", „Repulse". „Warspite" und die Kreuzer „Dorsetshire", „Norfolk" und „Excter" sind ebenfalls von der Streikbewegung ergriffen. Die Mannschaften haben sich zwar noch keine Ausschreitungen zuschulden kommen lassen, jedoch ist die Lage sehr gespannt.
Sir Austen Chamberlain teilte im Unterhaus mit, daß diejenigen Schiffe der atlantischen Flotte, deren Mannschaften sich geweigert hätten, z» den Hebungen in See zu gehen, Befehl erhalten hätten, in die Heimathäfen znrttckzukehren. Dort würden durch den Flottenchef und den Vertreter der Admiralität die Fälle untersucht werden, bei denen durch die Lohnherabsetznngen ganz besondere Härten entstanden seien. Die Regierung habe die Admiralität ermächtigt, Abänderungsvorschläge vorzulegen.
Der gescheiterte Heimwehrputsch
— Wie«, 17. Sept. Der Führer des gescheiterten Heim» wehrputfches Pfrtmer, der bekanntlich nach Süöslawien geflohen war, ist von den dortigen Behörden als lästiger Ausländer ausgewiesen worden. Pfrimer hat sich über Laibach nach Italien begeben, wo er zu bleiben gedenkt. Ueber die Ursache des Scheiterns seiner Aktion befragt, äußerte Pfrimer, baß in den eigenen Reihen Beirat geübt worden sei.
Wie die Wiener Abendblätter melden, wird in österr. Regierungskreisen die Entwaffnung und Auflösung sämtlicher Selbstfchutzverbände erwogen. Schon im nächsten Ministerrat dürften darüber Beschlüsse gefaßt werden.
Oesterreichs Kreditverhandluugen.
Aus Wien wird berichtet: Zu Sen Behauptungen, wonach bet den Genfer Kreditverhandlungen an Oesterreich politische Forderungen gerichtet worden feien, wird von maßgebender Seite erklärt, daß im Finanzausschuß des Völkerbundes politische Fragen in keinem Augenblick auch nur gestreift worben seien.
Passagierflugzeug Paris—Bukarest brennend abgestürzl
TU. Budapest, 17. Sept. Nach einer Meldung ans Bukarest ist das Passagierflugzeug der Linie Paris—Bukarest gestern früh bei Balasica in Brand geraten und abgcstürzt. Flugzeugführer «nd Funker» sowie alle vier Fluggäste sind ver» brannt. Unter de« letzteren befindet sich ein Berliner Adookat namens Grüner. Die andere« Fluggäste waren ans Wie» -zw. Belgrad.