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Nr. 216
Mittwoch, den 16. September 1931
Jahrgang 104
Die Finanzminister beim Reichskanzler
Keine Zuschüsse des Reiches an die Länder — Fortsetzung der Kabinettsderatungen
über das Wiiiterprogwmiii
— Berlin, 16. Sept. Der Reichskanzler empfing am Dienstagvormittag in Gegenwart des Neichsfinanzministers Dietrich die Finanzminister Bayerns, Sachsens, Württembergs, Badens und Hessens. Die Besprechungen beim Kanzler drehten sich um die finanziellen Sorgen der Lünder- rcgicrungen. Sie waren im wesentlichen daraus abgestellt, eine Zusammenarbeit zwischen Reich und Ländern im kommenden Winter sicherzustellen. In den Besprechungen spielten auch die Defizits bei den Länderetats eine Nolle. Es steht schon jetzt fest, daß das Reich nicht in der Lage ist, Zuschüsse an die Länder zu leisten. Die preußischen Sparmaßnahmen, die den Etat nur zu einem Teil ausbalan- zieren, werden also auch noch ausgebaut werden müssen. Dir Selbsthilfe der Länder dürfte aber eine Ergänzung durch die Lösung des Wohlfahrtserwerbslosenproblems erfahren. Das Reich ist ernsthaft bestrebt, die Gemeinden zu unterstützen. Kommt es zu brauchbaren Abmachungen, dann werden auch die Länder in die Lage versetzt werden, die Gemeindesteuerübcrweisungen zu verringern und ihre eigenen Etats zu entlasten.
Die Pläne des Ne'chskabinetts für die Bankenaussicht
lieber den vom NeichSkabinett gegenwärtig zur Verhandlung stehenden Plan einer Bankenaufficht, die den ersten Programmpunkt des umfangreichen „Winterprogramms" der Neichsregicrimg bilden soll, glauben einige Berliner Blätter bereits jetzt folgendes Mitteilen zu können: Es soll ein Kuratorium eingerichtet und die Stelle eines Reich skommissars für das Bankwesen bei der Neichsbank geschaffen werden. Das Kuratorium stellt die Richtlinien für die Tätigkeit des Reichskommissars auf. In Zwcifelssällen entscheidet die Reichsregierung. Das Kuratorium soll aus dem Reichsbankpräsidenten, dem Staats- - selretär des Reichswirtschaftsministeriums und des Reichs- sinanzministcrinms, einem Mitglied des Retchsbanköirek- tvriums und dem Reichskommissar selbst bestehen. Der Reichskommissar soll dem Neichswirtschaftsmjnister unterstehen und vom Reichspräsidenten auf Vorschlag des Kuratoriums ernannt werden. Der Neichskommissar sott befugt sein, Auskünfte von den Banken über alle ge
schäftlichen Vorgänge zu verlangen und Einsicht in die Bücher und Schriften zu fordern. Er kann an Generalversammlungen und Verwaltungsratssitzungen tetl- nehmen, die Einberufung solcher Sitzungen verlangen und Ordnungsstrafen verkängen.
Heute Fortsetzung der Kabknettsberatungen über das Winterprogramm
Heute wird, wie verlautet, das Rcichskabinett seine Beratungen fortsetzen und sich mit dem im Neichsfinanzmini- sterium ausgearbeiteten Projekt befassen, das die Ansie - - lung von 100600 Erwerbslosen vorsieht. Es scheint, Saß im Neichsarbeitsministerium, das ja als die Betreuerin der Erwerbslosen an dem Plan besonders interessiert ist, starke Bedenken gegen den Entwurf des Finanzministeriums erhoben werden. Unter den Gegenständen, die im Laufe dieser Woche im Rahmen SeS Winterprogramms vom Reichskabinett noch behandelt werden sollen, befindet sich auch SieNeformbesAktienrechts. Bon der Neuregelung der Hau s zins st e u er darf wohl als ziemlich sicher gelten, -aß ihre völlige Beseitigung, so wie die Dinge liegen, nicht zu erwarten ist. Wahrscheinlich wird es neben einem weiteren Abbau der Wohmcngszwangswirtschaft bei einer leichten Senkung der Hauszinssteuer sein Bewenden haben.
Dingeldey beim Reichskanzler
Der Führer der Deutschen Volkspartei, der Abg. Dingel- Ley, hatte gestern abend eine längere Unterredung mit dem Reichskanzler Brüning. Man geht nicht fehl in der Annahme, daß hierbei auch die Stellung der DVP. zum Rcichs- außenmlnister Curttus besprochen worden ist.
S22 Millionen NM. Ausfuhrüberschuß im August 1SS1
Die Bilanz des Außenhandels schließt für August mit einem Ausfuhrüberschuß von 322 Millionen RM. gegenüber 254 Millionen RM. in Juli. Einschließlich der Nepatations- sachlicfxrnngen, die im August 26 Millionen RM. gegenüber 35 Millionen NM. im Juli ausmachten, übersteigt -er Wert der ins Ausland abgesetzten Waren die Einfuhr im August um 848 Millionen RM. gegenüber 280 Millionen NM. im Juli.
Amerika für Verlängerung des Schuldenfeierjahrs
Die amerikanischen Finanzleule wünschen eine drei bis fünfjährige Ausdehnung des Zahlungsaufschubs für Kriegsschulden und Tribute
TU. Washington» 16. Sept. Präsident Hoover verhandelte wie die „Washington Evening Post" zu berichten weiß, mis den Mitgliedern des Beratenden Ausschusses des Bun- dAreserveamtes über die Frage der Verlängerung Aes Hoover jahres. Der Ausschuß habe dem Präsidcn- die sofortige Verlängerung des einjährigen Zahlnngs- 'Nsschnbs auf 3—5 Jahre empfohlen. Weiterhin sei gefe dert worden, daß die eingefrorenen deutschen Kredite bei den Vnndesreservcbanken diskontfähig gemacht werden sollen.
Obgleich das Weiße Haus und bas Bunöcsparlament die Meldung der „Evening Post" über die Verlängerung des Hooverfeicrjahres in Abrede stellen, wird dem Bericht sowohl in Ncivyorker Finanzkreisen als auch in politischen Kreisen in Washington größte Bedeutung beigemcssen.
Zu den Berichten aus Washington, wonach dort die Stimmung für ein 4—5jähriges Schuldcnmoratorium an Boden gewinne, schreibt „Evening News", daß die Reaktion in England sicherlich sehr günstig sein würde. Man dürfe aber die Schwierigkeiten, die Frankreich voraussichtlich machen werde, nicht vergessen und müsse sich auch davor hüten, die Bereitwilligkeit der westlichen und mittclwcst- lichen Staaten Amerikas zu einem derartigen Entgegenkommen gegenüber Europa zu überschätzen. Immerhin nähere man sich dem Zeitpunkt, wo Amerika bereit sein würde, die Schuldenfrage nur vom geschäftsmäßigen Standpunkt and zu betrachten.
Ehurchill fordert Einberufung einer internationalen Gold- »nd Währungskonferenz
englische,, Unterhaus begann am Dienstag die Nns- schiißberatnng der neuen Steuergesetze. Als Vertreter der ppoßtion erklärte der frühere Handelsmimster Graham u.a., es handle sich im Augenblick nicht mehr um die Aus- balanzierung des Haushalts als vielmehr um Sen Ausgleich der negativen Handelsbilanz. Man müsse damit rechne», daß -m Winter rund 80 Millionen Menschen in »er Welt auf öffentliche Unterstützung an- 9 «wiesen sei» würden. Ehrliche Finanzsachverständige
bezweifelten es, ob England den Goldstandard aufrecht erhalten könnte.
Churchill gab der Hoffnung Ausdruck, daß die Regierung unverzüglich mit den anderen Mächten Fühlung nehmen werde, um eine der größten internationalen Konferenzen einzuverufen, die jemals getagt hätte. Diese Konferenz müßte die Gold- und Währungsfrage untersuchen und Vorschläge zur Besserung der Lage machen.
Unterredung Curtius—Briand in Genf
Dr. Cnrtius hat am Dienstagnachmttt-g Briand einen Besuch abgestattet. Ueber die Unterredung zwischen Cnrtius und Briand wird von zuständiger deutscher Stelle lediglich mitgeteilt, baß die die beiden Länder interessierenden Fragen erörtert worden seien. Es seien die Einzelheiten des Programms des Berliner Besuches der französischen Minister behandelt worden und weiter hätten die beiden Minister die zur Zeit im Rahmen des Völkerbundes zur Verhandlung gelangenden Fragen besprochen. Briand beabsichtigt heute endgültig nach Paris zurttckzukehren. Die Abreise Cnrtius nach Berlin ist vorläufig für Anfang nächster Woche vorgesehen, wird jedoch von dem Verlauf der bevorstehenden Natsverhandlungen abhängen. Nach den bisherigen Dispositionen sollen die große Beschwerde des deutschen Volks- bnndes gegen Polen und die Danziger Frage Ende der Woche vor dem Rat zur Sprache gelangen.
Pfrimer in Siidflawien
TN. Belgrad, 16. Sept. Wie amtlich bestätigt wird, befindet sich der Heimwehrführer Dr. Pfrimer auf südslavi- schem Gebiet in Marburg an der Drau. Die Familie Pfri- mers ist bereits vor einer Woche in Marburg eingetroffen und hat dort im Hotel Meeran Wohnung genommen. Dr. Pfrimer reist mit einem italienischen Paß und gedenkt bis heute in Marburg zu bleiben, um sich sodann mit Frau und Kindern nach Italien zu begeben.
Tages-Spiegel
Das NeichSkabinett wird heute seine Beratungen über das W'nterprogramm fortsctzen. Der Kanzler empfing gestern die Finanzminister der süddeutschen Länder.
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Die bayerische Regierung hat durch eine Notverordnung die Bezüge der Gemeinde-, Kreis- und Körpcrschastsbeamte« geregelt.
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In Preußen wollen die höheren Beamten die Rechtsgültig» keit der Sp§r Notverordnung ans dem Klagewsge anscchtcn. Die Deutschnationale Volkspartei hat wegen der preußischen Wahlresorm Klage beim Staatsgerichtshof erhoben.
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Die staatlichen Bankleiter Amerikas haben Präsident Hoover -ie Ausdehnung -es einjährigen Schulden-Feierjahres auf S bis 8 Jahre empfohlen.
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Um den Fortbestand des Enropa-Ansschnsses fand in Genf eine eingehende Diskussion statt, die trotz einiger Kritik mit dem Wunsch endete, de« Ausschuß weiterhin zu erhalte».
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Der Finanzausschuß des Völkerbundes stellte an Oesterreich zur Gewährung einer Anleihe politische Forderungen.
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Die deutschen Ozeanslicger Rody und Johannse« find, nachdem sie bereits vor der amerikanischen Küste gesichtet «axe«, verschollen. Amerikanische Flugzeuge und Küsten» schiffe haben die Suche ausgenommen.
Sprengstossdiebsttchl in Westsolen
TU. Dortmund, 16. Sept. Als Steinbrucharbeiter des Zementwerkes Westfalen in Geseke (Westfalen) morgens ihre Arbeiten beginnen wollten, bemerkten sie, daß die Tür des Sprengstofflagers gewaltsam geöffnet worden war. Aus dem Lager waren drei Kisten mit insgesamt 75 Kg. Donarit und 435 Sprengkapseln Nr. 8 entwendet worden.
Die sofort benachrichtigte Staatsanwaltschaft in Paderborn forderte von der politischen Polizei in Dortmund Beamte an, die zur Zeit noch mit der Aufklärung des Verbrechens beschäftigt sind, Loch fehlt von den Tätern bisher noch jede Spur. Der Diebstahl ist entweder in der Nacht vom Samstag zum Sonntag oder vom Sonntag zum Montag verübt worden.
Auf der Spur der Attentäter?
TÜ. Budapest, 16. Sept. Wie „Uj Nemzedek" unter großer Aufmachung mitteilt, verdichtet sich der Verdacht der Budapests,: Polizei dahin, daß der Urheber des Eisenbahnan- fchlages bei Bia Torgagy der deutsche Elektrotechniker Julius Leipnik sei. Es handle sich bet Lcipnik um einen gefährlichen kommunistischen Agitator, dem bisher nichts habe nachgewiesen werden können und der von der Polizei trotz mehrfacher Verdächtigungen stets habe freigelassen werben müssen. Es sei festgestellt worden, daß sich Leipnik in letzter Zeit in der Slovakei und in Prag aufgehalten habe.
Abbruch der englischen Flottenmanöver
Unruhen in der Kriegsmarine infolge Soldkttrzung TU. London, 16. Sept. Der Chef der atlantischen Flotte meldete der Admiralität, daß die Herabsetzung des Soldes und der Gehälter bei einem Teil der Mannschaften und der niederen Dienstgrade Unruhe ausgelöst habe. Infolgedessen habe er es für wünschenswert erachtet, das Uebungspro- gramm der Flotte zeitweilig abzubrechen »nd die Schiffe in die Häfen zurückzubeorbern. Gleichzeitig sollen die ausgebrochenen Unruhen, die durch die Herabsetzung des Soldes und der Gehälter entstanden sind, untersucht werden.
Die Admiralität teilt mit, daß sie der zeitweiligen Unterbrechung der Hebungen Ser Atlantikflotte ihre Zustimmung erteilt habe, solange, bis gewisse Klagen über die durch die neuen Lohnsätze entstandenen Härten untersucht sind.
Deutsche Ozeanflieger überfällig
-- Rewyork, 16. Sept. Die deutschen Ozeanflieger Rody und Johannsen, welche am Sonntag in Lissabon zu einem Atlantikflug aufgestiegen und Montag nachmittag vor Halifax gesichtet worden waren, find überfällig. Die Suche nach den Atlantikfliegern ist von Marine- und Armeeslugzeugen, sowie von 10 Küstendampfern ausgenommen worden. Die einzige noch vorhandene Hoffnung geht dahin, daß die Flieger infolge Brennstoffmangels in der kanadischen Wildnis zur Notlandung gezwungen worden sind.