Die Wirtschaftskrise in England

Die Quittung für die Politik

Die andauernden Stöße des internationale» Finanzmark­tes gegen die englische Währung erfolgen nicht nur aus poli­tischen Gründen, sondern gehen zunächst einmal auf sachliche Antriebe zurück. Gerade deswegen wird es der französischen Politik so leicht, die einst unangreifbarste Finanzposition der Erde, London, durch dem Umfang nach unbeträchtliche Hand­lungen bis auf die Grundfesten zu erschüttern. Man darf den Nervenzusammenbruch des Leiters der Bank von England als vollkommen sinnbildlich für die Lage des ganzen Landes betrachten. England verfügt ohne Zweifel auch in der heu­tigen Krise über unausgeschöpfte Kraftquellen, über gigan­tische Hilfsmittel im Vergleich zu dem unter Mitwirkung Englands völlig ausgepuinpten Deutschland. Aber man sieht sich in diesem Augenblick zur Erinnerung an die über­mütig diktatorische Haltung Snowdens im Verlauf der Haa­ger Verhandlungen gezwungen, um sich erneut den peinlichen Mangel an Voraussicht des heutigen Geschlechts der leiten­den Staatsmänner zu vergegenwärtigen, der Englands Schicksal werte» kann. Snowde» machte damals seinen be­rühmten Krach mit Frankreich, den er dann um seines per­sönlichen innerenglischen Prestiges willen durch eine deutsche Sonderzahlung von rund fünfzig Millionen RM. honorieren ließ, während er gleichzeitig außer diesen ursprünglich von Frankreich erwarteten fünfzig Millionen auch die Deutsch­land gehörigen 300 Millionen Goldmark Liquidationsent­schädigungen für sein Landrettete". Er erreichte damit in der Ausplünderung Deutschlands den Gipfel der Schamlosig­keit, den außer England nur noch der korrumpierte Neger­staat Liberia bewältigte, das einzige Land unter der Sonne, das den englischen Liquibatiousraub mitmachte. Wenn man nach Gründen für den plötzlichen Zusammenbruch Strese- manns sucht, sollte man an diesem Abschnitt der englischen Geschichte auf keinen Fall Vorbeigehen.

Es läßt sich nicht leugnen, daß Suowden in einem Augen­blick der offenbar gewordenen Erschütterung Deutschlands durch die angedeuteten ndlungen noch einmal Minen zur Explosion brachte, die den vollkommenen Zusammenbruch des Haager Plaues beschleunigten und damit auch grundlegend für die heutigen Schwierigkeiten Englands geworden ist. Die Konservativen, die noch vor wenigen Monaten einen Sturz der marxistischen Regierung Großbritanniens planten und ihn mehrfach durch parlamentarische Manöver versuchten, hegen und pflegen heute ihre schwache Lebensflamme und rufen nach einer Nationalregierung. Milder Ausdruck für ein Dtktaturkabinett, besten Taten keine Partei allein verant­worten möchte. Vielen Betrachtern Englands mag das über­raschend, übertrieben, nervenschwach Vorkommen,' denn es paßt so gar nicht in die Allgemeinvorstettuug von England daß dieses mächtige Weltreich kurzatmig geworden sein soll.

der Schwächung Deutschlands

Selbst Deutschland würbe offenbar trotz seiner Kriegsnieder­lage wirtschaftlich auf jeden Fall über die Weltkrise iHne wesentliche Erschütterung hinanSgckommen sein, wenn ihm Ser Haager Tributplan auch nur etwas mehr Atemfreiheit gelassen Hütte.

Die englische Finanzkris« geht aber ausschließlich auf die wachsende Unfähigkeit Englands zurück, der allgemeinen Wirtschaftskrise wirkungsvoll zu begegnen. Das nimmt Wunder, weil es allgemein bekannt ist, daß die Außenwirt­schaft keines Landes so gleichmäßig über die ganze Erde ver­teilt ist, wie die englische. Vergleichsweise liegen die außen­wirtschaftlichen Stützpunkte Deutschlands nur zu einem Vier­tel in Uebersce und zu drei Vierteln in Europa, während Englands Außenhandel nur zu einem Drittel den euro­päischen Markt nutzt und zu zwei Dritteln in der übrigen Welt verankert ist. England besitzt zudem gegenüber Deutsch­land den ungeheuren Vorteil einer bis heute fast ungeschwächt gebliebenen Aufnahmefähigkeit seines inneren Marktes.

Das Verhängnis bedroht England denn auch nicht von seinem Innen-, sondern von seinem Außenmarkt. Vergliche» mit dem zweiten Vierteljahr 1929. des letzten vergleichöfähi- gcn Nvrmaljahrcs, büßte es im zweiten Vierteljahr 1931 mehr als die Hälfte seiner Ausfuhr ein, während der Rück­schlag Deutschlands in der gleichen Zeitspanne noch nicht 20 Prozent ausmacht. 1929 führte England nahezu 350 RM. Waren auf den Kopf seiner Bevölkerung aus Deutschland noch nicht 200 RM., wobei mehr als 109 RM. auf die Textilindustrie entfielen, obwohl in ihr schon 150 000 Arbeit­nehmer feierten. Heute nähert sich die Arbeitslosigkeit in die­sem einen Wirtschaftszweige der halben Million, so daß mehr als jeder dritte englische Textilarbeiter erwerbslos gewor­den ist.

Zu einem wesentlichen Teil eine Folge der anti­deutschen Politik Englands, das in Deutschland den vielartigsten internationalen Käufer getroffen hat und dadurch die Kaufkraft seiner eigenen überseeischen Märkte er­schütterte! Dazu kommt noch der lvvu England selbst er­zwungene) Ausfall der Kaufkraft Deutschlands auf seinem Markt. Unter dem Zwang der Krise entzogen wir England mehr als die Hälfte unserer früheren Warcnküufe, während Frankreich in der gleichen Zeit nur 20 Prozent ausfallen ließ, die Vereinigten Staaten aber schon bis zur Vorenthaltung von 60 Prozent vvrschritten, unter ihrer eigenen Krise, die ebenso wie die englische im wesentlichen auf die unerhörte Behandlung Deutschlands zurückzuführen ist. Aber noch sind wir nicht soweit, daß die Einsicht sich in London und Washing­ton völlig freie Bahn gewonnen hätte: Wiedergesun- Lung unserer selbst nur über die rasche Wie­de r a u s r i ch t u n g Deutschlands.

- Die Notmaßnahmen in England

1» V. H. Zoll auf alle Fertigwaren und Nahrungsmittel?

London, 20. August. Das Sparkabinett des Kabinetts legte dem Zollkomitee des Kabinetts u. a. den Plan eines 10- prozentigcn Zolltarifs auf sämtliche Fertigwaren und Nah­rungsmittel vor. Obwohl der Gedanke eines Zolltarifs im Prinzip gegen die Finanzpolitik des Kabinetts verstößt, wird seine Einführung in Anbetracht der besonderen nationalen Notlage für empfehlenswert gehalten. Man erwartet, daß bas Kabinett keinen Einspruch gegen den Tarif erheben wird.

Der Vorschlag des Sparausschustes für Einführung eines lOprozentigen Zolltarifs in begrenztem Ausmaß hat in der Londoner City merkliche Genugtuung ausgelöst, die sich in einer festen Haltung fast aller Staats- und Jndustriepapiere geltend machte. Im Zentralbüro des Gewerkschaftskomitees verlautet, daß der Vorschlag bei den Gewerkschaften kräftige Unter st ützung finden werde, falls ihn Mac- bonald dem Vollzugsausschuß offiziell vorlegt. Da der Vor­schlag das einzige Mittel gegen Lohnkürzungen darstellt, wird er jetzt günstiger betrachtet als bisher, wo man in ihm einen Versuch zu einer künstlichen Preissteigerung sah.

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Sparausschuß auch in Südslawie«

TU. Belgrad» 20. August. Die Lage der südslawischen Finanzen hat sich sehr schwierig gestaltet. Der Ministerrat beschloß, unter dem Vorsitz des Finanzministers einen Aus­schuß einzusetzen, dem die Aufgabe übertragen wird, bis spätestens Ende August einen Vorschlag über die Einschrän­kung aller staatlichen Ausgaben zu unterbreiten. Als Ur­sache für die ernste Finanzlage wurde vom Ministerpräsiden­ten der Ausfall der deutschen Tribute bezeichnet.

Regierungswechsel in Ungarn

Das ungarische Kabinett Bethlen zurückgetreten TU. Budapest, 20. August. Die Regierung des Grafen Bethlen hat gestern ihren Gesamtrücktritt erklärt. Der Reichsverweser hat die Regierung mit der Weiterführung der Geschäfte betraut und inzwischen Beratungen mit führenden Persönlichkeiten über die Regierungsneubildung begonnen. Die Uebernahme der Ministerpräsidentschaft durch Graf Julius Karolyi scheint festzustchen.

Graf Stephan Bethlen gab eine Erklärung über die Gründe seines Rücktritts ab, in der es heißt: Nachdem der Abschluß der 5-Millionen-Pfund-Anleihe gelang und die Re­gierung zusammen mit dem 33er Ausschuß Las Programm ausarbeitete, auf Grund dessen die finanzielle und wirtschaft­liche Lage Ungarns in Ordnung gebracht werden konnte, sehe ich keine Schwierigkeiten dafür, baß andere die Durchführung des Programms verwirklichen, umsomehr, als die schweren Kämpfe der letzten 10 Jahre, die ich nach meiner besten Ueber- zeugung im Interesse des Landes führte, auch meine Gesund­heit angrtffe».

In Budapest wird auf wirtschastspolitischem Gebiet ein vollständiger Wechsel erwartet, der im Zeichen der Sparsam­keit stehen dürfte.

Ministerpräsident Gras Bethlen

Das Iiilerboger Eisenbahnaltenlal

Der Stand der Nachforschungen TU. Berlin, 20. Aug. Von zuständiger Stelle wird eine ausführliche Verlautbarung über die bisherigen Ergebnisse in der Angelegenheit des Eisenbahnattentates bet Jüterbog herausgegeben. Darnach hat die Untersuchung ergeben, daß die Explosion des Sprengstoffes wahrscheinlich zwischen Lo- komotivtender und Postwagen erfolgte. Die gesamte Ermitt­lungstätigkeit der Untersuchungskommission erstreckt sich in der Hauptsache auf den Mann, der einen Teil der zur Tat benutzten Materialien (Rohre, Draht, Isolierband) in Ber­lin gekauft hat. Die Untersuchungskommission hat nunmehr alle Anhaltspunkte zusammengestellt. Sie werden auf einem großen Plakat, das nicht nur in Berlin, scndern auch in der Umgebung des Tatortes zum Aushang gebracht wer­den wird, der Öffentlichkeit bekannt gegeben werden. Das Plakat wird auch eine Reihe von Abbildungen enthalten. Ferner wird das Plakat noch einmal alle Feststellungen über die Anwesenheit des Gesuchten in Berlin mit genauer Beschreibung der Persönlichkeit wiedergeben Bon der aus­gesetzten Gesamtbelohnung in Höhe von 100 000 RM. wird ein entsprechender Teil auch auf diejenigen Personen ent­fallen, deren Angaben zur Ermittlung des Gesuchten führen.

Vorgeläuschtes Eisenbahnattentat

TU. Fnlda, 20. August. Die Attentate, die in letzter Zeit auf Etsenbahnzüge unternommen worden sind, haben einen hiesigen Bahnbedienstete« zu einem dummen Streich veran­laßt. Ein Streckenwärter meldete, daß er zwischen den Glei­

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Der Unverzagte

Freund, wir haben mit einer elenden Generation zu tun!*

(Zum hundertsten Todestage Gneisenaus am 23. August?

Von Helmuth Schiemann.

schrieb Gneisenau aus dem belagerten

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hoffen, ° ""

lassen

^a"stt?er Vorspiegelungen, "träg't w i e"'e"i'n

nu r. o" daß er sich erheben sollte, mit Dresch­flegeln, Mistgabeln, Sensen und damit die Fremdlinge von unserm Boden vertilgen. Freund, wir haben mit einer L"den Geueratwn zu tun, und es verlohnt sich wahrschein, lich nicht, für solch em Volk eine gute Negiefmgsform zu erfinden. Der rauheste Despotismus ist gut genug für sie Hier und da ist noch ein Aufflimm-rn des heiligen Feuers' Der Rest ,st ein ausgebranntes Oaput mortuum. Und die höheren Stande sind verdorben. Darauf ist auch nicht viel zu rechnen. Greifen sie um sich, mein Freund, blindlings in Ihrer Nähe, und Sie werden immer zehn Egoisten oder Spitzbuben greifen, gegen einen ehrlichen oder kraftvollen Mann. Ob denn das immer so ae- wesen ist? Sie sind ja ein Historiker."

Auf diese Frage Gneisenaus gibt unsere Zeit, die der seinen so peinlich und so erschütternd ähnlich anmutet, die Antwort: Jawohl, Neidhardt v. Gneisenau! Es ist immer so gewesen! Es ist auch heute wieder so geworden Man liebt sie nicht, die Männer, die darüber klagen. Man liebt noch weniger jene, die das Opfer des Freiheitskampfes verlangen. Die kompakte Majorität der Feigen und Lauen und Beque­men haßt, verleumdet und verdächtigt sie, genau so wie man damals Dich und Blücher und Scharnhorst lästerte und ver­dächtigte. Ebenso wie damals schießen die Franzosen in den Blättern der Hauptstadt des Landes ihre vergifteten Pfeile gegen das Deutschtum ab. Mit dem gleichen Schlagwort Verständigungspolitik, unter dem inan nicht an Verstän­digung, nicht an die Uebereinkunft zwischen Frankreich und Deutschland wie unter Gleichen denkt. Damals wie heute verdächtigt, denunziert man die Bestrebungen einer kraft­vollen deutschen Wiedergeburt, von wem immer sie ausgehen mögen, aus dem gleichen Berlin, das heute wie damals dem Auslände von dem wirklichen Wollen und Streben und Kön­nen des deutschen Volkes, der unverdorbenen, lebenswilligen, sehnsüchtig nach einem Führer ausschauenden Masse der Deutschen, ein falsches, heuchlerisches, verlogenes Bild bietet.

Gneisenau wurde und blieb einer der Unverzagten, die sich vom aufrechten Kampf gegen den äußeren Feind durch den schlimmeren inneren Feind nicht abbringen ließen. Tos ist der Inhalt seiner Größe. Und das ist zugleich die Hoffnung und das Licht, das wir Heutigen in den Qualen der Schicksals­abwickelung dieser Jahre aus der Geschichte gewinnen können. Erschreckend klar sehen wir das heutige Bild unseres Volkes in dem Spiegel jenes Gncisenauschen Briefes. Ermutigend, erhebend bleibt der Gedanke, daß ein Mensch, ein Mann diesen Spiegel hochhält und seinen Weg geht und sich nicht lähmen und hemmen läßt und die Kraft der wenigen, die heilige Flamme ihres Nationalbewußtselns zum allvcrheeren- den, alläuternden Freiheitsfener zu entzünden wußte.

Das ist die frohe Botschaft der Lebensgeschichte diese» Mannes, an den wir uns aus Anlaß seines hundertste» Todestages erinnern. Colbcrgs Freiheit war sein Beginn. Deutschlands Freiheit schwebte ihm schon in Colberg als der anzustrebende, mit gutem Willen erreichbare Gipfel vor. Mit Selbstvertrauen gingen die Gneisenau, Blücher, Scharnhorst, Stein ihren Weg, mit Sicherheit erreichten sie ihr Ziel, mit Gleichmut standen sie allen Gefahren und Schwierigkeiten gegenüber und mit Bescheidenheit ein klein wenig auch mit verdrossener Verachtung gegenüber den sie nach voll­brachter Tat umwogenden Wellen allgemeiner Begeisterung traten die Ueberlebenden unter ihnen beiseite. Männer w,e Gneisenau und Grolmann und Boyen wollten niemals zu­geben, daß sie etwas Heroisches vollbracht hätten, denn für sie handelte es sich stets um Selbstverständlichkeiten.

Davon abgesehen machten sie und Gneisenau auch man­cherlei Erfahrungen, die ihnen den Geschmack an dem Ruhm verdarben. Der König, dem Gneisenau diente, duldete sein Wirken, ermöglichte es günstigstenfalls, litt es zuweilen mit der gequälten Miene des Märtyrers, liebte ihn aber nicht.

Maßgeblichen zummoesk, me so ozr neve steht, dessen Schicksal ihm anvertraut wird. Aber dieser schwer verständliche, noch von keinem Historiker bis an d,e Quellen seines Wesens durchleuchtete König, der nch noch nicht ein Jahrfünft nach den Freiheitskriegen von samt,- lichenMannern der einstigenReorganlsationskommisston, den wirklichen Rettern des Vaterlandes, getrennt hatte h,elt fest an ihrem Geist. Bis zum Tage weitverbreitete Mode gegen ihn ist der Borwurf, daß er das Berfassungsversprech-n nicht erfüllte. Darf man aber ubersehen, daß diese Der- sassung buch die Verleihung der Macht an die höheren und Mittleren Stände mit unzweifelhafter Gewißheit den Sturz der allgemeinen Wehrpflicht herbergefuhrt haben wurde?! D.e Stadtverordnetenversammlung von Berlin verlangte schon unmittelbar nach den Freiheitskriegen stürmisch d.e Wieder- Herstellung ihrer herkömmlichen Befreiung von der Militär- Pflicht. Und Berlin war rn diesem Falst keine Ausnahme Der König hielt jedoch fest an den Ideen Scharnhor s und Gneisenaus. Die Unverzagthelt eines Gneisenau ,st auch heute das überlegene Heilmittel, da» allem Genesung >u Staat und Volk bringen kann.

sen einen Sprengkörper gefunden habe. Die Untersuchung ergab jedoch, daß das Geschoß von dem Streckenwärter selbst stammte, der wahrscheinlich hoffte, auf diese Weise Borte für sich zu erlangen. Er wurde von der Kriminalpolizei ver­haftet.

Elsenbuhnzusammenstoß bei Leningrad In der Nähe von Leningrad stießen infolge Unvorsichtig­keit eines Beamten zwei Züge zusammen, wobei 14 Wagen und eine Lokomotive vollkommen zertrümmert wurden. Bei dem Unglück fanden zwei Beamte den Tod. S weitere wurden mehr oder weniger schwer verletzt.

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