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Donnerstag, den23. 3uli 1931
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Zernsprecher Nr. 8
verantwort!. Schrift leitung: Zrieärtch Han» Scheel« Druck unä Verlag äer A. Orlschläger'schen Vuchäruckerei
Jahrgang 104
Teileinigung auf der Londoner Konferenz
Kein weiterer Entzug von Auslandskrediten — Ein Bankierausschuß foll die deutsche Wirtschaftslage prüfen — Macdonald, Henderson und Stimson kommen nach Berlin
TU London, 33. Juli. Die Verhandlungen der Vollversammlung der Londoner Ministerkonferenz haben am Mittwoch eine Wendung genommen, die von den Teilnehmern allgemein als günstig bezeichnet wird. Während der dreistündigen Sitzung gelang es der Konferenz, sich dahin zu einigen, daß es über Sen Nahmen der Konferenz hinausgehen würde, wenn sie sich mit den grundlegenden Fragen beschäftigte. Dies würde zu lange bauern und da die jetzige Lage Eile erfordere, so habe die Konferenz alle ihre Bemühungen auf die Frage der deutschen Kredite und auf den geregelten Weiterlauf der Dinge konzentriert. In den Verhandlungen nahm der amerikanische Staatssekretär Stimson eine führende Rolle ein. Seine Anregungen waren durchaus konstruktiv. Sie knüpften an ein Dokument an, bas von dem Ausschuß der Finanzminister der Vollkonferenz vorgelegt wurde. In der Einleitung dieses Schriftstücks wird allgemein die Notivendigkeit betont, daß die Aufrechterhaltung der finanziellen Stabilität Deutschlands wesentlich für die ganze Welt ist und daß die einzelnen Staaten zur Zusammenarbeit bereit sink Dr. Curtius betonte nach der Konferenz ausdrücklich, daß die Behauptungen, wonach Frankreich an der Frage der Kreditrückzüge nicht interessiert sei, völlig unbegründet wären. Es sei vielmehr durchaus positiv zu den einzelnen Punkten eingestellt. Die Verhandlungen befaßten sich den Mitteilungen Dr. Eurttus zufolge mit 3 Fragen:
1. mit der Verlängerung des ISO Mill.-Dollarkreditcs für die Reichsbankt
2. mit dem Aushalten des Zurlickziehens privater Guthaben:
3. mit der Frage eines nene» kurzfristigen Kredites für Deutschland.
Hinsichtlich des ersten Punktes bestand allgemein die Übereinstimmung, daß der Kredit zu verlängern sei. Auch über die Frage des Stehenlassens der Guthaben in Deutschland ist eine allgemeine grundsätzliche Einigung erzielt worben. Die Ausarbeitung eines Entwurfes ist dem Komitee der Finanzminister überwiesen worden. Da die Durchführung des Gesamtplanes im Einzelnen auf technische Schwierigkeiten stößt, wurde der Vorschlag gemacht, einen besonderen Bankierausschuß einzusetzen, der aus Vertretern der Zentralbanken besteht und unter Mitwirkung der BIZ. arbeitet. Er soll die praktische Durchführung der Empfehlungen übernehmen, die seitens Ser Negierungen gemacht werden.
In deutschen Kreisen hielt man es auf Grund der Erfahrungen, die man während der finanziellen Besprechungen gemacht hatte und die zeigen, daß es der Konferenz häufig an eingehenderen Kenntnissen über die deutschen finanziellen Verhältnisse und Einrichtungen fehlte, für richtig, ausländische Finanzlente nach Berlin ein- zu laden, so daß diese an Ort und Stelle den Pulsfchlag der deutschen Fiiranz und Wirtschaft prüfen können. Curtius betoute ausdrücklich, daß dieser Schritt der deutschen Abordnung nicht etwa aus verhandlungstaktischen Gründen erfolgt wäre und auch, daß der Bankierausschuß keinesfalls den Charakter einer Kontrollkommission trage, sondern daß der deutsche Gedanke dem Wunsche entsprungen sei, die engere Fühlungnahme zwischen dem Deutschen Reich und der Außenwelt sicherzustellen. Es seien bekannte Persoüen, wie Sir Robert Kindcrsley, Wallenberg nnd anötre namhaft gemacht, die die Wirkung der Beschlüsse der jetzigen Konferenz ans die weitere Entwicklung in Deutschland beobachten würden. —
Hinsichtlich eines neuen Rediskontkredites für die Reichsbank seien die Verhandlungen in der Vollsitzung nicht weitergekommen. Die Frage wurde dem Komitee der Finanzminister überwiesen.
Der Fiaanzministeransschuß
erzielte gestern nachmittag ein Uebereinkommen über den Wortlaut des Berichtes, der der Vollkonferenz heute vormittag vvrgelegt werden soll. Das Ergebnis Ser Konferenz der Finanzminister besteht darin, Satz, in -er Frage des Stillhaltekonsortiums gewiße Fortschritte gemacht worden Empfehlungen der Regierungen an ihre Bande», dürften. Dies« Empfehlungen würden dann von
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w- »ie Stärrung -er -eilten Mark als notwendig erachtet worden war, nämlich -ie
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i«lt werde» ksrutte. - .
Wie ergänzend aus amerikanischen Kreisen verlautet, entspricht der deutsche Vorschlag, einen Ausschuß von Vankleuten nach Deutschland zu entsenden, der an Ort und Stelle die wirtschaftlichen nnd finanzpolitischen Zusammenhänge prüfen soll, einer amerikanischen Anregung, deren Zweck es war, endgültig die politischen Garantieforderungen abzuwenden, die von seiten der Franzosen nicht nur gegenüber einer langfristigen Anleihe, sondern sogar auch gegenüber einem kurzfristigen Redtskontkredit an Deutschland gefordert worden waren. Das sofort wirksame Ergebnis der Londoner Konferenz wird daher voraussichtlich nur die Znsammenbringnng eines Stillhaltekonsortinms sei«, hinter dem die Möglichkeit einer späteren langfristigen Anleihe eines englisch-amerikanischen Bankenkonsortiums steht, dessen Finanzhilfe allerdings kaum dem mutmaßliche« tatsächlichen «reditbediirfnis Deutschlands entsprechen würde.
Was die französische Haltung betrifft, so hält man sich allem Anschein nach deswegen gegenüber den akuten deutschen Finanzoroblemen so reserviert, weil man die Hoffnung hat, daß die späteren Ereignisse in Deutschland doch noch zu einer direkten deutsch-französischen Fühlungnahme zwingen werden, so daß Frankreich in einem späteren Zeitpunkt, den in Paris gescheiterten Plan einer langfristigen Anleihe an Deutschland gegen finanzpolitische Garantien und Zugeständnisse hinsichtlich der Aufrechterhaltung und Garantierung des politischen statns quo der Verträge durchsetzen würde. Der geplanten Reise des Staatssekretärs Stimson nach Berlin begegnet man in französischen Kreisen mit unverhohlenem Mißtrauen.
Die französische Abordnung hat in London hartnäckig darauf bestanden, jedes nur mögliche Abgleiten auf politische Fragen zn verhindern, und daraus erklärt sich auch die gänzliche Passivität Frankreichs während der Londoner Verhandlungen hinsichtlich einer sofortigen Finanzhilfe an Deutschland.
Lav«l über die Ausgaben des Bankierausschnsses
Der französische Ministerpräsident Laval hat sich in einer etwa 3/^ stün-igen Aussprache mit Pressevertretern über die Verhandlungen am Mittwoch geäußert. Er lehnte zunächst die Auffassung, daß eine neue Konferenz vielleicht in Berlin zilsammcutrcten könnte, als gar nicht unmöglich ab. Der nene Bankierausschuß soll von der BIZ. eingesetzt werden. Er habe über die Anfrechterhaltung der deutschen finanziellen Stabilität un- des Ausmaßes -er ausländischen Kredite in Deutschland zu wachen und soll die Möglichkeit der Umwandlung gewisser kurzfristiger Kredite in langfristige studieren. Dieser Plan sei dem Vorschläge Stimsous zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses entnommen und ersetze diesen Ausschuß und wohl auch die von deutscher Seite angeregte Bankier-
Tages-Spiegel
Die Londoner Mintfterkonferenz hat nn« doch M einer Tetteiniguug geführt. Es wirb mit Einschluß Frankreichs ei« Stillhaltekonforiinm gebildet werde«, «m den EntzuL kurzfristiger Kredite aus Deutschland einznstelle«. I« der Frage einer neuen Kreditgewährung an die Reichsbank wnrde eine Einigung noch nicht erzielt.
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Ans deutsche» Antrag wird ein internationaler Finanzsach- verständigenausschuß gebildet werde«, dessen Aufgabe es fein soll, die Lage der deutschen Wirtschaft in Berlin zu prüfen nnd die Umwandlung kurzfristiger Kredite in langfristige vorznschlagen.
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In Frankreich nimmt man an, daß es zu einem späteren Zeitpunkt doch noch zn direkten deutsch-französischen Anleiheverhandlungen und zu einem Eintausch politischer Garantien kommen wird.
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Die Londoner Konfereuz dürste «och heute abgeschlossen werden. Vermutlich werde« die englische» Minister sowie der Amerikaner Stimson gemeinsam mit der deutschen Abordnung z« dem geplante» Besuch «ach Berlin fahre«.
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Die Retchsregiernng sieht sich durch die Knappheit der Reichskaffe genötigt, den Länder« vorlä»fig keine Vorschüsse a«s -ie Ueberweisunge» z« gebe».
konfereuz. Laval bestätigte ferner, daß die Verhandlungen über einen Zusatzkredit für Deutschland ergebnislos gewesen seien. Er begrünLete den französischen Standpunkt mit der Notwendigkeit, auf Grund der bisherige» Erfahrungen, bei Neuinvestierungen französischen Kapitals gewisse Sicherheiten erhalten zu müssen. Hierauf würLe er auch in Zukunft bestehen.
Ueber den Fortgang -er Verhandlungen äußerte sich der amerikanische Staatssekretär Stimson in einer Unterredung, es fei bereits ein wirklicher Fortschritt gemacht worden un- es bestehe -ie Hoffnung, -aß -ie Konferenz ihr« Arbeiten am Donnerstag been-en wer-e.
Minksterbesprechnngen in London
Neben den gestrigen Verhandlungen -es Finanzausschusses Her liefen eine Reihe von Besprechungen zwischen den Mitgliedern der verschiedenen Abordnungen. Ueber die Unterredungen des Neichsaußcnministers Curtius mit Brt- and und zwischen Curtius und Len Belgiern wird jedoch tiefstes Stillschweigen bewahrt. Die französische Abordnung wird heute zum Frühstück in der deutschen Botschaft werken. Es dürfte sich dort Gelegenheit bieten, die zwischen Curtius und Briand gepflogenen Besprechungen sortzu- führen. Die Aussprache könnte den Weg zu einem neuen Gedankenaustausch ebnen, der dann vielleicht in nicht allz« ferner Zukunft die französischen Minister nach Berlin führen wird, sodaß die unmittelbaren Verhandlungen zwischen Deutschland und Frankreich laufend fortgesetzt würden.
Die Ursachen der deutschen Wirtschaftskrise
Ein Bericht des amerikanischen Handelsdepartements — Die Auslandsverschuldung
eine Folge der Reparationen
SrSff- nicht ««.
TU Washington, 23. Juli. Das Handelsdepartement veröffentlicht interessantes statistisches Material über Sie Wirtschaftslage Deutschlands. Darin wird nachgewiesen, -aß Deutschland in den 7 letzten Jahren eine passive Han- delsbilanzvon1,5MtlliardenDollar(6^ MN- liaröen Mark) hatte und trotz-em gleichzeitig rund 2,43 Milliarden Dollar (10^ Milliarden Mark) an Reparationen bezahlen mußte. Diesen riesigen Verpflichtungen konnte Deutschland nur Nachkommen, indem es auf deckt internationalen Geldmarkt Anleihen in Höhe von 3,836 Milliar-en Dollar (16,1 Milliarden Mark) in dieser Zeit aufnahm.
Der Bericht hebt hervor, -atz die Gesamthöhe der geliehenen Gelder nur um ein Weniges geringer war, als -ie von Deutschland zur Abdeckung -er Reparationszahlungen un- zum Ausgleich -er passiven Handelsbilanz benötigten Beträge. Wetter sei Deutschland stark belastet worden durch die Zinszahlungen für AuslanLskapital. Allein im Jahre 1890 hätten -ie Zinsen rund 200 Millionen Dollar betragen. Da» Handeksdepartement führt -ie gegenwärtige deutsche Krise auf di« Unmöglichkeit zurück, neues Kapital nach Deutschland herein zu bekommen. Deutschland hkbe seit Beginn -er Weltdepreffion ebenso wie auch die übrige Wett «nter -er Verknappung -es a«Ständischen Leihkapital- gelitten.
Empörung st» Wafhingto« über Frankreich.
Die französische AörüstungSnote halt» Washington «Bk etne Bombe etrigeschkagen. Dtr amtticheu Stellen geben
unumwunden zu, -aß die Rote den schwersten Schlag gegen Hoovers Abrüstungspolitik bedeute. Die kaum verhüllte französische Forderung, daß der Versailler Vertrag durch militärische Garantien Amerikas nnd Englands geschützt werben solle, wird in Washington mit einem Achselzucken abgetan, da das Verlangen zu phantastisch sei, als daß man ernsthaft darüber sprechen könnte. Die Aussichten der Genfer Abrüstungskonferenz werden hier für denkbar ungünstig gehalten, da man nicht glaubt, daß sich Frankreich auch nur auf die geringfügigste Herabsetzung feiner Streitkräfte ein- laffen werde.
Englischer und amerikanischer Besuch i« Berlin.
In Londoner Koferenzkreisen wird damit gerechnet, baß die Konferenz am Donnerstag abend zu Ende geht. Dr. Curtius teilte mit, daß sich hieran der Besuch Macdo- nalbs und Hendersons in Berlin anschließen wird, falls keine unvorhergesehenen Ereignisse eintreten. Henderson wird wahrscheinlich in dem gleichen Zuge reffen, in dem die deutsch« Abordnung nach Berlin zurückkehrt, während Mae- donald eS vorziehen dürfte, nach Berlin zn fliegen, so daß er Freitag abend auf dem Tempekhofer Feld eintreffen würde.
Dr. CurtinS hat auch Staatssekretär Stimson nach Berit« eingeladen. Es wird in deutschen Kreisen für außerordentlich wünschenswert gehalten, daß Stimson sich persön- lich ein Bild über die Verhältnisse in Deutschland macht. Man nimmt an, daß auch Stimson vielleicht schon tm Lachja der nächsten Woche nach Berlin kommt. ^ ^