Aus Württemberg
Dt« Eisenbahner zur Wirtschaftslage und Tribntfrag«
Der 6. Gewerkschaftstag der Gewerkschaft Deutscher Eisen- rahner in Stuttgart hat zwei Entschließungen zur Wirtschafts- und Finanzlage und zur Trtbutfrage angenommen, in denen es u. a. heißt: Die letzte Notverordnung vom 5. Funt mit ihren unterschiedlichen Belastungssätzen und der Verankerung eines weiteren Lohnabbaus in den Verkehrsund Staatsbetrieben hat eine den Grundsätzen der Gerechtigkeit widersprechende Begünstigung der Schwerverdiener sowie der Groß-Landwirtschaft und der freie» Berufe zu Un- aunsten der Gehalts- und Lohnempfänger gebracht. Der Gewerkschaftstag fordert deshalb die Aenderung dieser Bestimmungen der Notverordnungen. Die Mitglieder der Gewerkschaft deutscher Eisenbahner e. V versagen sich der Not -er Verkehrsunternehmungen, der Wirtschaft und des Staates nicht, sie sind ihrerseits nach wie vor bereit, durch treue Pflichterfüllung, positive Mitarbeit und Uebernahme jedes gerechten ypfers für die Freiheit und das Wohlergehen von Volk und Vaterland zu wirken. Weiter fordert die Gewerkschaft deutscher Eisenbahner, baß Negierung und Parlamente, unterstützt vom ganzen deutschen Volke, mit noch größerer Entschiedenheit als bisher den Kampf gegen die unberechtigten, unwürdigen, untragbaren und auf unwahren Zwangsverträgen beruhenden Tributlasten aufnehmen. Eine Befreiung des deutschen Volkes vom Joch der Tribute muß jedoch auch zur Befreiung der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft von der Reparattonssteuer und zu ihrer Wiedereingliederung unter die volle Neichshoheit mit den übrigen deutschen staatlichen Verkehrsbetrieben unter ein einheitliches Neichsver- Lehrsministerium führen.
Die Madonna von Stuppach
Eines der berühmtesten Altarbilder Matthias Grün- lvalbs, die sogenannte Stuppacher Madonna, wird demnächst an seinen Fundort Stuppach bei Mergentheim zurückge- vracht, nachdem cs in Stuttgart restauriert worden war. Bei dieser Gelegenheit muß rühmend hervorgehoben werden, mit welcher Entschiedenheit die kleine Gemeinde Stuppach mehrfache Millionenangebote des Auslandes auf Verkauf des Bildes abgelehnt hat. Eine Haltung, die man nicht immer beobachten kann.
Aus Stadt und Land
Calw, den 24. Juni 1931.
Dienstnachricht
Eine Lehrstelle an der ev. Volksschule in Aichelberg ist dem Hauptlehrer Böhm in Temmenhausen OA. Blaubeuren übertrage« worden.
Tödlicher Unglücksfall.
Nus Deckenpfronn wird uns berichtet: Im Decken- pfronner Steinbruch wurde der 4« Jahre alte Bäcker Gottlob Walz, von einem abstürzendcn, mit Steinen beladenen Rollwagen so schwer getroffen, daß er ohne das Bewußtsein zu erlangen starb. Walz hinterläßt eine Witwe und 5 teilweise noch unversorgte Kinder. An dem harten Los der schwergeprüften Familie nimmt die gesamte Einwohnerschaft Anteil.
Blutenhonig.
In den wärmeren Gegenden ist die Haupttrachtzeit bei den Bienen vorüber, außer in solchen, wo noch viel Reps angebaut wird, der eine außerordentlich gute Btenenweide darstellt. Im Schwarzwald ist der Ertrag an Blütenhonig nie besonders reich, da die Blütezeit der Obstbäume und der sonstigen honigenden Pflanzen ziemlich spät fällt. Heuer haben sich die Völker sehr langsam entwickelt und es ist daher begreiflich, daß der Ertrag an Blutenhonig nicht den gehegten Erwartungen entspricht. Dieser Umstand ist wohl in der Hauptsache auf die durch die Kälte im April verursachte Unterbrechung in der Eiablage zurttckzuführen. Als der Tisch für die Bienen bei der reiche» Obstblüte gedeckt war, fehlte die große Zahl der Flugbieuen, die den Honig einzubrtngen pflegen. Es ist aber eigentümlich, baß in einigen Gäuorten ein reicher Ertrag an Blütenhonig festzustellen ist. Bei den Bienen kommt es hauptsächlich auf den Standort an. In letzter Zeit haben nun die Völker sich recht gut gemacht und so ist zu hoffen, daß die Waldtracht bester aussällt. Die Vorbedingungen für Waldhonig sind bis jetzt nicht ungünstig. Gewöhnlich setzt der Wald Ende Juni bei gutem Wetter ein, doch gibt es auch hier keine Regel ohne Ausnahme. Honig ist reine Vcrtrauenssache. Wer sich vor Schaden bewahren will, verlange volle Garantie für naturreinen, aufs sauberste gewonnenen, einheimischen Bienenhonig.
Englischer Besuch in Hirsau
Die durch den Besuch der Stuttgarter und Keucrbacher Schüler und Studenten in London und die vorjährigen Shakespeare-Aufführungen im Württ. Landestheater bekannt gewordene Londoner Schule, die W i l l e s d e n - P o l y t e ch- n i c, organisiert gegenwärtig eine neue Studienreise nach Deutschland. Diesesmal handelt cs sich in erster Linie um Studentinnen der kunstgewerblichen Abteilung dieser großen Anstalt, welche mit einer Anzahl ihrer Lehrer folgenden Rciseweg cinschlagen werden: Pforzheim — Hirsau — Stuttgart — Heidelberg — Frankfurt — Mainz — Köln. Interessant ist, daß sich dies« Reise zum ersten Male Mitglieder der kommunalen Behörden anschließen werden. Die Engländer werden in Pforzheim, Hirsau und Stuttgart durch B c g r ü ß u n g s a b c n d e, an denen sich die Behörden beteiligen, geehrt werden.
Wetter für Douuerstag und Freitag.
Hochdruck beherrscht die Wetterlage: eine nördliche Depression kommt nicht zur Geltung, so daß für Donnerstag und Freitag mehrfach heiteres, aber zu Gewitterstörungen geneigtes Wetter zu erwarten ist.
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Calmbach, 28. Juni. In aller Stille wurde Altschnltheiß Häberlen von hier beerdigt. Auf seinen persönlichen Wunsch und Anordnung wurde von jeglicher Ehrung seitens der Behörden und Vereine Abstand genommen. Bescheiden und einfach wie er gelebt, sollte es auch bei seinem Tod gehalten werden. Das Geld für die ihm etwa zugedachten Kränze soll den Armen zugute kommen. Mit ihm hat Calm
bach eine seiner markantesten Persönlichkeiten verloren, ««r er doch ein Schultheiß von altem Schrot und Korn. 26 Jahre, von 1881—1906 stand er der Gemeinde als Schultheiß vor.
SCB. Schwann OA. Neuenbürg, 22. Juni. Rübe Burschen Haben der Schwärmer Warte übel mitgespielt und sie arg beschädigt. Fast alle Fensterscheiben wurden eingeworfen, Dachziegel zerschlagen und Bretter losgerissen. Der Versuch, die Türen zu erbrechen, mißlang. Dagegen drang man in den Unterkunftsrauin ein und warf die Petroleumlampe hinab. In übelster Weise wurden die Sitzbank und die Brüstung auf der Aussichtsplatte beschädigt. Burschen aus Schwann und aus Conweiler haben nachts dort ein Zechgelage gehalten und dabei wie die Wilden gehaust.
Herrenberg, 23. Juni. Der Stadtgemeinde ist durch Erlaß des W. Landesgewerbeamts vom 16. Juni 1931 für die Zeit vom 1. November 1931 bis 31. Oktober 1936 die Erlaubnis erteilt worden, je in der Zeit vom 1. August bis 31. Oktober jeden Mittwoch und Samstag einen Obstmarktin Herrenberg abzuhalten.
SCB. Stuttgart, 23. Juni. Voraussichtlich am 28. Juni findet eine Fahrt des Luftschiffs „Graf Zeppelin" von Fried- richshafen nach Stuttgart-Böblingen statt, mit der eine Landung aus dem Flughafen Böblingen verbunden sein wird.
wp. Cannstatt, 23. Juni. In einer Eisengießerei der Lin- denstraße brach gestern nachmittag beim Transport eines etwa 70 Zentner schweren Gußstücks die Kette. Durch das herabstürzende Gußstück wurde ein 59 Jahre alter Former getroffen und so schwer verletzt, daß der Tod augenblicklich eintrat.
SCB. Freudenstadt, 22. Juni. Am Sonntag nachmittag ereignete sich zwischen Loßburg und Alpirsbach ein tödlicher Motorradunfall. Eine Gruppe Motorradfahrer von Stuttgart fuhr von Alpirsbach nach Freudenstadt. In der Haarnadelkurve von Loßburg nahm Hermann Zaiser aus Cannstatt mit seinem Motorrad und Beiwagen die Kurve nich^ genügend, das Motorrad Überschlag sich, wodurch der Fahrer unb' seine im Beiwagen sitzende 25 Jahre alte Frau auf die Straße geschleudert wurden. Die Frau war sofort tot. Der Mann erlitt eine leichte Gehirnerschütterung und wurde ins Bezirkskrankenhaus nach Freudenstadt gebracht.
wp. Reutlingen, 23. Juni. In öffentlicher Gemeinderatssitzung wurde heute durch Oberregiernngsrat Hasel der Entscheid der Ministerialabteilung für Bezirks- und Körperschaftsbeamte in Sachen des Neutltnger Rathausstreits bekanntgegeben. Die Untersuchung, die durch Oberregierungsrat Dr. Battenberg durchgeführt worden ist, hat ergeben, daß Oberbürgermeister Dr. Haller der Verfasser des im Mittelpunkt des Streits stehenden „anonymen Schreibens" ist. Der Entscheid der Ministerialabteilung billigt aber dem Verfasser weitgehend zu, baß er in gutem Glauben gehandelt hat. Insbesondere sind die Ausführungen über Wahlabmachungen, welche die Person des Nechtsrats Rapp betreffen, durch die Vorgänge vor der Oberbürgermeisterwahl nicht unbegründet. Infolgedessen wird von einer disziplinar-straf- rechtlichen Verfolgung gegen OBM. Dr. Haller abgesehen. Die strafrechtliche Seite, soweit sic die Beleidigungen, die im anonymen Brief gegen den Gcmeinderat gerichtet sind, angeht, ivirö durch das schwebende Gerichtsverfahren geklärt ivcrden. Den Gemeinderäten, die von den Sitzungen ferngeblieben sind, wird eine Begründung zu dieser Tat zu- gcbilligt und die Ministerialabteilung sicht deshalb von einer Bestrafung ab.
SCB. Tuttlingen, 28. Juni. Seit längerer Zeit litt der als Ausläufer bei einer Zeitung beschäftigte A. Epple an Wahnverfolgungen. Seine Frau starb vor.etwa 8 Wochen nach kurzer Krankheit. Seitdem lebte er im Wahn, daß seine Frau ihn immer verfolge und ihn bitte, er möge ihr doch tnS Jenseits folgen. Am Sonntag kam er nach reichlichem Alkoholgenuß nach Hause und verbrachte eine furchtbare Tat. Er überraschte seine zwei Kinder, einen Knaben von 18 und ein Mädchen von 8 Jahren, im Schlaf und schoß sie im Bett nieder, worauf er sich selbst entleibte. Als am Montag vormittag der Mann vermißt und nach chm geschickt
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So lastete denn zwischen den Verlobten eine schwüle, drohende Stimmung, und beide atmeten hoch auf, als endlich mit lautem Gelärme die Tafel aufgegeben wurde.
Wigand hätte nun gern sofort eine Aussprache mit Ursula herbeigeführt, aber es kam nicht dazu, da Major Drenck und Tante Marie sich zu ihnen gesellten. Während der nun gemeinsam geführten Unterhaltung, an der sich Jörg nur gezwungen mit wenigen Worten beteiligte, schaute Ursula immerwährend nervös und ungeduldig nach Fred aus. Aber er ließ sich nicht bei ihnen sehen; er hielt sich absichtlich fem in einem Nebenraume bei den Angehörigen seiner Tischdame. Seihst dem Major fiel schließlich das Wegbleiben Freds auf.
„Wo steckt er denn nur?" fragte er die Tochter. „Die Musik spielt ja schon zum Tanz."
Ursula erhob sich eilig, den willkommenen Anlaß zu benutzen. „Ich will doch gleich mal nach ihm sehen."
Aber schon war Wigand an ihrer Seite: „Ich begleite dich natürlich." Und mit festem Griff legte er ihren leise widerstrebenden Arm in den seinen. Statt in den Ballsaal zu gehen, wo eben die Paare antraten, führte er sie in einen Vorraum, der jetzt leer von Festgästen war.
„Was willst du denn hier?" — Ungeduldig zuckte Ursulas Hand in seinem Arm, um frei zu werden.
»Warum läßt du mich nicht gehen?" ernst!" ^ E dir zu reden habe, Ursula, und zwar sehr
wieder der strenge, überlegene, schulmeisterliche Ton an ihm, den sie für den Tod nicht leiden könnte und der denn auch jetzt gleich wieder den wilden Trotz in ihr wach-
Ruck riß sie jetzt ihre Linke aus seinem Arm, An feindselig blitzten ihn ihre dynklen^Augen.an, tonst stets so sieb und gut blickten. Ein Warnsignall N
say es uno jagre zu sich jeivsi: Du oarm den Bogen nicht überspannen. Im selben Moment tönte ihm aber auch schon ihre erregte Frage im Ohr:
„Nun, und was habe ich denn jetzt wieder verbrochen? Ich bin wirklich begierig. Ich dächte, es wäre an dir, wieder etwas gutzumachen!"
„Ich begreife vollkommen, Ursula, daß dich mein Benehmen vorhin überrascht hat." Seine Stimme nahm einen freundlichen Klang an. „Darum will ich dir ja alles erklären. Aber, das ist nicht so eins, zwei, drei gesagt: das ist eine peinliche Angelegenheit."
Er stockte, und ihre Augen blickten ihn groß, verwundert an.
„Komm, Ursel I" Zärtlich nahm er plötzlich wieder ihren Arm und begann mit ihr in den Raum auf und ab zu gehen. „Sieh, es tut mir aufrichtig leid, daß ich dir da vorhin einen anscheinend so harmlosen Wunsch abschlagen mußte, aber" ...
„Ja, ich weiß schon: du kannst Fred nicht ausstehen! — Aber warum in aller Welt nur nicht? Was hat er dir denn getan?" Erregt rief sie es aus.
Wigand zögerte einen Moment, dann kam es leise und innig von seinen Lippen, während er ihren Arm fest an sich preßte: . > , > ^
„urjer — gcauvsi du mir, daß ich es so gut mit dir mei wie keiner auf der Welt, daß ich dich unendlich liebe und n dein Bestes will?"
„Nun, ja," doch es kam nur widerstrebend von ihren LI pen, „aber was hat denn das mit Fred zu schaffen?"
„."Ursel, ich muß dich warnen vor ihm — er droht dir e fahrlich zu werden!"
„Was — Fred?" Verständnislos, aber doch betroffen blick sie ihn an.
„Ja, meine Ursel. Er ist Gift für dich, er weckt all die v, hangnisvollen Neigungen in dir, vor denen du selbst dich oft gefürchtet. Weißt du nicht mehr die Stunden, wo du di zu mir geflüchtet und gebeten hast: ,Steh mir bei, Jörg, dl ich den Dämon in mir überwinden!"
,,3a, ja —gewiß I" Etwas ungeduldig kam es von ihr Lippen. „Aber du siehst wirklich Gespenster! Daß ich jetzt m em paar Tage vergnügt gewesen bin, das ist doch keine G du sorgst ja schon^gtznug dafür, dLß l Daum« nicht in den Himmel wachsen?"
Wigand Überhörte die Bitterkeit in ihrem Ton. Eine wirb siche Angst hatte ihn jetzt befallen. Daß sie auch so ganz ahnungslos war! Er konnte ihr doch nicht mit dürren Worten sagen: ,Fred liebt dich!' Das hätte sie ja erst gerade in die Gefahr Hineingetrieben, vor der er sie bewahren wollte.
„Ursel," bat er nach kurzem Besinnen. „Sieh mah ich habe eine so große, innige Bitte an dich. Willst du sie mir erfüllen?"
Sie schwieg unfchlüsstg; der zärtlich bittende Ton Jörgs begann bereits, ihren Trotz allmählich wieder zu bannen.
„Gib dich weniger mit Fred ab — vermeide das Alleinsein mit ihm. Mir zuliebe!"
Wiederum höchst erstaunt sah sie ihn an: „Ja, aber so nenn mir doch bloß einen vernünftigen Grund dafür, Jörg!"
„Weil — weil dein vertrauter Verkehr mit Fred schon auf- fallt! Die Leute reden bereits darüber." Es fiel ihm m seiner Ratlosigkeit nichts anderes ein.
„Pah — laß sie reden! Wenn man immer danach fragen
„Nun gut, wenn es dir schon gleich ist, so tu's um meinetwillen!"
Ursula blieb stehen und sah ihn forschend an. „Dir ist das Gerede der Leute lästig?" Er nickte. „Und darum soll ich mir , die ganze, harmlose Freude an diesem Verkehr verderben lassen?"
„Ah, für so egoistisch, so kleinlich hätte ich dich wirklich nicht gehalten!" In neuem Unwillen machte sie sich von seinem Arme frei.
Vas raubte ihm die ruhige Ueberlegung.
„Nein, Ursula, nicht darum." Mit finsterer Entschlossenheit stieß er die Worte hervor, nun ganz in die Enge getrieben. „Um meiner Ruhe willen! — Nun weißt du den wahren Grund!"
„Ah — du bist eifersüchtig auf Fred?"
Er gab keine Snttyort, da brach sie in ein Helles Lachen aus.
„Darum hast du dich also heut und all die Tag« so ange- stellt! — Da» ist ja zu komisch!" Und fie schüttelte ihn, aUMslassen vm sich hinlachend, bet den Schulter».
(Fortsetzung folgt.)