Was die neue Notverordnung bringt

Nutzer der Krisensteuer und dem Beamtengehaltsabbau ist tn der Verordnung noch manches verankert, was erst bet eingehendem Studium des umfangreichen Verordnungs­werks klar wirb. Vorweg sei festgestellt, baß in der Verord­nung mancherleiKannvorschriften" enthalten sind, daß also nicht alles unbedingt verwirklicht werben muß. Wir brauchen nur das Beispiel desfreiwilligenArbettsbienstes herausgreifen. Für den Arbeitsdienst wirb die Rcichsanstalt für Arbeitslosenversicherung die verantwortliche Behörde abgeben, die aus dem Fond der Versicherung und der Krisen- fttrsorge Mittel freimachen darf, soweit das mit Rücksicht auf die Beteiligung unterstützter Arbeitsloser angemessen erscheint. Die finanziellen Verhältnisse der Versicherungs­anstalt werben aber von vornherein ein kaum zu überwin­dendes Hindernis für diesen Plan abgeben. Im übrigen liegt es in den Händen des Arbeitsministcrs, dem Arbeits­dienst erst Ziel und Inhalt zu gebe», so daß wohl hier noch recht viel Zeit ins Land gehen wird, bevor man sich im Arbeitsministerium an die praktische Verwirklichung dieses Ziels der Arbeitslosenversicherung heraumachen wird.

Die Verordnung sieht ein Zusaharbeitsbeschaf- fungsprogramm vor, das eine sich ständig steigernde Kritik hervorruft, vor allem deswegen, weil auf diesem Wege der einmütig abgelehnte Subvcntivnsplan des Reichs­finanzministers Dietrich verwirklicht werde» soll und weil die für das Programm erforderlichen Geldmittel die finan­zielle Leistungsfähigkeit der Beteiligten schwächt, so baß manche sogar mit einem Ansteigen der Erwerbslosenzahl rechnen. Im Mittelpunkt der zusätzlichen Arbeitsbeschaffung stehen die Retchsbahnaufträge, die etwa 120000 Ar­beitern Beschäftigung geben sollen. Auch hier ist zu bemer­ken, baß untdr normalen Verhältnissen die Reichsbahn noch wesentlich größere Aufträge im Rahmen ihres jährlichen normalen Anschaffungsprogramms herausgeben würde, als sie jetzt alszusätzliche Anträge" firmiert sind. Die Finan­zierung ist so gedacht, daß der Stahlwerksverband, der das Oberbaumaterial an die Reichsbahn liefern soll, sich bet einem Bankenkonsorttum die entsprechenden Mittel verschafft und das Reich die Verzinsung dieser Kredite übernehmen soll. Die Reichsbahn selbst will aus den Einsparungen durch die Kürzung der Beamtengchälter 40 Millionen zuschieben.

Für den Steinkohlenbergbau sieht die Notver­ordnung finanzielle Erleichterungen in der Weise vor, baß die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung, soiveit sie sich auf die Unter-Tage-Arbeiter beziehen, erlassen werden kön­nen. Es frägt sich, ob diese der Neichsregierung gegebene Ermächtigung die angestrebte Senkung der Kohlen­preise im Gefolge haben wird. In den umstrittenen Ge­bieten rechnet man nach einer vorläufigen Schätzung mit einer Ersparnis von 25 Millionen NM. Dem steht gegen­über, daß die Beschlüsse auf der Genfer Kohlenkonferenz, die die Siebendretviertelstundenzeit unter Tage vorsehen, dem Steinkohlenbergbau Mehrkosten in Höhe von 75 Millio­nen Mark bringen.

Die Zucker Wirtschaft befürchtet, daß ihr durch die Verdoppelung der Zuckcrsteuer eine Preiserhöhung auf das Pfund Verbrauchszucker von 4 bis 5 Pfenig aufgezwungen wird, und daß sich eine stärkere Senkung des Absatzes be­merkbar macht. Schon jetzt errechnet sie, daß ein Absatzrück­gang von 1 Prozent ein Verlust für sie und die rüben- baucnöe Landwirtschaft von 4,5 Millionen ausmachen wirb.

Die in der Notverordnung angekünbigte Zollsenkung für Mehl wird bereits mit Wirkung vom 10. Juni ver­ordnet. Danach wird der Zollsatz, der bisher 51,50 RM. je Doppelzentner betrug, auf 43,17 RM. herabgesetzt.

Auf dem Gebiet des Aktienrechtes sind in der Not­verordnung Reformarbeiten angekündigt. Ein vorläufiger Entwurf zur Reform des Aktienrechtes ist im vorigen Herbst in der Öffentlichkeit zur Debatte gestellt worden. Die Vor­lage hat auch eine Länderkonferenz beschäftigt, wahrscheinlich wird noch vor Beginn des Herbstes die Reform des Aktien­rechtes als Regierungsvorlage dem Reichstag zugehen.

Einen reichsrechtlichen Nahmen hat die Regelung der Aufwertungszinsen erhalten. Mit dem 1. Januar 1032 tritt eine Erhöhung des Zinssatzes von 5 auf 7,5 Pro­zent ein. Eine Erhöhung der gesetzlichen Miete wegen der auf Grund des Aufwertungsschlußgesetzes erfolgenden Er­höhung des Hypothekenzinsfußes soll nicht erfolgen.

Die Parteien beraten

Fraktions- und Ausschußsttzungen im Reichstag.

TU Berltu, g. Juni. In der laufenden Woche werden einige Reichstagsfraktionen zur Besprechung der durch die neue Notverordnung geschaffenen politischen Lage z-usammentreten. Zunächst ist für heute die Fraktion der Staatspartet einberufen worden. Am Mittwoch tritt die Reichstagsfraktion der Wirtschaftspartet und der Fraktions- Vorstand der Sozialdemokraten zusammen. Am gleichen Tage wird der Aeltestcnrat zu den Anträgen der Kommu­nisten und der Nationalsozialisten auf Einberufung des Reichstages Stellung nehmen. Die Reichstagsfraktion der Sozialdemokraten versammelt sich am Freitag nachmittag.

In einer für Donnerstag nachmittag einberufenen Voll­sitzung des Reichsrates kommen zahlreiche kleinere Vor­lagen zur Erledigung.

Schwere Ausschreitungen in Alsdorf

Feuergefecht zwischen Kommunisten und Polizei.

TU. Köln, S. Juni. Am Sonntag nachmittag kam es tn Alsdorf zu schweren kommunistischen Ausschreitungen. Die KPD. hatte einen Demonstrationszug geplant, der jedoch von der Polizei nicht genehmigt wurde. Trotzdem versammel­ten sich etwa 000 Personen auf dem Marktplatz und zogen zum Kriegerdenkmal, wo sich ihnen Polizei und Landjäger entgegenstellten. Als die Beamten versuchten, den Zug auf­zulösen, wurden sie zunächst mit Steinen beworfen und, als sie den Gummiknüppel zogen, auch beschossen. Nunmehr griffen auch die Beamten zur Schußwaffe, so baß ein regel­

rechtes Feuergefecht entstand. Von Seiten der Demonstran­ten sind etwa 3060 Schuß abgegeben worben. Inzwischen hatte man das Ueberfallkommanüo in Aachen alarmiert, das in kurzer Zeit zur Stelle war und die Menge zerstreuen konnte. Später nahm man bet einzelnen Demonstranten eine Durchsuchung nach Waffen vor, die jedoch ergebnislos blieb. Von den Landjägern ist einer durch einen Steinwurf gegen den Unterleib schwer verletzt worden. Mehrere an­dere Beamte wurden durch Stetnwürfe und Faustschläge leicht verletzt. Nach Ansicht der Polizei müssen einige Kom­munisten durch Schüsse verletzt worden sein.

Die deutschen Minister in London

Erstes Origtnalbilb von dem Besuch der deutschen Minister in England. Reichskanzler Brüningllj und Reichsanßen- mtnister Curtius(2) mit dem deutschen Botschafter in London von Neurath (3) und Dr. P lamec ke(4) auf dem Dachgarten des Carltonhotels in London, wo sie wäh­rend ihres Londoner Aufenthalts Wohnung nahmen.

Kleine politische Nachrichten

Der FilmIm Westen nichts Neues" bedingt zuge- laffen. Der FilmIm Westen nichts Neues" ist nach er­neuter Prüfung zur Vorführung im Deutschen Reich zu­gelassen morden. Der Film darf jedoch nur von den gesetz­gebenden Körperschaften des Reiches und der Länder, sowie in geschlossenen Veranstaltungen vorgeführt werden. Aus­geschlossen von den Vorführungen sind Vereinigungen, die sich zum Zwecke der Vorführung des Bildstreifens bilden. Vor Jugendlichen darf der Bildstreifen auch in geschloffenen Veranstaltungen nicht vorgeführt werden.

Wiederaufnahme der deutsch-rumänischen Handelsver- tragsverhandlunge». Die deutsch-rumänischen Handelsver­tragsverhandlungen sind in Berlin wieder ausgenommen worden. Deutscherseits werden sie von Ministerialdirektor Posse geführt.

Statt Bestrafung Ordensauszeichnungen. Unter der UeberschrrftDer Staatspräsident erkennt die Verdienste der Aufständischen in Ostoberschlesien an" berichtet die War­schauer ZeitungPolska Zachvtnia" mit Genugtuung davon, daß ans der nächsten Liste der Ordensverleihungen, die in diesen Tagen vom Staatspräsidenten unterzeichnet worden ist, eine ganze Reihe von führenden Aufständischen verzeich­net ist.

1155 Alkoholausschankstellen werde» geschlossen. Das pol­nische Finanzministerium hat eine Verfügung erlassen, derzu- folge 1155 Alkoholausschaukftellen aufgehoben werden sollen, die die im neuen Alkoholgesetz vorgesehene Höchstsatz! über­schreiten. Nach diesem Gesetz sind auf dem ganzen Gebiet der polnischen Republik nicht mehr als 20 000 Verkaufsstellen für Alkohol zulässig. Auf Grund der bisherigen Praxis be­steht die begründete Befürchtung, daß auch diese Verfügung von den ausführenden Verwaltungsorganen einseitig zu Un­gunsten der Angehörigen der Minderheiten ausgeschlachtet werden.

Wahlkampf in Spanien. In ganz Spanten ist der Wahl­kampf in vollem Gange. Der Außenminister Lerroux hielt in Valencia eine große Wahlrede, in der er die Einrich­tung von 30 000 neuen Schulen forderte. Die bisherige Fütz- rerstellung der kattz. Kirche in Spanien müsse aufhören. In Madrid forderte ein Kommunistenführer die Verteilung des Landes und den revolutionären Kamps gegen die Kirche.

Nachrichten aus U.S.A.

Der Vetter des mexikanischen Präsidenten ans Versehe« erschossen.

TU Neuyork, 9. Juni. Aus Ardmore (Oklahoma) wird gemeldet, daß Emilio Cortes Rubio, der Vetter des mexi­kanischen Präsidenten mit seinem Begleiter Manuel Gomez auf einer Autofahrt von einem Polizisten erschossen wurde, der die beiden Männer mit Banditen verwechselte.

Riesenbrand in Norfolk.

TU Neuyork, 9. Juni. In Norfolk (Virginia) brach ein Feuer aus, Las sich mit rasender Geschwindigkeit ausbreitete und mehrere Straßenzüge mit zahlreichen Geschäfts- und Lagerhäusern vernichtete. Der Brand griff auch auf ein im Hafen liegendes Schiff über, wobei ei« großer Petroleum­tank explodierte. 20 Personen wurden verletzt. Die Feuer­wehren aus sechs Nachbarstädten wirkten an der Brandbe­kämpfung mit.

Die Münchner Brandkatastrophe

Im Programm der Berliner Funkstunde sprach aus An- laß der Vernichtung des Münchener Glaspalastes der Generaldirektor der staatlichen Museen, Kommerzienrat, Professor Dr. Waetzolb. Die diesmalige Ausstellung im Glaspalast wollte einen Ueberblick über die gesamte deutsche zeitgenössische Kunst geben. Die Gruppierung um die roman­tischen Meister sollte zu erkennen geben, daß in ihnen die Ahnherren der lebenden Künstler zu sehen sind. Die Aus­stellung sollte greifbar und sichtbar machen, daß es auch in Deutschland eine Tradition in der Malerei gibt. Sammler, Museen und Künstler hatten dazu ihre Schätze zusammen­getragen. Sic sehen sie nie wieder. Jedes der ver­brannten Bilder stellt ein Kapital in der deutschen Kunstgeschichte dar. Das deutsche Natio­nalvermögen, soweit cs in Museen investiert war, hat einen schmerzhaften Verlust erlitten.

Zivei Lehren ließen sich aus diesem Unglück ziehen. Die deutschen Sammler, Museen und Künstler werden sich in Zukunft sehr überlegen müssen, ob sie unersetzbare Originale zu Ausstellungen leihen, die nicht gegen Feuer und Dieb­stahl hinreichend gesichert sind. Für Berlin möge sich daraus ! der Schluß ergeben, die Frage der Schaffung geeigneter Ausstellungsräume für unsere Künstler erneut in Fluß zu bringe». Wenn das Münchener Feuer dazu bettrage, daß in Deutschland künftig der Kunst wieder mehr Liebe ent- gege,«gebracht würde, dann habe es auch etwas Gutes ge­bracht.

Anläßlich des Brandes des Glaspalastcs hat Vize­kanzler Dietrich folgendes Telegramm an die bayrische Staatsregierung gerichtet:Die Nachricht von dem uner­setzlichen Verlust, den die deutsche Kunst durch den Brand des Münchener Glaspalastcs erlitte» hat, trägt die Ncichs- regierung aufs tiefste mit dem Lande Bayern und der Kunst­stadt München Trauer um die Werke dieser lebenden Meister und um die ehrwürdigen Schätze der deutschen Vergangen­heit.

An den durch den Brand des Münchener GlaSpalastes entstandenen Verlusten ist auch die Stuttgarter Sezes­sion erheblich beteiligt. Mit Ausnahme von drei hatten sämtliche Mitglieder der Stuttgarter Sezession ausgestellt. Insgesamt etivas über 70 Bilder und zivei Plastiken. Davon stirb nur 13 Bilder gerettet worden.

Seebeben in der Nordsee

TU. London, 9. Juni. Der Bericht des Kapitäns eines englischen Dampfers scheint die Vermutung zu bestätigen, daß der Herd des Erdbebens, das am Sonntag ganz Eng. lanö heimgesucht hat, in der Nordsee nahe der englischen Küste zu suchen ist. In dem Bericht heißt es, daß tn der Nacht zum Sonntag ziemlicher Seegang und dichter Nebel herrschten. Das Schiff sei etiva 80 Meilen von Scarbourough entfernt gewesen, als die Besatzung plötzlich das Gefühl ge­habt habe, als ob eine Bombe unter dem Schiff explodiert sei. Das Seebeben sei von lautem, donnerähnltchem Getöse begleitet gewesen. _

Aus aller Welt

Revolte im Erziehungsheim.

Ain 18. Juni soll vor dem Schwurgericht in Lüneburg der Prozeß beginnen, von dem man endgültige Aufklärung über die schweren Mißhandlungen im Erziehungsheim Scheuen und über die Schuld an diesen Vorgängen er­wartet. Diese Mißhandlungen, die sich vor allem im An­schluß an eine Revolte abspielten, sind soweit bis jetzt be­kannt wurde allerschlimmster Art gewesen,' einer der Zögliirge, Hans Ledebur, fand dabet den Tob. In der Öf­fentlichkeit ist tn wachsendem Maße der frühere Direktor der Anstalt, Paul Straube, für die Mißhandlungen verantwort­lich gemacht worden,- ja man hat ihn geradezu als Anstif- > ter der Vorgänge bezeichnet. Er ivird nun zusammen mit seinen revoltierenden Zöglingen auf der gleichen Anklage­bank Platz nehmen. Daß es sich bei den Vorwürfen gegen Straube um sehr schwerwiegende Dinge handelt, muß daraus geschlossen werben, daß erst kürzlich ein Berliner Gericht in einem Beleidigungsprozeß den Direktor als einenTot­schläger und Menschenschinder" bezeichnte. Mit 36 Ange­klagten, denen etwa 15 Anwälte zur Seite stehen, und init fast ebensoviel Zeugen verspricht das Verfahren vor dem Schivurgericht et» Monstreprozeß zu «»erben, der etwa vier Wochen tn Anspruch nehinen ivird.

Zwei junge Deutsche a«f einer Gkiwanberung durch Lappland ertrunken.

Wie aus Kiruna in Norbschweden gemeldet wird, «vurden seit einigen Tagen zwei junge Deutsche vermißt, die sich auf einer Sktlvanberung durch Lappland befanden. Die Vermu­tung, baß sie ums Leben gekommen seien, hat sich jetzt be­stätigt. Die von der Polizeibehörde in Kiruna ausgeschickte Hilssexpebitivn hat 9 Km. vom Bahnhof Torneträsk entfernt die Leiche des 19jährigen Chemigraphen Edgar Lindner aus Leipzig gefunden. Von seinem Kameraden angeblich han­delt es sich um einen Studenten namens Vogel aus Leip­zig wurden mehrere Kleidungsstücke gesunden. Die beiden Wanderer sind beim Uebergueren im Eis eingebrochen und ertrunken.

Französisches Jndienflugzeug abgestürzt.

Wie Companie Air Orient meldet, ist das zwischen In- bochina und Frankreich verkehrende Postflugzeug südlich von Akyab tn einen Fluß gestürzt. 3 Piloten ertranken. Passa­giere befanden sich nicht an Bord. Havas fügt hinzu, daß sehr möglich doch ein Fahrgast das Flugzeug benutzt und ebenfallS den Tod gefunden habe.

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