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Nr. 132
Mittwoch, den 10.Juni 1931
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Jahrgang 104
Die Reichsregierung vor schweren Entscheidungen
Dementierte Gerüchte um ein Moratorium — Der Schlüssel zum Revisionrproblem liegt in Amerika — Englischer Gegenbesuch in Berlin
TU. Berlin, 10. Juni. Amtlich wird mitgeteilt: Gegenüber Meldungen, die erklären, daß die Neichsregierung in den nächsten Tagen bereits Beschlüsse bezttgl. eines Transfer-Moratoriums treffen würde, wird von zuständiger Stelle festgestellt, daß diese Mitteilungen jeglicher Begründung entbehren. Die Reichsregierung hat keinerlei Beschlüsse gefaßt. Sie wird sich auch nicht durch derartige Fehlmeldung zu voreiligen Handlungen drängen lassen.
Es kann allerdings nicht verschwiegen werden, daß Informationen solcher Art geeignet shid, die Neichsregierung in ihrer Handlungssreiheit zu beschränken und Schaden anzurichten.
Es ist zwar mit Sicherheit zu erwarten, daß das Kabinett die Moratoriumsfragc auf Grund der Londoner Besprechungen eingehend erörtern wird. In politischen Kreisen glaubt man aber, daß ercksprcchenb dem amtlichen Dementi das Ncichskabinett einen derartigen Beschluß nicht fassen wird. Eine Moratoriums-Erklärung würde zunächst nur die Folge haben, daß einige 300 Millionen Mark nicht in Devisen, sondern in Mark ausgezahlt werden müßten, so daß zwar eine Devisen-, aber keine Geldersparnis einträte. Die Maßnahme, die überdies erst nach Ablauf eines Vierteljahres in Kraft treten könnte, würde vorerst also keine Zahlungs- entlastung für Deutschland bringen, da es noch ein ganzes Jahr lang die vollen Aoung-Zahlungen an die Bank sür internationalen Zahlungsausgleich zu entrichten hätte.
Die Vermutung liegt daher nahe, daß die Regierung versuchen wird, andere Wege einzuschlagen. Ueber die Möglichkeiten, die etwa in Betracht kommen, ist bereits eine rege Diskussion im Gang, in deren Vordergrund zwei Pläne stehen: die Einberufung des beratenden Sonderausschusses der BIZ. und die Anberaumung einer internationalen Reparationskonferenz. Für welchen Weg die Negierung sich entscheiden wird, soll erst in den bevorstehenden Kabinettsbesprechungcn eingehend erörtert werden.
Ministerpräsident Macdonald und Außenminister Hcn- derson haben die anläßlich des Besuches in Eheguerß ausgesprochene deutsche Einladung zu einem Gegenbesuch in Berlin angenommen. Der Zeitpunkt und die Einzelheiten dieses Besuchs stehen zur Zeit noch nicht fest.
Frankreich und Italien über Chequers informiert.
Außenminister Henderson hat am Montag den französischen und den italienischen Botschafter im Foreign Office empfangen und ihnen das Ergebnis der Besprechungen in Chequers mitgeteilt. Es geschah dies, wie die „Times" meldet, um die italienische und französische Negierung nicht unnötig lange warten zu lassem Briand erklärt. Der Noungplan kann nicht abgeändert werde«.
In der gestrigen Sitzung der französischen Kammer kam Außenminister Briand auch auf das Rcparationsproblem zu sprechen. Der Minister führte u. a. aus: „In Bezug auf die Reparationen kann Deutschland seine eigenen Auffassungen vertreten. Das ist sein Recht. Wir aber haben die unseligen und man wird die feierlichen Verträge nicht in Frage
Brünings nächster Kampf
-- Berlin, 10. Juni. Reichskanzler und Rcichsaußenmini- ster haben gestern nach einem höflichen Telegrammwechsel mit dem britischen Ministerpräsidenten England verlassen. Sie werden erst heute abend wieder in Berlin eintrcffen, weil die „Europa" infolge Nebelbildungen im Kanal eine Verspätung von einigen Stunden hat. Ob es unter diesen Umständen noch am gleichen Abend zu einer Kabinettssitzung über Chequers kommen wird, läßt sich nicht erkennen. Bestimmt wird aber das Kabinett am Donnerstag zusammentreten, gleichzeitig wird dann der Kanzler auch die verschiedenen Parteiführer empfangen und festzustellen versuchen, mit welchen Fraktionsentscheidungrn zu rechnen sein wird. Die Vermutung, daß Brüning zur Nachgiebigkeit nicht seneigt sein wird, hat sehr viel für sich. Es ist nicht ausgeschlossen, daß er die Parteiführer vor die Wahl stellen wird, entweder Zustimmung zur Notverordnung oder Aufhebung und bann erneute Neichstagsauflösung. Vor Neuwahlen aber haben die meisten Parteien Angst. Sollte der Kanzler wirklich diesen Trumpf ausspielen, dann rückt die Sommerta- gung des Reichstags wieder in die Ferne. Fraglich erscheint es allerdings, ob es nicht doch der Opposition geling«, wird, die Arbeit der Reicbsresieruna zu störe», *
stellen können, ohne daß wir unsere Zustimmung erteilen. Der Noungplan kann nicht abgeändert werben, denn er hat einen endgültigen Charakter. Von einer etwaigen Absicht, den Noungplan zu revidieren, habe ich keine Kenntnis erhalten. Wenn dies jedoch der Fall gewesen wäre, so hätte ich nichts ohne das Parlament unternommen."
Italien für Streichung -er Differenz zwischen Kriegsschulden und Tributen.
Im halbamtlichen Giornale ö'Jtalia schneidet Gaida am Dienstag die italienische Auffassung über die Behandlung des Tributproblems an. Seine Ausführungen sind im Hinblick auf Sie nahen Beziehungen -es Verfassers zum Palazzo Chiggi als vom Außenministerium inspiriert anzusehen. Die Formel, die Gaida aufstellt, ist folgende: „Wenn jeder Staat auf das Mehr der Reparationen verzichten würde, das er über die Deckung seiner eigenen Kriegsschulden hinaus von Deutschland erhält — Gaida bezeichnet diese Spanne als Nettogewinn — so könne er seinen Verpflichtungen Nachkommen, gleichzeitig aber den deutschen Finanzen eine beachtliche Hilfe leisten. Ein derartiger Verzicht würde auch einen ersten wirksamen Beitrag zur praktischen Beschränkung -er Rüstungen -arstellen und durch den Beweis des guten Willens und des versöhnlichen Geistes Europas, Amerika zu einer gemäßigteren Regelung der Kriegsschuldenfrage veranlassen."
Amerikas Standpunkt: Seine Revision phne wirklich« Abrüstung.
Obwohl die Berichte über die StelknngnaAne der Washingtoner Regierung in Einzelheiten stark voneinander ab- wcichcn, stimmen sämtliche Meldungen in der Feststellung überein, daß die Regierung bei allem Verständnis für Deutschlands schwierige Lage keine Moratoriums- Erklärung oder Revisions-Initiative vor dem Ende des Sommers erwarte. Die Kundgebung des Reichskabinetts werde in Washingtoner Regierungskreisen eher als für den Hausgebrauch bestimmte „Verzuckerung der neuen Steuerpille", denn als unmißverständliches offizielles Revisiönsersuchen gedeutet. Die Pressekommentare weisen aber einmütig darauf hin, -aß eine wesentliche Herabminderung der europäischen Rüstungen die Hoover-Regierung zweifellos dazu führen könnte, an die Frage der Revision -er interalliierten Schuldenab- machnngen mit größerem Wohlwollen heranzntreten. Stim- son werde nicht verfehlen, den Standpunkt -er amerikanischen Regierung mit stärkstem Nachdruck in den europäischen Hauptstädten vorzutragen. Er werde gleichzeitig her» vorheben, daß ohne eine wirkliche Rüstungseinschränkung der europäischen Mächte weder der amerikanische Kongreß, noch die öffentliche Meinung Amerikas für ein Entgegenkommen in -er Schuldenfrage zu gewinnen seien. Newyork Times hält es nicht für unmöglich, daß ein praktischer Weg gesunden werden kann, der die Schuldenfrage mit Ser Abrüstung verknüpft. Die Schuldenabkommen stellten «in wertvolles Handelsobjekt in den Händen Amerikas dar und arbeiteten für die Sicherung des Weltfriedens.
Einwände -er Staatspartei gegen -ie Notverordnung.
Die Reichstagsfraktion -er Deutschen Staatspartei hielt am Dienstag abend eine Sitzung ab, an der «. a. Reichsfinanzminister Dr. Dietrich teilnahm. Nach längerer, teilweise sehr lebhafter Aussprache wurde folgende Entschließung angenommen: „Die Fraktion hält wesentliche Teile der Notverordnung für verfehlt und mit ihren grundsätzlichen Auffassungen nicht vereinbar. Wegen der sozial und wirtschaftlich notwendigen Aederungen und Ergänzungen wird die Fraktion mit dem Reichskanzler verhandeln. Von dem Ergebnis dieser Verhandlung macht di« Fraktion ihre endgültige Haltung abhängig.
4 Millionen Arbeitslose
TU Berlin, 10. Juni. Nach dem Bericht der Reichsanstalt für die Zeit vom 15.—31. Mai war die Entwicklung des Beschäftigungsgrades in der zweiten Mai-Hälfte nicht ungünstig. Seit dem 16. Mai hat die Zahl -er Lei den Arbeitsämtern gemeldeten Arbeitslosen um rund 1440 000 abgenommen. Am 81 . Mai belief sie sich auf rund 4 067 000. In der Arbeitslosenversicherung wurden am letzte» Stichtag rund 1579 000 HauptunterstützungSempsänger gezählt. Die Belastung -er Krisenfürsorge hat sich weiter, xnd -war aus rund SS9 00L erhöht. Ueber die Auitetluna de, Gesamtzahl
Tages-Spiegel
Reichskanzler Brüning und Außenminister Curstus haben gestern die Rückreise a«A England ««getreten. Die Minister werbe» morgen vor dem Reichskabinett berichten.
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Ueber die von der Neichsregierung einznschlagen-en Wege zur Revision -es Aoungplanes besteht noch keine Klarheit. Gerüchte über ein Transsermoratorium werden amtlich dementiert.
Der französische Außenminister Briayd hat in der Kammer erklärt, der Noungplan könne nicht abgeändert werden, «nb Deutschland einen Tadel wegen -er Stahlhelmknnd- gebung in Bresla« erteilt.
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I« Gegenwart des frühere» amerikanische» Botschafters Schurmann wnrde Sestern in Heidelberg Las neue Uni- »ersttStSgebände eiugeweiht. Die badische Staatsregieruug verlieh Schnrmann die badische Staatsplakctte.
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I« Breme« ereigneten sich in verschiedenen Stadtteilen planmäßige Ueberfälle von Kommunisten anf Nationalsozialisten, wobei 15 Anhänger der letzteren verletzt wurde«.
der Arbeitslosen nach der Art der gewährten Unterstützung liegen zur Zeit Zahlen erst für Ende April vor.
Zu diesem Zeitpunkt wurden von 100 Arbeitslosen im Reich durchschnittlich 86,7 unterstützt, davon die Hälfte aus der Arbeitslosenversicherung, knapp ein Viertel aus der Kri- seufürsorge, etwas mehr als ein Viertel aus Mitteln -er öffentlichen Fürsorge.
Den Erivartungen entsprechend, haben die saisonmäßigen Einflüsse zum größeren Teil zur Gestaltung der Lage beigetragen. In den Saisonanßenberufen im engeren Sinne, d. h. also hauptsächlich in der Landwirtschaft und im Baugewerbe und in einzelnen Teilen der Berussgrnppen (Steine und Erde) haben diese Einflüsse sich jedoch im Vergleich zum Vorjahr nur in geringem Umfange entwickeln können. Verschiedene Berussgrnppen, die dem letzteren Verbrauch dienen, haben wiederum an der Entlastung des Arbeitsmarktes erheblichen Anteil. Im einzelnen sind am Arbeitsmarkt -es Kohlenbergbaues Zeichen eines Stillstandes Ser bisherigen rückläufigen Entwicklung zu erkennen.
Haststrafe für französische Flieger
TU. Kaiserslautern, 10. Juni. Das Amtsgericht Kaiserslautern hat -ie am Mittwoch vergangener Woche bei Enkenbach gelandeten französischen Fliegerunterofsiziere wegen Vergehen gegen das Strafgesetz und das Luftverkehrsgci-tz zu einer Haftstrafe von je 8 Tagen verurteilt. 5 Tage der erlittene» Untersuchungshaft werden angerechnet. B 'de haben -ie Strafe angenommen. Das Flugzeug wnrde inzwischen abmontiert und nach Frankreich zurückgeschickt.
Grubenunglück in Neurode
TU. Neurode, 10. Juni. In der Nacht zum Mitlrrn ereignete sich auf der 4. Sohle der Neuroder Kohlen- und :i» werke in Kohlcndorf bei Neurode ein Kohlensäureausbr ich. Bisher wurden 6 Tote geborgen. Nähere Einzelheiten fehlen noch.
Streikunruhen in Spanien und Noi
Straßenkämpse in Barcelona.
TU Madrid, 10. Juni. In Barcelona kam es am Dienstag zu schweren Zusamenstößen zwischen Syndikalisten und Sozialisten. Die Syndikalisten versuchten die Belegschaft einer Drcchtfabrik in den Streik zu Hetzen. Die Sozialisten weigerten sich aber der Streikparole zn folgen. Im Verlauf der Auseinandersetzungen griffen die Syndikalisten zu den Revolvern und schossen auf ihre Gegner, öle das Feuer erwiderten. Schließlich waren in den Kamps einige hundert Arbeiter verwickelt, der durch das Einschreiten der Polizei beendet werden konnte. Bisher find 11 Schwerverletzte zu verzeichnen. Als die Menge erfuhr, baß in der Fabrik ein Führer der Syndikalisten schwer verwundet liege, wollten sie di« Fabrik stürmen und den Verivundeten lynchen. Beritten« Polizei ging mehrmals gegen die Menge vor.
Schwere Ausschreitungen bei Oslo.
TL1 Kopenhagen, io. Juni. Wie a»S Oslo gemeldet wird, kam eS dort zwischen Kommunisten und Arbeitswilligen, die sich zu einer bestreikten Fabrik begeben wollten, zn schwere» Zusammenstößen. Die Polizei, die di« Arbeitswilligen schützen wollte, wurde mit Steinen beworfen. Im ganzen wurde« 14 Polizisten schwer verletzt. Die Fabrikanlage» stehe» unter militärischem Schutz. Im ganzen nahmen etwa 1000 Kommunisten an dem Uebersall teti» während die Pvlizct nur a«S 00 Ma»« bestand.