Der Reichskanzler über die Regierungspolitik

Dr. Brüning fordert Gerechtigkeit für den Unterdrückten Erst Ordnung im eigenen

Hause, dann Revision der Reparationen

TU. Oldenburg, 12. Mai. Reichskanzler Dr. Brüning , sprach am Sonntag abend in einer stark besuchten Zentrums­versammlung in Cloppenburg. Es sei notwendig, den Weg > der Verantwortung zu gehen und dafür zu sorgen, daß im Volke Klarheit über die Lage geschaffen werde. Viel zu leicht laufe heute das Volk noch denen nach, die Wunder vom Him­mel versprechen. Wenn man versuche, bas Volk anfzuhetzen, so lasse bas die Regierung völlig kalt. Sie fürchte aber, bah die aufgebrachten Massen einmal denen nicht mehr folgen werden, die sie aufgehetzt habe», sondern noch radikaleren Parteien. Wenn man Experimente in der Politik wie in ! einem Laboratorium machen könne, dann wäre er gewiß der­jenige gewesen, der früher vorgeschlagen hätte, die Rechte ein­mal allein regieren zu lassen. Aber da man die Schäden, die eintreten würde», nicht so leicht wieder gutmachen könnte, so werbe man es nicht anders machen können, als daß die Regierung den schweren Weg sachlicher Arbeit allein weiter­gehe, um bann die Parteien vor die Verantwortung und Entscheidung zu stellen. Die größten Entscheidungen würben dem deutschen Volke nicht erspart bleiben.

Dr. Brüning ging dann auf w ir t s ch a f t Sp o li t i s ch e Fragen ein und betonte, daß die Führer der Wirtschaft wohl Kritik am Staat und an der öffentlichen Hand übten,' sie hätten aber ebenfalls Grund, sich an die eigene Brust zu schlagen. Nicht nur Politiker u. Staatsmänner, auch die Füh­rer großer Wirtschaftsorganisationen, wie die des Reichs- lanbbundes, hätten Fehler gemacht. Die Führer des Reichs- landbunbes sollten endlich den Mut aufbringen, ihre» An­hängern einmal die Wahrheit über das politisch Mögliche zu sagen. Die Negierung sei gern bereit, sich mit der sachlichen Kritik an ihren agrarpoltttschen Maßnahmen auseinander zu setzen, müsse es aber ablehnen, daß von Führern großer Or­ganisationen gehässige Kritik an ihr geübt werde, obwohl sie den Preis für Wetzen und Roggen auf das Zweieinhalb- bis Dreifache des Weltmarktpreises gesteigert habe und damit die höchsten Getretdepreise aller Länder halte.

Zur Pretssenkungsaktion betonte der Kanzler, man könne nicht erwarten, daß mit einem Schlage die Preise um 30 v. H. heruntergtngen. Brüning streifte bann die Ar­beitslosenversicherung und beschäftigte sich eingehend mit den Finanzfragen. Die Entscheidung liege darin, daß die Zeit des neuen Schnldenmachens anfhöre und schärfste Sparmaßnah­men am Platze seien. Das Wichtigste sei, daß nicht die ge­schätzten Einnahmen die Ausgaben decken, sondern die tat­sächlichen Einnahmen. Die Wirtschaft müsse wissen, woran sie sei, sonst gehe neues Kapital nicht in die Wirtschaft hin­ein. Gewisse Steuern, wie die Grundvermögens- und die Gewerbesteuer dürften, da sie eine Höhe erreicht haben, die . die Wirtschaft unter allen Umständen auf die Dauer erdros- ' sein und ersticken müßten, nicht mehr erhöht werden. Man

Wie nirgendwo anders haben sich die Grenzbestimmungen des Versailler Friednsvertrages im deutschen Osten verhäng­nisvoll ausgewirkt. Die willkürlich gezogene Grenze hat Wirtschaftsgebiete zerrissen. Verkehrswege durchschnitten und aus einem blühenden und aufsteigenden Landstrich ein Grenz­land voll bitterster Wirtschaftsnot gemacht. Nicht weniger als 13 Bahnlinien, diese Adern der modernen Wirtschaft,

TU. Berlin, 11. Mai. Amtlich wird mitgetetlt:Die Ver­handlungen mit den Berliner Mühlen und Bäckern über eine Senkung des Brotpreises wurden am Samstag unter Vorsitz von Ncichsminister Schiele fortgeführt. Sie hatten folgendes Ergebnis:

Die Berliner Noggenmühlen erhalten aus den Beständen der Getretdehandelsgcsellschaft Roggen angeliefert mit der Verpflichtung, bas Roggenmehl zum Preise von 27 Reichs­mark ab Mühle oder von 28 Reichsmark rein Bäckerhaus netto Kasse zu liefern. Dieses Mehl darf nur an solche Be­triebe abgegeben werden, die sich verpflichten, den vom Zweck­verband der Bäckermeister Groß-Berlin seinen Mitgliedern empfohlenen Brotpreis nicht zu überschreiten.

Der Zweckverband hat sich seinerseits verpflichtet, sich set­

müsse alles tun, daß nicht ein wertvoller schaffender Teil des deutschen Volkes monatelang, jahrelang von der produktiven Arbeit gegen seinen Willen ausgeschaltet werbe. Man müsse alles unternehmen, um die Kaufkraft in Deutschland nicht zu untergraben und die Wirtschaft in die Lage zu versetzen, wieder Arbeit zu vergeben und Arbeiter einzustellen.

ES müsse gespart werden, um die finanzielle« Schwierig­keiten zu überwinde«. In welcher Form das z« geschehe« habe, werbe die Regierung in 14 Tagen dem bentschen Volke verkünde». Wir habe«, so betonte der Kanzler, bestimmte Gründe, weshalb wir im Augenblick noch nicht mit «nsere« Maßnahme« hervortrete«. Das find nicht Gründe der Art, daß die Regierung Angst davor hätte, dem dentschen Volke die Wahrheit z« sagen «nb daß sie an konkrete gesetzgebe­rische Arbeite« nicht heranzugehen wage.

Zur Außenpolitik übergehend, betonte der Kanzler, wenn man glaube, Erfolge in der Reparationspolt- ttk zu haben, bevor man bas eigene Haus in Ordnung ge­bracht habe, dann täusche man sich ganz gewaltig, wie die erste Inangriffnahme des Revistonsproblems tm Jahre 1928 gezeigt habe. Diejenige Regierung wäre verantwortungs­los, die den an sich von der Regierung als notwendig er­kannte« «nb bezeichnet«» Schritt zur Senkung «nserer Re- parationslafte» unternehme, ohne gleichzeitig die Grundlage z« schaffen, um den schwierigen Kampf und die schwierigen Verhandlungen um diese Reparationen durchhalte« z« kön­ne«. Der irre sich gewaltig, der glaube, daß man mit Po­saunenblasen und Trommelwirbel etwas erreichen könne. Der Reichskanzler wandte sich nunmehr der Kammerrede Brianbs zu und rügte unter Hinweis auf die ungeheuren Frtebensopfer des deutschen Volkes die an­maßenden Verdächtigungen des französischen Außenmini­sters. sUeber diesen Teil der Rede wurde bereits in der gestri­gen Ausgabe berichtet.) Dann fuhr Dr. Brüning fort: Die ganz große Aufgabe sei es, dafür zu sorgen, daß volles politisches Vertrauen in die Welt einzieht, und daß alles vom Standpunkt der Furchtlosigkeit aus geregelt wird.

Diese Furchtlosigkeit werde dann eintreten, wenn man den Völkern, die den Krieg verloren haben, völlige Gerech­tigkeit widerfahren lasse. Das Mißtrauen könne nur aus der Welt geschafft werden wenn die Furchtlosigkeit wieder ein- ztehe und das sei nicht durch Rüstungen, sondern nur durch die Verbreitung der Erkenntnis, daß man Gerechtigkeit anch für de» Unterdrückte» schaffen müsse, zu erreichen. Sicherlich werde diesen Worten eine Kritik folgen, jedoch scheue er sich nicht, seine Ueberzeugung auszusprechen, daß eine Politik des Ernstes und der Sachlichkeit am meisten geeignet sei, uns langsam nach außen hin etwas Luft zu schaffen. Denn die Kraft der Unterdrückten liege darin, Ideale aufzustellen und mit großer Inbrunst dafür zu kämpfen.

sind von der Grcuze zerschnitten nno znin größten Teil für den Verkehr gesperrt worden. Links sehen wir eine Brücke über die Netze bei Usch. Die Polen haben die Brücke mit Stacheldraht verrammelt und den Schienenstrang auf ihrer Seite aufgerissen. Rechts sehen wir die frühere zweigleisige Eisenbahnlinie Berlin-Warschau bei Neu-Bentschen, die jetzt abgetragen wird.

nen Mitgliedern gegenüber dafür einzusetzen, daß vom 18. Mat ab das Brot in dem bisherigen ortsüblichen Geivicht und in der bisherigen Qualität zu einem Preise von 27 Reichspfennig abgegeben wird.

Sobald sich die Senkung des Weizenmehlpreises, die durch die Regierungsmaßnahmen veranlaßt ist, in angemessenem Maße ausgewirkt haben wird, werden die Verhandlungen über die Möglichkeit einer weiteren Verbilligung des Brot- preises fortgeführt werden.

Do X leicht beschädigt

TU. Rewyork, 11. Mat. Nach einer Meldung derNgeneia Brastletra aus Boloma ist der Do X bei seinem Startversuch leicht befchädigt worben. Es sei daher notwendig -»worden, den Start nach Amerika zu verschiebe«.

Dingeldey zur Lage

Düsseldorf, 12. Mai. In einer Kundgebung der Deut­schen Volkspartet sprach am Sonntag der Parteiführer Ab­geordneter Dingeldey über wirtschaftliche und politische Gegenwartsfragen. Der Redner verbreitete sich u. a. darüber, oh die Bewegung der Nationalsozialisten ms.ande würde, die augenblicklichen Mißstänbe zu be- ungeheure Gefahr, welche die nativnalsozia- Usttsche Bewegung für die deutsche Jugend mll> für bas ganze Voll darstellt, liege darin, baß aus verschiedenartigen, aber zum größten Teil guten Motiven eine Bewegung in die Hände von Persönlichkeiten gekommen sei, deren Wille und geistige Kraft nicht ausreichen, die Aufgaben zu lösen, die sich gestellt haben.

Zur Arbeit des BraunsausschusseS sagte Dingeldey: Der Weg, den der Brauns-Ausschuß gewiesen hat, führt zum Unglück. Es werden darin nicht positive Vor­schläge gemacht, sondern er ist eine Aufforderung zur weite­ren ansländischen Verschuldung und zur Auslieferung der Wirtschaft an die öffentliche Hand. Dieser Weg bedeutet weitere Ausbreitung des Staatssozialismus.

Internationale Handelskammer und Arbeitslosigkeit

Washington, 11 . Mat. Zur Frage der Arbeitslosigkeit nahm die IHK. eine von dem früheren Retchsmtnister Hamm vorgelegte Entschließung an, die ein Kompromiß mit der amerikanischen Auffassung barstellt. In der Ent­schließung heißt es: Angesichts der enormen technischen Ent­wicklung der Industrie und Landwirtschaft, teilweise auch in­folge des Krieges und seiner Nachwirkungen sei es nicht möglich gewesen, Ergänzung und Verbrauch in Uebereinstim- mung zu bringen. Um der Krise zu begegnen, sei es ratsam, daß die Bank für Internationale Zahlungen und ähnliche Institute mttwirkten, die Beweglichkeit des an ge­häuften Kapitals zu erhöhen. Alle Maßnahmen müßten gesunden wirtschaftlichen Grundsätzen entsprechen, eine übertriebene Belastung des Volkseinkommens vermei­den und die Beweglichkeit von Arbeit und Industrie för­dern.

Kleine politische Nachrichten

Einweihung des Lnstschisferdenkmals in Berlin. Am Sonntag fand in Berlin die feierliche Enthüllung des Ehren­mals für die Kameraden der ehemaligen Lnftschiffcrgruppe des deutschen Heeres statt. Das Denkmal ist den gefallene» 73 Offizieren und 70« Unteroffizieren sowie den Mannschaf­ten der Luftschtffertruppe in treuem Gedenken ihrer Pflicht­erfüllung für das Vaterland geweiht. Das Ehrenmal stellt einen Fesselballonbeobachter nach erfolgtem Fallschirmab­sprung dar.

Denkmalsenthitllung ans dem dentsche» Kriegerfriedhos in Warschau. Am Sonntag versammelte sich auf dem deutschen Kriegerfriedhof in Warschau die deutsche Kolonie zur feier­lichen Enthüllung eines Ehrennrals für deutsche Krieger, Sie auf diesem Friedhof ihre letzte Ruhestätte gefunden ha­ben. Das Denkmal ist das erste, bas seit Bestehe» des pol­nischen Staates auf einem deutschen Kriegcrfrtebhof in Polen errichtet werden konnte.

Aussprache HendersohnGrandi. Außenminister Grauüi wird am heutigen Dienstag nach Genf abreisen, ivo er zwei Tage vor Beginn der Ratstagung eintreffcn wirb. Wie es heißt, wird auch Henöerson zum gleichen Zeitpunkt in Genf etntrcffen. Die beiden Außenminister hatten ihr Zu­sammentreffen vor Beginn der Arbeiten festgesetzt, um sich über die Flottenfrage und verschiedene auf der Tagesord­nung stehende Fragen ausznsprechen.

Obligatorischer Religionsunterricht «nd Adelstitel in Spanien abgeschasft. Die spanische Regierung 'hat den obli­gatorischen Religionsunterricht in sämtlichen Schulen abge­schafft. Falls die Eltern den Religionsunterricht wünschen und der Lehrer sich weigern sollte, den Unterricht zu ertei­len, soll es in Zukunft Geistlichen gestattet sein, ohne Ge­haltsanspruch Religionsunterricht zu geben.

Rene Schwierigkeiten in Katalonien. Der Bezirk Tortosa im südlichen Teil Kataloniens hat sich geweigert, die Ver­fassung Kataloniens anzuerkennen, sondern fordert Selbst­verwaltung. Auch die Provinz Valencia fordert eine beson­dere Selbstverwaltung und hat bet der spanischen Negierung beantragt, in den Schulen ebenso wie in Katalonien die Dreisprachigkeit einzuführen.

Meuterei an Bord eines spanischen Kreuzers. Nach einer Meldung der Agentur Fabr aus Ferrol haben an Bord des spanischen KreuzersJaime l." die Matrosen wegen an­geblich schlechter Verpflegung den Gehorsam verweigert. Sie verließen geschlossen das Schiff und begaben sich unter den RufenEs lebe die Republik" in das Zentrum der Stadt. Einzelheiten über den Ausgang des Zwischenfalles sind nicht bekannt.

Russische Wechselfälscher

TU. Berlin, 12. Mat. Die Berliner Polizei hat eine Bande russischer Wechselfälscher festgenommen. Einer Ber­liner Dame wurden vor einiger Zeit sieben Wechsel der Sowjetvertretung in Berlin im Betrage von 83 0VÜ Dollar angeboten. Die Frau setzte sich aber vorsichtshalber mit der Sowjcthanöclsvertretung in Verbindung. Die Hersteller, vier russische Emigranten, wurden von der Polizei festge­nommen. Sie gehören anscheinend einer größeren inter­nationalen Bande an. Es wurde festgestellt, daß die Fälscher beabsichtigten, nach dem Gelingen dieses Streiches weitere falsche Wechsel im Gesamtbeträge von ö Millionen in Um­lauf zu setzen.

Fälschung von Postwertzeichen in Polen.

Die polnischen Sicherheitsbehörden sind in Lodz einer ungewöhnlichen Fälscheraffäre auf die Spur gekommen. ES wurde festgestellt, daß bis jetzt für über 1 Million Zloty ge­fälschter Briefmarken in Umlauf gesetzt wurden. BtS setz« ist eS der Polizei noch nicht gelungen, der Fälscherbande hab­haft zu werde«.

Die Not des deutscken Ostens

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Brotpreisregelung in Berlin