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Nr. 109
Amis- unä Anzeigeblall für äen Oberamtsbezirk (alw
Dienstag, den 12.Mai 1931
Bezugspreis: lln äer 8tacIt4<XZoIäpfennigr wöchentlich mit Drägerlohn Post-Bezugspreis 40 Solck- psenntge ohne Bestellgelä
Schluß äer Anzeigenannahme 8 Uhr vormittag»
In Fällen höherer Seivalt besteht kein Anspruch auf Lieserung äer seitung oäer auf kückzahkmg ä«, vezug-preisee
Zernsprecher Nr. 8
verantwort!. Schriftleitung: Zrieärich Han» Scheel« Druck unä Verlag äer A. Oelschläger'schen vuchäruckerei
Jahrgang 104
Vorbereitung für die Genfer Tagungen
Besprechungen im Reichskabinett — Besorgnisse des Reichsfinanzministers: Die Arbeitslosigkeit nicht im erhofften Ausmaß zurückgegangen
TU. Berlin, 12. Mai. Amtlich wird mitgeteilt: „In der gestrigen Sitzung des Reichskabinetts wurde unter Sem Vorsitz des Reichskanzlers und in Anwesenheit des Reichs- bankpräsiöenten die bevorstehende Tagung des Europaausschusses und des Völkcrbundsrates in Genf besprochen. Der Neichsminister des Auswärtigen gab eine eingehende Ueber- sicht über die zur Verhandlung stehenden Fragen, an die sich eine Erörterung anschloß. Die Besprechung wird fortgesetzt/"
Im Anschluß an die Kabinettssitzung begab sich Reichs- aubenminister Dr. Curtius zum Reichspräsidenten, um ihm Bericht über die kommende Völkerbundsratstagung zu erstatten.
In Berliner politischen Kreisen wird unterstrichen, -aß die Ansicht, die deutsch-österreichische Zollunion habe rein wirtschaftlichen Charaker offenbar im Wachsen begriffen sei, sogar Briaud habe in seiner letzten Rede nicht umhin können, dies anzuerkennen. Umso erstaunlicher sei es, daß sich Briand besten gerühmt habe, daß die deutsch-rumänische» Verhandlungen auf französische Veranlassung abgebrochen worden seien. Es sei dies ein klarer Beweis dafür, daß Frankreich die Frage der Präferenzzölle nur theoretisch fördere, in der Praxis aber alles tue, um die Abnahme von Getreideüberschüssen eines Agrarlandes wie Rumänien zu verhindern.
Der dipl. Mitarbeiter des Daily Telegraph schreibt, daß die Genfer Entscheidung über die Zollunion mehr eine Sache der wirtschaftlichen Sachverständigen, als der Juristen sein werde. Es sei unwahrscheinlich, daß der Völkerbundsrat die beratende Ansicht des Haager Gerichtshofes suchen werde. Die allgemeine Tendenz gehe dahin, die Schwierigkeiten dadurch zu vermindern, daß man die Erörterung auf ein weiteres Gebiet erstrecke, sodaß der österreichisch-deutsche Plan Gr unölageeinesgrößereneurop ätschen werde. Man könne annehmen, daß vor der offiziellen Beratung der Angelegenheit in Genf eine private Sitzung -er Vertreter Deutschlands. Oesterreichs, Englands, Frankreichs und Italiens freundschaftlich eine Lösung vorbereiten werde.
NeichSfinanzminister Dietrich zur Lage.
In Varel hielt gestern Reichsfinanzminister Dr. Dietrich eine Rede, in welcher er u. a. ausführte: Wenn der vorjährige Sommer noch glimpflich überwunden worden sei und das Reich seit November keinen Pfennig Kredit mehr gebraucht habe» so sei die Lage jetzt dadurch erschwert, daß die Arbeitslosigkeit nicht in dem erwarteten und erhofften Ausmaß zurückgegangen sei. Ein endgültiges Urteil sei natürlich zur Zeit noch nicht möglich, aber man müsse sich darauf einstellen, daß das Schlimmste eintrete. Drei Milliar»
de« Mark habe die Arbeitslosigkeit eiuschließlich der Wohl- fahrtserwerbslosigkett im oergangeue« Jahre gekostet. Wenn man dazurechne, daß wir an inneren und äußeren Kriegslasten 4 Milliarden Mark zusammen aufzubringen haben» so werde man einsehen, daß die Aufbringung von 7 Milliarden Reichsmark für diese Zwecke auf die Dauer nicht möglich sei. Helfen könne nur eine Ankurbelung -er Wirtschaft. Diese sei aber ungeheuer erschwert durch den Kapitalmangel, der durch die Zahlung der Reparationen fortgesetzt vergrößert werde.
Wenn in der ausländische« Presse neuerdings wieder die Meinung vertreten werde, Deutschland könne bestimmt zahlen, wenn es nur sparsam genug sein wolle, so sei darauf zu erwidern, daß die Voraussetzung für die Zahlungsfähigkeit, die Ankurbelung der Wirtschaft, fehle. Wenn es sich Herausstellen sollte, daß eine Belebung der Wirtschaft unter dem Drnck der Tribntlasten nicht eintreten könne, dann allerdings werde auch die Zahlung der Tribntlasten an das Ausland ans die Dauer nicht möglich sein. Daß Deutschland seinen privaten Verpflichtungen ebenso auf Heller und Pfennig Nachkommen werde, wie der Verzinsung der Anleihen, sei selbstverständlich.
Zum Schluß betonte der Minister, das Schicksal Deutschlands hänge vor allem davon ab, ob die überwiegende Mehrheit -es deutschen Volkes den Staat bejahe und entschlossen sei, ihn und damit die Grundlagen unserer Wirtschaft und Politik in Zukunft zu verteidigen.
Osthilfebesprechnng in der Reichskanzlei.
Gestern nachmittag hat in der Reichskanzlei eine Besprechung über die Osthilfe stattgesunöen. Um Stockungen in der Frühjahrsdüngemittelbestellung von notleidenden landwirtschaftlichen Betrieben der Provinzen Ostpreußen, Pommern, Grenzmark, Brandenburg» Nieöer- schlesien und Oberschlesien nach Möglichkeit zu beseitigen, haben Reich und Preußen gegenüber dem Stickstoffsyndikat, dem deutschen Kaltsyndikat, dem Verein der Thomasmehlerzenger und -er deutschen Superphosphat-Jndustrie einschließlich der Kalichemie A.G. eine an die ZwischenhanLels- stellen (Handel- und Genossenschaften) weiterzuleitende Bürgschaft von je 80 Prozent, zusammen 60 Prozent des Wertes, der an die einzelnen landwirtschaftlichen Betriebe gelieferten und zur Frühjahrsdüngung bis zum 15. Juni verwendeten Düngemittel bis zur Höhe von insgesamt Sch Millionen Reichsmark, aber nicht über 60 Proz. deS im Einzelfall entstehenden Ausfalles hinaus übernommen, sofern die Bestellungen von den genannten Düngemittclorgani- sationen in der Zeit vom 12. Mai bis 15. Juni 1980 angenommen sind.
Tages-Spiegel
Das Reichskabinett begann gestern die vorbereitenden Besprechungen zu de« Genfer Tagungen. Dr. Curtius insor» mierte anschließend de« Reichspräsidenten.
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Reichsfinanzminister Dr. Dietrich gab seiner Besorgnis über de« z« langsamen Rückgang der Arbeitslosigkeit Aus» -ruck. In ISS» kostete die Unterstützung der Erwerbslosen » Milliarde« Reichsmark.
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Im prenßische« Staatsministerinm fand gestern di« Unter» Zeichnung des Vertrages des Freistaates Prenßen mit den 8 evangelische« preußische« Landeskirchen statt.
In Madrid kam es z« schwere« Ausschreitungen des von Kommunisten aufgestachelter»/Pöbels; mehrere Jesuiten» klöster und Kirche« wurde» im Brand gesetzt. Anlaß der Unruhe» ist eine Straßenknndgcbung monarchistischer Par» teianhänger am letzten Sonntag.
Der französische Anßenminister Briand hat sich zur Kand">a» tur für das Amt des Staatspräsidenten entschlösse»; seine Wahl darf als gesichert gelte».
In Südslawie« ist ei« Gesetz zur Stabilisierung der W7H» rung in Kraft gesetzt worben.
Briand PräsidenlschaftskandM
TU. Parts, 12. Mai. Außenminister Briand hat am Montag spät nachmittags die Kandidatur für die Prä /. >
schastswahl am kommenden Mittwoch offiziell angcnom. ...r. In politischen Kreisen nimmt man an, daß der parlamcinarisch erfahrene und in allen seinen Entschlüssen sehr v. r- fichtige Außenminister sich vor der Zusage gewisser Garantien für den Wahlerfolg versichert hat. Es sei e o anzunehmen, Laß eine vorbereitende „Stimmenzählniig" : i- ter den Kulissen die notwendige absoluteMehrheit geben habe.
Stuhlschlacht im Karlsruher Nathans
TU. Karlsruhe, 12. Mai. Am Montag kam es tm . r- gerausschuß-Saal nach der Haushaltsrede des Obcrbö'.. r- meisters Dr. Ftnter zu einem großen Stuhlbv bardement zwischen Nationalsozialisten und Kommn ,- sten. Als die Polizei erschien, war der Saal bereits ei» l- ziges Trümmerfeld zerbrochener Stühle, Tische und fässer. Auch die Gallerie hatte sich an der handgre r Auseinandersetzung beteiligt, die nur von den b" n E men ausgetragen wurde, da der Oberbürgermeister unä ; e Vorstände:' der städt. Aemtrrn, so .ie die Auge i rigcn > r anderen Parteien den Saal fluchtartig verliefen, i s gab zahlreiche Verletzte. Wann die Voranschlagsberat: fortgesetzt werden können, ist nicht bekannt.
Politisches Attentat in Jena
TU. Jena, 13. Mat. Auf den Rassenforscher Pros 7 r. Hans Günther, der seit Mürz vorigen Jahres an i r Universität Jena einen Lehrstubl für Sozialanthropr e bekleidet, ist in der Nacht auf Sonniag ein Morda / . , verübt worden. Günther kam mit seiner Frau von e r nationalsozialistischen Kundgebung. In unmittelbarer :>- e seiner Wohnung wurden von einem jungen Mann aus ai r- nächster Nähe mehrere Schüsse auf den Professor abgcg./ e r, von denen einer ihn am linken Oberarm verwundete, während die anderen fehlgingen. Professor Dr. Günther erklärt, daß er keine persönlichen Feinde habe und daß d i Anschlag daher nur in politischen Motiven seinen Ursprung haben könne.
Unterschlagungen bei einer Reichsbehörde
In der dem Reichsministerium des Innern angegliederten Landesaufnahme sind in den letzten Tagen Unterschlagungen aufgedeckt worden, die jetzt zu der Verhaftung von 5 Beamten geführt haben. Es handelt sich um die Inspektoren Baer, Vlnm, Wendt und Schäfers, sowie um den Verwal- tnngsamtmann Wolf. Ueber die Höhe der Unterschlagungen ist bisher noch nichts bekannt geworden. Es soll sich jedoch um einige 100 000 Mark handeln. Die Ermittelungen haben ergeben, daß die fünf Beamten seit mehreren Jahren Hand in Hand gearbeitet und sehr geschickt Buchfälschungen vorge- nonnnen haben, sodaß die Verfehlungen bisher nicht bemerkt worden sind. Erst durch eine Revision, die vor einiger Zeit durch den Rechnungshof vorgenommen wurde, wurden Unstimmigkeiten entdeckt, die schließlich nach gründlicher Nachprüfung zur Aufdeckung -er Unterschlagungen führten.
Schwere Ausschreitungen in Madrid
Kommunisten stecken Klöster in Brand — Die Regierung unter dem Druck der Straße
TU. Madrid» 12. Mai. Trotz der Aufforderung der Regierung, die Arbeit sofort wieder aufzunehmen und jede Art von Demonstrationen zu unterlassen, hat sich der am Sonntag begonnene Streik in Madrid weiter ausgedehnt. Mit Ausnahme der lebenswichtigen Betriebe arbeitet niemand. Der Verkehr ist in der Stadt gänzlich eingestellt. Im Stadtinnern forderten Straßenredner eine Ausschaltung der gemäßigten Elemente aus dem Kabinett, andere hetzten das Volk gegen die Kirche und insbesondere gegen die Klöster auf.
Wahrend der Montagvormittag in der Stadt noch ruhig verlief, kam es nachmittags, als Kommunisten, unterstützt vom Pöbel, ein im Stadtinnern gelegenes Jesuitenkloster in Brand steckten, zu schweren Zusammenstößen mit der Polizei. Die Menge hinderte die Feuerwehr mit Gewalt daran, Löschversuche einzulcitcn. Auch an anderen Stellen der Stadt sind Brände angelegt worden. Die in Brand gesteckten Kirchen und Klöster in Madrid haben die Zahl 10 erreicht. Die Gesamtverluste der Aufrührer betragen 8 Tote und 16 Verwundete. Nach einer Nachricht der Abendzeitung „Jnforma- rione" soll der Innenminister Maura sein Rttcktrittsgesuch eingereicht haben, was im Fall der Annahme einem Zugeständnis an dieStraße und einer Schwächung des ohnehin schwachen bürgerlichen Elementes im Kabinett gleichkäme. Alcala Zamora hielt eine durch Radio verbreitete Rede, in der er sein Bedauern über die Vorfälle zum Ausdruck brachte. Die Regierung werde sich immer aus der Seite des Volkes befinden, wolle aber verhindern, daß dieses irregeleitet und dem Chaos in die Arme getrieben werde. Er betonte, daß die Regierung fest entschlossen sei, unter keinen Umstände» die Auslösung der Bürgergarbe zu bul-e», die
der Republik treu ergeben sei. In den ersten Nachtstunden wurden die wichtigsten Plätze der Stadt, sowie Kirchen und Klöster militärisch besetzt, Tanks und Maschinengewehre in Stellung gebracht. Kavallerie patroulliert durch die Außeu- viertel.
Kriegszustand über Madrid verhängt.
In einem Ministerrat hat die Regierung beschlossen, den Kriegszustand über Madrid zu verhängen. Das Inkrafttreten dieser Maßnahme wurde durch öffentlichen Ausruf der Bevölkerung bekannt gegeben. Die spanische Regierung gab ferner zwei bedeutungsvolle Bekanntmachungen heraus. In der ersten wird die vorübergehende Schließung sämtlicher Börsen in Spanien angeordnet. Die zweite Bekanntmachung bezieht sich auf die monarchistischen Kundgebungen am Sonntag. Die Regierung habe sich, so heißt es darin, außerordentlich gemäßigt gezeigt, sie wolle aber jetzt den Bestand der Republik mit allen Mitteln verteidigen. Sie hoffe dabei, auf die Unterstützung des Volkes, aus dessen verschiedenen Schichten sie unzählige Beweise -er Anhänglichkeit erhalten habe.
Zum Schluß erklärt die Regierung folgende Beschlüsse gefaßt zu haben: Sofortige Auflösung der höchsten Militär- und Marinegcrichte; Verhaftung sämtlicher monarchistischer Führer; Einleitung von Prozessen gegen alle maßgebenden Leute, die während der Diktatur Hebelgriffe begangen haben; Gerichtsverfahren gegen die letzten monarchischen Innenminister.
Ferner erklärt die Regierung, sie habe den Kriegszustand ausrufen müssen zum Schutz -er Republik, deren "junges Leben gleichermaßen von recht» «nd von links bedroht sei.