Erscheinungsweise: täglich mit Ausnahme äer Sonn- un<i Festtage

Anzeigenpreis:

e) im Anzeigenteil:

clie Seile 20 Soläpfennrge

dsimrreklameteil: äie Zelle 65 Soläpsennig«

/,«f Sammelanzeigen kommen 50"/. Zuschlag

ür Platzvorschriften ann kein« Sewähr übernommen weräen

Serlchtiftanck

w» v»i<i» r»tle «p c»l»

e»r^»vs

Kmts° unä Knzeigeblall für äen vberamlsbezirk calw

,?M!Ü!ü5L

vezugspreis:

Zn cker8ta«tt40Solcipfennige wöchenllich mit Drägeclohn Post-Bezugspreis 40 Solä- pfenntg« ohne Bestellgeld

Schluß äer Anzeigen­annahme 8 Uhr vormittags

Sn Fällen höherer Sewalt beNeht kein Nnlprnch «ms Lieferung «ier Seitung «ler aus NSlkzahIung 4 e» verugsprrise»

Fernsprecher Nr. S

Verantwort!. Schrift leitung: Frieckrtch Hans Scheele Druck unä Verlag «ler A. Selschlöger'schen Buchäruckerei

Nr. 56

Montag, den 9. März 1931

Jahrgang 103

Mahnung des Reichskanzlers an die Jugend

Brüning gegen das Verechligungsunwesen und den Radikalismus

TN. Berlin, S. März. Im Plenarsitzungssaal des Reichs­tags fand am Lonntagmitlag eine Kundgebung des Deut­schen StudentenwerkeS aus Anlab seines zehnjähri­gen Bestehens statt. Reichskanzler Tr. Brüning verlas hierbei eine Kundgebung des Reichspräsidenten v. H > ndcn- burg, in der dieser seine Anerkennung für das Geleistete ausspricht und die Hoffnung ausdrückt, dab auch in den kom­menden Jahren das Deutsche Ttudcntenwcrk seine Aufgaben an der denischeu akademischen Jugeud erfüllen möge. Dem Dank und dem Glückwunsch dcb Reichspräsidenten schloß sich der Netchskanzl r für die Neichsrcgicrung an. DaS studen­tische Hilsswerl sei ans der Not der Inflationszeit eutstan-. den. Heute sei eine neu: vicllelcht noch verhängnis­vollere Not wie eine Sturmflut über Deutschland her- eingebrvchen.

Der Reichskanzler wandte sich gegen die Ucberspannung des BerechtigungSwesens. Ich richte, so erklärte er, hier mit dem größten Nachdruck an alle amtlichen Stellen und an die Führer des Wirtschaftslebens den stärksten Appell, die jun­gen Menschen auch ohne Berechtigungsschein nach ihren charakterlichen und praktischen Fähigkeiten in das tätig: Le­ben ctnznführen und ihnen durch Bewährung Aufstiegsmög­lichkeiten zu schaffen. Die Ucberfüllung aller Berufe macht eine normale Verwertung bestandener Prüfungen usw. un­möglich. Hier liegt einer der Gründe für den Radikalismus. Die deutschen Hochschulen können nur blühen in einer Atmo­sphäre» die von agitatorischen Ausschreitungen frei ist. WaS würbe die Folge sein, wenn Deutschland sich einem Radika­lismus in die Arme werfen würde? Jedesmal, wenn schein­bar im Augenblick unlösbare Schwierigkeiten vorhanden sind, sucht man eine Rettung in dem vagen Begriff der Dik­tatur. Das ist nichts Neues Scho« vor bald 40 Jahren Hut Fürst Bismarck warnende Worte nach dieser Richtung hin vor Studenten gesprochen. Es genügt nicht, in patriotischer Begeisterung den Schwur abzulcgen, -ak man bereit sei, sein letztes, sein Lebe» für das Vaterland einzusctzen. Mag auch d e materielle Not d-r Nachkriegszeit t» ander« Länder« grob k^in, viel schlimmer aber tst die seelische Not einer Ge, «eratton, die infolge der Bedrängnisse -cs vergangenen Jahr, zchnts de« Klaube« an eine vernünftige «nd gerechte Ord­nung der Welt zu verl'erc« beginnt.

Leider besteht tn der gesamten Welt wenig Verständnis dafür, was für eine Nation bedeutet, wenn sie sich für zwei Menschenaltcr mit schweren Kriegstributcn belastet suhlt, wenn deutsches Land vom lebenden Körper des Reiches ge­trennt, deutsches Volkstum mißhandelt und unterdrückt wird. Der Reichskanzler forderte zum Schluß die Studentenschaft auf, fcstzuhaltcn an dem ihr von der Frontgencration über­mittelten kameradschaftlichen Geist und auf der sittlichen

Grundlage der Dienstbercitschast für den Ausstieg unseres Vaterlandes zu wirken.

«

Sleqerwcild über Lohnskalen

TN. Münster, g. März. Am Sonntag sprach tn einer Mas­senkundgebung der Christlichen Gewerkschaften Ncichsarbcits- minister Dr. Stegerwald über die argenwärtige Wirt­schaftskrise und Massenarbeitslosigkeit sowie über die Mög­lichkeiten zu ihrer Milderung. Nebcr die Lohnsrage, so ftihrte der Minister aus, herrsche die größte Verwirrung. DaS SaniernngSprogramm der Neichsrcgicrung sucht allmählich Ordnung zu bringen. Dieses Programm ging von drei ganz einfachen Erwägungen aus:

1. Tie Etats des Reiches, der Länder und Gemeinden müssen unter allen Umständen in Ordnung gebracht werden. Das ist nicht mehr möglich durch eine Erhöhung der Einnah­men, sondern nur durch Ansgabenkürzungen. Nene Steuern bedeuten nicht mehr Erhöhung der Einnahmen, son­dern lediglich Vermehrung der Arbeitslosigkeit.

S. Die deutsche Ausfuhr muß nachdrückllchst gefestigt und konsolidiert werden, sonst kommen wir in eine immer größere Versklavung gegenüber dem Ausland. Mit Lamen­tieren nnd nationalsozialistischen Methoden erreichen wir dieses Ziel bestimmt nicht.

S. Wir müssen im ganzen nachdrückllchst aus eine Sen­kung derGestehungskösten hinstcucrn. Wir müssen auch über die überspritzte Lc.hkapitalperlode hinweg. Früher haben die Betriebe die Ausgaben für Investierungen meist aus langfristigen Anleihen zu einem erträglichen ZinSsnß bekommen, während die erarbeiteten Gewinne als Betriebs­kapital benutzt worden sind. Heute ist es vielfach umgekehrt.

Die Gewerkschaften müssen sich darüber klar werden, daß wir noch vor einer Reihe sehr schwerer Jahre stehen. ES ist Illusion, daran z» glaub:», daß in Deutschland >n kürzet Leit a » Stelle des privatkapitalistisch:» WirischaftssnstemS ci» anderes gefetzt werde« könne. I« Rußland leben 85 Pro­zent der Bevölkerung aus dem Lande oder in LandstäLtchcn. Rußland ist dünn bevölkert » noch kein hochentwickeltes Industrie- und Kulturland. Dort ist die Einführung des kom­munistischen Regimes im Vergleich zu Deutschland ein: ver­hältnismäßig einfache Sache. In Deutschland leben 75 Pro­zent der Bevölkerung von Industrie, Gewerbe, Handel und Verkehr. Deutschland ist im Gegensatz zu Rußland außer­ordentlich stark mit der Wrltmirschast r-erstrickt. Wenn aber in Deutschland in absehbarer Zeit an Stelle des privatkapita­listischen Wirtschaftssystems kein anderes gesetzt werden kann, dann hat eS auch keinen Zweck, daß sich Arbeitgeber und Ar­beiter ständig als zwei feindliche Heerlager gegenüberstehcn.

Erdbebenkatastrophe in Südserbien

150 Todesopfer, 700 Verletzte, 1500 Häuser zerstört, unabsehbarer Materialschaden

TN. Belgrad, 9 . März. In der Nacht zum SamStag um 1,17 Nyr vcrzeichncte die Erdbebenwarte den Beginn eines katastrophalen Bebens in einer Entfernung von 5L0 Km. süd­westlich von Belgrad. Die Bewegung dauerte eine halbe Stunde. Ans zahlreichen Orten Mazedoniens, wie Struma, Gweghelt, Demirkapu, Lcgotin im Vardar-Tal und Kavarna sind Meldungen über schwere Materialschäü'n infolge des Erdbebens eingelansen. Nähere Einzelheilen fehlen noch.

Aus den Meldungen geht nur hervor, daß 100 Häuser zum Einsturz gebracht wurden. 30 Personen sind verletzt. Das Erdbeben wurde auch tn Mittelpersien nnd in Bul­garien, u. a. in Sofia verspürt. Die Erdstöße marin von einem donncrähnlichcn Geräusch begleitet. Ter Herd liegt nicht ans jugoslawischem Gebiet, sondern in Griechen- land und mutz in der Nähe von Saloniki vermutet werden.

Am Sonntag srüh um 2.50 Uhr wurde in Sofia ein neues starkes Erdbeben verspürt, das 13 Sekunden dauerte. Der Erdbebenherd befindet sich 200 Kilometer von Sofia entfernt. Die Bevölkerung von Sofia wurde durch die Erd.rschüttc- rung so heftig erschreckt, baß der größte Teil der Bevölke­rung die Nacht im Freien verbrachte.

Der Herd des Erdbebens, das in der Nacht vom Sams­tag zum Sonntag den Balkan heimgesucht hat, liegt in der gleichen G:gcnd, die schon am Frciiag vom Erdbeben betrof­fen wurde. Nach Meldungen aus Athen hat das letzte Be­ben katastrophale Folgen gehabt. Zahlreiche Eisen­bahn- und Telephonlinien sind unterbrochen. Mehrere hun­dert Personen sollen getötet oder verletzt morden sein. Ge- naue Zahlen lassen sich noch nicht angcbcn. Zahlreiche griechi­sche Bahnhöfe weisen breite Nisse in den Mauern auf, so daß daS Bahnpcrsonal in leeren Waggons übernachten mußte.

Melbnng'n ans Skolpje bcstät'gen den katastrophalen Lharakter des Erdbebens, das in der Nacht -um Sonntag

Südserbien erneut heimgesucht hat. Die Erdstöße dauer­ten diesmal über eine Stunde. Am schwersten betroffen wurde nach den bisherigen Nachrichten die Gegend südlich von Skolpje, insbesondere Ler Bezirk von Demirkapu. Das Dorf Pirava wurde dem Erdboden gleichgcinacht.

Die Dörfer Karadjcvo, Udovo, Tragaz, Mirowze nnd die Stadt Valandovo wurden zum größten Teil zerstört. Die Bahnhöfe von Dcmirkapu, Odovo und Mirovze wurden in Trümmer gelegt. Die Eüenbahnbriicke über den Barda ist in den Fluß gestürzt. Der Verkehr mit Ath n ist unter­brochen. Außerdem wurden sämtliche Brücken im Vardartal schwer beschädigt.

Wir ans Belgrad berichtet wird, hat daA Erdbevenunglück in Siidsrrbicn nach den letzt«« Meldungen bisher 159 Todes­opfer gefordert. Außerdem wnrde« 7Ü0 Verletz!« gezählt. Etwa Häuser sollen zerstört worden sein. In ganz Süd- jcrbicn sind di« Füsir über die Ufer getreten.

Die Behörden haben Hilfsexpeditionen organisiert. Der König und Ler Ministerpräsident sind in daS Erdb.bengebict abgcrcist, um sich von dem Umfang der Katastrophe selbst zu überzeugen.

Russisch-türkische Verständigung

Abkommen über den V«n von Kriegsschiffe^ >m Schwarze«

Meer

TU. MoSkau, v. März. Nach einer Mitteilung russischer amtlicher Kreise wurde am Samstag in Ankara vom sowjet­russisch:« Botschafter ein Abkommen mit der türkischen Ne­gierung unterzeichnet, in dem sich die beiden Ländrr ver­pflichten, sich über den Bau von Kriegsschiffen im Schwarzen Meer zu verständigen. Das Abkommen wird am Montag verüftentlicht werde».

Tages-Spiegel

Reichskanzler Brüning richlete anläßlich des 10. Jahrestages des Deutschen Slndentenwcrkcs ernste Mahnwortc an die Studentenschaft.

»

Die Haltung der Sozialdemokratie in den kommenden Re!chskagsen1sch:ldu::gca ist immer noch nicht durchsichtig; ma« verlacht anscheinend der Mitte dir Licraniworlnng zn- zuschiebeu.

*

Ncichsftnanzmlnister Dietrich weilte wahrend des Wochen­endes zu Besprechungen mit der bayerischen Negierung in Münch:«.

»

Der österreichisch: BnnhcsprLsid-ent Miklas s'tzte sich bi der Erö.snuvg der Wien:r Messe für ein mitteleuropäisches Wirtschaftsgebiet ci».

»

Südserbien wnrde von einer 'urch!b§ren Erdbebens".estrophe heimgekucht; man zählte b S jetzt 1'l> Todesorftr.

Die Haltung der E-:§Idemokmiie im Reichstag

TN. Berit«, v. Mär». Ter.Vorwärts" beschäftigt sich in seiner Sonntags-Ausgabe unter der llrbrrschrist »Verant­wortung der Mitte" mit den bevorstehenden Enftchci- dungcii im Reichstag. Er weift daraus hin. daß Reichskanzler Brüning regiere, solange er das Vertrauen des Reich-p.ä- stdcntcn besitze, solange er die Parteien der Mitte notdürftig zusammenhaltcn könne» und solange die Sozialdemokratie ihn toleriere. Die Mlite trage die Verantwortung dafür, daß der sozialdemokratischen Neichötagssraktion die Möglichkeit zu einem Verhalten gegeben werde, das zur Erhaltung der Mitte in ihrer gegenwärtigen Machtstellung führe. Die so­zialdemokratische NeichstaLofraktion verlange, Hotz' in der Fina n z. wie in der SozialpolltikdenWün scheu der arbeitende« Massen entgegengekommen werde. Die sozialdemokratische NcichstagSsraktion halte cs für durch­aus möglich, daß die Steuern derlei st ungsfähigeu Schichten noch um etwas l't erhöht werden, wovon nicht nur die Kosten für das neue Panzerschiff, sondern auch darüber hinaus noch neue Mittel zur Behebung krasse fier Notstände gewonnen werden könnten. Tie Sozialdemokratie könne vielleicht genötigt sein, auch weiter noch eine Regie­rung der Mitte zu halten, um das Kommen einer halb- oder ganzsaschistischcn Rechlsrcgirrnng zu verhindern. Schon jetzt aber muß mit aller Deutlichkeit gesagt werden, daß die So­zialdemokratie in ihrer Entschließung wie in ihrer Kritik frei sei. _

Für ein millelemopäilchesWirstchaslsc'ediet

TU. Wie«, y. März. Bei der Eröffnung der 20. Wiener Messe am SamStag hielt Bundcspräsident Miklas eine Ansprache» in der er erklärte, es sei bedauerlich, daß die un­ermüdliche Aufklärungsarbeit der österreichischen Staats­männer innerhalb und außerhalb der Grenzen nicht genügt habe, um die führenden Kreise deS Auslandes davon zu überzeugen, daß die heutige Enge des Staatswcscns keine Möglichkeit für die wirtschaftliche Entfaltung Oesterreichs biete. Oesterreichs Devise müsse auch weiterhin sein: Her­aus aus der Enge der wirtschaftlichen Ver­hältnisse. Es dürste solange nicht rasten, btS sich die Er­kenntnis durchgcsrtzt habe, daß zur Gesundung Europas ein großes Wirtschaftsgebiet in Mitteleuropa geschaffen werden müsse, damit den einzelnen Völkern die Möglichkeit der Ent­faltung ihrer wirtschaftlichen Kräfte gesichert werde.

Das französisch-italienische Flollenabkonimen

Keine Unterzeichnung des Abkommens durch Amerika und Japan?

TU. Nenyork, 9. März. Wie verlautet, beabsichtigt die Ne­gierung der Vereinigten Staaten nicht, das italienisch-fran­zösische Flottenabkommen als eine Aenderung des Londoner Vertraaes anzuerkennen. Die Negierung wird voraussichtlich erklären, daß die Abfassung deS Abkommens die Unterschrif­ten von Amerika und Japan entbehrlich mache. DaS sran- zöfisch-italienische Flottcnabkommen wird am kommenden Mittwoch in Washington, Tokio, London. Nom und Paris gleichzeitig veröffentlicht werden.

Es verlautet, baß das Abkommen etwa 2 Wochen nach der Veröffentlichung in London unterzeichnet werden wird. Vor­aussichtlich wird sich der französische Außenminister BrianL zu diesem Zweck persönlich nach London begeben. Zwischen Frankreich und Italien wird zwecks feierlicher Einwrihnng des Flottcnabkommens und der neuen gefestigten Freund- schastsbezichungen ein gegenseitiger Fiottenbesuch stattsindcn. Hierfür sind die Kricgshäsen Toulon und Spezia vorgesehen. Im Anschluß hieran ist ein Besuch des italieni'chen : gs in Paris und des Präsidenten der Republik in Slom gexlcui^