Die Zukunft der Frauenarbeitsschulen

/ Die württembergische» Frauenarbeitsschulen blicken Heuer «rs das stattliche Alter eine» halben Jahrhunderts zurück. Entstanden waren sie aus dem Bedürfnis, den heranwachsen, de» Töchtern die Nähkenntntsse zu vermitteln, für welche die Mutter nicht mehr die geeignete Lehrmeinerin abgeben konnte. War sie doch dazumals schon mit einem immer anspruchs. voller werbenden Haushalt in einer von Jahr zu Jahr see­lisch komplizierter werdenden Zeit belastet und hatte meist auch nicht genügend Lust oder Geschick, sich einer immer schneller wechselnden Mode jeweils schöpferisch anzupassen. Grostmutters Zelten, in denen das Mädchen Wäsche und Klei- -er auf Lebenszeit mitbekam, waren eben doch vorbei, und weder Tochter noch Enkelin ersehnten sie zurück.

Sollte man es für möglich halten, daß diese nun schon so alte, aber doch ewig junge Einrichtung, plötzlich zum alte» Eisen geworfen »verden dürfte, selbst gleich einer alten Jung- fer vor den Bestrebungen einer jungen, vorwärtsstürmende» Zeit schamhaft in der Ecke sich verbergen müßte? Fast hat eS den Anschein nach dem Gutachten de» NeichssparkommtssarS. Greifen wir die Hauptpunkt« seiner Prüfungsergebnisse heraus:

1. Die Schülerzahl der Frauenarbeitsschule ist im Ab- nehmen begriffe». 2. Die Frauenarbeitsschulen komme» nur begrenzte» Schichte» des Bolksganzen zugute. 3. Sie sind bet der fortschreitenden Vervollkommnung der Textil« Fertigwaren unmodern geworden.

Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß der Herr Netchssparkommtssar die Verhältnisse einseitig nach Stich- proben in reinen Jndustriebezirkenn beurteilt hat und die gerade in Württemberg stark hervorrretenden Bedürfnisse des Landes und der kleinen Oberamtsstädte nicht oder nur ganz oberflächlich kennt.

Nehmen wir einmal den ersten Punkt« Bet dem nun- mehr für die Frauenarbeitsschulen in Betracht kommenden Alter rücken die kurzen Krtegsjahrgänge ein, und eine ge­wisse Verminderung der Schülerinnenzahl ist damit doch nur folgerichtig. Auch tst noch gar nicht geprüft, ob diese Ver­minderung der Schalerinnenzahl nur im Verhältnis zu den letzten Jahren oder auch absolut an Borkriegsverhältntsseu gemessen tst. Statt mussührltche und langweilige Statistiken nachzuschlagen, möge sich jeder erinnern, wie die Jnflatlons- und Nachkrtegsverhältnisse die jungen Familienmitglieder geradezu in die Frauenarbeitsschulen gedrängt haben. Das zeitweise reichlicher fließende Geld, besonders auch unter dem Landvolk, wurde gern und schnell in Stoffen angelegt, und der Wunsch, diese Schätze nun auch dem praktischen Gebrauch zuzuführen, war nur zu begreiflich.

Auch heute noch tst das Landvolk durchaus nicht von dem Gebrauch abgekommen, die Heranwachsenden Töchter in die Frauenarbeitsschulen zu schicken. Stichtag füv die Beurteilung des Herrn Netchssparkommissars war der 80 September, an dem erfahrungsgemäß ein hoher Prozentsatz der Landmäd­chen wegen der Herbsternte die Schule noch nicht besuchen. Sollte die Schülerinnenzahl in reinen Jndustrleorten wirk­lich in weitem Umfang zurückgehen, so glauben wir gerade hier an eine Folge der außerordentlichen Notlage im Gefolge der Arbeitslosigkeit, die verarmte Eltern zwingt, auch an

Aus Württemberg

Tagung der Intern. Arbeitsgemeinschaft der Kriegsopfer, verbände.

In Stuttgart tagten die Vorstände der Jnternatio nalen Arbeitsgemeinschaft der Kriegsopfer und Kriegsteil­nehmer. Der Vorsitzende Pichot lenkte die Aufmerksam­keit auf das heutzutage auftretenbe Bestreben, die Lasten der Versorgung durch Verminderung der staatlichen Leistungen für die Kriegsopfer in fast allen Staaten herabzusetzen, ver­wies auf das unantastbare Anrecht der Kriegsopfer und be­antragte, dieses Anrecht gegebenenfalls den betreffenden Ne­gierungen ins Gedächtnis zurückzurufen. Der Vorstand ging daraufhin zur Erörterung der gegenwärtigen Politik des Verbandes und seiner Bemühungen zugunsten der F-rlcdens- frage über. In einer darauf bezügliche» Entschließung er­wähnt er mit Befriedigung die Kundgebung, die im Januar 1S31 in Genf durch die verantwortlichen Minister der 27 europäischen Staaten erlassen wurde. Diese Stellungnahme entspricht den Wünschen der drei Millionen Kriegsteil­nehmer. die sich in der CJAMAC. -um Zwecke der Verteidi­gung ihrer Rechte und zur Sicherung beS Friedens zusanr- mengeschloffcn haben. Im weiteren Verlauf der Verhand­lungen wurde die 7. Jahresversammlung auf den 30. Juli bis 2. August festgesetzt. Die Versammlung findet auf Ein­ladung der tschechoslowakischen und deutschen Verbände in der Tschechoslowakei in Prag statt.

Bei einem Empfang der Vorstände im Staatsministerium äußerte Staatspräsident Bolz den Wunsch, daß die Tagung dem Gedanken des Nähcrrückcns der Völker, dem besseren Verstehen, der Förderung des Friedens diene» möge, auch wenn es sich um Umbildung der NachkricgSverträge in wirk­liche Friedensverträge handle. Die Not, unter der die heu­tige Welt seufze, sei in erster Linie auf das Zerstörungswerk des Kriegs und die gewaltsamen Unterbrechungen und Ver­änderungen der wirtschaftlichen Beziehungen der Völker zu- rttckzuführen. Darum werde auch kein Volk für sich allein aus eigener Kraft bas Elend überwinden können. Den Völ­kern sind Aufgaben von ungeheurer Größe gestellt. Zu ihrer Lösung sei mehr als je Erkenntnis, vor allem aber guter Wille nötig. Leider sei erst ein kümmerlicher Anfang des Er- kennens und des Wollens zu sehen. Das dürfe aber nicht entmutigen, sondern müsse Anlaß sür verstärkte Arbeit sein.

Zur Verhaftung Dr. Friedrich Wolfs erfahren wir noch: Der Stuttgarter Arzt Dr. Wolf tst schvn aus seiner schriftstellerischen Tätigkeit als Vorkämpfer für die Abschaffung des Abtreibungsverbots bekannt. Er nimmt für seine Anschauung nicht allein die Verhütung der Gefahr für Leib und Leben der Schwangeren, sondern auch die sog. soziale Indikation, also die Rücksichtnahme auf die wlrtschaft- /ichcn und LtNjöuUcheu Verhältnisse -er Schwangeren in An­

der notwendigsten Ausbildung der Kinder noch zu spare«, um sie dafür, wen» irgend möglich, sofort nach Verlassen der Pfltchtschule einem wenn auch noch so kärglichen Ver­dienst zuzuführen. Sofern ein Optimismus in unserer schwe­ren Zeit überhaupt noch möglich tst, glauben wir, baß mit einem wirtschaftlichen Aufstieg auch in Industriestädten die Frauenarbeltsschule wieder zu ihrem vollen Recht kommen wird.

Außerdem zeigte in den letzten Jahre« auch die starke und erfolgreiche Konkurrenz der Privat- und konfessionelle» Nähschulen, die durch keinen behördlichen Lehrplan ge­bunden sich den Bedürfnissen und Wünschen der Elter» oft besser anzupassen scheinen, daß ei» Bedürfnis nach solchen Fachschulen in breitesten Kreisen tatsächlich vorhanden tst.

Ungerechtfertigt tst auch der Vonvurf, daß die Frauen- arbettsschule nicht genügend der Allgemeinheit diene. In ge­wissem Grade trifft dieser Borwurf jede Fachschule, ja jede Schule außer der pflichtmäßigen Volksschule. Aber da Klei­dung und Wäsche auch des einfachsten Menschen der Mode und dem Zeitgeschmack unterivorfen sind, so tst vielleicht keine Fachschule in sozialer Beziehung so nützlich wie die Frauen- arbeitschnle, die den Geschmack pflegt und das Kulturniveau hebt in einem Kulturzwelg, an dem die breitesten Kreise nicht nur ein Interesse, sondern wofür sie geradezu ein Be­dürfnis empfinden müsse».

Bleibt der dritte Borwurf: Die Frauenarbeitsschule tst nicht mehr zeitgemäß. Offenbar denkt der Herr Nelchsspar- kommissar hier an Nationalisierung, das Schlagwort der Zeit, das doch schon soviel Unheil gebracht hat. Zum Kleider- und Wäschenähe» wären die Fabriken da, dle jedes Frühjahr und Herbst die notwendige Fertigware konkurrenzlos billig liefern. Wir haben keine Zeit und kein Gelb, uns damit individuell zu beschäftigen. Ach wir haben Gott set's ge­klagt, wenn wir arbeitslos sind! nur zuviel Zeit, über unsere eigenen Bedürfnisse nachzubenken! Und Deutschland hat doch auch wieder zu hohen Geschmack und zuviel gesunde» Jndividualtrteb, um gerade in Kleidungsfragen ganz dem überhandnehmewden Amerikanismus zu verfallen, wo jedes Büromädchen nicht nur das uniformgeschnittene Kleid in der saisorsmüßtgen Farbe trägt, sondern auch noch die Einhetts- frisur mit demselben Färbemittel behandelt wi« alle thre Kolleginnen, wenn ihr die gerade vorgeschrtebene Haarfarbe nicht zufällig von Natur gegeben tst.

Wir sehen: Abbauretf sind unsere Frauenarbeitsschulen noch lange nicht, wenn auch eine Reform- und Ansbaumög­lichkeit ruhig zur Debatte gest llt werden kann. In welcher Richtung sich diese Reformen bewegen werben, zeigt wohl am deutlichsten das Programm der Frauenarbeltsschule Eß­lingen, wo zu den bestehenden Nähkursen noch Hauswtrt- schaftskurse treten sollen, die zusammen die seit Jahren ge­wünschte Hausfrauenschule ergeben werden. L.L.

Nachtrag: Inzwischen hat bekanntlich die württ. Negie­rung dem Sparkommtssar entgegen gehalten, baß die FAS. immer noch einem Bedürfnis entsprechen. In der heutigen Notzeit sei es doppelt nötig, daß Mädchen und Frauen sich gründliche Nähkenntnisse erwerbe».

spruch. Darum halten sich auch Dr. Wolf wie die mit ihm verhaftete Aerztl» Frau Dr. Kienle keines Verbrechens für schuldig, um so weniger als die Aerzti» in allen Fällen chi­rurgisch vollkommen einwandfrei vorgrgangen sei. Welche« Umfang der bevorstehende Strafprozeß annehmen kann, läßt sich ermessen, wenn man bedenkt, daß alle an den zur Last gelegten Vergehen beteiligten Frauen ihre Namen sind ordnungsmäßig in eine Kartei eingetragen, sei es nun als Zeugin, sei es vielleicht als Angeklagte, zugezogcn werde». Die soziale Sette des Falles wird vor allem auch für die Oeffentltchkeit von besonderem Interesse sein, da man er­wartet, daß im Nahmen des Prozesses dle gerade gegenwär­tig so viel und leidenschaftlich umstrittene Frage, ob eine Schwangerschaftsunterbrechung aus anderen als gesundheit­lichen Gründen heutzutage zu vertreten tst. wenn nicht eine positive Lösung, so doch eine eingehende Behandlung erfahre« wird.

Vermischtes

Ein neues Schwefelsäureverfahren.

Für die SchwefclsLurefabrikation gab eS bisher zwei' Verfahren, das ältere Bleikammerverjahren und das Koulakt- verfahren. Beide halten sich, was ihre Wirtschaftlichkeit an- bctrifft. die Waage. Dies geht schon daraus hervor, daß sich das ältere neben dem neueren behauptet hat. Möglicher­weise werden nun beide von einer polnischen Erfindung ab- gclöst, die kürzlich in allen Industriestaaten patentiert wurde. Das Kammcrvcrsahren litt unter dem Nachteil, daß eS eine sehr weiträumige Apparatur beanspruchte. Zu einer Normal­anlage gehören mindestens drei Reakkionstürme von je etwa 70 Kubikmeter Inhalt und zwei bis vier Bleikammern von ie 4090 bis 3009 Kubikmeter Inhalt. Das neue polnische Verfahren soll die Möglichkeit bieten, an Stelle der Türme und Kammern Apparate von 3.3 Kubikmeter Inhalt zu ver­wenden, deren Leistung bis zu Vierhundertmal größer ist als Pie der bisherigen Apparatur.

Die ganze Polizei entlassen. ""

Der umfangreiche Polizeiskandal in New Jork hat in der ganze» Welt berechtigtes Aussehen erregt und ein bczeich- nendes Licht auf die Zustände geworfen, die in gewisse» ame­rikanischen Städten nntcr den Organen der öffentlichen Sicher- heit herrschen. Die Verhältnisse in der amerikanischen Riesen­stadt werden aber weit in den Schatten gestellt durch die des im gleichen Staate gelegenen Glassboro, dessen Bürgermeister sich kürzlich veranlasst sah, die gesamte städtische Polizei wegen der in ihr herrschenden Korruption Knall und Fall zu ent- lassen. Die radikale Massnahme hat natürlich riesiges Auf­sehen erregt, selbst bei den Freunden des Stadtoberhauptes. Seitdem sind denn auch noch nie so viele Einbrüche in Glass- boro vorgekommen, und die Verbrecher haben gute Tage, da sie v->r der rächenden Hand der heiligen Hermandad sicher sind. ' vor der alsbald zum Selbstschutz gegründeten Bürger- goröe müssen sie sich etwas in acht nehmen. Aber wer weiß, wie lange diese noch besteht. Daun löst der Herr Bürgermeister. Mch. diele «L-

Don derWalzerdynastie- Slrauk

WieDie blau« Donau" entstand.

Bon Johann Strauss.

Es gibt in der Tanzmusik genau wie in der Kleidung eine Mode, die beinahe ebenso oft wechselt. Die Nachfrage nach dem, was die Amerikanerheisse" Jazzmusik nennen, hat schnell nachgelassen, und langsame Tänze werden wieder mo­dern. Schliesslich ist Tanzen ein graziöser Zeitvertreib und nicht die Entschuldigung für Arm- und Schulterverdrehungen zu einer Musik, die zuckt und stößt, als ob die Musikanten auf einem bockenden Esel säßen.

Die Volkstümlichkeit des Tangos, des HaleS und besonders das Wiederauftauchen des Walzers weisen darauf hin, dass eine neue Aera der langsamen Tanzmusik im Entstehen be­griffen ist. Bor rund 100 Jahren entstand der erste Walzer, und wenn er auch eine kurze Zeit des Niedergangs erlebte, so hat er doch nie die Gewalt gänzlich über die Menschen ver­loren. Ich bin stolz, einer Familie anzugehören, deren Name mit den frühesten Anfängen des Walzers verknüpft ist.

Die erste» Wiener Walzer entstanden durch den Wett­streit zweier Musiker. Mein Großvater, Johann, mochte einen Walzer, den Lanner komponiert hatte, nicht leiden, und gab seiner Abneigung darin Ausdruck, dass er mit einem anderen Walzer antwortete. Er meinte. LannerS Tan; sei nicht na­tional genug, und gab daher seiner eigenen Musik etwas von dem Feuer und dem Geist, die Wien eigentümlich sind.

Lanner antwortete wieder mit einem anderen Tanz, und für einige Zeit fochten die beiden Musiker znm grössten Ver­gnügen des Publikums einen regelrechten Walzerkampf au». Schliesslich gewann aber doch mein Großvater, und seine Tra­dition besteht nun seit mehr als hundert Jahren. Die Walzer­form ist von berühmten Männern, wie Chopin, Schubert und Brahms, gewahrt worden.

Die drei Söhne meines Großvaters traten in seine Fuß- stapsen und schrieben ungefähr hundert Walzer. Mein Lnkel Johann war d:r volkstümlichste Komponist: seineBlaue Donau" ist wohl das bekannteste Musikstück der Welt und wert, gleich nach WebersAufforderung zum Tanz" genannt zu werde«.

Seltsamerweise gefielDie Blaue Donau", als sie zuerst gespielt wurde, gar nicht. Oesterreich war gerade von Preuße» geschlagen worden, und der Text derBlauen Donau" sollte der Nation zum Trost dienen. Leider gelang eS dem Librettisten nur» pathetisch zu wirken, und die Zuhörer pfiffen das Stück ans. Die dummen Worte hinderten sie, die belebende Schön­heit der Musik zu erkennen. Mein Onkel wusste, dass er ein Meisterstück komponiert hatte, und versuchte, es am nächsten Abend noch einmal zu spielen. Doch eS wurde noch schlechter ausgenommen, und der Kapellmeister nannte esblödsinnig". Solche Behandlung hätte den grössten Musiker entinuligt, avcr mein Onkel merkte bald, dass nicht die Musik, sondern der Text an allem schuld war. Er fand ein neues Gedicht von Gil­bert, man versuchte noch einmal den Walzer vorzuspiclen und siehe da, es wurde ein grosser Erfolg.

In kurzer Zeit hatte sich der Schlager jede europäische Stadt erobert, und kein Ball durfte vergehen, ohne dasDie Blaue Donau" gespielt wurde. ES war oer Walzer, von dem jedes junge Mädchen hoffte, daß es ihn mit dem Erwählten des Herzens tanzen würde.

Mein Onkel schrieb nicht weniger als 494 Walzer, so daß der moderne Walzerliebhaber keinen Mangel an Stoff hat. Nicht alle seine Kompositionen sind gleich gut, doch sehr viele besser als irgend etwas, was in der Art geschrieben wurde.

Die meisten Musiker müssen lange warten, bis sie ent­deckt werden, mein Onkel aber war schon zu seiner Zeit sehr volkstümlich, und in seinem Haufe traf ich die grössten Mu­siker jener Zeit. Der berühmte Johannes Brahms erwies sich als ein ihm verwandter Geist, wie es seineFestouvcrtüre" zeigt. Ich erinnere mich, dass ein junges Mädchen ihn einst um ein Autogramm bat. Er nahm den Bleistift, versank eine» Augenblick in Nachdenken, und schrieb dann die ersten Noten derBlauen Donau" und darnnterLeider nicht von mir -- Johannes Brahms". Für meinen Onkel war daS ein grosses Kompliment, da eS von einem Manne kam, der selbst viele herrliche Walzer geschrieben hatte.

Auch mir machte der Meister einmal ein Kompliment. Mein Onkel zeigte ihm seine letzte Komposition, nnd ich wurde gebeten, sie zu spielen. Beinahe zu Tränen gerührt, umarmte Brahms meinen Onkel und sagte, zu mir gewandt:Ich danke Ihnen! Nur ein Strauß kann Strauss'sche Walzer so spielen."

Merkwürdigerweise wurde jeder Strauß vor oem Beruf eines Musikers gewarnt. Der erste Johann riet seinen beiden Söhnen, irgend einen Beruf zu wählen, der mehr einbrächre als Musik. Aber beide triumphierten über jedes Hindernis. Mein Onkel wurde der bekannteste Komponist leichter Musik, und mein Vater dirigierte das Orchester auf Hofbällen.

Als ich jung war und zum ersten Mal die Neigung spürte, Musik als Beruf zu wählen, versuchte mein Vater mir abzu- ratcn und sagte, dass eine NechtsanwaltSlaufbahn ganz gewiss sicherer wenn auch weniger romantisch sei. Ich stnoierte auch Jura, obgleich meine ganze Seele der Musik gehörte, als ein Zufall mir zu Hilfe kam. Mein Vater befand sich gerade auf einer Tournee in Amerika, hatte dort einen Unfall und konnte nicht weiter dirigieren. Die Konzertverwaltung, die eine Riesen-Zuhörerschast zu enttäuschen fürchtete, fragte, ob ich nicht den Taktstock ergreifen könnte, und mein Vater stimmte zu.

Ich erkannte meine Möglichkeit, die vielleicht die einzig« in meinem Leben sein würde, und legte meine ganze Seele in diese Aufgabe. Das Konzert wurde ein grosser Erfolg» und ich beendete die Tournee für meinen Vater.

Als wir nach Oesterreich zurückkchrten, gab uns Kaiser Franz Joseph eine Audienz und drückte seine Freude darüber aus, oass ich in die Fussstapfen meines Vaters getreten war und so dieWalzerdynastie Strauß" fortgesetzt werden konme. Aber dennoch folgte ich dem Beispiel meines Vaters und riet meinem Sohne ab, Musiker zu werden. Er ist jetzt Ingenieur» doch will ich die Möglichkeit nicht ableugnen, dass auch er sich früher oder später der Musik zuwendet.

Ich habe wenig komponiert, obgleich ich als lunger Mann oft dazu verlockt wurde. Doch wenn ich jetzt zurückschaue, dann freue ich mich, dass ich nicht viel geschaffen habe, denn ich habe nicht die Begabung meines Onkels und möchte nicht nur den Familiennamen ausnützen. Ich stellte fest» dass cs nicht immer ein Vorteil ist, der Sohn eines bekannten Musikers zu sein, denn ein Vergleich wird niemals ausbleibcn. Als ich Opus 15 beendet hatte, entschloss ich mich, nicht mehr zu komponieren, sondern mich der An,gäbe zu widmen, die Werke grösserer Komponisten wiederzugcben.

Ich glaube, dass die Zeit, in der das Publikum aufpeit- schende Musik verlangte, vorbei ist. Nach der schweren TagcS- arbeit hört cs lieber beruhigende als aufregende Weisen, und der besondere Charakter des Wiener Walzers liegt darin, dass er sehr sanft und doch unwiderstehlich alsAufforderung zum Tanz" wirkt. Die bekannten Walzer wurden mit den Jahren nicht unmodern. Sie sind klassisch geworden und die Musik, .nach der unsere Grosseltern tanzten, wird jetzt in den grösste«. iKonjerthalleu vom Svmvbouieorcbe ster acivicltt. - - *